VwGH 2000/13/0203

VwGH2000/13/020325.9.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Sellner, über die Beschwerde der E BANK in W, vertreten durch Doralt, Seist, Csoklich, Rechtsanwalts-Partnerschaft in 1090 Wien, Währinger Straße 2-4, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat III) vom 15. September 2000, Zl. RV/054- 11/05/2000, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatzsteuer 1984 und 1986 sowie Umsatzsteuer 1984 und 1986, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §93 Abs2;
VwRallg;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2002:2000130203.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er das Jahr 1984 betrifft, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, soweit er das Jahr 1986 betrifft, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 1.089,68 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Bei der Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin, der E. Bank, handelte es sich um eines jener Bankinstitute, die im Jahr 1986 (im Beschwerdefall im Zeitraum Februar bis Mai 1986) von einer G GesmbH Goldmünzen (im Beschwerdefall im Wert von brutto rund 157 Millionen Schilling) erworben haben. Des Weiteren hatte die Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin im August 1984 Goldmünzen von einer D GesmbH im Wert von brutto rund 41 Millionen Schilling erworben.

Die E. Bank, die erwähnte Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin, war eine Vereinssparkasse, welche im Jahr 1993 (per 31. Dezember 1992) gemäß § 8a Kreditwesengesetz - KWG in eine Aktiengesellschaft eingebracht wurde, welche die Firma "E. Bank Aktiengesellschaft" führte . Die einbringende Sparkasse blieb unter der geänderten Firma "E. Anteilsverwaltungs-Sparkasse" bestehen.

Im Gefolge einer Betriebsprüfung erließ das Finanzamt an die "E." gerichtete Erledigungen vom 16. Februar 1995, womit das Verfahren hinsichtlich Umsatzsteuer für 1984 und 1986 wieder aufgenommen und die Umsatzsteuer für diese Jahre festgesetzt werden sollte.

Auf Grund einer dagegen erhobenen Berufung hob das Finanzamt mit an die E. Anteilsverwaltungs-Sparkasse gerichteter Berufungsvorentscheidung vom 10. Juni 1999 die erwähnten Erledigungen einer entsprechenden Weisung der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland folgend mit der Begründung auf, dass die E. Bank ihr gesamtes bankgeschäftliches Unternehmen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge gemäß § 8a KWG in die Beschwerdeführerin eingebracht habe und die Zustellung der Bescheide daher an die Beschwerdeführerin als Rechtsnachfolgerin der E. Bank zu erfolgen habe. Mit an die Beschwerdeführerin als Rechtsnachfolgerin der E. Bank gerichteten Bescheiden vom 10. Juni 1999 nahm das Finanzamt die Verfahren hinsichtlich der Umsatzsteuer von 1984 und 1986 wieder auf und setzte die Umsatzsteuer für diese Jahre den Feststellungen des Prüfers entsprechend fest. Dabei wurden die in den Rechnungen der D GesmbH im Jahr 1984 und der G GesmbH ab 1. April 1986 ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge als Vorsteuern nicht anerkannt.

Die dagegen erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hinsichtlich des Jahres 1984 als unbegründet ab, hinsichtlich 1986 wurde der Berufung teilweise stattgegeben und wurden die für den Monat April 1986 geltend gemachten Vorsteuerbeträge, welche auf die von der G GesmbH im April 1986 ausgestellten Rechnungen entfielen, anerkannt.

In der Begründung führte die belangte Behörde u.a. aus, dass im Zeitpunkt der Erlassung des Umsatzsteuerbescheides 1984 am 10. Juni 1999 hinsichtlich der Kalendermonate Jänner bis Mai 1984 (Zahllast 754.968 S) die absolute Verjährung eingetreten sei. Die Änderungen im Umsatzsteuerjahresbescheid 1984 vom 10. Juni 1999 hätten jedoch ausschließlich den Voranmeldungszeitraum August 1984 betroffen, hinsichtlich dessen im Zeitpunkt der Erlassung des Wiederaufnahmebescheides bzw. des neuen Sachbescheides für das Jahr 1984 am 28. Juni 1999 die 15-jährige absolute Verjährungsfrist noch offen gestanden wäre.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:

Als "ersten verfahrensrechtlichen Aspekt" anführend, in Wahrheit eine Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend machend, trägt die Beschwerdeführerin vor, dass mit der Wiederaufnahme der Umsatzsteuerverfahren der Streitjahre mit den Bescheiden vom 16. Februar 1995 und der ersatzlosen Behebung dieser Bescheide mit der Berufungsvorentscheidung vom 10. Juni 1999 in dieser Angelegenheit eine entschiedene Sache vorliege. Die (neuerliche) Wiederaufnahme der Verfahren und Umsatzsteuerfestsetzung mit den (nunmehr an die Beschwerdeführerin gerichteten) Bescheiden vom 10. Juni 1999 zeige keinen neuen Wiederaufnahmegrund auf, weshalb dadurch der Grundsatz der entschiedenen Sache verletzt sei.

Dieser Ansicht ist entgegen zu halten, dass mit der von der Beschwerdeführerin als Bescheid bezeichneten Erledigung des Finanzamtes vom 16. Februar 1995 weder eine Wiederaufnahme des Verfahrens noch eine Umsatzsteuerfestsetzung wirksam erfolgte, weil dieser Erledigung aus folgenden Erwägungen keine Bescheidqualität zukam:

Gemäß § 93 Abs. 2 BAO ist jeder Bescheid ausdrücklich als solcher zu bezeichnen, hat den Spruch zu enthalten und in diesem die Person (Personenvereinigung, Personengemeinschaft) zu nennen, an die er ergeht. Nach ständiger Rechtsprechung ist die Personenumschreibung notwendiger Bestandteil eines Bescheidspruchs mit der Wirkung, dass ohne gesetzmäßige Bezeichnung des Adressaten im Bescheidspruch (zu dem auch das Adressfeld zählt) kein individueller Verwaltungsakt gesetzt wird (vgl. jüngst etwa den hg. Beschluss vom 31. Juli 2002, 97/13/0127, mwN).

Die Erledigung des Finanzamtes vom 16. Februar 1995 nennt die "E." als Bescheidadressaten. Vor dem Zeitpunkt dieser Erledigung war die E. Bank aber gemäß § 8a KWG in eine Aktiengesellschaft, die nunmehrige Beschwerdeführerin, eingebracht worden. Auf Grund des § 8a Abs. 5 KWG hatte diese Einbringung den Rechtsübergang im Wege der Gesamtrechtsnachfolge bewirkt. Gemäß § 8a Abs. 9 KWG war die einbringende Sparkasse jedoch als E. Anteilsverwaltungs-Sparkasse bestehen, der Gegenstand allerdings auf die Vermögensverwaltung beschränkt geblieben (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 17. September 1992, 91/16/0085, und vom 25. März 1993, 91/16/0116, und das dort verwiesene Schrifttum, sowie die Entscheidung des OGH vom 10. Mai 1995, 3 Ob 35/95).

Das "Deuten" eines bloß fehlerhaft bezeichneten Bescheidadressaten ist zulässig und geboten (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 1999, 98/13/0118), wenn die Identifizierung des Adressaten durch die fehlerhafte Bezeichnung nicht in Frage gestellt ist. Im Beschwerdefall war jedoch bei Benennung des Bescheidadressaten mit der Bezeichnung "E." nicht zweifelsfrei klar gestellt, ob sich die behördliche Erledigung an die E. Anteilsverwaltungs-Sparkasse oder an die E. Bank AG richtete, welche beide dieselbe Anschrift aufwiesen (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 19. Mai 1994, 92/07/0040).

Da somit die Erledigungen des Finanzamtes vom 16. Februar 1995 mangels Anführung eines geeigneten Bescheidadressaten keine Bescheidqualität erlangt hatten, konnte auch die mit an die E. Anteilsverwaltungs-Sparkasse gerichteter Berufungsvorentscheidung erfolgte Aufhebung dieser Erledigungen nicht bewirken, dass eine durch Bescheid entschiedene Sache in der Angelegenheit der Wiederaufnahme der Verfahren der Umsatzsteuer 1984 und 1986 der Beschwerdeführerin als Rechtsnachfolgerin der E. Bank vorgelegen wäre. Damit stand aber der mit an die Beschwerdeführerin gerichteten Bescheiden des Finanzamtes vom 10. Juni 1999 verfügten Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der Umsatzsteuer 1984 und 1986 und der Festsetzung der Umsatzsteuer dieser Jahre das Hindernis der entschiedenen Sache nicht entgegen.

Hinsichtlich der Umsatzsteuer 1984 beruft sich die Beschwerdeführerin auf den Eintritt der Verjährung und macht mit Erfolg Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend.

Die belangte Behörde räumt im angefochtenen Bescheid ein, dass hinsichtlich der Kalendermonate Jänner bis Mai 1984 (Zahllastbetrag von 754.968 S) die absolute Verjährung eingetreten sei. Von den Änderungen im Umsatzsteuerjahresbescheid 1984 vom 10. Juni 1999 sei allerdings nur der Voranmeldungszeitraum August 1984 betroffen, hinsichtlich dessen die 15-jährige absolute Verjährungsfrist im Zeitpunkt der Erlassung des Wiederaufnahme- bzw. neuen Sachbescheides noch offen gestanden sei.

Nach § 209 Abs. 3 BAO verjährt das Recht auf Festsetzung einer Abgabe spätestens 15 Jahre nach Entstehung des Abgabenanspruches (§ 4).

Gemäß § 19 Abs. 2 Z 1 lit. a des im Beschwerdefall noch anzuwendenden UStG 1972 entstand die Steuerschuld für Lieferungen und sonstige Leistungen mit Ablauf des Kalendermonates, in dem die Lieferungen oder sonstigen Leistungen ausgeführt worden sind (Sollbesteuerung); dieser Zeitpunkt verschob sich um einen Kalendermonat, wenn die Rechnungsausstellung erst nach Ablauf des Kalendermonates erfolgt, in dem die Lieferung oder sonstige Leistung erbracht worden ist.

Bei der Festsetzung der Umsatzsteuer für 1984 im wieder aufgenommenen Verfahren mit dem Bescheid des Finanzamtes vom 10. Juni 1999 handelte es sich um die zusammenfassende Festsetzung der Umsatzsteuer, welche zu bestimmten Teilbeträgen mit Ablauf der einzelnen Kalendermonate des Jahres 1994 entstanden war. Solcherart stand einer mit Bescheid vom 10. Juni 1999 erfolgten Festsetzung hinsichtlich der Steuerbeträge, welche mit Ablauf der Monate Jänner bis Mai 1984 entstanden waren, aber auch bereits der nach Eintritt der Verjährung nach § 304 BAO ausgeschlossenen Wiederaufnahme des Verfahrens über die Festsetzung der Umsatzsteuer für (das gesamte Jahr) 1984, die in § 209 Abs. 3 BAO festgelegte absolute Verjährung entgegen.

Indem die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid, soweit er das Jahr 1984 betrifft, mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb er in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Im Übrigen ist hinsichtlich beider Streitjahre strittig, ob die belangte Behörde den Vorsteuerabzug aus den von der D GesmbH im August 1984 und aus den von der G GesmbH ab dem 1. Mai 1986 gelegten Rechnungen deswegen nicht anerkennen durfte, weil das Formalerfordernis des § 11 Abs. 1 Z 1 UStG 1972 (richtige Anschrift des liefernden oder leistenden Unternehmers) nicht erfüllt war. Soweit das nicht von der Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erfasste Streitjahr 1986 betroffen ist, gleicht der vorliegende Beschwerdefall in den entscheidungswesentlichen Punkten dem mit dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. Juli 2002, 98/13/0170, entschiedenen Beschwerdefall. Aus den in diesem Erkenntnis angeführten Entscheidungsgründen, auf die gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, war auch der gegenständlich angefochtene Bescheid - soweit er das Jahr 1986 betrifft - wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften nach § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 25. September 2002

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte