VwGH 2003/18/0240

VwGH2003/18/024025.9.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des G, geboren 1977, vertreten durch Dr. Peter Lechenauer und Dr. Margrit Swozil, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Hubert-Sattler-Gasse 10, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 11. Juli 2003, Zl. St 72/03, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §8;
FrG 1997 §33 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §56 Abs2;
FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs2;
FrG 1997 §75;
EMRK Art8 Abs2;
AsylG 1997 §8;
FrG 1997 §33 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §56 Abs2;
FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs2;
FrG 1997 §75;
EMRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 11. Juli 2003 wurde der Beschwerdeführer, laut den Beschwerdebehauptungen ein nigerianischer Staatsangehöriger, gemäß § 33 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen.

Den Feststellungen der Bezirkshauptmannschaft Braunau (der Erstbehörde) zufolge sei der Beschwerdeführer am 7. März 2001 unter Umgehung der Grenzkontrolle, versteckt in einem LKW, unerlaubt über ein ihm unbekanntes Land nach Österreich eingereist. Am selben Tag habe er beim Bundesasylamt einen Asylantrag gestellt, der mit Bescheid dieser Behörde vom 1. Oktober 2001 abgewiesen worden sei. Der unabhängige Bundesasylsenat habe die von ihm dagegen erhobene Berufung mit Bescheid vom 7. Februar 2002 abgewiesen und gleichzeitig festgestellt, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria zulässig sei. Die Behandlung der von ihm dagegen beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachten Beschwerde sei mit hg. Beschluss vom 9. Juli 2002 abgelehnt worden.

In der Folge sei vom Beschwerdeführer durch seinen Rechtsvertreter beim Bundesministerium für Inneres die Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis nach § 10 Abs. 4 FrG angeregt worden. Dies sei jedoch mit Schreiben des Bundesministeriums für Inneres vom 15. September 2002 im Hinblick darauf, dass es dem Beschwerdeführer gelungen sei, in Österreich Arbeit zu finden und sich am Arbeitsmarkt zu etablieren, abgelehnt worden.

Der Beschwerdeführer sei somit im Bundesgebiet aufhältig, ohne im Besitz einer dafür erforderlichen Bewilligung zu sein. Auf Grund der Umstände seiner Einreise nach Österreich lägen zwingende Sichtvermerksversagungsgründe gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 und Abs. 2 Z. 3 FrG vor. Überdies werde auf § 14 Abs. 2 leg. cit. hingewiesen, wonach Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels vor der Einreise vom Ausland aus zu stellen seien. Da dem Beschwerdeführer auch kein vorläufiges Aufenthaltsrecht im Sinn des § 19 Asylgesetz (1997) zukomme, sei sein Aufenthalt - auch wenn er im Besitz einer gültigen Arbeitserlaubnis sei - rechtswidrig.

In seiner im erstinstanzlichen Verfahren erstatteten Stellungnahme habe der Beschwerdeführer vorgebracht, es wäre richtig, dass er am 7. März 2001 nach Österreich eingereist wäre und - wie oben dargestellt - seinem Asylantrag und seiner Anregung auf Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis nicht Folge gegeben worden wäre. Er könnte neue Beweismittel zu seinen Fluchtgründen im Asylverfahren vorbringen und hätte daher einen neuerlichen Asylantrag gestellt. Mittlerweile arbeitete er in Österreich, hätte ein monatliches Bruttoeinkommen von EUR 1.068,80 und verfügte über eine Krankenversicherung. Er lebte hier in einer Wohngemeinschaft, sein Unterhalt wäre gesichert, und er stellte keine Belastung für die öffentlichen Körperschaften dar.

Diesem Vorbringen sei entgegenzuhalten, dass der Beschwerdeführer zwar während des Asylverfahrens über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 19 Asylgesetz 1997 verfügt habe, diese jedoch mit rechtskräftigem Abschluss dieses Verfahrens am 9. Juli 2002 geendet habe. Seither halte er sich widerrechtlich im Bundesgebiet auf. Wenn er auch mittlerweile einen neuerlichen Asylantrag gestellt habe, sei ihm bisher keine neuerliche vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 19 leg. cit. zuerkannt worden. Auch gehe er in Österreich einer Erwerbstätigkeit nach, obwohl er die hiefür erforderliche Bewilligung nach § 7 Abs. 4 Z. 4 FrG nicht besitze und diese auf Grund des § 14 Abs. 2 leg. cit. vom Inland aus nicht erlangen könne.

Laut den weiteren Ausführungen der Erstbehörde sei der Beschwerdeführer ledig und hielten sich seine Verwandten nicht in Österreich auf.

In seiner gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 10. März 2003 erhobenen Berufung habe der Beschwerdeführer ausgeführt, dass die Erstbehörde auf das hohe Ausmaß seiner Integration nicht Bedacht genommen und er immer zuverlässig in Österreich gearbeitet hätte. Er verfügte über ein monatliches Einkommen und über eine Krankenversicherung bzw. eine gültige Arbeitserlaubnis, hätte sich in Österreich nie etwas zu Schulden kommen lassen und lebte in einer Wohngemeinschaft. Auch hätte die Erstbehörde es verabsäumt, entsprechende Ermittlungen hinsichtlich seiner Verfolgung in Nigeria durchzuführen, wo er in seinem Heimatort massiven Repressionen seitens der Polizei und des Militärs ausgesetzt wäre. Er wäre aus dem Gefängnis in Nigeria geflüchtet, nachdem er zu Unrecht zu 25 Jahren Haft verurteilt worden wäre, und hätte geradezu eine panische Angst vor einer Rückkehr in diesen Staat. Die Erstbehörde hätte demnach feststellen müssen, dass im Frühjahr 2003 in Nigeria immer noch große politische, wirtschaftliche und soziale Instabilität herrschte und die Angst der Bevölkerung vor jedweder Art von Verfolgung besonders groß wäre. Diesbezüglich habe er auch auf verschiedene Materialien verwiesen.

Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen weiter aus, dass sich der Beschwerdeführer seit dem rechtskräftigen Abschluss seines Asylverfahrens, seit 9. Juli 2002, insofern rechtswidrig im Bundesgebiet aufhalte, als ihm seit diesem Zeitpunkt weder ein Einreisetitel noch ein Aufenthaltstitel erteilt worden sei. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass ihm ein Aufenthaltsrecht entsprechend einer anderen gesetzlichen Bestimmung zukäme. Durch die bloße Tatsache einer neuerlichen Asylantragstellung komme ihm kein neuerliches Aufenthaltsrecht zu, und ein solches Recht sei von ihm auch nicht behauptet worden. Sollte durch die nunmehrige Ausweisung in Anbetracht der von ihm ausgeübten Erwerbstätigkeit in Österreich in sein Privatleben eingegriffen werden, so sei dies zu relativieren, weil er diese Erwerbstätigkeit in einer Zeit aufgenommen habe, als er noch nicht davon habe ausgehen können, über längere Zeit hier legal (außerhalb des Asylverfahrens) aufhältig zu sein. Da er sich seit dem 9. Juli 2002, also seit ca. einem Jahr, illegal in Österreich aufhalte und bereits ein mehrmonatiger unrechtmäßiger Aufenthalt die öffentliche Ordnung in hohem Maß gefährde, sei die Ausweisung gemäß § 37 Abs. 1 FrG zur Wahrung der öffentlichen Ordnung dringend geboten. Die Übertretung fremdenpolizeilicher Vorschriften stelle einen gravierenden Verstoß gegen die österreichische Rechtsordnung dar, und es werde die öffentliche Ordnung schwer wiegend beeinträchtigt, wenn einwanderungswillige Fremde, ohne das betreffende Verfahren abzuwarten, sich unerlaubt nach Österreich begäben, um damit die österreichischen Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen, bzw. nach Abschluss eines Asylverfahrens das Bundesgebiet nicht rechtzeitig verließen. Vor dem Hintergrund dieser Tatsache habe von der Ermessensbestimmung des § 33 Abs. 1 FrG Gebrauch gemacht werden müssen.

Die Ausführungen des Beschwerdeführers hinsichtlich der ihn treffenden Situation in Nigeria sei insofern unbeachtlich, als in diesem Verfahren nicht darüber abgesprochen werde, in welches Land er auszureisen habe bzw. allenfalls abgeschoben werden könne. Überdies seien derartige Vorbringen in einem eigenen Verfahren zu überprüfen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde wendet sich nicht gegen die Ausführungen der belangten Behörde, dass dem Beschwerdeführer nach (rechtskräftiger) Abweisung seines am 7. März 2001 gestellten Asylantrages seit dem 9. Juli 2002 keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1997 mehr zukommt, und bestreitet auch nicht die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, dass er über keinen Einreise- oder Aufenthaltstitel verfügt. Auf dem Boden dieser Feststellungen begegnet die - unbekämpfte - Auffassung der belangten Behörde, dass sich der Beschwerdeführer unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte und daher die Tatbestandsvoraussetzung des § 33 Abs. 1 FrG erfüllt sei, keinen Bedenken.

2. Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Ausweisung im Grund des § 37 Abs. 1 FrG hat die belangte Behörde den inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers seit dem 7. März 2001 und seine erlaubte Erwerbstätigkeit in Österreich berücksichtigt. Die daraus resultierenden privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet werden dadurch entscheidend relativiert, dass sein Aufenthalt nur bis 9. Juli 2002 und lediglich auf Grund eines Asylantrages, der sich letztlich als unbegründet erwiesen hat, vorläufig berechtigt war.

Den somit nicht stark ausgeprägten privaten Interessen steht gegenüber, dass sich der Beschwerdeführer seit dem 9. Juli 2002 bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides, also etwa ein Jahr lang, nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat. Dieses Verhalten stellt eine erhebliche Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 2003, Zl. 2003/18/0125, mwN), dar. Die Ansicht der belangten Behörde, die Ausweisung sei zu Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten und somit im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig, kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Wenn die Beschwerde vorbringt, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Nigeria dort mit asylrelevanter Verfolgung zu rechnen habe, ist ihr - abgesehen davon, dass sein Asylantrag vom 7. März 2001 rechtskräftig abgewiesen wurde und sein neuerlicher Asylantrag bisher nicht zum Erfolg geführt hat - mit der belangten Behörde entgegenzuhalten, dass mit einer Ausweisung nicht ausgesprochen wird, dass der Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder dass er (allenfalls) abgeschoben werde. Zu Recht hat die belangte Behörde auch darauf hingewiesen, dass das Vorliegen von Gründen im Sinn des § 57 Abs. 1 oder 2 FrG nicht im Verfahren zur Erlassung einer Ausweisung, sondern in einem gesonderten Verfahren - so nach § 75 FrG oder § 56 Abs. 2 leg. cit. bzw. im Fall der Abweisung des vom Beschwerdeführer gestellten Asylantrages von der Asylbehörde gemäß § 8 Asylgesetz 1997 - zu prüfen ist.

Von daher zeigt die Beschwerde auch mit ihrer Verfahrensrüge (Mangel von Ermittlungen bezüglich der derzeitigen Lage in Nigeria im Zusammenhang mit der Behandlung von heimkehrenden Flüchtlingen) keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

3. Schließlich kann der Verwaltungsgerichtshof auch nicht finden, dass der belangten Behörde bei ihrer Entscheidung ein (materieller) Ermessensfehler unterlaufen sei, macht die Beschwerde doch nichts geltend, was gewichtig gegen die Ausweisung des Beschwerdeführers spräche, und treten auch aus dem angefochtenen Bescheid keine Aspekte hervor, die eine Ausübung des der belangten Behörde gemäß § 33 Abs. 1 FrG eingeräumten Ermessens zu Gunsten des Beschwerdeführers geboten hätten.

4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 25. September 2003

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