VwGH 2000/18/0167

VwGH2000/18/016727.1.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des B, geboren 1977, vertreten durch Dr. Robert Schneider, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schubertring 6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 15. Juni 2000, Zl. SD 407/00, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §19;
AsylG 1997 §4 Abs5;
Aufenthaltsrecht Kosovo-Albaner Nov 1999/II/461 §2;
FrG 1997 §107 Abs1 Z4;
FrG 1997 §14 Abs2;
FrG 1997 §31;
FrG 1997 §33 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §7;
EMRK Art8 Abs2;
AsylG 1997 §19;
AsylG 1997 §4 Abs5;
Aufenthaltsrecht Kosovo-Albaner Nov 1999/II/461 §2;
FrG 1997 §107 Abs1 Z4;
FrG 1997 §14 Abs2;
FrG 1997 §31;
FrG 1997 §33 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §7;
EMRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 15. Juni 2000 wurde der Beschwerdeführer, ein jugoslawischer Staatsangehöriger, gemäß § 33 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei laut seinen Angaben am 4. Dezember 1998 illegal mit einem PKW nach Österreich eingereist und habe am selben Tag einen Asylantrag gestellt, der am 9. Dezember 1998 vom Bundesasylamt wegen Einreise über einen sicheren Drittstaat zunächst als unzulässig zurückgewiesen worden sei. Da sich in weiterer Folge die Zurückschiebung des Beschwerdeführers nach Ungarn als nicht möglich herausgestellt habe (nach Ausweis des in den vorgelegten Verwaltungsakten enthaltenen Auszuges aus der Asylwerberinformationsdatei wurde sodann das Verfahren über die vom Beschwerdeführer gegen die Zurückweisung seines Asylantrages erhobene Berufung vom unabhängigen Bundesasylsenat eingestellt; vgl. § 4 Abs. 5 Asylgesetz 1997 - AsylG), habe das Bundesasylamt (mit Bescheid vom 15. Oktober 1999) den Asylantrag abgewiesen und gleichzeitig festgestellt, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Bundesrepublik Jugoslawien, Provinz Kosovo, zulässig sei. Dieser Bescheid sei am 4. November 1999 rechtskräftig geworden.

Am 29. Oktober 1999 habe der Beschwerdeführer einen Antrag auf Bescheinigung seines Aufenthaltsrechtes gemäß § 2 der Verordnung über die Regelung des Aufenthaltsrechtes kriegsvertriebener Kosovo-Albaner gestellt, der am 26. November 1999 von der Bundespolizeidirektion Wien (der Erstbehörde) abgewiesen worden sei. Daraufhin habe er am 10. Jänner 2000 neuerlich einen Asylantrag eingebracht, der am 25. Februar 2000 vom Bundesasylamt wegen entschiedener Sache zurückgewiesen worden sei. Die dagegen eingebrachte Berufung sei am 29. März 2000 vom unabhängigen Bundesasylsenat rechtskräftig abgewiesen worden.

Der Beschwerdeführer habe vom 11. Oktober 1999 bis 11. Jänner 2000 über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG verfügt und sei am 4. April 2000 von der Erstbehörde wegen unrechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet (nach Ausweis des in den Verwaltungsakten enthaltenen Strafvermerks: in der Zeit vom 12. Jänner 2000 bis 2. März 2000 gemäß § 107 Abs. 1 Z. 4 iVm § 31 FrG) rechtskräftig bestraft worden.

Der Beschwerdeführer, der unter Umgehung der Grenzkontrolle eingereist sei, sei weder im Besitz eines Aufenthaltstitels noch auf Grund der Verordnung über die Regelung des Aufenthaltsrechtes kriegsvertriebener Kosovo-Albaner zum Aufenthalt berechtigt und auch nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens im Bundesgebiet verblieben. Er halte sich daher unrechtmäßig im Bundesgebiet auf, sodass die Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 FrG erfüllt seien. In einem solchen Fall könnten Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn dem nicht § 37 Abs. 1 leg. cit. entgegenstehe.

Der Beschwerdeführer lebe mit seinem Vater im gemeinsamen Haushalt, weshalb davon auszugehen sei, dass mit der vorliegenden Maßnahme ein Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers verbunden sei. Dieser Eingriff erweise sich jedoch als dringend geboten. Der Befolgung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch den Normadressaten komme nämlich aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Die vom Beschwerdeführer geäußerte Absicht, "hier in Österreich zu leben" und auch "seinen Aufenthalt zu legalisieren", vermöge nicht zu seinen Gunsten auszuschlagen, könne doch ein Aufenthaltstitel gemäß § 14 Abs. 2 FrG nur vom Ausland aus erwirkt werden. Gegen diese Regelung habe der Beschwerdeführer, der seinen unrechtmäßigen Aufenthalt trotz rechtskräftiger Bestrafung (wegen illegalen Aufenthalts) und ungeachtet der rechtskräftigen Abweisung seines Antrages auf Ersichtlichmachung eines vorübergehenden Aufenthaltsrechtes fortgesetzt habe, in gravierender Weise verstoßen. Die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers seien jedenfalls nicht höher zu bewerten als das Interesse der Allgemeinheit an der Ausreise des Beschwerdeführers aus dem Bundesgebiet. Verstärkt werde dieses Abwägungsergebnis durch den Umstand, dass er rechtens nicht in der Lage sei, seinen Aufenthalt in Österreich von hier aus zu legalisieren. Darüber hinaus könne der Beschwerdeführer im Ausland von seinem Vater besucht bzw. finanziell unterstützt werden.

Vor diesem Hintergrund und im Hinblick auf das Fehlen besonderer, zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände könne sein Aufenthalt auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens in Kauf genommen werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde bestreitet nicht die im angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung, dass der Beschwerdeführer nicht im Besitz eines Aufenthaltstitels sei, und behauptet auch nicht, dass dem Beschwerdeführer eine sonstige Berechtigung zum Aufenthalt in Österreich zukomme. Die - unbekämpfte - Auffassung der belangten Behörde, dass sich der Beschwerdeführer nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte und die Tatbestandsvoraussetzung des § 33 Abs. 1 FrG erfüllt sei, begegnet daher keinen Bedenken.

2. Die Beschwerde bringt unter dem Blickwinkel des § 37 Abs. 1 FrG und des der belangten Behörde gemäß § 33 Abs. 1 leg. cit. eingeräumten Ermessens vor, dass diese das öffentliche Interesse an der Erlassung der Ausweisung überbewertet und nicht berücksichtigt habe, dass der Beschwerdeführer zur Sicherung seiner künftigen Existenz in Österreich eine Schulausbildung absolvieren wolle und im Kosovo auf Grund der Nachwirkungen der kriegerischen Auseinandersetzungen keine entsprechenden Ausbildungsmöglichkeiten habe. Auch habe er sich bis 11. Jänner 2000 auf Grund einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG rechtmäßig in Österreich aufgehalten, sodass die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 zweiter Satz FrG, einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Inland zu stellen, erfüllt seien, zumal er nicht die Ausübung einer Erwerbstätigkeit, sondern die Absolvierung einer Schulausbildung anstrebe.

3. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

3.1. Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Ausweisung im Grund des § 37 Abs. 1 FrG hat die belangte Behörde den inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers seit 4. Dezember 1998 und seine Bindung zu seinem hier aufhältigen Vater, mit dem er in einem gemeinsamen Haushalt lebt, berücksichtigt und zutreffend einen mit der Ausweisung verbundenen relevanten Eingriff im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG angenommen. Die aus dem bisherigen Aufenthalt des Beschwerdeführers resultierenden persönlichen Interessen werden jedoch dadurch entscheidend relativiert, dass sein Aufenthalt nur in der Zeit vom 11. Oktober 1999 bis 11. Jänner 2000 auf Grund eines Asylantrages, der sich als unberechtigt erwiesen hat, vorläufig berechtigt war. Diesen persönlichen Interessen an einem weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet steht gegenüber, dass er sich jedenfalls seit 11. Jänner 2000 unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und dieses auch nicht verlassen hat, nachdem er am 4. April 2000 wegen unrechtmäßigen Aufenthalts rechtskräftig bestraft worden war. Dieses Verhalten stellt eine erhebliche Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 25. September 2003, Zl. 2003/18/0240, mwN), dar. Die Ansicht der belangten Behörde, die Ausweisung des Beschwerdeführers sei - weil zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten - gemäß § 37 Abs. 1 FrG zulässig, kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Dem Beschwerdevorbringen, dass der Beschwerdeführer im Kosovo keine Ausbildungsmöglichkeiten habe, ist zu erwidern, dass mit einer Ausweisung nicht ausgesprochen wird, dass der Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder dass er (allenfalls) abgeschoben werde.

Wenn die Beschwerde meint, dass der Beschwerdeführer in Anbetracht seiner bis 11. Jänner 2000 gültigen vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG gemäß § 14 Abs. 2 zweiter Satz FrG einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Inland stellen dürfe, so ist auch dieses Vorbringen nicht zielführend. Eine solche Antragstellung im Inland ist nach dieser Gesetzesbestimmung zulässig, wenn der Antragsteller bereits niedergelassen ist und entweder bisher für die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes keinen Aufenthaltstitel benötigte oder bereits über einen Aufenthaltstitel verfügt hat, wobei dies nach Ablauf der Gültigkeit des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels dann nicht gilt, wenn der weitere Aufenthaltstitel eine Erwerbstätigkeit zulassen soll, für die der zuletzt erteilte Aufenthaltstitel nicht erteilt hätte werden können. Die zitierte Regelung des § 14 Abs. 2 zweiter Satz FrG findet im vorliegenden Fall schon deshalb keine Anwendung, weil es sich bei der von der Beschwerde ins Treffen geführten vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach § 19 AsylG nicht um einen Aufenthaltstitel (vgl. § 7 FrG) und auch nicht um eine sonstige Berechtigung zur Niederlassung handelt (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 4. Februar 2000, Zl. 98/19/0317; ferner etwa die hg. Erkenntnisse vom 26. November 2002, Zl. 2002/18/0235, und vom 27. Februar 2003, Zl. 2003/18/0012).

Die Auffassung der belangten Behörde, dass § 37 Abs. 1 FrG der Ausweisung des Beschwerdeführers nicht entgegenstehe, begegnet daher keinem Einwand.

3.2. Schließlich kann der Verwaltungsgerichtshof auch nicht finden, dass der belangten Behörde bei ihrer Entscheidung ein (materieller) Ermessensfehler unterlaufen sei, macht die Beschwerde doch nichts geltend, was gewichtig gegen die Ausweisung des Beschwerdeführers spräche, und treten auch weder aus dem angefochtenen Bescheid noch dem übrigen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten Aspekte hervor, die eine Ausübung des der belangten Behörde gemäß § 33 Abs. 1 FrG eingeräumten Ermessens zu Gunsten des Beschwerdeführers geboten hätten.

4. Die Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 27. Jänner 2004

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