VwGH 2002/21/0152

VwGH2002/21/015219.11.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Wechner, über die Beschwerde des B, vertreten durch Dr. Farid Rifaat, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schmerlingplatz 3, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 1. Juli 2002, Zl. Fr 858/2000, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z7;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z7;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen sudanesischen Staatsangehörigen, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot und stützte es im Spruch des Bescheides auf § 36 Abs. 1 Z. 1 und 2 und Abs. 2 Z. 7 sowie §§ 37 Abs. 1 und Abs. 2, 38 und 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75.

Zur Begründung dieser Maßnahme führte sie auf das Wesentliche zusammengefasst aus: Der Beschwerdeführer sei nach seinen Angaben am 30. Oktober 1999 illegal in das Bundesgebiet eingereist. Sein Asylantrag sei letztinstanzlich mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 10. März 2000 abgewiesen worden. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 19. Februar 2002 sei er rechtskräftig nach § 27 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 2 Suchtmittelgesetz zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt worden. Dieser Verurteilung sei zu Grunde gelegen, dass der Beschwerdeführer in der Zeit von Sommer 2000 bis Frühjahr 2001 in Wien gewerbsmäßig Suchtgifte Anderen überlassen habe, indem er in etwa fünf bis zehn Angriffen jeweils zwei bis drei Kugeln Heroin und Kokain an einen abgesondert verfolgten Täter verkauft und weiters in zumindest zwei bis drei Fällen an Unbekannte geringe Mengen Heroin und Kokain verkauft habe. Durch diese Verurteilung sei der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt.

Weiters sei der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 7 FrG verwirklicht, weil der Beschwerdeführer den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermocht habe; er sei auch nicht rechtmäßig in das Bundesgebiet zur Arbeitsaufnahme eingereist und auch nicht innerhalb des letzten Jahres im Inland mehr als sechs Monate einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen. Er habe lediglich angegeben, dass er in einer Caritas-Unterkunft wohnen und Unterkunft und Verpflegung kostenlos zur Verfügung gestellt bekommen würde. Zusätzlich bekäme er vom Sozialamt monatlich EUR 87,21 und er hätte gelegentlich einen Job als Prospektverteiler oder als Verteiler der Zeitschrift "Megaphon". Durch die letztgenannte Tätigkeit beziehe er nach seinen Angaben ein durchschnittliches monatliches Einkommen von EUR 218,02. Der Bezug von Sozialhilfe untermauere geradezu die Ansicht der Erstbehörde, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 7 FrG verwirklicht sei.

Bei der Beurteilung des Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers liege es auf der Hand, dass der Aufenthalt eines Fremden, der anscheinend versuche, sich durch gewerbsmäßigen Handel mit Suchtmitteln sein Fortkommen im Bundesgebiet zu sichern, eine nicht zu tolerierende Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit bedeute. Der Beschwerdeführer habe im Bundesgebiet keine familiären Bindungen und gehe keiner erlaubten Beschäftigung nach. Wie sich aus seinen persönlichen Verhältnissen ergebe, würde sich bereits eine Erörterung erübrigen, ob das Aufenthaltsverbot im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG dringend geboten und nach § 37 Abs. 2 FrG zulässig sei, weil keinesfalls in relevanter Weise in sein Privat- oder Familienleben eingegriffen werde. Aber selbst wenn ein solcher Eingriff vorläge, könne es keinem Zweifel unterliegen, dass zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen sowie zum Schutz der Gesundheit (Art. 8 Abs. 2 EMRK) die Verhinderung des Aufenthaltes "undokumentierter, mittelloser, illegal ins Bundesgebiet gelangter und sich hier nicht rechtmäßig aufhaltender und straffällig gewordener Fremder dringend geboten ist". Unter Abwägung aller Tatsachen wögen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers. Weiters sah sich die Behörde wegen des sehr hohen öffentlichen Interesses an der Beendigung des Aufenthaltes des Beschwerdeführers außer Stande, von dem ihr zustehenden Ermessen zu seinen Gunsten Gebrauch zu machen

Die unbefristete Dauer des Aufenthaltsverbotes begründete sie damit, dass wegen der bei Suchtgiftdelikten bestehenden großen Wiederholungsgefahr ein Wegfall der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit nicht vorhersehbar sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Eingangs ist anzumerken, dass die belangte Behörde das Aufenthaltsverbot im Spruch des angefochtenen Bescheides ausdrücklich (nur) auf den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 7 FrG stützte, demzufolge nur ein mit zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot zulässig gewesen wäre. Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides ist jedoch eindeutig abzuleiten, dass die belangte Behörde auch den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG als erfüllt angesehen und auch diesen Tatbestand, der die Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes erlaubt, dem Aufenthaltsverbot zu Grunde gelegt hat. Die Verletzung des § 59 Abs. 1 AVG hinsichtlich der dort geforderten Anführung der angewendeten Gesetzesbestimmungen steht aber nicht schlechthin unter der Sanktion der Rechtswidrigkeit, sondern nur unter der weiteren Voraussetzung, dass auch die Begründung des Bescheides Zweifel über die angewendeten Vorschriften nicht beseitigt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. Mai 1992, Zl. 91/09/0238).

Voraussetzung für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 36 Abs. 1 FrG ist die auf bestimmte Tatsachen gegründete Prognose, dass der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit oder andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen (die nationale Sicherheit, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung, die Verhinderung von strafbaren Handlungen, den Schutz der Gesundheit und der Moral und den Schutz der Rechte und Freiheiten Anderer) erheblich gefährdet. Daraus folgt, dass die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nach § 36 Abs. 1 FrG nur dann in Betracht kommt, wenn ein solches erforderlich ist, um die festgestellte, vom Fremden ausgehende Gefahr im Bundesgebiet abzuwenden. In § 36 Abs. 2 FrG sind demonstrativ Sachverhalte angeführt, die als bestimmte Tatsachen im Sinn des § 36 Abs. 1 leg. cit. gelten, bei deren Verwirklichung die dort genannte Annahme gerechtfertigt sein kann. Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahingehend vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei der Entscheidung, ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, ist Ermessen zu üben, wobei die Behörde vor dem Hintergrund der gesamten Rechtsordnung auf alle für und gegen das Aufenthaltsverbot sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2001, Zl. 99/21/0349).

Die Beschwerde tritt den behördlichen Feststellungen nicht entgegen. Aus diesem Grund bestehen keine Bedenken, dass angesichts der rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von acht Monaten der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 dritter Fall FrG erfüllt ist.

Es bestehen aber auch keine Bedenken gegen die - in der Beschwerde nicht relevierte - Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 7 FrG erfüllt sei, hätte doch der Beschwerdeführer nachweisen müssen, inwieweit sein Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes gesichert ist. Hinweise für eine Unterstützung des Beschwerdeführers durch einen karitativen Leistungsträger reichen aber nicht aus, um den Unterhalt als gesichert ansehen zu können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2001, Zl. 2001/21/0158). Auch aus dem behaupteten - geringen - durchschnittlichen Einkommen kann eine Unterhaltssicherung nicht abgeleitet werden; außerdem untermauert der Bezug von Sozialhilfe das Vorliegen des Tatbestandes des § 36 Abs. 2 Z. 7 FrG (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 15. Oktober 2002, Zl. 99/21/0290).

Nach ständiger Rechtsprechung ist aus der Mittellosigkeit eines Fremden die Gefahr abzuleiten, dass er seinen Unterhalt - wie hier verwirklicht - im Weg strafbarer Handlungen zu finanzieren versuche und die Republik Österreich finanziell belaste (vgl. auch dazu das Erkenntnis Zl. 99/21/0290). Aus diesem Grund und angesichts der besonderen Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität (vgl. auch dazu das bereits zitierte Erkenntnis Zl. 99/21/0349) hegt der Gerichtshof keine Bedenken gegen die Annahme der belangten Behörde, dass der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährde oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderlaufe (§ 36 Abs. 1 FrG).

Auch der Umstand, dass die über den Beschwerdeführer verhängte Freiheitsstrafe zur Gänze bedingt nachgesehen worden ist, führt nicht zu einer Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides. Zum einen ist die zur Vollziehung des Fremdengesetzes zuständige Behörde bei der Prüfung der Frage, ob die von einem Fremden begangene Straftat die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme rechtfertige, nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. auch dazu das Erkenntnis Zl. 99/21/0349) nicht an die für die Gewährung der bedingten Strafnachsicht maßgeblichen Erwägungen des Gerichtes gebunden; sie hat diese Frage vielmehr eigenständig und ausschließlich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes zu beurteilen. Zum anderen geht die Zulässigkeit eines auf eine bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe gestützten Aufenthaltsverbotes schon aus dem Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 dritter Fall FrG hervor.

Entgegen der Beschwerdemeinung ist kein Umstand ersichtlich, der die belangte Behörde hätte veranlassen müssen, von dem ihr eingeräumten Ermessen zu Gunsten des Beschwerdeführers Gebrauch zu machen und vom Aufenthaltsverbot abzusehen.

Die Beurteilung der belangten Behörde nach § 37 FrG wird in der Beschwerde nicht releviert. Selbst unter der Annahme eines aus dem ca. dreijährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides ableitbaren, mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriffs in sein Privatleben können seine privaten Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet keinesfalls höher bewertet werden als das besonders große öffentliche Interesse an der Unterbindung der Suchtgiftkriminalität.

Letztlich wendet sich die Beschwerde gegen die unbefristete Erlassung des Aufenthaltsverbotes. Gemäß § 39 Abs. 1 FrG kann das Aufenthaltsverbot in den Fällen des § 36 Abs. 2 Z. 1 und 5 unbefristet, in den Fällen des § 36 Abs. 2 Z. 9 für die Dauer von höchstens fünf Jahren, sonst nur für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden. Nach ständiger hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 17. September 2002, Zl. 2002/18/0155) ist ein Aufenthaltsverbot unter Bedachtnahme auf § 39 Abs. 1 FrG für jenen Zeitraum, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird, und auf unbestimmte Zeit (unbefristet) zu erlassen, wenn ein Wegfall des Grundes für seine Verhängung nicht vorhergesehen werden kann. Als auch für die Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes bedeutsame Umstände kommen das konkret gesetzte Fehlverhalten und die daraus resultierende Gefährdung öffentlicher Interessen sowie die privaten und familiären Interessen im Sinn des § 37 FrG in Betracht. Angesichts des vom Beschwerdeführer, dessen persönliche Interessen am Verbleib im Bundesgebiet nicht stark ausgeprägt sind, gewerbsmäßig begangenen Suchtgiftdelikts kann der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie die Auffassung vertrat, dass der Zeitpunkt des Wegfalls des für das Aufenthaltsverbot maßgeblichen Grundes nicht vorhergesehen werden könne und daher ein unbefristetes Aufenthaltsverbot zu erlassen sei. So hatte der Gerichtshof im bereits angesprochenen Beschwerdefall 99/21/0349 keine Bedenken gegen die unbefristete Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, dem gleichfalls eine Verurteilung zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von acht Monaten (u.a. wegen des Vergehens nach § 27 Abs. 1 SMG) zu Grunde lag.

Soweit der Beschwerdeführer der belangten Behörde Verfahrensmängel vorwirft, unterlässt er es darzulegen, zu welchen weiteren, zu einem für ihn günstigen Ergebnis führenden Feststellungen die belangte Behörde hätte gelangen können. Die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel wird daher nicht dargetan.

Da somit dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 19. November 2003

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