VwGH 2001/15/0058

VwGH2001/15/005820.3.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer sowie die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. H. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. iur. Mag. (FH) Schärf, über die Beschwerde der E GmbH in A, vertreten durch Dr. Johannes Riedl und Dr. Gerold Ludwig, Rechtsanwälte in 3350 Stadt Haag, Höllriglstraße 3, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 14. September 1999, Zl. RV/481-06/03/99, betreffend u.a. Nachforderung an Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds von Familienbeihilfen sowie Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für den Zeitraum 21. September 1993 bis 31. Dezember 1998, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1988 §22 Z2;
FamLAG 1967 §41 Abs2;
FamLAG 1967 §41 Abs3;
EStG 1988 §22 Z2;
FamLAG 1967 §41 Abs2;
FamLAG 1967 §41 Abs3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Beschwerdefall ist die Vorschreibung von Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und von Zuschlägen zum Dienstgeberbeitrag strittig. Die Vorschreibung betrifft die in den Jahren 1994 bis 1998 an den wesentlich im Sinne des § 22 Z. 2 Teilstrich 2 EStG 1988 beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführer Ing. W bezahlten Geschäftsführervergütungen.

Im angefochtenen Bescheid wird im Ergebnis die Auffassung vertreten, die Beschäftigung des Geschäftsführers weise ungeachtet seiner gleichzeitigen Eigenschaft als wesentlich beteiligter Gesellschafter mit Ausnahme der Weisungsgebundenheit sonst alle Merkmale eines Dienstverhältnisses im Sinn des § 47 Abs. 2 EStG 1988 auf (der Gesellschafter-Geschäftsführer erziele aus der Geschäftsführertätigkeit demnach Einkünfte nach § 22 Z. 2 Teilstrich 2 EStG 1988, weshalb er im Sinn der Bestimmung des § 41 Abs. 2 FLAG in der ab dem Jahr 1994 anzuwendenden Fassung Dienstnehmer sei). Auf fehlende Regelungen betreffend Urlaub, Sonderzahlungen, Abfertigung oder Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall komme es nicht an. Dem Geschäftsführer obliege nach dem "Geschäftsführerwerkvertrag" die Leitung und Überwachung des Unternehmens im Ganzen. Die Eingliederung in das Unternehmen der Beschwerdeführerin sei damit unabhängig davon gegeben, ob der Geschäftsführer zur Ausübung seiner Tätigkeit an eine Arbeitszeit gebunden sei. Vertretungsregelungen (Delegierung von Arbeit an andere im Betrieb beschäftigte Dienstnehmer) sowie das Tragen der Sozialversicherungsbeiträge durch den Geschäftsführer begründeten kein relevantes Unternehmerrisiko. Durch die unabhängig vom Arbeitseinsatz gleich hohe monatliche Vergütung (abgesehen von einer gewinnabhängigen Tantieme) relativiere sich weiters die Frage nach der Tragung des Unternehmerrisikos. Gegen das Bestehen eines Unternehmerrisikos spreche auch der Umstand, dass dem Geschäftsführer die mit seiner Tätigkeit verbundenen Auslagen (Reisekosten) in Form eines monatlichen Spesenpauschales zusätzlich vergütet würden. Die in einem Zusatz zum "Geschäftsführerwerkvertrag" vom 21. Jänner 1994 vereinbarte Stundung des Geschäftsführerbezuges bis zum Erreichen eines Nettoumsatzes von 500.000 S (die tatsächliche Auszahlung sei erst am 17. April 1995 erfolgt) sei nicht geeignet, unternehmerisches Risiko zu begründen.

Den auch im Beschwerdefall vom Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG gestellten Antrag auf Aufhebung bestimmter, im gegenständlichen Fall zur Anwendung kommender gesetzlicher Bestimmungen hat der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 14. März 2001, G 148/00 u.a., als unzulässig zurückgewiesen, weil er über die vorgetragenen Bedenken bereits in einem anderen Verfahren mit dem Erkenntnis vom 7. März 2001, G 110/00, unter Verweis auf sein Erkenntnis vom 1. März 2001, G 109/00, entschieden hatte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im erwähnten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. März 2001, G 109/00, wurde unter Zitierung der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes darauf hingewiesen, dass verschiedene Merkmale eines Dienstverhältnisses, die im Zusammenhang mit einer weisungsgebundenen Tätigkeit Indizien für ein Dienstverhältnis seien, im Fall der - auf die gesellschaftsrechtliche Beziehung zurückzuführenden - Weisungsungebundenheit ihre Unterscheidungskraft verlieren und daher für die Lösung der Frage, ob nach dem Gesamtbild der Verhältnisse die sonstigen Merkmale eines Dienstverhältnisses im Vordergrund stehen, nicht brauchbar sind. Zu den Merkmalen, die in diesem Sinn vor dem Hintergrund der Weisungsungebundenheit ihre Indizwirkung zur Bestimmung des durch eine Mehrzahl von Merkmalen gekennzeichneten Typusbegriffes des steuerlichen Dienstverhältnisses verlieren, gehören vor allem folgende: fixe Arbeitszeit, fixer Arbeitsort, arbeitsrechtliche und sozialversicherungsrechtliche Einstufung der Tätigkeit, Anwendbarkeit typischer arbeitsrechtlicher Vorschriften wie Arbeits- Urlaubsregelung, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder Kündigungsschutz, sowie die Heranziehung von Hilfskräften in Form der Delegierung von bestimmten Arbeiten (vgl. dazu und zu den folgenden Ausführungen insbesondere die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. April 2001, 2001/14/0052, 2001/14/0054, und vom 10. Mai 2001, 2001/15/0061, jeweils mwN).

Insgesamt stellt somit das in § 22 Z 2 Teilstrich 2 EStG 1988 für wesentlich beteiligte Gesellschafter normierte Vorliegen der sonstigen Merkmale eines Dienstverhältnisses - abgesehen vom hinzuzudenkenden Merkmal der Weisungsgebundenheit - vor allem auf die Kriterien der Eingliederung in den geschäftlichen Organismus der Kapitalgesellschaft und das Fehlen des Unternehmerwagnisses ab. Von Bedeutung ist noch das Merkmal der laufenden (wenn auch nicht notwendig monatlichen) Entlohnung. Eine laufende Entlohnung liegt auch dann vor, wenn der Jahresbezug nicht in monatlich gleich bleibenden Monatsbeträgen ausbezahlt wird. Ausgehend von diesen Kriterien ist bei Anwendung des § 22 Z 2 Teilstrich 2 leg.cit. zu beurteilen, ob nach dem Gesamtbild der Verhältnisse die für ein Dienstverhältnis sprechenden Kriterien im Vordergrund stehen.

Um dem gerade bei wesentlich beteiligten Gesellschaftern wegen des häufig vorzufindenden Umstandes des Selbstkontrahierens notwendigen Objektivierungserfordernis Rechnung zu tragen, ist der nach außen in Erscheinung tretenden tatsächlichen Abwicklung der Leistungsbeziehung die wesentliche Bedeutung zuzumessen. Der strittige Steuertatbestand stellt nicht darauf ab, welchem Vertragstyp das Zivilrecht das konkrete Anstellungsverhältnis des Geschäftsführers zuordnet (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Jänner 2002, 2001/14/0073).

Die Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers ist gegeben, wenn der Steuerpflichtige auf Dauer einen Teil des rechtlichen bzw. wirtschaftlichen Organismus bildet und seine Tätigkeit im Interesse dieses Organismus ausüben muss. Die kontinuierliche und über einen längeren Zeitraum andauernde Erfüllung der Aufgaben der Geschäftsführung spricht für diese Eingliederung (vgl. z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Jänner 2002, 2001/14/0167, und vom 31. Jänner 2002, 2001/15/0036).

Unternehmerwagnis liegt vor, wenn der Erfolg der Tätigkeit des Steuerpflichtigen weitgehend von der persönlichen Tüchtigkeit, vom Fleiß, von der persönlichen Geschicklichkeit sowie von den Zufälligkeiten des Wirtschaftslebens abhängt und der Steuerpflichtige für die mit seiner Tätigkeit verbundenen Aufwendungen selbst aufkommen muss. Auch hier kommt es auf die tatsächlichen Verhältnisse an. Im Vordergrund dieses Merkmales steht, ob den Steuerpflichtigen tatsächlich - in seiner Stellung als Geschäftsführer - das Wagnis ins Gewicht fallender Einnahmensschwankungen trifft. In die Überlegungen einzubeziehen sind auch Wagnisse, die sich aus Schwankungen aus nicht überwälzbaren Ausgaben ergeben.

Die für die Eingliederung in den geschäftlichen Organismus der Beschwerdeführerin wesentliche kontinuierliche und über einen längeren Zeitraum andauernde Erfüllung der Aufgaben der Geschäftsführung lag im Beschwerdefall vor (vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Jänner 2002, 2001/14/0133, 0134). Es stand auch eine kontinuierliche Entlohnung zu, die laut Geschäftsführerwerkvertrag monatlich 55.000 S (12 x jährlich) bzw. laut Vorhaltsbeantwortung vom 3. November 1997 monatlich 58.050 S betrug. Dass die Vereinbarung gewinnabhängiger Tantiemen auch bei klassischen Dienstverhältnissen leitender Angestellter nicht ungewöhnlich ist, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 25. September 2001, 2001/14/0051). Teilweise Stundungen der Auszahlungen (so seien nach der erwähnten Vorhaltsbeantwortung die Leistungsbezüge 1993 und 1994 erst am 27. April 1995 überwiesen oder laut Berufungsschrift vom 27. April 1999 die "Werkleistungen für 11 u. 12/1997" auf Grund der Liquiditätslage erst am 12. Jänner 1998 bezahlt worden) bilden noch kein ausreichendes Indiz für eine Erfolgsabhängigkeit der Vergütung (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Oktober 2001, 2001/13/0102).

In der Tragung der auf den Geschäftsführerbezügen lastenden Sozialversicherungsbeiträge ist kein relevantes Unternehmerwagnis zu sehen (vgl. beispielsweise die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. November 1999, 99/15/0188, und vom 22. September 2000, 2000/15/0075). Zur Frage der Vertretungsbefugnis ist fest zu halten, dass es nicht unüblich ist und einem Dienstverhältnis nicht entgegen steht, wenn sich leitende Angestellte, insbesondere Geschäftsführer, bei bestimmten Verrichtungen vertreten lassen können (vgl. beispielsweise die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. September 2000, 2000/15/0089, und vom 10. Mai 2001, 2001/15/0061). Dass im Beschwerdefall tatsächlich Kosten für die Vertretung des Geschäftsführers angefallen und diese vom Geschäftsführer selbst zu tragen gewesen wären, behauptet im Übrigen auch die Beschwerde nicht. Dieser ist weiters nicht konkret zu entnehmen, dass der Geschäftsführer ansonsten ins Gewicht fallende Ausgabenschwankungen hätte tragen müssen.

Da der angefochtene Bescheid somit der Rechtslage entspricht und auch mit keinen wesentlichen Verfahrensmängeln belastet ist, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 20. März 2002

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte