Normen
B-VG Art130 Abs2;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z8;
FrG 1997 §36 Abs2;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §37;
EMRK Art6 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
B-VG Art130 Abs2;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z8;
FrG 1997 §36 Abs2;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §37;
EMRK Art6 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid verhängte die belangte Behörde über die Beschwerdeführerin, eine albanische Staatsangehörige, ein auf § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, gestütztes und auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot. Begründend stellte sie fest, die Beschwerdeführerin sei am 27. Dezember 1995 illegal in das Bundesgebiet eingereist und habe einen Asylantrag gestellt. Die Beschwerdeführerin verfüge über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG, das Asylverfahren sei noch beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig.
Mit Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 6. Oktober 1998 sei die Beschwerdeführerin wegen §§ 127, 131 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von acht Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Aus der diesbezüglichen, der belangten Behörde "vorliegenden" (den Verwaltungsakten allerdings nicht angeschlossenen) Urteilsschrift gehe hervor, dass die Beschwerdeführerin (nach der aktenkundigen Strafanzeige: am 19. Juni 1998) in einem Bekleidungsgeschäft gemeinsam mit einer weiteren Person im bewussten und gewollten Zusammenwirken diverse Bekleidungsstücke mit einem Gesamtwert von öS 4.652,-- weggenommen habe, wobei die Beschwerdeführerin der Kaufhausdetektivin, als sie von dieser auf frischer Tat betreten worden sei, einen Schlag gegen den Oberkörper versetzt habe. Auf Grund dieser Verurteilung, so die belangte Behörde weiter, sei der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt. Davon ausgehend sei ungeachtet der vom Gericht ausgesprochenen bedingten Nachsicht der Strafe nach § 43 StGB zu prüfen, ob der Aufenthalt der Beschwerdeführerin gemäß § 36 Abs. 1 Z. 1 FrG die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährde. Die Beschwerdeführerin habe sich beim genannten Diebstahl, als sie von der Kaufhausdetektivin ertappt worden sei, von der Anhaltung durch einen Schlag gegen Letztgenannte entziehen und flüchten wollen, was die besonders sozialschädliche Neigung der Beschwerdeführerin zeige. Wegen dieses Verhaltens sei davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin auch in Zukunft eine Gefahr für das Eigentum und für die körperliche Unversehrtheit Anderer darstellen werde. Da dem "keine ... positiven Sachverhaltselemente" gegenüber gestellt werden könnten, sehe sich die belangte Behörde außerstande, von ihrem Ermessen im Sinn des § 36 Abs. 1 FrG zugunsten der Beschwerdeführerin Gebrauch zu machen.
In Bezug auf § 37 FrG ging die belangte Behörde vom Besitz einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung der Beschwerdeführerin nach dem AsylG sowie vom Aufenthalt des Ehegatten der Beschwerdeführerin und ihrer drei in Österreich geborenen Kinder im Bundesgebiet aus. Während der Ehemann der Beschwerdeführerin rechtmäßig (nach dem Vorbringen im Verwaltungsverfahren: seit 1991) in Österreich aufhältig sei und hier einer Beschäftigung nachgehe, seien für die Kinder der Beschwerdeführerin "aus der Fremdenakte jedoch keine Aufenthaltsbewilligungen ersichtlich". Zwar werde mit der Verhängung des Aufenthaltsverbotes in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin eingegriffen, im Hinblick auf das erwähnte strafbare Verhalten sei die aufenthaltsbeendende Maßnahme jedoch zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten. Aus Sicht der belangten Behörde sei es nämlich "nicht verantwortbar", der Beschwerdeführerin die Möglichkeit zu geben, "möglicherweise ihre kriminellen Machenschaften in Österreich fortzuführen". Wegen der Missachtung strafrechtlicher Bestimmungen erachte die belangte Behörde somit ein Fernhalten der Beschwerdeführerin vom Bundesgebiet für die Dauer von fünf Jahren für notwendig.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der ihre Behandlung mit Beschluss vom 27. November 2000, B 1461/00-6, abgelehnt und sie mit Beschluss vom 16. Jänner 2001, B 1461/00-9, an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten hat. Über die von der Beschwerdeführerin ergänzte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Voraussetzung für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 36 Abs. 1 FrG ist die auf bestimmte Tatsachen gegründete Prognose, dass der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit oder andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen (die nationale Sicherheit, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung, die Verhinderung von strafbaren Handlungen, den Schutz der Gesundheit und der Moral und den Schutz der Rechte und Freiheiten Anderer) erheblich gefährdet. Daraus folgt, dass die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Grund des § 36 Abs. 1 FrG nur dann in Betracht kommt, wenn ein solches erforderlich ist, um die festgestellte, vom Fremden ausgehende Gefahr im Bundesgebiet abzuwenden. In § 36 Abs. 2 sind demonstrativ Sachverhalte angeführt, die als bestimmte Tatsachen im Sinn des § 36 Abs. 1 leg. cit. gelten, bei deren Verwirklichung die dort genannte Annahme gerechtfertigt sein kann. Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist im Grund des § 36 Abs. 1 FrG das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die im Gesetz umschriebene Annahme gerechtfertigt ist (vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 8. November 2001, Zl. 2001/21/0039).
