Normen
AsylG 1997 §23;
AsylG 1997 §38;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §45 Abs2;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AVG §62 Abs1;
AVG §63 Abs5 idF 1995/471;
AVG §64a Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §67d;
EGVG 1991 Anlage Art2 Abs2 Z43a;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
VwGG §13 Abs1;
AsylG 1997 §23;
AsylG 1997 §38;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §45 Abs2;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AVG §62 Abs1;
AVG §63 Abs5 idF 1995/471;
AVG §64a Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §67d;
EGVG 1991 Anlage Art2 Abs2 Z43a;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
VwGG §13 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Iran, reiste am 7. September 2000 in das Bundesgebiet ein und beantragte am selben Tag Asyl. Bei seiner (fortgesetzten) Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 19. Dezember 2000 gab er an, er sei im Juni/Juli 1999 als Teilnehmer an den Studentendemonstrationen in Teheran festgenommen und in ein Gefängnis gebracht worden, wo man ihn verhört, geschlagen und mit 55 Peitschenhieben "bestraft" habe. Nach etwa 24 Stunden sei er freigelassen worden. Nach dem Verkauf seines Elternhauses habe er in einer Mietwohnung in Teheran gelebt, wo sein Freund S. sein Untermieter gewesen sei. Im August 2000 sei er nach Khoramabad "übersiedelt". S. habe dort an einer etwa dreitägigen Studentenkonferenz teilnehmen wollen, und der Beschwerdeführer habe ihn zu dieser frei zugänglichen Veranstaltung vor allem deshalb begleitet, "weil anzunehmen war, dass es wieder zu Unruhen kommen könnte". Bei der Konferenz hätte ein vom Beschwerdeführer namentlich genannter Intellektueller referieren sollen. Als diesem am Flughafen die "Reise in die Stadt" verboten worden sei, sei es zu Unruhen gekommen. Dabei sei ein Offizier der Sicherheitskräfte getötet worden. Bei dessen Begräbnis am folgenden Tag sei es erneut zu Unruhen und nach deren Beendigung zu einer Verhaftungswelle gekommen. Der Beschwerdeführer und S. hätten beim Bruder von S. gewohnt. Am zweiten Tag der Unruhen, dem Tag des Begräbnisses, habe S. seinen Bruder angerufen und von diesem erfahren, dass er bereits von Sicherheitskräften gesucht worden sei. Darauf hin hätten sie die Nacht bei einem Freund von S. verbracht. Da sie beide bei den Unruhen von 1999 erkennungsdienstlich behandelt worden seien, sei dem Beschwerdeführer und S. klar gewesen, dass sie nun nicht mehr nach Teheran zurückkehren könnten, sondern das Land verlassen müssten. Ursprünglich hätten der Beschwerdeführer und S. nach der Studentenkonferenz wieder in die gemeinsame Wohnung in Teheran zurückkehren wollen. Dem Beschwerdeführer sei zwei Tage nach dem Begräbnis des Offiziers die Ausreise gelungen. S. habe sich noch Dokumente von der Universität besorgen wollen und sei verhaftet worden. Der Beschwerdeführer befürchte nun, dass S. "unter Folter gezwungen wird, mich zu verraten". Er müsse im Fall einer Rückkehr in den Iran aber auch sonst mit der sofortigen Festnahme rechnen, weil auch nach ihm gesucht worden sei. Kein vernünftiger Mensch in der Lage des Beschwerdeführers würde das Risiko eingehen, in den Iran zurückzukehren.
Das Bundesasylamt wies den Asylantrag mit Bescheid vom 21. Dezember 2000 gemäß § 7 AsylG ab und erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran gemäß § 8 AsylG für zulässig. Es sprach seinem Vorbringen zum Fluchtgrund "zur Gänze die Glaubwürdigkeit ab" und begründete dies zunächst damit, dass die Angaben des Beschwerdeführers "höchst vage" gewesen seien. Er habe die Vorfälle "ohne jegliches konkrete Detail" geschildert. Das "Beschränken auf Gemeinplätze" sei "jedoch kein geeignetes Mittel, ein Vorbringen glaubhaft zu machen". Unruhen seien "einschneidende Erlebnisse im Leben eines Menschen". Wer tatsächlich "an solchen beteiligt" gewesen sei, werde "von sich aus genaue Angaben zu diesen" machen. Abgesehen von dem "allgemeinen Eindruck, den Sie bei der Einvernahme zum Fluchtgrund vermittelt haben", sei die behauptete Abfolge von Ereignissen aber aus näher dargestellten Gründen auch objektiv unplausibel. Der im Fall des Beschwerdeführers "wohl entscheidende Faktor" liege darin, dass "ausgeschlossen werden" müsse, dass der angeblich bereits gesuchte Freund des Beschwerdeführers es für möglich erachtet haben solle, sich noch Dokumente aus der Universität zu besorgen, während der Beschwerdeführer "ohne konkreten Hinweis auf eine beabsichtigte Verfolgung" seiner Person sofort die Flucht ergriffen haben wolle.
In seiner Berufung gegen diesen Bescheid machte der Beschwerdeführer u.a. geltend, das Bundesasylamt habe nicht begründet, in welchen Punkten seine Darstellung "vage" sei.
Mit dem angefochtenen, ohne Berufungsverhandlung erlassenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß §§ 7 und 8 AsylG ab. Sie begründete dies im Wesentlichen wie folgt:
"Dem Bundesasylamt ist beizupflichten, wenn es die (gemeint: den) Angaben des Berufungswerbers zu seinen Fluchtgründen aus den dargestellten Argumenten zur Gänze die Glaubwürdigkeit abspricht: Es ist in der Tat unglaubwürdig, dass der Berufungswerber, der wegen seiner Teilnahme an den Studentendemonstrationen in Teheran im Juli 1999 festgenommen, mit 55 Peitschenhieben bestraft und nur unter der Auflage, sich nicht mehr an Demonstrationen zu beteiligen, entlassen worden sein will, zu einer Studentenkonferenz nach Khoramabad fährt in der Annahme, dass es dort wieder zu Unruhen kommt, sich an den Unruhen beteiligt und dann nur aufgrund einer telefonischen Auskunft des Bruders seines Freundes, dass dieser gesucht werde, nunmehr beschließt, dass sein Leben derart bedroht (zu ergänzen: sei), dass er den Iran verlassen müsse. Vielmehr ist anzunehmen, dass der Zweck des Aufenthaltes des Berufungswerbers in Khoramabad ein anderer war, wofür auch der Umstand spricht, dass er Mitte August 2000 nach Khoramabad 'übersiedelt' sei. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass aufgrund der Aussage des Berufungswerbers bei seiner Einvernahme beim Bundesasylamt, dass kein vernünftiger Mensch in seiner Situation riskieren würde, in den Iran zurückzukehren, nicht angenommen werden kann, dass der Berufungswerber eine Person ist, die sich unbedacht einem Risiko für ihre persönliche Sicherheit aussetzen würde."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
1. Das Bundesasylamt hat seine Beweiswürdigung zunächst auf den "allgemeinen Eindruck" gestützt, den der Beschwerdeführer "vermittelt" habe, und ihm in diesem Zusammenhang ein "Beschränken auf Gemeinplätze" vorgeworfen. Gegen diesen Teil der Beweiswürdigung wandte sich die Berufung mit dem Argument, es sei nicht dargestellt worden, in welchen Punkten die Schilderungen zu vage gewesen seien. Diese Kritik war berechtigt, weil es sich bei den gemeinten Ausführungen im erstinstanzlichen Bescheid um textbausteinartige Wendungen handelte, deren Konkretisierung für den zu entscheidenden Fall sich darauf beschränkte, dass die "Schilderungen" des Beschwerdeführers die "angebliche Teilnahme an Unruhen in Khoramabad" betroffen hätten. Dass er Fragen nach Details unbeantwortet gelassen hätte oder welche Art von Detailangaben er nach Ansicht des Bundesasylamtes - über die ohnehin protokollierten Einzelheiten hinaus - "von sich aus" zu machen gehabt hätte, um einen weniger ungünstigen "Eindruck" zu erwecken, ging aus dem erstinstanzlichen Bescheid nicht hervor.
Die belangte Behörde ist darauf nicht eingegangen und hat ihren Bescheid insoweit mit demselben Begründungsmangel und - soweit es für die Beweiswürdigung auf die Beurteilung des Aussageverhaltens des Beschwerdeführers ankam - auch durch die Abstandnahme von einer Berufungsverhandlung mit Rechtswidrigkeit belastet.
Alternativ zur Argumentation mit dem "allgemeinen Eindruck" vom Beschwerdeführer, nämlich davon "abgesehen", hat das Bundesasylamt seine Beweiswürdigung aber auch auf Erwägungen zur Plausibilität gestützt und in diesem Zusammenhang einen bestimmten Gesichtspunkt als "wohl entscheidend" bezeichnet.
Die belangte Behörde lässt ihrer Bezugnahme auf die "dargestellten Argumente" des Bundesasylamtes (also dessen Beweiswürdigung insgesamt, wie im angefochtenen Bescheid zusammengefasst) eine Hervorhebung dessen folgen, was "in der Tat unglaubwürdig" sei. Auf das behauptete Verhalten von S., das zu dessen Verhaftung geführt haben soll, nimmt die belangte Behörde dabei nicht Bezug. Im Vordergrund steht in ihren Ausführungen der im erstinstanzlichen Bescheid eher untergeordnete Gesichtspunkt ("Abschließend ist anzumerken ..."), dass der Beschwerdeführer seinen Angaben zufolge den mit Unruhen verbundenen Gefahren "sogar nachgereist" wäre.
Die Hervorhebung dieses Gesichtspunktes ist zunächst insofern problematisch, als die belangte Behörde die Erwägungen zur Plausibilität des Behaupteten anders zu gewichten scheint als das Bundesasylamt und ihrer Entscheidung insofern eine eigene, sich nicht in bloßen Zusatzbemerkungen oder Eventualausführungen erschöpfende Beweiswürdigung zugrunde gelegt hätte. Ein solches Vorgehen stünde in Bezug auf das in der Beschwerde ausdrücklich gerügte Unterbleiben einer Berufungsverhandlung im Widerspruch zur ständigen hg. Judikatur (vgl. zuletzt etwa die Erkenntnisse vom 26. Mai 2004, Zl. 2001/20/0738, und vom 24. Juni 2004, Zl. 2001/20/0427).
Es ist aber auch unklar, wie sich - abgesehen von Fragen der Verhandlungspflicht - die Weiterführung des von der belangten Behörde in den Vordergrund gestellten Gedankens des Bundesasylamtes in dem Sinn, es sei "vielmehr ... anzunehmen", dass "der Zweck des Aufenthaltes des Berufungswerbers in Khoramabad ein anderer war", zur Untermauerung der erstinstanzlichen Beweiswürdigung eignen soll. Geht man - offenbar anders als das Bundesasylamt, das uneingeschränkt eine "konstruierte Geschichte" annahm - davon aus, der Beschwerdeführer habe sich während der Unruhen - wenn auch aus anderen Gründen - in Khoramabad befunden, so lässt sich das Argument, er könne nicht wegen erwarteter Unruhen dorthin gefahren sein, jedenfalls nicht mehr in dem Sinn gebrauchen, dass er wohl gar nicht dort gewesen sei.
Nicht zielführend ist auch die abschließende Bemerkung der belangten Behörde, wonach der Beschwerdeführer, wenn er jetzt nicht mehr in den Iran zurückkehren wolle, sich auch zuvor nicht "unbedacht" in Gefahr begeben haben konnte. Dieses Argument ließe sich gegen jeden Asylwerber verwenden, der einmal "unbedacht" gehandelt haben will, und unterstellt, dass der Beschwerdeführer, wenn er dies wirklich getan hätte, nun auch von Österreich aus "unbedacht" zurückkehren wollen würde. Eine derartige Überlegung, die auf die Situationsabhängigkeit von Verhaltensweisen keine Rücksicht nimmt, hält der verwaltungsgerichtlichen Schlüssigkeitsprüfung nicht stand.
