Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundeskanzleramt) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsangehöriger, reiste am 4. Februar 1995 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 6. Februar 1995 die Gewährung von Asyl.
Der Beschwerdeführer gab anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 6. Februar 1995 an, er sei chaldäisch-katholischen Glaubens und seine Heimatstadt Taamim liege im Bezirk Kirkuk, im von Saddam Hussein regierten Teil des Irak. Seine Mutter sei schwer nierenkrank, weshalb sie eine Nierenoperation benötigen würde. Aus diesem Grund habe er sein Tankfahrzeug an einen Kurden verkauft. Nach dem irakischen Gesetz sei es jedoch verboten, an Kurden irgendwelche Güter zu verkaufen. Da er das Geld dringend benötigt habe, habe er den Tanker trotzdem an einen Kurden verkauft. Eine Woche nach dem ordnungsgemäßen Verkauf sei er zuhause von Geheimdienstbeamten aufgesucht worden. Die Beamten hätten ihn festgenommen und zur Polizeistation gebracht, wo er drei Tage lang festgehalten worden sei. Während dieser Zeit sei ihm der Verkauf seines Tankers an den Kurden vorgeworfen worden. Er sei auch geschlagen worden, habe dadurch jedoch keinerlei schwere Verletzungen erlitten.
Nach diesen drei Tagen sei er in das Sicherheitsbüro nach Bagdad überstellt worden, wo er ca. einen Monat lang festgehalten worden sei. Alle paar Tage sei er verhört und dabei geschlagen worden. Weiters sei ihm vorgeworfen worden, er hätte schon einige Fahrzeuge an Kurden verkauft, was jedoch nicht der Wahrheit entsprochen habe. Durch Schläge auf den Hinterkopf habe er eine ca. 4 cm große Platzwunde erlitten. Auch seien ihm zwei vordere Schneidezähne ausgeschlagen worden.
Nach diesem Monat sei er aus der Haft entlassen worden, weil sich ein Bekannter für ihn eingesetzt habe. Dieser habe 1.000,-- irakische Dinar bezahlt und eine Bürgschaft für ihn abgelegt. Es sei Anklage erhoben worden, jedoch sei es zu keiner Gerichtsverhandlung gekommen. Bei einer solchen wäre er wegen der Zusammenarbeit mit den Kurden sicherlich zum Tode verurteilt worden. Er glaube, dass er zwecks Behandlung seiner Kopfwunde befristet entlassen worden sei. Er hätte sich nach Genesung wieder beim Sicherheitsbüro melden sollen.
Seine Kopfwunde habe er im Krankenhaus in Kirkuk behandeln lassen, wo er drei Tage lang stationär aufgenommen worden sei. Dies sei irgendwann im Dezember 1994 gewesen. Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus habe er sich zu seinen Eltern begeben, wo er sich einen Monat lang aufgehalten habe. Er habe nicht ständig zuhause gelebt, sondern oft auch bei Bekannten und Verwandten. Während dieses einen Monats habe er sich seine Zähne richten lassen. Da er Angst gehabt hätte, eines Tages vom Geheimdienst gesucht zu werden, habe er sich nach Mossul begeben. Noch während seines Aufenthaltes in Kirkuk hätten einmal Geheimdienstbeamte seine Mutter nach seinem Aufenthaltsort gefragt. Mitte Jänner 1995 habe er sich nach Mossul begeben, wo er sich 20 Tage lang aufgehalten habe. Während dieser Zeit habe er seine Flucht organisiert. Als er Kirkuk verlassen habe, sei er im Besitz von 200.000,-- irakischen Dinar gewesen. Das Geld habe von einem Teil des Tankwagenverkaufes gestammt.
Der Beschwerdeführer habe seine Heimat verlassen, weil er nicht bereit gewesen sei, sich dem Gerichtsverfahren wegen des verbotenen Verkaufes des Tankfahrzeuges an einen Kurden zu stellen. Er hätte mit der Todesstrafe zu rechnen gehabt. Für den Fall, dass er in den Irak zurückkehren würde, hätte er sicherlich mit seiner sofortigen Tötung zu rechnen.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 8. Februar 1995 wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 3 des AsylG 1991 abgewiesen. Die Behörde erster Instanz ging davon aus, dass der Beschwerdeführer wegen einer für jeden strafbaren Handlung verfolgt worden sei und dies keine Verfolgung im Sinne des AsylG darstelle.
In seiner dagegen erhobenen Berufung gab der Beschwerdeführer ergänzend an, das Verbot, Güter an Kurden zu verkaufen, bestehe seit 1991, also seit dem kurdischen Aufstand gegen Saddam Hussein. Es sei eine politische Maßnahme zur Unterdrückung des kurdischen Widerstandes und stelle eine gegen die gesamte kurdische Volksgruppe gerichtete Sanktion, einen Teil der gegen die Kurden gerichteten Gruppenverfolgung, dar. Die Bestrafung irakischer Bürger, welche mit den Kurden entgegen dieser Bestimmung Handel trieben, sei ebenfalls Teil der gegen die Kurden gerichteten Politik Saddam Husseins, also eine politisch motivierte Verfolgungshandlung. Er sei, weil er einem Kurden einen LKW verkauft habe, zum Unterstützer der kurdischen Sache geworden. Es werde ihm somit ein politisches Delikt zur Last gelegt.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 7 Asylgesetz ab.