In der Beschwerde wird die von der belangten Behörde festgestellte Verurteilung der Beschwerdeführerin nicht bestritten und es wird auch der - zutreffenden - Ansicht nicht entgegen getreten, dass dadurch der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 (dritter Fall) FrG erfüllt sei.
Gegen die von der belangten Behörde getroffene Gefährlichkeitsprognose wendet die Beschwerde zunächst die bedingte Nachsicht der über die Beschwerdeführerin verhängten Freiheitsstrafe ein. Es sei unzulässig, dass sich die Fremdenpolizeibehörden im Rahmen der Beurteilung nach § 36 Abs. 1 FrG über die positive Zukunftsprognose des Strafgerichts, das anders als die Fremdenpolizeibehörde einen unmittelbaren Eindruck vom Täter gewonnen habe, hinwegsetze.
Diesem Vorbringen ist die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entgegen zu halten, nach der die Erwägungen des Strafgerichts zur (teil)bedingten Nachsicht der Strafe aus fremdenrechtlicher Sicht bei der Prüfung der Zulässigkeit eines Aufenthaltsverbotes nicht bindend sind. Vielmehr hat die Fremdenbehörde die erwähnte Zukunftsprognose eigenständig aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts vorzunehmen (vgl. aus vielen etwa das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2003, Zl. 2000/21/0221). Im letztzitierten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof zur Erläuterung seiner Rechtsansicht auf den Katalog des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG hingewiesen, in dem ausdrücklich auch die rechtskräftige Verurteilung zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten enthalten ist. Geht der Gesetzgeber aber grundsätzlich von der Zulässigkeit eines Aufenthaltsverbotes auch bei (teil)bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafen aus - siehe dazu auch den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 zweiter Fall FrG -, so kann ihm nicht gleichzeitig die Absicht unterstellt werden, die Fremdenpolizeibehörde müsse bei solchen Strafen infolge der Bindung an spezialpräventive Überlegungen der Strafgerichte vom Aufenthaltsverbot im Grund des § 36 Abs. 1 FrG Abstand nehmen (vgl. in diesem Zusammenhang auch das hg. Erkenntnis vom 19. November 2003, Zl. 2002/21/0152). Soweit die Beschwerdeführerin mit dem genannten Vorbringen aber geltend macht, die Gefährlichkeitsprognose setze einen unmittelbaren Kontakt der Fremdenpolizeibehörde mit dem Fremden voraus und damit die Verfahrensgarantien des Art. 6 EMRK anspricht, so ist ihr zu erwidern, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 5. Oktober 2000 - Maaouia gegen Frankreich, ÖJZ 2002/109 (MRK), ausgesprochen hat, dass Entscheidungen betreffend den Eintritt, den Aufenthalt und die Ausweisung von Fremden nicht die Entscheidung von zivilrechtlichen Ansprüchen und Verpflichtungen eines Beschwerdeführers oder die Entscheidung über eine strafrechtliche Anschuldigung gegen ihn im Sinn des Art. 6 Abs. 1 MRK betreffen (vgl. hiezu aus der hg. Judikatur etwa die Erkenntnisse vom 3. Juli 2003, Zl. 98/21/0167, und vom 24. Februar 2003, Zl. 2003/21/0006).
In der Sache bringt die Beschwerde gegen die Beurteilung nach § 36 Abs. 1 FrG vor, beim gegenständlichen Fehlverhalten habe es sich um einen einmaligen Vorfall gehandelt, der sich am Tag der Hochzeit der Beschwerdeführerin ereignet habe, als sie sich in angeheitertem Zustand befunden habe. Seit diesem Zeitpunkt habe sich die Beschwerdeführerin wohlverhalten.
Schon in der Berufung hat die Beschwerdeführerin die genannten Umstände ihres Fehlverhaltens vorgebracht. Ungeachtet dessen, dass sich die belangte Behörde mit diesem Vorbringen nicht auseinander gesetzt hat, ist der angefochtene Bescheid auch unter einem weiteren Gesichtspunkt mit einem wesentlichen Verfahrensmangel behaftet. Zu Recht macht die Beschwerde geltend, dass es die belangte Behörde unterlassen hat, Ermittlungen zum Aufenthaltsrecht der Kinder der Beschwerdeführerin anzustellen und eine Interessenabwägung nach § 37 Abs. 2 FrG vorzunehmen (vgl. zur Rechtserheblichkeit des Bestehens einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung von Familienangehörigen für die genannte Interessenabwägung das hg. Erkenntnis vom 11. Dezember 2003, Zl. 2002/21/0070).
Der angefochtene Bescheid war daher nach dem Gesagten wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG Abstand genommen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 27. Jänner 2004
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