Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, eine albanische Staatsangehörige moslemischen Glaubens, gelangte am 17. August 1999 in das Bundesgebiet und beantragte am 19. August dieses Jahres die Gewährung von Asyl.
Im Rahmen ihrer Einvernahme vor dem Bundesasylamt (der Erstbehörde) am 1. Oktober 1999 gab sie zu ihrem Fluchtgrund an:
"Frage: Aus welchem Grund verließen Sie Albanien?
Antwort: Als ich mit meinem Gatten am 4.5.1999 am Weg zu unseren Arbeitsplätzen war, wurden wir etwa 50 Meter von unserem Haus entfernt von drei maskierten Männern mit automatischen Waffen beschossen. Ich verlor auf Grund des Erschreckens sofort mein Bewusstsein.
...
Als ich nun erwacht war, erkannte ich, dass mein Gatte mit
mehreren Schüssen getroffen worden war. Im ersten Moment erkannte
ich nicht, dass mein Gatte tot war.
...
Konkret befragt gebe ich an, nicht zu wissen, von wie vielen Kugeln ich getroffen worden bin. Jedenfalls fehlten mir bereits der kleine und der Zeigefinger der rechten Hand, ... Außerdem wurde ich von ein paar Schüssen gestreift ...
...
Auf weitere konkrete Befragung gebe ich an, dass mein Gatte stellvertretender Vorsitzender des Rechnungshofes für den Kreis Durres war. Diese Funktion hatte er etwa eineinhalb bis zwei Jahre. Er war vom Vorsitzenden des Rechnungshofes von ganz Albanien für diese Funktion ausgesucht worden. Davor war mein Gatte beim Staatssicherheitsdienst im Innenministerium in Tirana angestellt - er war für wirtschaftliche Belange zuständig, hatte er ja ein Wirtschaftsstudium abgeschlossen.
...
Ich selbst war 21 Jahre lang als Fachärztin für Geburtshilfe und Frauenheilkunde im Spital von Durres angestellt - bis zum Tag des Attentates war ich dort tätig.
Während der Zeit, in der mein Gatte in Tirana arbeitete, pendelte er zwischen Durres und Tirana.
Frage: Wissen Sie, wer das Attentat auf Sie und Ihren Gatten verübt hat?
Antwort: Wenn ich das wüsste, wäre ich nicht da. Auch der Staat schützt mich nicht. Ich habe darum ersucht, doch er schützte mich nicht.
Frage: Was hätten die Behörden Ihrer Meinung nach tun sollen?
Antwort: Die Täter verhaften.
Frage: Weiß man, wer das Attentat verübt hat?
Antwort: Ich habe schon einmal gesagt, dass dies nicht der Fall ist.
Frage: Wie soll man die Attentäter verhaften, wenn man nicht weiß, wer diese sind?
Antwort: Das muss der Staat wissen. Dieser sagt aber, dass man die Täter nicht finden könnte.
Die Täter haben nach dem Attentat sofort bei meinen Schwiegereltern telefonisch damit gedroht, dass nach dem erfolgten Mord an meinem Gatten als nächstes meine Tochter entführt werden würde. Dieser Drohanruf erfolgte noch am Tag des Attentates - diese telefonischen Drohungen erfolgten in der Folge täglich.
...
Eine Woche vor dem Attentat war schon versucht worden, meine Tochter zu entführen.
Frage: Wurden außer der Drohung, Ihre Tochter entführen zu wollen, noch andere Drohungen telefonisch bekannt gegeben?
Antwort: Man drohte mir, dass meine ganze Familie umgebracht würde - und zwar bei den täglichen Drohanrufen. Ich meldete diese Anrufe der Polizei, die auch in der Folge den Telefonanschluss meiner Schwiegereltern abhörte - jedoch erfolglos.
...
Frage: Wissen Sie den Grund des Interesses an Ihrer Familie?
Antwort: Ich nehme an, dass dieses im Umstand gelegen ist, das mein Gatte gesetzestreu und ehrlich war, was offensichtlich den Kriminellen und Banditen nicht passte. Eine Vorwarnung gab es nicht. Das Attentat erfolgte völlig überraschend.
Konkret befragt gebe ich an, dass ich vermute, dass die mafiosen Banditen möglicherweise annehmen, dass auch ich irgendetwas weiß, weshalb sie mich und meine Kinder umbringen wollen.
Frage: Können Sie erklären, aus welchem Grund man versuchte, Ihre Tochter zu entführen?
Antwort: Wenn ich es wüsste, wäre ich nicht da.
..."
Mit Bescheid vom 4. August 2000 wies die Erstbehörde den Asylantrag gemäß § 7 des Asylgesetzes 1997 (AsylG) ab, sprach jedoch gemäß § 8 AsylG aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Albanien nicht zulässig sei. Sie begründete ihren Abspruch im Grunde des § 7 AsylG damit, die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten und befürchteten Übergriffe durch Private bzw. Kriminelle könnten in ihrem Fall die Flüchtlingseigenschaft nicht begründen. Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention müsse entweder von staatlichen Stellen ausgehen oder darauf beruhen, dass der betreffende Staat nicht in der Lage oder nicht gewillt sei, die von anderen Stellen ausgehende Verfolgung hintanzuhalten. Die Beschwerdeführerin habe nicht vorgebracht, dass die Behörden ihres Heimatlandes nicht gewillt wären, ihr Schutz zu gewähren. Dass ihre "Verfolger" nicht hätten ausfindig gemacht werden können, ändere nichts an obiger Beurteilung, könnten doch in aller Welt Verbrechen bzw. kriminelle Delikte nicht lückenlos aufgeklärt werden. Weiters könne Flüchtlingseigenschaft deshalb nicht zuerkannt werden, weil aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin in keiner Weise ein in der Genfer Flüchtlingskonvention genannter Grund hervorgehe, der die Flüchtlingseigenschaft nach sich ziehen könnte.
Gegen die Versagung von Asyl erhob die Beschwerdeführerin Berufung, in der sie unter anderem vorbrachte, ihr Mann habe als Angestellter in einer Staatsfunktion bei den obersten Organen der Staatskontrolle gearbeitet und habe damit einer bestimmten sozialen Gruppe und einer damit verbundenen politischen Gesinnung angehört. Aus einer Bestätigung der Generalstaatsanwaltschaft der Republik Albanien gehe hervor, dass der Mordanschlag, die Drohungen und die gesamte wohlbegründete Furcht eindeutig eine Folge der Arbeit des Mannes der Beschwerdeführerin, seiner Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Staatsangestellten und damit in den Augen dieser Terroristen einer politischen Gesinnung sei. Die Beschwerdeführerin werde aus den Augen der Terroristen auf Grund dieser Tatsachen verfolgt und nicht aus privaten Motiven. In Albanien werde die Gruppe der Staatsdiener verfolgt. Die Verfolger seien Mitglieder einer politisch orientierten Mafiaorganisation, denen die Beschwerdeführerin, ihre Tochter und ihr Sohn schutzlos im Wege stünden. Ihr Heimatland sei dafür verantwortlich, die Beschwerdeführerin und ihre Familie nicht genügend zu schützen.
In den vorgelegten Verwaltungsakten ist der Berufung die Kopie der Übersetzung einer Bestätigung der Generalstaatsanwaltschaft der Republik Albanien vom 27. Mai 1999 angeschlossen.
Im Zuge ihrer Einvernahme in der Berufungsverhandlung vor dem unabhängigen Bundesasylsenat (der belangten Behörde) gab die Beschwerdeführerin an (VL = Verhandlungsleiter, BW = Beschwerdeführerin):
"VL: Hat man die Attentäter gefasst?
BW: Nein. Ich weiß es nicht.
...
Uns ist nur gesagt worden, dass die Attentäter nicht gefasst worden sind. Dass die politischen und kriminellen Banden in Albanien sich vermehrt haben und dass wir auf keinen Fall zurückkehren dürfen.
...
VL: Können Sie mir etwas über die Tätigkeit Ihres Mannes
erzählen?
BW: Ich wusste nur, dass mein Mann für den Staat arbeitete. Er war im Staatssicherheitsdienst beschäftigt, dies zunächst. Er hat die wirtschaftliche Fakultät absolviert. Ein Jahr hat er als Ökonom gearbeitet. Anschließend arbeitete er 14 Jahre lang beim Staatssicherheitdienst. Er war dort von 1978 bis 1991.
...
VL: Wissen Sie was er als stellvertretender Vorsitzender am Rechnungshof für den Kreis DurrEs genau zu tun hatte?
BW: Er hat für den Staat gearbeitet - was er genau gemacht hat, weiß ich nicht.
...
Über Vorhalt des VL an die BW:
Den beigeschafften Berichten lässt sich nicht entnehmen, dass in Albanien Staatsangestellte als solche wegen dieser Eigenschaft einer Verfolgung ausgesetzt wären.
BW: Der Fall meines Mannes ist etwas anderes. Er hat im Staatssicherheitsdienst und im Rechnungshof gearbeitet. Warum sollte man ein Attentat gegen ihn verüben. Das ist eng verbunden, die Polizei mit der politischen Mafia. Die Polizeistation war nicht sehr weit entfernt von der Attentatstelle, sie haben aber trotzdem nichts gemacht.
BWV: Sind solche Fälle öfter vorgekommen, dass Staatsbeamte ermordet wurden?
BW: Ein Abgeordneter wurde ermordet. Für mich der einzige Grund warum er ermordet wurde war, weil er in zwei wichtigen Positionen im Staat war. Sie wollten uns beide umbringen, ich verstehe selbst nicht, wie ich gerettet wurde.
..."
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 7 AsylG ab. Nach Darstellung des Verfahrensganges stellte die belangte Behörde als entscheidungswesentlichen Sachverhalt fest:
"1. Die Berufungswerberin ist ... von Beruf Fachärztin für
Gynäkologie, sie war bis Mai 1999 in der gynäkologischen Abteilung
des staatlichen Spitals in DurrEs tätig. Die Berufungswerberin war
seit 1978 mit G. M. verheiratet, sie hat zwei Kinder ... Die
Berufungswerberin und ihr Gatte wurden am 04.05.1999 Opfer eines Anschlages, sie wurden ca. 50 Meter von ihrem Haus im Auto sitzend von drei maskierten Männern mit automatischen Waffen beschossen. Bei diesem Attentat wurde der Gatte der Berufungswerberin getötet, sie selbst erlitt Schussverletzungen, die u.a. die Amputation von zwei Fingern der rechten Hand zur Folge hatte.
2. Der Gatte der Berufungswerberin war ausgebildeter Ökonom, er arbeitete zunächst ein Jahr als Ökonom, anschließend war er von 1978 bis 1991 beim Staatssicherheitsdienst. Dort war er zunächst rund zehn Jahre im Hafen von DurrEs für wirtschaftliche Fragen zuständig, dann war er zwei Jahre Leiter der Abteilung für Inneres im Kreis DurrEs, danach war er bis 1991/92 im Innenministerium in Tirana beschäftigt. Von 1991/92 bis ca. 1997 war er arbeitslos. Danach wurde er zum stellvertretenden Vorsitzenden des Rechnungshofes für den Kreis DurrEs bestellt, diese Funktion hatte er etwa eineinhalb bis zwei Jahre bis zum Attentat am 04.05.1999 inne.
3. Nach dem Attentat wurde der Berufungswerberin - im Wege von Drohanrufen bei ihren Schwiegereltern - telefonisch wiederholt die Entführung ihrer Tochter sowie die Ermordung der Familie angedroht, die Berufungswerberin veranlasste daraufhin noch im Mai 1999 die Ausreise der Tochter in die Türkei. Die Berufungswerberin meldete die Drohanrufe der Polizei, die daraufhin den Telefonanschluss der Schwiegereltern abhörte, dies jedoch erfolglos. Bereits eine Woche vor dem Attentat fühlte sich die Tochter der Berufungswerberin von drei Männern verfolgt, die Berufungswerberin ist der Auffassung, dass diesbezüglich eine Entführung der Tochter versucht wurde. Eine Vorwarnung vor dem Attentat gab es nicht, dieses erfolgte völlig überraschend. Die Berufungswerberin und ihr Sohn verbrachten noch ca. drei Monate in Albanien, dies an verschiedenen Orten versteckt bei den Schwiegereltern, bei den Eltern sowie bei Cousins der Berufungswerberin. Es erfolgten weiterhin zahlreiche Drohanrufe bei den Schwiegereltern, nach dem Wissen der Berufungswerberin auch noch nach ihrer Ausreise im August 1999. Neben der polizeilichen Telefonabhörung wurde die Berufungswerberin von einem Beamten einvernommen ...
4. Die Berufungswerberin hat keine Kenntnis davon, wer das Attentat verübt hat. Die Berufungswerberin nimmt an, dass der Grund für das Interesse an Ihrer Familie darin begründet liegt, dass ihr Gatte gesetzestreu und ehrlich war, was offensichtlich den Kriminellen und "Banditen" nicht passe, sie vermutet, dass die "mafiosen Banditen" möglicherweise annehmen, dass auch sie irgendetwas wisse, weshalb diese sie und ihre Kinder ebenfalls umbringen wollten. Die Attentäter sind bis heute nicht gefasst.
5. Die Generalstaatsanwaltschaft der Republik Albanien vertritt die Auffassung, dass die Ursache des Mordanschlages gegen den Gatten in dessen Tätigkeit bei den "Obersten Organen der Staatskontrolle" begründet ist, zumal sich der Gatte der Berufungswerberin dort mit heiklen Problemen im Rahmen des Gesetzesvollzugs beschäftigt habe. Einem Pressebericht zum Mordanschlag ist zu entnehmen, dass die vermutliche Ursache des Attentats in der Tätigkeit des Gatten bei der Staatskontrolle zu suchen sei.
6. Hinsichtlich der allgemeinen Situation in Albanien ist folgende Einschätzung des Dt. Auswärtigen Amtes zugrundezulegen:
... Erhebliche Defizite bestehen bei der Bekämpfung von Korruption und Kriminalität und beim Aufbau einer unabhängigen Justiz und einer funktionierenden Verwaltung. Im Justizbereich steht die Unabhängigkeit der Gerichte trotz Reformen weiterhin auf schwachen Füßen. Obwohl seit 1993 strafprozessuale Schutzgarantien gesetzlich verankert sind, führen die schlechte Ausbildung von Richtern, Staatsanwälten und Anwälten sowie die Korruption im Justizbereich häufig dazu, dass Strafverfahren äußerst mangelhaft durchgeführt werden und sich zu lange hinziehen. Der Schutz von Zeugen in Strafverfahren ist nicht gewährleistet. Zahlreiche internationale Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen bemühen sich um Verbesserungen. ...
7. Nicht festgestellt werden kann, dass es in Albanien eine Gruppe von Personen gibt, deren gemeinsames, eine Verfolgung auslösendes Merkmal der Umstand bildet, dass sie Staatsangestellte sind.
8. Nicht festgestellt werden kann, dass es sich bei den Attentätern um "Terroristen" im Sinne einer politischen Ziele verfolgenden Gruppe handelt bzw. dass die Verfolger Mitglieder einer "politisch orientierten Mafiaorganisation" im Sinne einer politische Gegner verfolgenden Gruppe sind."
Beweiswürdigend führte die belangte Behörde unter anderem aus, die im Punkt 7 getroffene Feststellung stütze sich darauf, dass sich weder dem beigeschafften Bericht noch den Aussagen der Beschwerdeführerin entnehmen lasse, dass in Albanien Staatsangestellte dergestalt eine "soziale Gruppe" bilden würden, sodass allein die Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Verfolgung auslöse. Die unter Punkt 8 getroffene Feststellung beruhe darauf, dass die in der Berufung erstmals aufgestellte Behauptung, es handelte sich bei den Angreifern um "Terroristen" bzw. um Mitglieder einer "politisch orientierten Mafiaorganisation" - sofern damit eine politische Ziele bzw. politische Gegner verfolgende Gruppe angedeutet werde - eine reine Spekulation darstelle, zumal die Attentäter und die genaueren Beweggründe des Attentats gerade nicht bekannt seien. In rechtlicher Hinsicht folgerte die belangte Behörde, die von der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) geforderten Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl könnten auch durch das Bestehen einer im Herkunftsland allgemein praktizierten "Familienhaftung" oder "Sippenhaftung" erfüllt werden, wenn sich die Gründe, deretwegen ein Verwandter des Asylwerbers verfolgt werde, zufolge einer von der Behörde des Herkunftsstaates wegen des Verwandtschaftsverhältnisses regelmäßig unterstellten Gesinnung des Asylwerbers auch auf diesen selbst bezögen und er deshalb Verfolgung erleiden oder befürchten müsste. Die Beschwerdeführerin bringe dazu vor, dass ihr Gatte einer bestimmten sozialen Gruppe der Staatsangestellten bzw. Staatsdiener und einer damit verbundenen politischen Gesinnung angehört hätte. Zu dieser Argumentation sei anzumerken, dass nicht habe festgestellt werden können, bei den Angreifern hätte es sich um Terroristen im Sinne einer politische Ziele verfolgenden Gruppe bzw. Mitglieder einer politisch orientierten Mafiaorganisation gehandelt, zumal die Attentäter und die genaueren Beweggründe nicht bekannt seien, sodass sich Mutmaßungen über die Verfolger als reine Spekulation erwiesen. Eine Verfolgung wegen einer (unterstellten) politischen Gesinnung sei daher nicht ersichtlich. Da weiters die Existenz einer "sozialen Gruppe der Staatsangestellten" im (spezifischen) Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK nicht festzustellen gewesen sei, sei eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer derartigen Gruppe nicht anzunehmen. Selbst wenn man - hypothetisch - unterstellen wollte, dass dem Gatten der Beschwerdeführerin eine politische Gesinnung zugeschrieben würde bzw. dass es eine soziale Gruppe der Staatsangestellten in Albanien gäbe, wäre damit noch nicht dargelegt, dass die (unterstellte) politische Gesinnung bzw. die Zugehörigkeit zu dieser Gruppe der "Grund" im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK für die Verfolgung des Gatten der Beschwerdeführerin gewesen sei. Auf der Grundlage der von der Beschwerdeführerin vermuteten Zusammenhänge sei gerade nicht anzunehmen, dass ihr Ehegatte wegen einer ihm unterstellten politischen Gesinnung bzw. wegen seiner Zugehörigkeit zur Gruppe der Staatsangestellten verfolgt worden sei, zumal sie den Grund für das Attentat darin sehe, dass ihr Gatte gesetzestreu und ehrlich gewesen wäre, was offensichtlich Kriminellen und Banditen nicht gepasst hätte, die möglicherweise annehmen würden, dass auch die Beschwerdeführerin irgendetwas wüsste. Das damit angesprochene "Verfolgungsmotiv" eines individuellen Interesses an der Vertuschung krimineller Machenschaften bzw. an der Beseitigung von Mitwissern lasse gerade keines der Verfolgungsmotive (politische Gesinnung, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe) erkennen. Ein solches Motiv sei nicht "glaubhaft" im Sinn des § 7 AsylG. Die genannten Umstände wären auch nicht als "auslösende Ursachen" im Sinne einer Kausalitätstheorie gewesen. Im Ergebnis sei daher davon auszugehen, dass im Falle der Verfolgung des Gatten der Beschwerdeführerin ein asylrelevanter Zusammenhang nicht angenommen werden könne, sodass dieser auch nicht auf die Beschwerdeführerin - im Sinne der zitierten Judikatur und unter der Annahme, dass "Familienhaftung" oder "Sippenhaftung auch bei Verfolgung durch Dritte Relevanz zukomme - durchschlagen könne. Dass der Beschwerdeführerin selbst - ohne Bezug auf ihren Gatten - aus einem der in der GFK genannten Gründe Verfolgung drohe, habe sie nicht einmal behauptet, zumal sie diesbezüglich lediglich auf eine allenfalls von den Attentätern angenommene Mitwisserschaft verweise. Der Beschwerdeführerin drohe in Albanien aus keinem in der GFK angeführten Gründe Verfolgung. Es komme daher grundsätzlich nicht darauf an, ob der Staat schutzwillig oder schutzfähig sei.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der im Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.
Im vorliegenden Fall richtete die belangte Behörde ihr Augenmerk vorrangig auf die Prüfung der Voraussetzungen des § 7 AsylG in der Person des Ehegatten der Beschwerdeführerin und gelangte zur Ansicht, dass dieser weder aus dem Grunde der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe noch wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt worden wäre, sodass schon deshalb eine Verfolgung auf die Beschwerdeführerin nicht habe durchschlagen können. Für das Vorliegen von Verfolgung der Beschwerdeführerin selbst mangle es ebenfalls am Grunde der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder einer politischen Gesinnung.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19. Dezember 2001, Zl. 98/20/0312 (mwN), zur Gefahr einer "Sippenhaftung" ausführte, entspräche diese Form der "stellvertretenden" (oder - in anderen Fällen - zusätzlichen) Inanspruchnahme eines Familienmitgliedes dem Modell des - oft als "Sippenhaftung" bezeichneten - "Durchschlagens" der Verfolgung eines Angehörigen auf den Asylwerber, wobei in den hier in der Praxis im Vordergrund stehenden Fällen einer Verfolgung des Angehörigen wegen politischer Aktivitäten für die Asylrelevanz dieses "Durchschlagens" nicht gefordert wird, dass der potenzielle Verfolger auch dem Asylwerber eine entsprechende politische Gesinnung unterstellt. Die Rechtsgrundlage für das Absehen vom Erfordernis einer dem Asylwerber selbst zumindest unterstellten politischen Gesinnung in den Fällen der "Sippenhaftung" ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes in der Anerkennung des Familienverbandes als "soziale Gruppe" gemäß Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK in Verbindung mit § 7 AsylG zu sehen.
Verfolgung kann daher schon dann Asylrelevanz zukommen, wenn ihr Grund in der bloßen Angehörigeneigenschaft des Asylwerbers, somit in seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, etwa jener der Familie, liegt (vgl. etwa auch die hg. Erkenntnisse vom 21. September 2000, Zl. 98/20/0439, sowie vom 30. Jänner 2001, Zl. 98/18/0372, letzteres betreffend Feststellung nach § 75 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997).
Die belangte Behörde verkannte daher schon insofern die Rechtslage, als sie vorrangig auf das Vorliegen asylrelevanter Verfolgung des Ehegatten der Beschwerdeführerin abstellte und einer Verfolgung der Beschwerdeführerin nur akzessorischen Charakter zubilligte.
Auch verkannte sie die Asylrelevanz des Vorbringens, wenn sie im angefochtenen Bescheid meinte, es sei nicht einmal behauptet worden, dass der Beschwerdeführerin selbst - ohne Bezug auf ihren Gatten - aus einem der in der GFK genannten Gründe Verfolgung drohe. So gab die Beschwerdeführerin schon vor der Erstbehörde an, ihrer Ansicht nach liege der Grund für das "Interesse" an ihrer Familie darin, dass ihr Gatte gesetzestreu und ehrlich gewesen sei, was offensichtlich den Kriminellen und Banditen nicht gepasst habe. Damit war - entgegen der Ansicht der belangten Behörde - den Behauptungen der Beschwerdeführerin eindeutig zu entnehmen, dass sie sich auf Grund ihrer Angehörigeneigenschaft, sohin ihrer eigenen Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie, verfolgt glaubte. Wohl traf die belangte Behörde (Negativ-)Feststellungen über die Existenz einer sozialen Gruppe von Staatsangestellten in Albanien und über die mangelnde Erweislichkeit der Motive der Attentäter (offenbar betreffend die Ermordung des Ehegatten der Beschwerdeführerin), betreffend den von der Beschwerdeführerin behaupteten asylrelevanten Grund ihrer eigenen Verfolgung in ihrer Angehörigeneigenschaft beschränkte sich die belangte Behörde jedoch darauf, die zitierte Vermutung der Beschwerdeführerin - sowie die damit in Einklang stehende Bestätigung der Generalstaatsanwaltschaft der Republik Albanien - wiederzugeben, ohne zu erkennen zu geben, ob sie diesen behaupteten Grund für die Verfolgung der Beschwerdeführerin als "glaubhaft" erachtete.
Da somit die belangte Behörde die Rechtslage verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.
Wien, am 14. Jänner 2003
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