Normen
B-VG Art6 Abs3;
MeldeG 1991 §1 Abs6;
MeldeG 1991 §1 Abs7;
MeldeG 1991 §1 Abs8 idF 2001/I/028;
MeldeG 1991 §17 Abs1;
MeldeG 1991 §17 Abs3;
B-VG Art6 Abs3;
MeldeG 1991 §1 Abs6;
MeldeG 1991 §1 Abs7;
MeldeG 1991 §1 Abs8 idF 2001/I/028;
MeldeG 1991 §17 Abs1;
MeldeG 1991 §17 Abs3;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der am 21. Mai 1962 in Pöllau geborene, ledige Zweitmitbeteiligte ist seit seiner Geburt mit Hauptwohnsitz (siehe § 23 Abs. 1 des im Beschwerdefall anzuwendenden Meldegesetzes 1991, BGBl. Nr. 9/1992, in der Fassung des Hauptwohnsitzgesetzes BGBl. Nr. 505/1994; in der Folge kurz:
MeldeG) in Schönau 11, Gemeinde Schönegg bei Pöllau und seit 27. Jänner 1999 mit einem weiteren Wohnsitz in Wien XVI., Haymerlegasse 11/28 gemeldet. Er ist in Wien berufstätig; die Wiener Wohnung dient ihm von Montag bis Donnerstag einer Arbeitswoche als Ausgangspunkt für den Weg zu seiner Arbeitsstätte. Am Donnerstag nach dem Arbeitsende fährt er nach Schönau und kehrt am Montag in der Früh berufsbedingt nach Wien zurück. Er hat in Wien keine familiären Bindungen. Am Hauptwohnsitz in der Steiermark wohnen seine Mutter und sein Bruder. Seine Freizeit, den Urlaub und auch die "Stempelzeit" verbringt er im Wesentlichen in Schönegg.
Der beschwerdeführende Bürgermeister beantragte am 8. November 1999 gemäß § 17 Abs. 2 Z. 2 Meldegesetz 1991 die Einleitung eines Reklamationsverfahrens zur Entscheidung darüber, ob der Zweitmitbeteiligte, der in der Gemeinde des erstmitbeteiligten Bürgermeisters mit Hauptwohnsitz angemeldet ist, dort weiterhin den Hauptwohnsitz hat. Begründet wurde dieser Antrag im Wesentlichen damit, dass im Hinblick auf die wirtschaftlichen Interessen Wien als der Mittelpunkt der Lebensbeziehungen des Zweitmitbeteiligten angesehen werden müsse. Die Stadt Wien sei mit all ihren zahlreichen kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Angeboten dem Zweitmitbeteiligten "dienlich".
Der erstmitbeteiligte Bürgermeister wies in seiner Stellungnahme darauf hin, dass der Zweitmitbeteiligte nur im Hinblick auf seine berufliche Tätigkeit in Wien wohne und bei Wechsel des Arbeitsplatzes auch die Wiener Wohnung aufgeben würde.
Der Zweitmitbeteiligte führte aus wie eingangs festgehalten.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des beschwerdeführenden Bürgermeisters auf Aufhebung des Hauptwohnsitzes des Zweitmitbeteiligten an der gemeldeten Adresse in Schönau ab. Hiezu stellte die belangte Behörde fest, dass Schwerpunkt der beruflichen Lebensbeziehungen des Zweitmitbeteiligten zwar Wien sei, der "Familienwohnsitz" und somit der gesellschaftliche Schwerpunkt der Lebensbeziehungen des Zweitmitbeteiligten hingegen in Schönegg liege. Dort sei auch das soziale Umfeld des Betroffenen konzentriert. Er lebe gemeinsam mit seiner Mutter und seinem Bruder und verbringe die gesamte Freizeit bei seiner Familie. Beim Zweitmitbeteiligten handle es sich um einen sogenannten "Wochenpendler", der seinen Arbeitsplatz in Wien, seine Freizeitaktivitäten jedoch ausschließlich in Schönegg ausübe. Der Zweitmitbeteiligte habe in seiner Stellungnahme eindeutig sein "überwiegendes Naheverhältnis" zu seinem derzeitigen Hauptwohnsitz dargelegt. Auf Grund des Ergebnisses des Ermittlungsverfahrens und einer Gesamtbetrachtung der Lebensbeziehungen des Zweitmitbeteiligten reiche der Arbeitsplatz in Wien - somit lediglich der Schwerpunkt der Berufstätigkeit - allein nicht aus, den Hauptwohnsitz des Zweitmitbeteiligten in Schönegg bei Pöllau als Mittelpunkt seiner familiären und gesellschaftlichen Lebensbeziehungen aufzuheben.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Wohnung des Zweitmitbeteiligten in Schönegg war offensichtlich als ordentlicher Wohnsitz nach dem Meldegesetz 1972, BGBl. Nr. 30/1973, gemeldet. Auf Grund der Übergangsbestimmungen des § 23 Abs. 1 MeldeG ist diese Wohnung daher nunmehr als Hauptwohnsitz gemeldet.
Im hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2001/05/0935, auf welches gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, hat der Verwaltungsgerichtshof im Geltungsbereich der auch im Beschwerdefall anzuwendenden Rechtslage des Meldegesetzes 1991, BGBl. Nr. 9/1992, in der Fassung BGBl. Nr. 352/1995, ausgeführt, dass im zulässigerweise eingeleiteten Reklamationsverfahren die bis dahin für den Hauptwohnsitz des Betroffenen ausschließlich maßgebliche "Erklärung" des Meldepflichtigen dahingehend "hinterfragt (wird), ob der erklärte Hauptwohnsitz den in Art. 6 Abs. 3 B-VG (§ 1 Abs. 7 MeldeG 1991) normierten objektiven Merkmalen entspricht" (siehe das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26. September 2001, G 139/00-10, u. a.). Die Lösung der im Reklamationsverfahren maßgeblichen Rechtsfrage des Hauptwohnsitzes des Betroffenen hängt an dem materiell-rechtlichen Kriterium "Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen". Bei der Beurteilung dieses Tatbestandsmerkmales kommt es auf eine Gesamtschau an, bei welcher - wie auch den Erläuterungen der Regierungsvorlage zur Meldegesetznovelle, BGBl. Nr. 505/1994 (GP XVIII. RV 1334), zu entnehmen ist - vor allem folgende Bestimmungskriterien maßgeblich sind: Aufenthaltsdauer, Lage des Arbeitsplatzes und der Ausbildungsstätte, Wohnsitz der übrigen, insbesondere der minderjährigen Familienangehörigen und der Ort, an dem sie ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen, ausgebildet werden oder die Schule und den Kindergarten besuchen, Funktionen in öffentlichen und privaten Körperschaften. Durchaus möglich ist, dass am Hauptwohnsitz - und damit beim Mittelpunkt der Lebensbeziehungen - wenige oder gar keine beruflichen Lebensbeziehungen bestehen (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 31. August 1999, Zl. 99/05/0076). Diese Regelung hat auch durch die Anfügung des Abs. 8 im § 1 MeldeG mit der Novelle vom 30. März 2001, BGBl. I Nr. 28/2001, keine inhaltliche Änderung erfahren, weil damit nur die in der vorzitierten Regierungsvorlage angeführten Kriterien in Gesetzesform gegossen worden sind.
Für das vom Verfassungsgerichtshof in seinem obzitierten Erkenntnis vom 26. September 2001 als verfassungskonform bewertete Reklamationsverfahren gilt daher, dass nur die im § 17 Abs. 3 MeldeG angeführten Beweismittel zulässig sind; die Parteien trifft eine besondere Mitwirkungspflicht. Die am Reklamationsverfahren beteiligten Bürgermeister dürfen nur Tatsachen geltend machen, die sie in Vollziehung eines Bundes- oder Landesgesetzes ermittelt haben und die keinem Übermittlungsverbot unterliegen.
Im Beschwerdefall ist nun die belangte Behörde - wie noch zu zeigen sein wird, zutreffend - davon ausgegangen, dass beim Zweitmitbeteiligten bei der Gesamtbetrachtung seiner beruflichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebensbeziehungen für den Wohnsitz Schönegg die sachliche Voraussetzung des Mittelpunktes seiner Lebensbeziehungen zutrifft (siehe § 1 Abs. 7 MeldeG).
Im hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2001/05/0935, hat der Verwaltungsgerichtshof auch näher begründet ausgeführt, dass in Ausnahmefällen auch das subjektive Kriterium "überwiegendes Naheverhältnis", das nur in der persönlichen Einstellung des Betroffenen zum Ausdruck kommt, den Ausschlag geben kann, dies jedoch nur in den Fällen, in denen als Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zwei oder mehrere "Mittelpunkte der Lebensbeziehungen" des Betroffenen hervorgekommen sind.
Insoweit nun der beschwerdeführende Bürgermeister unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften die Mangelhaftigkeit des von der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens rügt und dies insbesondere auf die im Gesetz vorgesehene Beweismittelbeschränkung und die daraus resultierende Verfassungswidrigkeit der Verfahrensregelung des § 17 Abs. 3 MeldeG zurückführt, wird der beschwerdeführende Bürgermeister gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2001/05/0935, verwiesen.
