Normen
AsylG 1997 §23;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FlKonv Art1 AbschnA2 Z2;
FlKonv Art1 AbschnC;
FrG 1997 §57;
EMRK Art3;
AsylG 1997 §23;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FlKonv Art1 AbschnA2 Z2;
FlKonv Art1 AbschnC;
FrG 1997 §57;
EMRK Art3;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird im bekämpften Umfang (Spruchteil I) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, eine chinesische Staatsangehörige, gelangte am 28. März 1998 nach Österreich und stellte am 10. Juni 1998 einen Asylantrag. Diesen Antrag wies das Bundesasylamt mit Bescheid vom 18. März 1999 gemäß § 7 AsylG ab (Spruchpunkt I) und stellte gemäß § 8 AsylG fest, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin in die Volksrepublik China sei zulässig (Spruchpunkt II).
Die dagegen erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid hinsichtlich der Asylgewährung gemäß § 7 AsylG ab (Spruchteil I). Im Spruchteil II gab die belangte Behörde der Berufung hingegen Folge und stellte gemäß § 8 AsylG fest, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin in die Volksrepublik China sei nicht zulässig. Dem zufolge erteilte sie der Beschwerdeführerin gemäß § 15 Abs. 2 AsylG auch eine befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchteil III).
Die Begründung dieses Bescheides besteht weitgehend aus einer Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens, insbesondere des Vorbringens der Beschwerdeführerin und der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, ohne dass die belangte Behörde ausdrückliche Feststellungen getroffen und eine Beweiswürdigung vorgenommen hätte. Es ist daher davon auszugehen, dass die belangte Behörde der rechtlichen Beurteilung das (gesamte) Vorbringen der Beschwerdeführerin zumindest hypothetisch zugrundegelegt hat. Dieses Vorbringen stellt sich auszugsweise - soweit für die vorliegende Entscheidung relevant - wie folgt dar:
Die 1967 geborene Beschwerdeführerin stamme aus einem näher bezeichneten Ort in der Provinz Zhe-Jung. Im Mai 1991, als die Beschwerdeführerin im dritten Monat schwanger gewesen sei, habe die Behörde einen Heiratsantrag abgelehnt, weil ihr (späterer) im Oktober 1970 geborener Ehemann das vorgeschriebene Mindestalter von 22 Jahren noch nicht erreicht gehabt habe. Von dem Beamten sei der Beschwerdeführerin mitgeteilt worden, dass sie ihr Kind vor einer Heirat nicht zur Welt bringen dürfe und dass sie es abtreiben müsse. Als "Evangelikerin" - später gab die Beschwerdeführerin an, sie sei "evangelisch" - dürfe sie ein Kind aber nicht abtreiben lassen, "denn das Kind kommt von Gott, es wäre eine Sünde es abzutreiben", weshalb sie das Kind "unbedingt" zur Welt habe bringen wollen. Die Beschwerdeführerin sei jedoch festgenommen und gegen ihren Willen in einem Krankenhaus sofort ein Schwangerschaftsabbruch vorgenommen worden.
Die Beschwerdeführerin sei in der Folge wieder schwanger geworden. Da ihr Mann noch immer nicht "im heiratsfähigen Alter" gewesen sei, das Gesetz für diesen Fall vorsehe, dass sie weder heiraten noch ein Kind bekommen dürften, und sie Angst vor einer hohen Geldstrafe gehabt hätten, sei ihre (am 21. September 1992) geborene Tochter Yi nicht angemeldet worden. Sie lebe "bis heute noch illegal" (versteckt) bei den Schwiegereltern der Beschwerdeführerin. Diese müssten die Geldstrafe zahlen und das Kind offiziell anmelden, um ihm den Schulbesuch zu ermöglichen. (Einer Zeugenaussage im Berufungsverfahren zufolge soll diese Legalisierung mittlerweile erfolgt sein.)
