VwGH 2000/09/0166

VwGH2000/09/01664.9.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Germ und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lamprecht, über die Beschwerde des R in K, vertreten durch Dr. Franz P. Oberlercher, Rechtsanwalt in 9800 Spittal an der Drau, Bernhardtgasse 4/1, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundesministerium für öffentliche Leistung und Sport vom 16. Mai 2000, Zl. 14/6-DOK/00, betreffend Verhängung der Disziplinarstrafe des Verweises, zu Recht erkannt:

Normen

BDG 1979 §109 Abs1;
BDG 1979 §109 Abs2;
BDG 1979 §43 Abs1;
BDG 1979 §44 Abs1;
BDG 1979 §45 Abs1;
BDG 1979 §45 Abs3;
BDG 1979 §53 Abs1;
BDG 1979 §54 Abs1;
BDG 1979 §91;
StPO §84 Abs1;
StPO §86 Abs1;
BDG 1979 §109 Abs1;
BDG 1979 §109 Abs2;
BDG 1979 §43 Abs1;
BDG 1979 §44 Abs1;
BDG 1979 §45 Abs1;
BDG 1979 §45 Abs3;
BDG 1979 §53 Abs1;
BDG 1979 §54 Abs1;
BDG 1979 §91;
StPO §84 Abs1;
StPO §86 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang seines Schuldspruches zu Spruchpunkt 2. des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses (wegen einer Dienstpflichtverletzung nach § 45 Abs. 3 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979) und in seinem Strafausspruch wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im Übrigen, hinsichtlich des Schuldspruches zu Spruchpunkt 1. des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses (wegen einer Dienstpflichtverletzung nach § 45 Abs. 1 des Beamten-Dienstrechtsgesetztes 1979), wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendung in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Oberst im Exekutivdienst der Bundesgendarmerie in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis. Er ist seit 1988 Leiter der Verkehrsabteilung des Landesgendarmeriekommandos für Kärnten.

Am 10. Oktober 1997 ereignete sich auf der Tauernautobahn (in Kärnten) ein schwerer Verkehrsunfall mit Personenschaden. Die einschreitenden Beamten (M und D) unterließen es - nach einer Videoaufzeichnung der Tunnelüberwachungskamera - sich um die Verletzten zu kümmern.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 27. Juni 2000 wurde der Beschwerdeführer im Sinne von Spruchpunkt 1. des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses der Begehung einer Dienstpflichtverletzung nach § 45 Abs. 1 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 (BDG 1979) wie folgt schuldig erkannt:

"Oberst R ist schuldig, es als mittelbarer Vorgesetzter der Revierinspektoren M und D Ende Oktober 1997 unterlassen zu haben

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 91 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 (BDG 1979), BGBl. Nr. 333, ist der Beamte, der schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt, nach dem Abschnitt "Disziplinarrecht" zur Verantwortung zu ziehen.

Als Disziplinarstrafen sieht § 92 Abs. 1 BDG 1979 1. den Verweis, 2. die Geldbuße bis zur Höhe eines halben Monatsbezuges unter Ausschluss der Kinderzulage, 3. die Geldstrafe bis zur Höhe von fünf Monatsbezügen unter Ausschluss der Kinderzulage und 4. (als schwerste) Disziplinarstrafe die Entlassung vor.

Gemäß § 45 Abs. 1 BDG 1979 hat der Vorgesetzte darauf zu achten, dass seine Mitarbeiter ihre dienstlichen Aufgaben gesetzmäßig und in zweckmäßiger, wirtschaftlicher und sparsamer Weise erfüllen. Er hat seine Mitarbeiter dabei anzuleiten, ihnen erforderlichenfalls Weisungen zu erteilen, aufgetretene Fehler und Missstände abzustellen und für die Einhaltung der Dienstzeit zu sorgen. Er hat das dienstliche Fortkommen seiner Mitarbeiter nach Maßgabe ihre Leistungen zu fördern und ihre Verwendung so zu lenken, dass sie ihren Fähigkeiten weitgehend entspricht.

Wird dem Leiter einer Dienststelle in Ausübung seines Dienstes der begründete Verdacht einer von Amts wegen zu verfolgenden gerichtlich strafbaren Handlung bekannt, die den Wirkungsbereich der von ihm geleiteten Dienststelle betrifft, so hat er nach dem Abs. 3 dieser Gesetzesstelle dies, sofern er nicht ohnehin gemäß § 109 Abs. 1 vorzugehen hat, unverzüglich der zur Anzeige berufenen Stelle zu melden oder, wenn er selbst hiezu berufen ist, die Anzeige zu erstatten. Die Anzeigepflicht richtet sich nach § 84 der Strafprozessordnung 1975 (StPO), BGBl. Nr. 631.

Wird dem Beamten in Ausübung seines Dienstes der begründete Verdacht einer von Amts wegen zu verfolgenden gerichtlich strafbaren Handlung bekannt, die den Wirkungsbereich der Dienststelle betrifft, der er angehört, so hat er gemäß § 53 Abs. 1 BDG 1979 dies unverzüglich dem Leiter der Dienststelle zu melden.

Gemäß § 109 Abs. 1 BDG 1979 hat der unmittelbar oder mittelbar zur Führung der Dienstaufsicht berufene Vorgesetzte (Dienstvorgesetzte) bei jedem begründeten Verdacht einer Dienstpflichtverletzung die zur vorläufigen Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Erhebungen zu pflegen und sodann unverzüglich im Dienstwege der Dienstbehörde Disziplinaranzeige zu erstatten. Erweckt der Verdacht einer Dienstpflichtverletzung auch den Verdacht einer von Amts wegen zu verfolgenden gerichtlich strafbaren Handlung, so hat sich der Dienstvorgesetzte in dieser Eigenschaft jeder Erhebung zu enthalten und sofort der Dienstbehörde zu berichten. Diese hat gemäß § 84 der Strafprozessordnung 1975, BGBl. Nr. 631, vorzugehen.

§ 19 des Bundesgesetzes über die Organisation der Sicherheitsverwaltung und die Ausübung der Sicherheitspolizei (Sicherheitspolizeigesetz - SPG), BGBl. Nr. 566/1991, regelt die erste allgemeine Hilfeleistungspflicht. Sind Leben, Gesundheit, Freiheit oder Eigentum von Menschen gegenwärtig gefährdet oder steht eine solche Gefährdung unmittelbar bevor, so trifft nach dem Abs. 1 dieser Gesetzesstelle die Sicherheitsbehörden die erste allgemeine Hilfeleitungspflicht, wenn die Abwehr der Gefährdung 1. nach den die einzelnen Gebiete der Verwaltung regelnden Bundes- oder Landesgesetzen in die Zuständigkeit einer Verwaltungsbehörde fällt oder 2. zum Hilfs- und Rettungswesen oder zur Feuerpolizei gehört.

Sobald Grund zur Annahme einer Gefährdung gemäß Abs. 1 entsteht, sind zufolge Abs. 2 leg. cit. die Sicherheitsbehörden verpflichtet festzustellen, ob tatsächlich eine solche Gefährdung vorliegt. Ist dies der Fall, so haben sie die Gefahrenquelle festzustellen und für unaufschiebbare Hilfe zu sorgen. Sobald sich ergibt, dass 1. eine allgemeine Gefahr vorliegt, hat deren Erforschung und Abwehr im Rahmen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit (2. Hauptstück) zu erfolgen; 2. die Abwehr der Gefahr in die Zuständigkeit anderer Behörden, der Rettung oder der Feuerwehr fällt, ist für deren Verständigung Sorge zu tragen.

Auch wenn die Gefährdung weiter besteht, endet nach Abs. 3 dieser Gesetzesstelle die erste allgemeine Hilfeleistungspflicht

1. gegenüber jedem Gefährdeten (Abs. 1), der weitere Hilfe ablehnt; 2. sobald sich ergibt, dass die Abwehr der Gefährdung nicht unter Abs. 1 fällt.

Die erste allgemeine Hilfeleistungspflicht der Sicherheitsbehörden besteht zufolge Abs. 4 leg. cit. ungeachtet der Zuständigkeit einer anderen Behörde zur Abwehr der Gefahr; sie endet mit dem Einschreiten der zuständigen Behörde, der Rettung oder der Feuerwehr.

Gemäß § 95 Abs. 1 des Strafgesetzbuches (StGB), BGBl. Nr. 60/1974, begeht das Vergehen der Unterlassung der Hilfeleistung und ist hiefür mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen, wenn die Unterlassung der Hilfeleistung jedoch den Tod eines Menschen zur Folge hat, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen, es sei denn, dass die Hilfeleistung dem Täter nicht zuzumuten ist, wer es bei einem Unglücksfall oder einer Gemeingefahr (§ 176) unterlässt, die zur Rettung eines Menschen aus der Gefahr des Todes oder einer beträchtlichen Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung offensichtlich erforderliche Hilfe zu leisten.

Die Hilfeleistung ist zufolge Abs. 2 leg. cit. insbesondere dann nicht zuzumuten, wenn sie nur unter Gefahr für Leib oder Leben oder unter Verletzung anderer ins Gewicht fallender Interessen möglich wäre.

§ 45 BDG 1979 regelt allgemeine Dienstpflichten des Vorgesetzten und des Dienststellenleiters. Die im Abs. 1 dieser Gesetzesstelle geregelten Pflichten treffen jeden Vorgesetzten. Hingegen besteht die in Abs. 3 leg. cit. normierte Melde- bzw. Anzeigepflicht nicht für jeden Vorgesetzten, sondern nur für den Dienststellenleiter. Die Regelung des § 45 Abs. 3 BDG 1979 in Verbindung mit den §§ 53 Abs. 1, 54 Abs. 1 und 109 Abs. 1 leg. cit. zeigen, dass die Berechtigung zur Erstattung einer Strafanzeige wegen eines in Ausübung des Dienstes zur Kenntnis gelangten Verdachtes einer von Amts wegen zu verfolgenden gerichtlich strafbaren Handlung nur bestimmten Funktionsträgern zukommt. Richtet sich dieser Verdacht gegen einen Beamten, ist zu prüfen, ob die inkriminierte Handlung (Unterlassung) nur den Verdacht einer von Amts wegen zu verfolgenden gerichtlich strafbaren Handlung (Anwendungsfall des § 45 Abs. 3 BDG 1979) oder gleichzeitig auch den Verdacht einer Dienstpflichtverletzung (was der Regelfall sein wird - Anwendungsfall des § 45 Abs. 3 iVm § 109 Abs. 1 BDG 1979) begründet. Je nachdem richtet sich die Handlungspflicht der Funktionsträger. Hingegen trifft den Beamten, der nicht zu diesen Funktionsträgern gehört, in dem vorher umschriebenen "Verdachtsfall" nur die nach § 53 Abs. 1 BDG 1979 bestehende allgemeine Meldepflicht an den Leiter der Dienststelle (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Jänner 1992, Zl. 91/09/0182).

Der Beschwerdeführer ist nach seinem organisatorischen Rang nicht Dienststellenleiter, sondern er ist Leiter eines Dienststellenteiles (nämlich der Verkehrsabteilung des Landesgendarmeriekommandos für Kärnten). Die unter dem Spruchpunkt 2. - erstmals von der belangten Behörde - angelastete Dienstpflichtverletzung nach § 45 Abs. 3 BDG 1979 konnte der Beschwerdeführer schon wegen des ihm fehlenden organisatorischen Ranges eines Dienststellenleiters somit nicht begehen.

Dem Beschwerdeführer wurde weder im Verhandlungsbeschluss vom 3. Februar 1999 noch im erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnis vom 28. März 2000 angelastet, Dienstpflichten nach § 45 Abs. 3 BDG 1979 verletzt zu haben. Ob der Beschwerdeführer Dienstpflichten (Meldepflichten) allenfalls gemäß § 53 Abs. 1 BDG 1979 verletzt hat, braucht vorliegend nicht geprüft zu werden, da dem Beschwerdeführer eine derartige Dienstpflichtverletzung im vorliegenden Verhandlungsbeschluss vom 3. Februar 1999 - der den Gegenstand des Disziplinarverfahrens umgrenzte - nicht vorgeworfen wurde.

Die belangte Behörde geht nach der Begründung des angefochtenen Bescheides davon aus, dass den Beschwerdeführer "als Vorgesetzten" bzw. als "Kommandant der Verkehrsabteilung des LGK Kärnten" Meldepflichten nach § 45 Abs. 3 BDG 1979 "an die Dienstbehörde (hier das LGK Kärnten)" getroffen hätten. Dass der Beschwerdeführer der Leiter einer Dienststelle im Sinne des § 278 Abs. 1 BDG 1979 (in der Fassung BGBl. I Nr. 6/2000, in früheren Fassungen § 273 Abs. 1 BDG 1979) - das sind die Behörden, Ämter und anderen Verwaltungsstellen sowie die Anstalten und Betriebe des Bundes, die nach ihrem organisatorischen Aufbau eine verwaltungs- oder betriebstechnische Einheit darstellen - ist, hat die belangte Behörde jedenfalls nicht festgestellt und sie hat dies ihrer Entscheidung auch nicht zugrunde gelegt.

Der angefochtene Bescheid war somit schon aus den dargelegten Erwägungen im Umfang des Schuldspruches zu Spruchpunkt 2. des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Diese teilweise Aufhebung des Schuldspruches zieht notwendigerweise die Aufhebung des Strafausspruches nach sich, hat die belangte Behörde doch hinsichtlich der Dienstpflichtverletzung nach § 45 Abs. 3 BDG 1979 konkrete Strafzumessungsgründe (nämliche einen Milderungsgrund und einen Erschwerungsgrund) dargelegt. Dem Verwaltungsgerichtshof ist es verwehrt, die bei der Strafbemessung notwendige Ermessenübung an Stelle der belangten Behörde vorzunehmen. Dass die über den Beschwerdeführer verhängte Disziplinarstrafe des Verweises ohnedies die geringste Strafe im Sinne des § 92 Abs. 1 BDG 1979 darstellte, vermag die Aufhebung des Strafausspruches deshalb nicht zu vermeiden, weil (theoretisch denkbar) die Möglichkeit eines Schuldspruches mit einem Ausspruch nach § 115 BDG 1979 nicht von vornherein ausgeschlossen werden durfte.

Hingegen ist die gegen den Schuldspruch zu Spruchpunkt 1. des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses (wegen einer Dienstpflichtverletzung nach § 45 Abs. 1 BDG 1979) aus den folgenden Erwägungen nicht berechtigt:

Nach § 45 Abs. 1 BDG 1979 gehört es unter anderem zu den Dienstpflichten eines Vorgesetzten, das Verhalten des ihm unterstellten Beamten dahin zu beobachten, ob er sich pflichtgemäß verhält. Um seine Kontrollpflicht zu erfüllen, kann er Berichte anfordern. Etwaige Mängel im Verwaltungsbetrieb oder im Verhalten einzelner Beamten sind festzustellen. Es liegt in der Hand des dienstaufsichtsführenden Vorgesetzten, ob er einem ordnungswidrigen oder pflichtwidrigen Verhalten des Beamten mit Belehrungen, Vorhalten, Ermahnungen oder mit einer Disziplinaranzeige gemäß § 109 Abs. 1 leg. cit. zur Durchsetzung eines pflichtgemäßen Verhaltens begegnet, um seine Leitungsaufgabe zu erfüllen. Beide Funktionen können nicht streng voneinander getrennt werden, sondern gehen in der Praxis ineinander über und ergänzen sich gegenseitig. Bereits die Tatsache, dass kontrolliert wird, hält zur Pflichterfüllung an, ohne dass es immer eines Tätigwerdens des Vorgesetzten bedarf. Stellt ein Vorgesetzter Unzukömmlichkeiten, die einen nicht unbeträchtlichen Schaden für seinen Dienstgeber zur Folge haben, im Rahmen seiner Aufsichtspflicht nicht ab, so stellt sein Verhalten eine Dienstpflichtverletzung dar, wenn sie ein Gewicht hat und damit die Schwelle zur disziplinarrechtlichen Erheblichkeit überschreitet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Februar 1991, Zl. 90/09/0171, in VwSlg NF Nr. 13.386/A).

Vorgesetzte haben wegen ihrer Vorbildfunktion besonderen Einsatz und Qualität der Dienstleistung zu erbringen. Das bezieht sich zunächst auf die eigene Arbeitsanforderung. Aus der Vorgesetztenstellung folgen besondere Aufgaben wie Dienstaufsicht (Kontroll- und Weisungsbefugnis) und Fürsorge für die Untergebenen. Vorgesetzte haben eine entsprechend hohe Verantwortung für ihre Sachentscheidungen wie auch für ihre persönliche Verhaltensweise. Im Verhältnis zu den Mitarbeitern und Untergebenen kann sich pflichtwidriges Verhalten vom Vorgesetzten achtungs- und vertrauensmindernd auswirken. Denn Vorgesetzte haben neben der Aufsichts- und Weisungsfunktion auch eine Vorbildfunktion (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. März 1991, Zl. 91/09/0002).

Der Eintritt eines Schadens ist nicht Tatbestandsvoraussetzung einer Dienstpflichtverletzung nach § 45 Abs. 1 BDG 1979 (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1992, Zl. 91/09/0190).

Die in der Beschwerde dargelegte Auffassung, aus dem nunmehr endgültigen Ergebnis des Disziplinarverfahrens gegen die dem Beschwerdeführer unterstellten Gendarmeriebeamten M und D sei (nunmehr auch) zu folgern, dass der Beschwerdeführer die ihm vorgeworfene Dienstpflichtverletzung im Sinne des § 45 Abs. 1 BDG 1979 nicht begangen habe, ist jedenfalls unzutreffend; auch die auf dieser Auffassung aufbauenden Folgerungen und Überlegungen des Beschwerdeführers sind daher verfehlt. Der Beschwerdeführer lässt dabei unberücksichtigt, dass sein Verhalten weder aus einer nachträglichen Sicht zu beurteilen ist, noch rückblickend am Ergebnis eines gegen die ihm unterstellten Beamten geführten Verfahrens zu messen war, sondern aufgrund der dem Beschwerdeführer im Zeitpunkt seiner Handlungspflichten als Vorgesetzter vorgelegenen Sachlage. Der Beschwerdeführer hatte als Vorgesetzter inhaltlich andere Dienstpflichten zu erfüllen als die ihm unterstellten Beamten. Anders als bei diesen Beamten - deren "Handlungen" bzw. Unterlassungen im Zusammenhang mit einer Verkehrsunfallerhebung zu prüfen waren - geht es vorliegend nämlich darum, ob bzw. welche Pflichten der Beschwerdeführer als Vorgesetzter verletzte.

Der Beschwerdeführer beruft sich zu Unrecht darauf, dass das Verhalten der ihm unterstellten Beamten nach den Erkenntnissen der durchgeführten Verfahren den Tatbestand einer gerichtlich strafbaren Handlung oder eines Disziplinarvergehens nicht erfüllt habe; ungeachtet dessen hatte er als Vorgesetzter doch die Pflicht, im Rahmen der Dienstaufsicht seine Mitarbeiter anzuleiten sowie Fehler und Missstände, die nicht strafgerichtlich relevant sein müssen, abzustellen. Dass er dieser Verpflichtung als Vorgesetzter nachgekommen ist, behauptet der Beschwerdeführer gar nicht. Er vermeint zu Unrecht, er hätte seine diesbezüglichen Pflichten bloß durch die Befragung des unmittelbaren Vorgesetzten N ausüben können. Der Vorgesetzte hat seine Aufsichtspflicht jedoch selbst zu erfüllen und darf sie nicht gänzlich delegieren. Es stellte daher keine Kontrolle der ihm unterstellten Beamten durch den Beschwerdeführer dar, wenn er, anstatt die unterstellten Beamten über die Umstände ihrer Amtshandlung zu befragen, einen anderen Beamten (nämlich den erst später am Unfallsort eingetroffenen Vorgesetzten) kontaktierte und nach seiner "Einschätzung" des Verhaltens der die Verkehrsunfallerhebung durchführenden Beamten befragte. Wenn der Beschwerdeführer aus Rücksichtnahme gegenüber diesem unmittelbaren Vorgesetzten - wie die Beschwerde die Unterlassung des Beschwerdeführers zu erklären versucht - eine Befragung der unterstellten Beamten scheute, kann das sein Verhalten als Vorgesetzter erklären aber nicht rechtfertigen.