Ausgehend von dieser Rechtslage vermag daher der beschwerdeführende Bürgermeister keine der belangten Behörde unterlaufenen Verfahrensfehler aufzuzeigen. Die belangte Behörde hat auf Grund der ihr von den Parteien offengelegten Tatsachen auch umfassend sämtliche nach § 1 Abs. 8 MeldeG, BGBl. Nr. 28/2001, zu berücksichtigenden Kriterien geprüft. Durch die unter Einhaltung der Verfahrensvorschriften des § 17 Abs. 3 MeldeG auf Grund der Stellungnahmen der Parteien gewonnenen Ermittlungsergebnisse ist der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt zweifelsfrei erhoben. Einer Ergänzung des Verfahrens bedarf es daher nicht. Dass der Zweitmitbeteiligte in der Steiermark mit seiner Lebensgefährtin ein Einfamilienhaus errichtet, ist kein tragendes Begründungselement der angefochtenen Entscheidung und für das Ergebnis des Beschwerdefalles auch ohne Bedeutung.
Der Zweitmitbeteiligte hat in Wien nur aus beruflichen Gründen eine Unterkunft. Seine Wohnung in Wien dient im Wesentlichen nur als Ausgangspunkt für den Weg zur Arbeitsstätte an diesem Wohnsitz, weil die tägliche Anreise vom Hauptwohnsitz in der Steiermark zum Arbeitsplatz zu beschwerlich wäre. Dass der Zweitmitbeteiligte die Wiener Wohnung auch aus anderen, für die Begründung eines Hauptwohnsitzes entscheidungswesentlichen Gründen angeschafft hätte (in Frage kämen hier die im § 1 Abs. 8 MeldeG, BGBl. Nr. 28/2001, angeführten Kriterien zwecks Begründung gesellschaftlicher und/oder wirtschaftlicher Lebensbeziehungen), ist nicht hervorgekommen. Sogenannte "Wochenpendler" wie der Zweitmitbeteiligte, die eine Unterkunft (Wohnung) am Ort oder in der näheren Umgebung des Arbeitsplatzes als weiteren Wohnsitz nur aus beruflichen Gründen im aufgezeigten Sinn nehmen und im Falle eines Berufs- bzw. Arbeitgeberwechsels auch einen Wechsel des weiteren Wohnsitzes in Kauf nehmen würden, haben damit keinen Hauptwohnsitz begründet, weil sie ihre wesentlichen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebensbeziehungen an dem Wohnsitz haben, zu dem sie sich grundsätzlich nach einer Arbeitswoche begeben, um dort mit ihren Familienmitgliedern an der bestehenden Wohnungs- und Wirtschaftsgemeinschaft wieder teilzunehmen und allenfalls die übernommenen Funktionen in öffentlichen und privaten Körperschaften auszuüben.
Dies gilt auch für ledige, alleinstehende Betroffene, wenn sie ausschließlich ihre beruflichen Lebensbeziehungen am Ort oder in der Nähe der Arbeitsstätte konzentriert haben, aber gesellschaftliche, insbesondere familiäre Beziehungen am Heimatwohnsitz bestehen. Sofern nicht weitere besondere gesellschaftliche und/oder wirtschaftliche Lebensbeziehungen (etwa die Anschaffung einer Eigentumswohnung, siehe das Erkenntnis vom heutigen Tage, Zl. 2001/05/0930) am Ort oder in der Nähe des Arbeitsplatzes hinzukommen, treten in diesem Fall die Kriterien der Aufenthaltsdauer, die Lage des Arbeitsplatzes und der Weg von der notwendigerweise am Ort oder in der Nähe des Ortes des Arbeitsplatzes gewählten Wohnung dorthin in den Hintergrund.
Der Verwaltungsgerichtshof verkennt nicht, dass die aus beruflichen Gründen getroffene Wahl eines weiteren Wohnsitzes für den Betroffenen notgedrungen dort auch die zum Ausgleich erforderliche Freizeitgestaltung mit sich bringt und zu gesellschaftlichen und freundschaftlichen Kontakten führen kann (und in der Regel auch führen wird) und in diesem Zusammenhang kulturelle, wirtschaftliche und soziale Angebote am Ort der Arbeitsstätte genutzt werden. Solange eine solche Lebensführung eines Wochenpendlers jedoch nicht über im Wesentlichen zufällig oder berufsbedingt entstandene lose gesellschaftliche Beziehungen hinausgeht, vermag aber der ausschließlich zum Zwecke der Berufsausübung gewählte weitere Wohnsitz den (bisherigen) Hauptwohnsitz des Betroffenen nicht aufzuheben und eine über § 1 Abs. 6 MeldeG hinausgehende Qualität nicht zu erreichen.
Da somit kein Mittelpunkt von Lebensbeziehungen in der Gemeinde des reklamierenden Bürgermeisters besteht, hätte der Antrag zurückgewiesen werden müssen; durch die Abweisung wurde der Beschwerdeführer aber in keinen Rechten verletzt. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Ein Anwendungsfall des § 47 Abs. 4 VwGG liegt nicht vor (vgl. hiezu den hg. Beschluss vom 9. Oktober 2001, Zl. 2001/05/0255).
Wien, am 13. November 2001
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