Es sei zwar richtig, dass "das chinesische Gesetz" eine Zwangsabtreibung verbiete und von offizieller chinesischer Seite vorgebracht werde, es gebe keinen staatlichen Zwang zur Durchsetzung der Familienpolitik. Näher bezeichneten Länderberichten sei jedoch zu entnehmen, dass zwangsweise durchgeführte Schwangerschaftsabbrüche und Sterilisationen (von den für die Geburtenpolitik zuständigen lokalen Behörden) - vom Staat zumindest geduldet - nicht nur vereinzelt, sondern "verbreitet" vorgenommen würden und "durchaus üblich" seien. Ebenso zahlreich seien die Fälle von "Geiselnahme und unmenschlicher Behandlung" von Paaren, die wegen einer verbotenen Geburt verhängte hohe Geldstrafen nicht zahlen könnten oder die aus Furcht vor einer erzwungenen Abtreibung oder Sterilisation ihre Heimat verlassen hätten.
Die Beschwerdeführerin habe sich den staatlichen Richtlinien der Geburten- und Familienpolitik zweimal widersetzt, indem sie sich gegen die "staatlich verordnete" Abtreibung ausgesprochen und das zweite Kind illegal geboren habe, wobei ihre religiöse Grundeinstellung den Behörden bekannt sei. In Verbindung damit, dass sie die Volksrepublik China auf illegalem Weg verlassen habe, wofür unter bestimmten erschwerenden Gesichtspunkten eine einjährige Haftstrafe vorgesehen sei, erwarte die Beschwerdeführerin im Falle der Rückkehr nach China eine strenge Strafe, weil "in den angeführten Handlungen ihre negative Grundeinstellung zur chinesischen Politik deutlich sichtbar wird."
Da die Beschwerdeführerin durch ihre illegale Ausreise auffällig geworden sei, müsse sie von Seiten der Behörden mit einem strengeren Vorgehen rechnen, weil vermutet werde, dass sie sich dadurch der chinesischen Geburtenpolitik habe entziehen wollen.
Die Beschwerdeführerin habe im Falle ihrer Rückkehr deshalb und aufgrund ihres christlichen Glaubens und der Tatsache, dass sie bereits ein Kind zur Welt gebracht habe, mit Haft und einer Zwangssterilisation zu rechnen. Es würde ihr verwehrt, "als Frau zu leben", das heißt ein zweites Kind zu bekommen. Bei einer weiteren Schwangerschaft würde ihre Leibesfrucht zwangsweise abgetrieben bzw. an ihr eine zwangsweise Sterilisation vorgenommen werden. (Nach den im Bescheid wiedergegebenen Ausführungen des Sachverständigen komme nach der Abtreibung "oft gleich mit ihr als 'Zweipack' die Zwangssterilisation, entweder des Mannes durch Vasektomie oder der Mutter durch Tubenligatur.") Trete nach dem ersten Kind eine weitere Schwangerschaft auf, "so verlangt das Gesetz Abhilfemaßnahmen, sprich die Frau hat das Kind abzutreiben", widrigenfalls dies zwangsweise durchgeführt werde. Für die Beschwerdeführerin stelle es aber einen "unverzichtbaren Bestandteil ihres Glaubens dar, Kindern Leben schenken zu wollen."
Eine Anpassung an die chinesische "Ein-Kind-Politik" sei für sie "undenkbar". Ihre Glaubensüberzeugung verbiete es, die staatliche Einmischung in die Entscheidung, wie viele Kinder sie zur Welt bringe, hinzunehmen. Nach ihrer Überzeugung seien Kinder "Gottes Geschenke, die zurückzuweisen so etwas wie ein religiöser Frevel wäre." Damit sei "nicht gemeint, dass wir es eigens darauf anlegen, möglichst viele Kinder in die Welt zu setzen, sondern dass wir eben die Schwangerschaften, die Gott uns geschickt hat, annehmen." Für ihre Glaubensgemeinschaft gelte uneingeschränkt, dass das biblische Gebot ("Seid fruchtbar und mehret Euch") Vorrang vor den staatlichen Vorschriften hinsichtlich der Geburtenkontrolle habe.
Nachdem die Beschwerdeführerin bereits in einer vorangegangenen Berufungsverhandlung geäußert hatte, sie und ihr Ehemann "hegten nach wie vor den Wunsch nach Kindern," legte sie beim (letzten) Termin am 22. Oktober 2001 einen Mutter-Kind-Pass und eine ärztliche Bestätigung vor, wonach sie voraussichtlich am 22. Februar 2002 ein Kind gebären werde. Danach wurde protokolliert, der Vertreter der Beschwerdeführerin und der Verhandlungsleiter stimmten "in der Bewertung der bisherigen Ermittlungsergebnisse darin überein, dass als einzige reale Gefahr (...) gegenwärtig die Gefahr einer Zwangssterilisierung sowie, im Fall der Rückkehr (der Beschwerdeführerin) in die VR China noch zum Zeitpunkt aufrechter Schwangerschaft, auch eine zwangsweise Abtreibung des gegenwärtig von ihr ausgetragenen Kindes, (gegeben) sei." Daran anknüpfend verwies die Beschwerdeführerin abschließend darauf, dem Gutachten des Sachverständigen lasse sich entnehmen, dass selbst im achten Monat einer Schwangerschaft noch zwangsweise Abtreibungen durchgeführt würden und mit "Rückfallstätern" wie der Beschwerdeführerin "besonders streng" verfahren werde.
Überdies machte die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren auch die Gefahr einer religiösen Verfolgung wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer ("freien") evangelischen Glaubensgemeinschaft geltend, und zwar auch unabhängig von den durch die erwähnten, auf der "Ein-Kind-Politik" beruhenden Maßnahmen "bewirkten Auswirkungen auf ihr religiöses Empfinden". Die chinesischen Behörden würden Angehörige nicht registrierter Religionsgemeinschaften auf näher beschriebene Art "intensiv" verfolgen und diese seien "schlimmsten Schikanen" ausgesetzt, weil ihnen staatsfeindliche Tätigkeiten unterstellt würden. Die "Untergrundkirchen" hätten die chinesische Bevölkerungspolitik von jeher als "gegen das Gebot Gottes" verstoßend abgelehnt, weshalb sie gerade deswegen zum Zielpunkt "zahlreicher bis an Willkür reichender Sanktionen" geworden seien. Es sei der Beschwerdeführerin aus von ihr näher dargelegten Gründen nicht zumutbar, sich der staatlich anerkannten evangelischen Kirchengemeinschaft anzuschließen.
Im Anschluss an die Darstellung des Verfahrensganges und der Ermittlungsergebnisse begründete die belangte Behörde die Entscheidung im Asylteil - soweit sie sich mit der von der Beschwerdeführerin primär geltend gemachten Gefahr einer Verfolgung wegen Verstoßes gegen die "Ein-Kind-Politik" befasst - im Wesentlichen wie folgt:
"Die chinesische Ein-Kind-Politik zielt (...) auf eine Begrenzung des Bevölkerungswachstums zunächst des chinesischen Volkes (...), aber, angesichts des hohen Anteils der chinesischen Bevölkerung an der Weltbevölkerung, wesentlich auch auf eine Begrenzung des weltweiten Bevölkerungswachstums ab. Bei der Verfolgung dieses - mit der Satzung der Vereinten Nationen (BGBl Nr 120/1956) nicht grundsätzlich unvereinbaren (...) - Zieles unterscheidet die Volksrepublik China (...) zunächst nicht nach dem religiösen Bekenntnis derjenigen Personen, von denen die Befolgung dieser Politik verlangt wird. Ebenso wenig zielt die Durchsetzung dieser Politik primär auf eine Diskriminierung jener Personen ab, deren anders als religiös motivierter Wunsch es ist, mehr Kinder als nur eines zu haben.