Die Beweiswürdigung sowohl des Bundesasylamtes als auch der belangten Behörde leidet aber vor allem an dem Mangel, sich nicht auf die Berichtslage in Bezug auf die Unruhen in Khoramabad zu stützen. Dass diese Unruhen überhaupt stattgefunden haben könnten und die "Geschichte" in diesem Punkt nicht "konstruiert" sei, ist der - in den Augen der belangten Behörde schlüssigen - Beweiswürdigung des Bundesasylamtes nicht zu entnehmen. Auch die belangte Behörde - die schon deshalb das Ermittlungsverfahren zu ergänzen und eine Berufungsverhandlung durchzuführen gehabt hätte -
hat erst der Aktenvorlage im verwaltungsgerichtlichen Verfahren einen allerdings eher unspezifischen APA-Bericht über die Unruhen in Khoramabad angeschlossen. Dem gegenüber hätten sich aus anderen schon damals und auch heute noch im Internet zugänglichen Quellen (etwa Berichten von CNN und World Tribune jeweils vom 31. August 2000) Einzelheiten des faktischen Hintergrunds der "Geschichte" des Beschwerdeführers (etwa betreffend die verhinderte Rede der von ihm genannten Person, das Begräbnis des getöteten Offiziers und nachfolgende Verhaftungen) ergeben. Auf der Grundlage des dadurch vermittelten Wissens - und nicht unter völliger Ausblendung der Frage nach einem realen Hintergrund - hätten sich die Behörden des Asylverfahrens damit auseinander zu setzen gehabt, ob der Beschwerdeführer in die Ereignisse in der von ihm behaupteten Form involviert war oder dies nur vorgab (vgl. zur Einbeziehung der Berichtslage auch das Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2001/20/0135, m.w.N.).
2. Dem Beschwerdeführer wurde der erstinstanzliche Bescheid am 2. Jänner 2001 zugestellt. Seine am 15. Jänner 2001 zur Post gegebene Berufung wurde der belangten Behörde mit Bericht vom 18. Jänner 2001 zusammen mit dem erstinstanzlichen Akt vorgelegt und langte bei ihr am 19. Jänner 2001 ein. Der mit 24. Jänner 2001 datierte Berufungsbescheid wurde gegenüber dem Bundesasylamt mittels Telefax vom 25. Jänner 2001 erlassen und dem Beschwerdeführer am 30. Jänner 2001 zugestellt.
Am 18. Jänner 2001 hatte der Beschwerdeführer eine Berufungsergänzung ("Urkundenvorlage ... Ergänzend zur Berufung") zur Post gegeben, mit der er ein Foto und eine ärztliche Bestätigung betreffend die nach wie vor sichtbaren Spuren der seinem Vorbringen zufolge nach der Verhaftung im Jahr 1999 erlittenen "Prügelstrafe" vorlegte. Die Berufungsergänzung langte am 19. Jänner 2001 beim Bundesasylamt ein, wurde mit Bericht vom 23. Jänner 2001 an die belangte Behörde weitergeleitet und langte bei dieser am 26. Jänner 2001 ein.
Die belangte Behörde scheint dazu in der Gegenschrift die Ansicht zu vertreten, für die Beachtlichkeit der Berufungsergänzung komme es - im Verhältnis zum Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides - auf den Zeitpunkt des Einlangens bei der Berufungsbehörde (und nicht bei der Erstbehörde) an.
Dieser Standpunkt deckt sich (abgesehen von den im vorliegenden Fall gegebenen Besonderheiten erstens der zeitlichen Parallelität von Berufungsergänzung und Berufungsvorlage und zweitens der Bescheiderlassung gegenüber dem Beschwerdeführer erst am 30. Jänner 2001) mit der im hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 96/19/2111, vertretenen Auffassung. In diesem Erkenntnis wurde in Bezug auf eine Eingabe, die sowohl einen Vollmachtswiderruf als auch ergänzendes Vorbringen enthielt, zunächst darauf hingewiesen, dass mit der Vorlage der Berufung - sei es auch vor dem Ablauf der Frist für eine Berufungsvorentscheidung - die Berufungsbehörde allein "zur Erledigung der Berufung" zuständig werde. "Daraus folgt" nach dem genannten Erkenntnis, dass der nach der Vorlage der Berufung (im entschiedenen Fall allerdings auch erst nach dem Ablauf der gesetzlichen Frist für eine Berufungsvorentscheidung) bei der Behörde erster Instanz überreichte Schriftsatz "bei der unzuständigen Behörde eingebracht wurde" und die Weiterleitung an die Berufungsbehörde "zutreffend in Anwendung des § 6 Abs. 1 AVG" erfolgt sei. Geschehe dies so spät, dass der Schriftsatz erst nach der Erlassung des Berufungsbescheides bei der Berufungsbehörde einlange, so könne das ergänzende Vorbringen keine Berücksichtigung finden. Eine mit dem hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 1985, Zl. 85/18/0054, Slg. Nr. 11.915/A (nur Rechtssatz), vergleichbare Konstellation liege nicht vor, weil sich die Berufungsbehörde "nicht der erstinstanzlichen Behörde zur Gewährung des Parteiengehörs bedient" habe.
Im Erkenntnis vom 21. Jänner 1998, Zlen. 96/03/0178, 0179, Slg. Nr. 14.820/A, wurde im Zusammenhang mit der (bloßen) Bekanntgabe eines Vollmachtswechsels im Berufungsverfahren allgemein hervorgehoben, dass Anbringen "an die zuständige Behörde", im Berufungsverfahren also an die Berufungsbehörde zu richten seien. Dies gelte "unbeschadet § 63 Abs. 5 AVG", der die Einbringung der "Berufung selbst" regle. Welche Behörde für die Zeit bis zum Ablauf der Frist für eine Berufungsvorentscheidung die "für Anbringen der Partei zuständige Behörde" sei, brauche fallbezogen nicht geprüft zu werden. Für die Bekanntgabe des Vollmachtswechsels nach Ablauf der erwähnten Frist sei die Erstbehörde (jedenfalls) nicht der richtige Adressat gewesen. Aus dem Unterbleiben einer Weiterleitung an die Berufungsbehörde gemäß § 6 Abs. 1 AVG sei für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen, weil er die durch sein "Anbringen bei der unzuständigen Behörde" erwachsenen rechtlichen Nachteile selbst zu tragen habe.
Dem gegenüber hat der Verwaltungsgerichtshof in dem Erkenntnis vom 11. November 1997, Zl. 96/01/0285, die Ansicht vertreten, eine zwar nach Datierung, aber kurz vor Erlassung des Berufungsbescheides bei der Erstbehörde eingelangte Berufungsergänzung sei beachtlich. Hiezu wurde auf das Erkenntnis vom 18. Oktober 1985, Zl. 85/18/0054, und auf ein Folgeerkenntnis vom 18. Mai 1988, Zl. 87/03/0290, verwiesen.
Es trifft zu, dass die zuletzt erwähnten zwei Erkenntnisse vom 18. Oktober 1985 und vom 18. Mai 1988 keine aus Eigenem erstatteten Berufungsergänzungen, sondern jeweils Fälle betrafen, in denen die Berufungswerber im Wege der Erstbehörde aufgefordert worden waren, bestimmte Nachweise zu erbringen. Darauf gründete sich jeweils die Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes, mit Einlangen eines auf die Aufforderung bezogenen Schriftsatzes bei der Erstbehörde habe sich dieser "in der der Berufungsbehörde zuzurechnenden Sphäre" befunden (vgl. zum dafür "ausschlaggebenden" Gesichtspunkt auch schon das Erkenntnis vom 23. Oktober 1986, Zl. 86/02/0078). Das Abstellen auf die Befassung der Erstbehörde durch die Berufungsbehörde bringt zum Ausdruck, dass die Beurteilung zu einem anderen Ergebnis geführt hätte, wenn eine unmittelbar von der Berufungsbehörde an die Partei gerichtete Aufforderung mit einem Schreiben an die Erstbehörde beantwortet worden wäre. Dieser Fall ist mit dem der unaufgefordert überreichten Berufungsergänzung allerdings ebenfalls nicht gleichzusetzen und bedarf daher hier keiner Erörterung. Zu prüfen ist vielmehr, ob es - anders als in dem Erkenntnis vom 18. Oktober 1985, Zl. 85/18/0054, für den dort behandelten Fall angenommen - "zu Lasten des Beschwerdeführers gehen" kann, wenn seine bei der Erstbehörde eingebrachte Berufungsergänzung gar nicht oder, wie im vorliegenden Fall, mit Verzögerung an die Berufungsbehörde weitergeleitet wird.
In den Erkenntnissen vom 24. Jänner 1997, Zl. 96/19/2111, und vom 21. Jänner 1998, Zlen. 96/03/0178, 0179, wird dies jeweils für eine das Vollmachtsverhältnis betreffende Bekanntgabe, in dem ersten dieser Erkenntnisse auch für die Ergänzung des Vorbringens - mit der Folge, dass diese dem Neuerungsverbot im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unterliegt - wegen der Zuständigkeit der Berufungsbehörde für die Erledigung der Berufung bejaht. Dabei wird - im ersten Erkenntnis stillschweigend, im zweiten ausdrücklich - davon ausgegangen, dass § 63 Abs. 5 AVG auf die nachträgliche Eingabe nicht anzuwenden sei.
Der zuletzt erwähnten Voraussetzung lässt sich in Bezug auf Fälle wie den vorliegenden - nämlich die unaufgeforderte Vorlage von Beweisurkunden in Ergänzung der Berufung - aber entgegen halten, dass eine zulässige Berufung und deren "spätere, aber noch vor der Entscheidung der Berufungsbehörde eingebrachte Ergänzungen" nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als Einheit ("als eine Berufung") anzusehen sind (vgl. in diesem Sinn das Erkenntnis vom 19. November 1985, Zl. 83/05/0134, Slg. Nr. 11.943/A; in Bezug auf Ergänzungen nach Ablauf der Berufungsfrist daran anschließend etwa die Erkenntnisse vom 23. April 1992, Zl. 92/09/0001, vom 11. Februar 1997, Zl. 96/08/0316, und vom 26. Juni 2002, Zl. 2001/04/0209). Zieht man daraus die Konsequenz, dass gemäß § 63 Abs. 5 AVG auch derartige Berufungsergänzungen bei der Erstbehörde einzubringen sind, so kann sich daran auch durch die Vorlage der Berufung (von der die Partei im Übrigen nicht verständigt wird) oder durch den Ablauf der Frist für eine Berufungsvorentscheidung nichts ändern. Nach der Vorlage der Berufung bei der Berufungsbehörde einlangende Ergänzungen werden nur nicht mehr gemäß § 63 Abs. 5 letzter Halbsatz AVG an die Erstbehörde "weiterzuleiten" sein.
Der Verwaltungsgerichtshof folgt daher für den vorliegenden Fall im Ergebnis der im Erkenntnis vom 11. November 1997, Zl. 96/01/0285, vertretenen Ansicht, wonach eine vor Erlassung des Berufungsbescheides bei der Erstbehörde eingelangte Berufungsergänzung zu berücksichtigen ist. Die Erkenntnisse vom 24. Jänner 1997, Zl. 96/19/2111, und vom 21. Jänner 1998, Zlen. 96/03/0178, 0179, ergingen zur Rechtslage vor der Neufassung des § 63 Abs. 5 AVG durch die Novelle BGBl. Nr. 471/1995 und geben schon deshalb nicht Anlass zu einer Verstärkung des Senates gemäß § 13 Abs. 1 VwGG.
Dass im vorliegenden Fall die Beweisführung zu den Misshandlungsspuren auch bei Bedachtnahme darauf, dass sie aus den behaupteten Vorfällen von 1999 herrühren sollen, für die Sachverhaltsfeststellung von Bedeutung gewesen wäre, zieht auch die belangte Behörde in der Gegenschrift nicht in Zweifel.
Der angefochtene Bescheid war daher - ohne das Erfordernis einer Auseinandersetzung mit den zuvor erwähnten Besonderheiten betreffend die zeitliche Verschränkung der in Betracht zu ziehenden Vorgänge - auch im Hinblick auf die Nichtberücksichtigung der Berufungsergänzung des Beschwerdeführers gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Für die entrichtete Gebühr von S 2.500,-- waren EUR 181,68 zuzusprechen.
Wien, am 30. September 2004
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)