Begründend führte die belangte Behörde aus, die dem Sachverhalt zu entnehmende staatliche Verfolgung der Person des Antragstellers sei nach dessen eigenen Angaben aufgrund des Umstandes erfolgt, dass dieser verbotenerweise ein Tankfahrzeug an einen Kurden verkauft habe. Dem Gesamtvorbringen des Beschwerdeführers sei nicht zu entnehmen, dass er den Verkauf seines Tankfahrzeuges an einen Kurden deshalb getätigt hätte, um damit einer bestimmten politischen Überzeugung Ausdruck zu verleihen, sondern um Geld für die dringend notwendige Nierenoperation seiner Mutter zu erhalten. Der Beschwerdeführer habe auch nicht behauptet, aus anderen Gründen, etwa aufgrund seines Glaubens einer besonderen Verfolgungsmotivation oder einer noch strengeren Bestrafung als im Herkunftsland üblich, ausgesetzt gewesen zu sein.
Der Asylwerber habe sein Heimatland somit lediglich aus Furcht vor strafrechtlicher Verfolgung verlassen. Seinem eigenen Vorbringen zufolge könne jedoch nicht auf eine über den gewöhnlichen Strafanspruch seines Heimatlandes hinausgehende politisch motivierte Handlungsweise der Behörden seines Heimatlandes geschlossen werden. Da dem Asylwerber also ein Strafverfahren wegen Übertretung einer für alle in gleichem Maße geltenden Strafrechtsbestimmung drohe, fehle jeglicher Zusammenhang mit den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Gründen.
Verfolgung aus Gründen der politischen Gesinnung wäre nach Ansicht der erkennenden Behörde erst dann anzunehmen, wenn die Verfolgung wegen der beschriebenen Straftat etwa ein Vorwand wäre, um den Täter, somit den Beschwerdeführer, für seine politische Überzeugung oder dafür, dass er diese zum Ausdruck gebracht habe, zu bestrafen.
Im Zusammenhang mit der Furcht des Beschwerdeführers, er hätte in der Heimat mit der Todesstrafe aufgrund des beschriebenen Deliktes zu rechnen, sei auch der Umstand zu sehen, dass er nach eigenen Angaben aus der Haft entlassen worden sei, nachdem sich ein Bekannter sich für ihn eingesetzt, 1.000,-- irakische Dinar bezahlt sowie eine Bürgschaft übernommen habe.
Die vom Beschwerdeführer behauptete Anklage habe zu keiner Gerichtsverhandlung geführt und der Beschwerdeführer gebe selbst an, er glaube, er sei zwecks Behandlung seiner Kopfwunde befristet entlassen worden. Hätten jedoch die irakischen Behörden den Beschwerdeführer tatsächlich mit der von ihm befürchteten Intensität verfolgt, sei es nicht nachvollziehbar, dass er für die Bezahlung eines geringen Betrages und zudem ohne besondere Auflagen befristet aus der Haft entlassen worden sei.
Für die Annahme, dass auch der Beschwerdeführer selbst die konkrete Gefahr erneut verfolgt zu werden, nicht allzu groß eingestuft habe, spreche zudem der Umstand, dass er sich nach der Entlassung aus der Haft zu seinen Eltern begeben habe, wo er sich einen Monat lang aufgehalten habe. Wenn der Beschwerdeführer nunmehr auch angebe, in dieser Zeit oft bei Verwandten geblieben zu sein, weil er Verfolgung befürchtet habe, so sei nicht ersichtlich, warum jemand, der mit der Todesstrafe aufgrund eines politischen Deliktes rechne, sich gerade zur einzig logischen Adresse, nämlich dem Aufenthaltsort seiner Eltern, begeben habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 44 Abs. 1 Asylgesetz 1997 sind am 1. Jänner 1998 bei den Asylbehörden anhängige Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen.
Gemäß § 7 Asylgesetz 1997 hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention (im folgenden: FlKonv) genannten Endigungs- oder Ausschließungsgründe vorliegt.
Flüchtling im Sinne der FlKonv ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit macht der Beschwerdeführer geltend, er habe sein Fahrzeug zwar nicht in der Absicht, dadurch seine politische Gesinnung auszudrücken, an einen Kurden verkauft, daraus jedoch auf das Nichtvorliegen politischer Verfolgung zu schließen, sei unzulässig. Deren Wesen liege nicht ausschließlich in der Verfolgung politisch motivierter Handlungen, sondern erfasse vielmehr auch Handlungen, welche durch politisch motivierte Gesetzgebung unter Strafe gestellt und verfolgt würden. Bei dem Verbot für irakische Staatsbürger, mit Kurden Verträge abzuschließen, handle es sich zweifelsohne um ein politisch motiviertes Gesetz.
Die belangte Behörde schließe das Vorliegen eines Verfolgungsgrundes im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention aus, indem sie darauf verweise, der Beschwerdeführer wäre sich beim Verkauf bewusst gewesen, dass es sich dabei um eine strafbare Tat handle und er den Irak lediglich aus Furcht vor strafrechtlicher Verfolgung verlassen habe. Die Strafbestimmung gelte für alle gleichermaßen und stelle keine über den gewöhnlichen Strafanspruch seines Heimatlandes hinausgehende politisch motivierte Handlungsweise der Behörden dar. Ein Vorwand für die Bestrafung politischer Gesinnung könne darin gleichfalls nicht erblickt werden. Die Tatsache, dass es sich um eine staatliche, für alle gleichermaßen geltende Verbotsnorm handle, schließe das Vorliegen von Verfolgung jedoch nach Auffassung des Beschwerdeführers nicht aus. Die Handlung des Beschwerdeführers sei als eine politische zu beurteilen, ungeachtet, ob er beabsichtigt habe, damit politische Zwecke zu verfolgen oder nicht, weshalb auch die Verfolgungshandlung durch die irakischen Behörden als politische Verfolgung zu qualifizieren sei. Der politische Charakter drücke sich auch darin aus, dass die Strafverfolgung eines zivilrechtlichen Vorganges, nämlich des Verkaufs eines Lastwagens, exzessiv sei. Politische Verfolgung liege auch vor, wenn der Handelnde ein Verhalten setze, welches staatliche Organe als unerwünschtes politisches Verhalten auffassten, ohne dass eine politische Intention seitens des Handelnden vorausgesetzt sei.
Die belangte Behörde hat zutreffend festgestellt, dass der Beschwerdeführer nicht zu dem Personenkreis zählt, der wegen einer von ihm aktuell vertretenen politischen Gesinnung mit Verfolgung bedroht wird; der Beschwerdeführer wird - nach den diesbezüglich unbestrittenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid - wegen der Begehung einer von ihm begangenen Straftat verfolgt. Eine derartige Verfolgung ist in der Regel kein Grund für die Anerkennung als Flüchtling.
Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kann aber dann vorliegen, wenn etwa ein Staat die Strafe für ein im Kontext mit einem ethnischen oder politischen Konflikt stehendes Delikt unverhältnismäßig hoch festlegt und die Strafe nicht mehr als Maßnahme einzustufen wäre, die dem Schutz legitimer Interessen des Staates dient (vgl. Kälin, Grundriss des Asylverfahrens, Basel 1990, 112 ff). Der Grund für die unverhältnismäßige Höhe einer Strafdrohung könnte in solchen Fällen nur darin liegen, dass dem Täter unterstellt wird, er vertrete eine oppositionelle politische Gesinnung und sei jedenfalls als Feind des Staates zu betrachten. Diesfalls würde, ohne im Einzelfall die Motive des jeweiligen Straftäters zu prüfen und einen Beweis des Gegenteils im Einzelfall zuzulassen, durch die bloße Verwirklichung des Tatbildes das Vorliegen einer bestimmten oppositionellen politischen Gesinnung unterstellt und wäre eine solche Ziel der staatlichen Sanktionsnorm.
Ob dies zutrifft, lässt sich ohne nähere Auseinandersetzung mit dem irakischen Strafrecht, insbesondere mit der konkreten Ausgestaltung dieser hier in Betracht zu ziehenden Norm, im Kontext mit den spezifischen politischen Verhältnissen, den mit dieser Strafnorm verfolgten politischen Zwecken und der Handhabung einer solchen Bestimmung in der Praxis nicht beurteilen. Wäre die Höhe der Strafdrohung aber nur durch die ungeprüfte Unterstellung eines politischen Willens erklärbar und reichte die bloße Verwirklichung des Tatbildes aus, um ohne Unterschied ebenso behandelt zu werden wie jemand, der mit der Tat tatsächlich einer bestimmten politischen Gesinnung Ausdruck verleihen wollte, läge asylrelevante Verfolgung aus (unterstellten) politischen Gründen vor. Auch eine derartige unterstellte Gesinnung rechtfertigt gegebenenfalls eine Asylgewährung (vgl. das hg. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. September 1996, Zl. 95/19/0077).
Um das Vorliegen einer solchen Art der Verfolgung, die der Beschwerdeführer bereits in der Berufung behauptet hat, ausschließen zu können, erweist sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt aber als zu mangelhaft ermittelt, zumal die belangte Behörde vorerst den Inhalt und den Zweck des Rechtsgeschäftes klären und sodann feststellen hätte müssen, ob der Abschluss eines derartigen Rechtsgeschäftes mit Kurden vor dem Hintergrund der Motive des Beschwerdeführers tatsächlich nach irakischem Recht mit dem Tode bestraft wird.
Die belangte Behörde belastete ihren Bescheid aus diesem Grund mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1995, hingewiesen.
Wien, am 25. März 1999
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