Der unabhängige Bundesasylsenat kann nun auch nicht finden, dass die konsequente Gleichbehandlung solcher Personen, die (aus welchen, etwa auch religiösen, Gründen auch immer) einen mit der chinesischen 'Ein-Kind-Politik' unvereinbaren, starken Kinderwunsch hegen, mit solchen Personen, denen die Befolgung dieser Politik leichter fällt, d.h. die aus dieser Gleichbehandlung reflexhaft resultierende Mehrbelastung solcher Personen, denen die Befolgung dieser Politik subjektiv schwerer fällt, in asylrelevanter Weise objektiv unsachlich wäre, hängt doch die Erreichung des Ziels der Begrenzung des Bevölkerungswachstums offensichtlich von der weitestgehenden Befolgung der Ein-Kind-Politik ab, bzw. würde diese ineffektiv, genügte für eine Dispens von dieser die bloße Existenz eines (auch religiös motivierten) starken Kinderwunsches.
Es ist aber auch nicht etwa hervorgekommen, dass diese Gleichbehandlung tatsächlich in concreto aus einem der in Art. 1 lit A Z 2 GFK genannten Gründe in Ansehung der Berufungswerberin erfolgte, diese also aus einem dieser Gründe 'versteckt' - unter bloßer Vorspiegelung der Verfolgung des Zieles der 'Ein-Kind-Politik' - diskriminierte ((...); die vom Sachverständigen ... herausgestellte Gefahr, als Angehöriger einer der 's.g. nichtregistrierten relig. Gemeinschaften' Opfer 'der Willkür der Beamten vor Ort' zu werden, subsumiert der unabhängige Bundesasylsenat (...) nicht unter die Kategorie einer Verfolgung aus einem der in Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründe, sondern vielmehr unter jene einer sonstigen, unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK iVm § 8 AsylG iVm § 57 Abs. 1 FrG beachtlichen, unter Spruchteil II abzuhandelnden Gefahr, wird doch bei derartigem willkürlichen Handeln allenfalls zum Schein an einen asylrelevanten Grund angeknüpft, tatsächlich aber nicht Verfolgung aus dem betreffenden angeblichen Grund geübt, sondern ein anderer Zweck - der Sachverständige hat hier ... deutlich persönliche Bereicherung der 'Parteikader' genannt - verfolgt).
Die von der Volksrepublik China verfolgte, nicht offenkundig 'illegitime' 'Ein-Kind-Politik' stellt daher mangels Diskriminierung aus einem der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründe schon von vornherein keine 'Verfolgung' im Sinne dieser Konventionsstelle dar (weshalb auf die Frage, ob der Berufungswerberin dieses Verfahrens, im Falle ihrer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat, bei der Durchsetzung dieser Politik Eingriffe in unzumutbarer Intensität drohten, im Verfahren betreffend Spruchteil I des angefochtenen Bescheides nicht mehr einzugehen war)."
Die im (der Berufung insoweit stattgebenden) Spruchteil II nach § 8 AsylG in Verbindung mit § 57 Abs. 1 FrG vorgenommene Feststellung, mit der insbesondere die Gewährung von Abschiebungsschutz verbunden ist, begründete die belangte Behörde im Wesentlichen wie folgt:
"Das hier entscheidende Mitglied teilt die ... Auffassung des Berufungswerbervertreters jedenfalls insoferne, als auch seiner Ansicht nach der - (...) bis (jedenfalls) unmittelbar vor der Geburt drohende - zwangsweise Abbruch der gegenwärtigen Schwangerschaft der Berufungswerberin, im gegenwärtigen fortgeschrittenen Stadium, (auch) der Berufungswerberin selbst, (auch) im Lichte des Art. 3 EMRK, nicht zugemutet werden darf. Demnach war der Berufungswerberin schon aus diesem Grunde, in diesbezüglicher Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides, Refoulementschutz zu gewähren. Eine Auseinandersetzung mit der Tragfähigkeit der weiteren vorgebrachten Refoulementschutzgründe (betreffend ... drohende Zwangssterilisierung, aber auch betreffend sonstige Auswirkungen der gerade oben ... angesprochenen 'Willkür von Beamten') war daher zum gegenwärtigen Zeitpunkt entbehrlich (...)."
Gegen Spruchteil I dieses Bescheides richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
1. Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (FlKonv) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F FlKonv genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.
Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 FlKonv ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Der Verwaltungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass der Gesetzgeber trotz der dem Wortlaut nach auf den Begriff der "Verfolgung" beschränkten Verweisung in § 7 AsylG - von gesondert normierten Ausnahmen abgesehen - an die Gesamtheit der aufeinander bezogenen Elemente des Flüchtlingsbegriffes der Flüchtlingskonvention anknüpfen wollte. Diese Verweisung ist daher auch auf die in Art. 1 Abschnitt A Z 2 FlKonv genannten Gründe zu beziehen (vgl. zum Ganzen ausführlich das Erkenntnis vom 15. Mai 2003, Zl. 2001/01/0499).
2.1. Die belangte Behörde verneinte im gegenständlichen Fall das Vorliegen einer "Verfolgung im Sinne dieser Konventionsstelle". Dem liegt die Auffassung zugrunde, die von der Volksrepublik China verfolgte "Ein-Kind-Politik" sei "nicht offenkundig illegitim", und ihre Befolgung werde vom Staat - ohne dass dieser dabei (etwa) nach dem religiösen Bekenntnis unterscheide - von allen Personen verlangt. Es bestehe auch bei der Durchsetzung dieser Politik eine "konsequente Gleichbehandlung" und es erfolge keine Diskriminierung aus einem der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 FlKonv genannten Gründe.
2.2. Diese Betrachtungsweise greift insofern zu kurz, als sie einerseits die Schwere der von der Beschwerdeführerin befürchteten, offenbar extralegalen Maßnahmen (zwangsweise Abtreibung - hier sogar im fortgeschrittenen Stadium der Schwangerschaft - und zwangsweise Sterilisation) ausblendet und andererseits die Motive der Volksrepublik China für die "Ein-Kind-Politik" und deren Durchsetzung in den Vordergrund stellt, ohne den - für die Beurteilung eines Zusammenhanges mit einem der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 FlKonv genannten Gründe maßgeblichen - Motiven der Beschwerdeführerin für deren Nichtbefolgung Bedeutung beizumessen.
3.1. Entgegen der Meinung der belangten Behörde schließt die - offenbar auch in Ansehung der hier in Rede stehenden Zwangsmaßnahmen angenommene - Gleichbehandlung der Betroffenen und eine mangelnde Diskriminierungsabsicht das Vorliegen einer asylrelevanten Verfolgung ebenso wenig von vorne herein aus, wie die angenommene Legitimität des mit der Bevölkerungswachstumspolitik verfolgten Zieles. Auch die Anwendung einer durch Gesetz für den Fall der Zuwiderhandlung angeordneten, jeden Bürger gleich treffenden Sanktion kann nämlich unter bestimmten Umständen "Verfolgung" ("persecution") im Sinne der FlKonv aus einem der dort genannten Gründe darstellen (vgl. in diesem Sinne bereits das hg. Erkenntnis vom 25. März 1999, Zl. 98/20/0431; siehe auch das Erkenntnis vom 27. September 2001, Zl. 99/20/0409, mit dem Hinweis auf mehrere im Anschluss an das erstgenannte Erkenntnis ergangene Entscheidungen, und das Erkenntnis vom 21. November 2002, Zl. 99/20/0160, mit weiteren Nachweisen; zu "laws of general application" allgemein Goodwin-Gill, The Refugee in International Law2 (Nachdruck 1998), 52 f und 365 in Fußnote 153). Das gilt umso mehr für die Anwendung im Herkunftsstaat legal nicht vorgesehener - nach den Ausführungen des Sachverständigen: verbotener - Maßnahmen wie der hier zu beurteilenden, zur Durchsetzung der Bevölkerungswachstumspolitik von den lokalen Behörden in der Volksrepublik China (angeblich) vorgenommenen Zwangsabtreibungen und Zwangssterilisationen (vgl. dazu unter dem Gesichtspunkt "laws of general application" aus der internationalen Rechtsprechung beispielsweise die Entscheidung des kanadischen Federal Court of Appeal vom 1. April 1993, "Cheung v. Canada" und darauf bezugnehmend die dissenting opinion von La Forest in der Entscheidung des Supreme Court of Canada vom 19. Oktober 1995 im Fall "Chan" sowie die Entscheidung des High Court of Australia vom 24. Februar 1997 im Fall "Applicant A").
3.2. Im Erkenntnis vom 21. März 2002, Zl. 99/20/0401, Punkt 2., hat sich der Verwaltungsgerichtshof - in einem die Desertion und Wehrdienstverweigerung im Irak unter dem Regime von Saddam Hussein betreffenden Fall - den (dort dargestellten) Ausführungen von Ulrike Davy (Suffolk Transnational Law Review, Vol. XVIII No. 1 (Winter 1995) 94 ff, 109 ff, 121 ff) angeschlossen. Danach seien der Durchsetzung der Wehrpflicht dienende Vorschriften, in denen keine Möglichkeit zur Ableistung eines Ersatzdienstes vorgesehen sei, nur scheinbar neutral und bezogen auf Wehrdienstverweigerer und Deserteure brächten sie zum Ausdruck, dass deren allfällige politische oder religiöse Beweggründe nicht toleriert würden. Die vorherrschende Ansicht, den damit verbundenen Sanktionen fehle - im Normalfall - auch gegenüber Personen mit solchen Beweggründen die Asylrelevanz, beruhe auf dem Konsens über die Legitimität der Durchsetzung der Wehrpflicht auch gegenüber Personen, die dieser Pflicht nur unter Verstoß gegen ihre Überzeugungen gehorchen könnten. Es fehle in solchen Fällen nicht am Zusammenhang mit einem Konventionsgrund, sondern am Verfolgungscharakter der Sanktionen, wobei entscheidend sei, dass es bisher kein international anerkanntes Recht auf Wehrdienstverweigerung gebe.
Daran anknüpfend vertrat der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht, dass auch die Gefahr einer allen Wehrdienstverweigerern bzw. Deserteuren im Herkunftsstaat gleichermaßen drohenden Bestrafung (unter anderem) dann zur Asylgewährung führen könne, wenn das Verhalten des Betroffenen im Einzelfall auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruhe und den Sanktionen - wie etwa bei der Anwendung von Folter - jede Verhältnismäßigkeit fehle. Sei Letzteres der Fall, so könne dies aber auch auf der - generellen - Unterstellung einer oppositionellen Gesinnung beruhen, womit unabhängig von einer der Wehrdienstverweigerung bzw. Desertion im konkreten Fall wirklich zugrunde liegenden religiösen oder politischen Überzeugung der erforderliche Zusammenhang zu einem Konventionsgrund gegeben wäre. (vgl. auch Punkt 4. des zitierten Erkenntnisses zum Gesichtspunkt unverhältnismäßig strenger Strafen im Zusammenhang mit der Gefahr einer Verfolgung wegen unerlaubter Ausreise aus dem Irak).
4. Diese Erwägungen lassen sich - ausgehend von der dem Bescheid der belangten Behörde zugrunde liegendenden Annahme der grundsätzlichen Legitimität einer "Ein-Kind-Politik" - auch auf den vorliegenden Fall übertragen: Die Gefahr einer allen Betroffenen gleichermaßen drohenden Bestrafung wegen Nichtbefolgung der chinesischen Bevölkerungswachstumspolitik kann daher asylrelevant sein, wenn das Verhalten des Betroffenen im Einzelfall auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht und den Sanktionen - abgesehen von dem schon erwähnten Gesichtspunkt ihrer möglichen Gesetzwidrigkeit auch nach dem Recht des Herkunftsstaates - jede Verhältnismäßigkeit fehlt (vgl. unten Punkt 4.2.1.). Ist Letzteres der Fall, so kann das aber auch auf der (generellen) Unterstellung einer oppositionellen Gesinnung beruhen, womit unabhängig von einer der Ablehnung der "Ein-Kind-Politik" im konkreten Fall wirklich zugrunde liegenden religiösen oder politischen Überzeugung der erforderliche Zusammenhang zu einem Konventionsgrund gegeben wäre (vgl. unten Punkt 4.2.2.).
4.1. Mit der Frage der Verhältnismäßigkeit der von der Beschwerdeführerin befürchteten Maßnahmen hat sich die belangte Behörde nicht auseinandergesetzt. Sie ist allerdings bei ihrer Entscheidung zum Abschiebungsschutz davon ausgegangen, dass der damals (im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides durch Verkündung am 22. Oktober 2001) "im fortgeschrittenen Stadium" (zu Beginn des sechsten Monats) schwangeren Beschwerdeführerin im Falle ihrer Abschiebung in die Volksrepublik China die zwangsweise Vornahme eines Abbruches der Schwangerschaft drohe, und sie hat - zu Recht - die Auffassung vertreten, dies dürfe der Beschwerdeführerin "(auch) im Lichte des Art. 3 EMRK" nicht zugemutet werden. Für den Verwaltungsgerichtshof besteht aber auch kein Zweifel daran, dass ein gegen den Willen der Betroffenen (zwangsweise) vorgenommener Schwangerschaftsabbruch ebenso wie eine auf diese Art durchgeführte Sterilisation als völlig unverhältnismäßige Maßnahmen zur Verwirklichung der Ziele einer Bevölkerungswachstumspolitik auch eine "Verfolgung" im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 FlKonv bedeuten (vgl. dazu etwa unter Verwertung der damals vorliegenden amerikanischen und kanadischen Rechtsprechung Jeanne Donald, "Prosecution or Persecution? Political Offenders and the 1951 Convention Refugee Definition" (1996) RefNZ Reference (Papers on New Zealand refugee jurisprudence), Kapitel 4.4. "China's One Child Family Policy:
Forced Sterilization and Forced Abortion", Abs. 138: danach ist es allgemein akzeptiert, dass Zwangsabtreibung und Zwangssterilisation jeweils eine ernste Verletzung von Menschenrechten darstellen und als "Verfolgung" iSd FlKonv ("persecution") zu qualifizieren sind; in diesem Sinne etwa auch der High Court of Australia in der schon erwähnten Entscheidung im Fall "Applicant A").
4.2. Die Begründung des angefochtenen Bescheidteiles wirft somit letztlich nur die Frage nach der Abgrenzung des gemäß § 57 Abs. 1 FrG ("im Lichte des Art. 3 EMRK") gewährten Abschiebungsschutzes gegenüber den Voraussetzungen für die Asylgewährung unter dem Gesichtspunkt des von der belangten Behörde auch angenommenen Fehlens eines der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 FlKonv genannten Gründe auf.
4.2.1. Dem oben wiedergegebenen Vorbringen der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren ist zu entnehmen, dass die "Ein-Kind-Politik" den von ihrer Religion postulierten Grundsätzen widerspreche; die Beschwerdeführerin habe diese Politik aufgrund ihres Glaubens und ihrer religiösen Überzeugung abgelehnt. Beruht das Verhalten des Betroffenen im Einzelfall aber auf seinen religiösen Überzeugungen, dann treffen ihn die deshalb verhängten Sanktionen wegen ("for reasons of") seiner Religion. Es kommt diesfalls nicht auf die Motive des Verfolgers an (vgl. zu diesem Thema zuletzt etwa Michelle Foster, "Causation in Context: Interpreting the Nexus Clause in the Refugee Convention", Michigan Journal of International Law (Winter 2002) 265). Die belangte Behörde hätte somit im vorliegenden Fall - ausgehend vom Vorbringen der Beschwerdeführerin - schon das Vorliegen eines ausreichenden Zusammenhanges mit dem Konventionsgrund "Religion" nicht verneinen dürfen.
4.2.2. Die belangte Behörde hätte aber - unabhängig von der gerade erörterten, hier fallbezogen gegebenen Anknüpfung an den Konventionsgrund "Religion" - angesichts der aufgezeigten Unverhältnismäßigkeit einer Zwangsabtreibung und Zwangssterilisation auch in Betracht ziehen müssen, dass die Anwendung dieser Maßnahmen, sofern sie tatsächlich mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht, auf der generellen Unterstellung einer oppositionellen Gesinnung der Betroffenen beruhen könnte, weil die Nichtbefolgung der "Ein-Kind-Politik" von den staatlichen Behörden unter den besonderen Verhältnissen in der Volksrepublik China als ein - eine oppositionelle Gesinnung zum Ausdruck bringender - politischer Akt angesehen wird (vgl. in diesem Sinn etwa Jeanne Donald, aaO, insbesondere Abs. 139 und 136 ff; siehe auch den Hinweis von David Ryken and Jeanne Donald, "Developments in Refugee Law Relating to the Interpretation of the Term 'Social Group' with Particular Reference to Gender-Based Persecution and Persecution on the Basis of Sexual Orientation - A New Zealand Perspective" (2001) RefNZ Reference, Abs. 21; vgl. auch Goodwin-Gill, aaO, 364, Fußnote 152). Dabei wäre fallbezogen darauf Bedacht zu nehmen gewesen, dass die Beschwerdeführerin - wie sie behauptet hat - auch wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer staatlich nicht anerkannten Glaubensgemeinschaft und wegen des illegalen Verlassens ihres Heimatlandes einer politisch oppositionellen Haltung verdächtigt werden könnte (vgl. in diesem Zusammenhang die Ausführungen des Sachverständigen, wonach "alles zusammen genommen" auch "auf die politische Ebene gehoben" werden und zu einer Anklage als "Kontrarevolutionäre" führen könne).
4.2.3. Die Beschwerdeführerin hat schließlich auch wiederholt den Konventionsgrund "Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe" geltend gemacht und sich in diesem Zusammenhang auf näher zitierte internationale Rechtsprechung berufen (vor allem auf bekannte, oben auch erwähnte Fälle aus der kanadischen Judikatur; siehe dazu Krista Daley and Ninette Kelley, "Particular Social Group: A Human Rights Based Approach in Canadian Jurisprudence", International Journal of Refugee Law Vol. 12 No. 2 (Juli 2000) 148; aus der letzten Zeit allgemein zu diesem Konventionsgrund Alexander Aleinikoff, "Membership of a particular social group" in Feller/Türk/Nicholson (Hrsg) Refugee Protection in International Law, UNHCR's Global Consultations on International Protection (2003) 261, und James C. Hathaway and Michelle Foster, "Membership of a Particular Social Group", International Journal of Refugee Law Vol. 15 No. 3 (Juli 2003) 477, sowie zur jüngsten Modifikation einer der in diesem Zusammenhang vertretenen Meinungen die im International Journal of Refugee Law Vol. 16 No. 4 (Dezember 2004) 628, veröffentlichte Entscheidung des High Court of Australia vom 27. Mai 2004, Applicant S v. Minister for Immigration and Multicultural Affairs). Aus welchen Erwägungen die belangte Behörde diesen Konventionsgrund für nicht gegeben erachtete, kann dem angefochtenen Bescheid nicht entnommen werden. Insoweit läge daher auch ein Begründungsmangel vor (vgl. dazu zuletzt das hg. Erkenntnis vom 30. November 2004, Zl. 2003/01/0504).
5. Nach den obigen Ausführungen (Punkt 4.1. iVm 4.2.1.) hätte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin - jedenfalls unter den von der belangten Behörde für den maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides angenommenen Umständen im Zusammenhang mit der chinesischen "Ein-Kind-Politik" - Asyl gewähren müssen. Der angefochtene Bescheid war daher schon deshalb - ohne dass es einer Behandlung der von der Beschwerdeführerin weiters geltend gemachten, damit nicht zusammenhängenden Fluchtgründe bedurft hätte - im bekämpften Umfang wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. Z 1 VwGG aufzuheben.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 14. Dezember 2004
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