Mit dem Beschwerdevorbringen, aufgrund seines bisherigen über 20 Jahre bestehenden "Wissens über das dienstliche Verhalten der Beamten M und D" sowie "trotz abgeklärten Sachverhaltes" die Beamten persönlich zu kontaktieren "wäre als Akt des Misstrauens aufgefasst worden" und eine zusätzliche Kontaktaufnahme mit M und D "hätte keine Wissenserweiterung gebracht", bekräftigt der Beschwerdeführer die ihm vorgeworfene Dienstpflichtverletzung; er stellt damit auch sich selbst bzw. seine Stellung als Vorgesetzter und Leiter der Verkehrsabteilung in Frage. Angesichts der vom Roten Kreuz, der Autobahnmeisterei und der in der Öffentlichkeit am Einsatz und an der konkreten Vorgangsweise der Gendarmeriebeamten geübten Kritik hätte er seiner Verpflichtung als Vorgesetzter und Leiter der Verkehrsabteilung, nämlich sich rasch, unmittelbar und umfassend über den Sachverhalt zu informieren, ganz besonders gewissenhaft und sorgfältig nachkommen müssen.

Mit dem Vorbringen, der Beschwerdeführer sei "zu der begründeten Überzeugung gelangte, die Gendarmeriebeamten M und D hätten ihre dienstlichen Aufgaben am 10. Oktober 1997 gesetzmäßig und richtig ausgeführt", wird keine Erfüllung der Dienstpflichten des Beschwerdeführers als Vorgesetzter dargetan, muss der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde doch selbst eingestehen, dass einerseits das Videoband unvollständig gewesen ist, er von dieser Unvollständigkeit wusste und andererseits er sich damit begnügte, in den vergangenen 20 Jahren erbrachte Dienstleistungen der unterstellten Gendarmeriebeamten und die Beurteilung durch den später am Unfallort eingetroffenen Vorgesetzten N heranzuziehen. Dass der Beschwerdeführer seine "begründete Überzeugung" in Wahrheit auf Unkenntnis und fehlende Ermittlungen stützte und eine Klärung des Sachverhaltes gar nicht vornahm, ist offenkundig.

Es spricht im obigen Sinne nicht für den Beschwerdeführer, wenn er selbst nach Kenntnis des unvollständigen Videobandes dennoch das Verhalten der ihm unterstellten Beamten als "besonders sorgfältig und dienstbefließen" bezeichnet, obwohl offenkundig zu erkennen ist, dass das Verhalten dieser Gendarmeriebeamten der vorgelegenen extremen Notsituation nicht gerecht wurde.

Für die Zeit von drei Minuten (15.26 bis 15.29 Uhr) existierten jedenfalls keine Aufzeichnungen der Videoüberwachung. Die - neben dem Fahrzeuglenker - weiteren beiden Fahrzeuginsassen (nämlich ein 19-jähriges und ein 3-jähriges Mädchen) wurden von den Gendarmeriebeamten einfach übersehen. Die Gendarmeriebeamten haben - wie auf dem Videoband zu erkennen ist - es unterlassen, sich um die Verletzten zu kümmern (als alternatives Verhalten wäre in Frage gekommen: aufsuchen, verweilen, ansprechen, beobachten der Verletzten, Freihaltung der Atmung, kontrollieren der Atmung und des Kreislaufes). Erste Hilfeleistungen der Gendarmeriebeamten sind keine zu erkennen und der Beschwerdeführer behauptet auch nicht, solche erkannt zu haben, bzw. dass solche tatsächlich erfolgt wären. Die nicht von sonderlicher Eile begleitet gewesene Vorgangsweise der Gendarmeriebeamten und ihr passives Verhalten hätte den Beschwerdeführer als Vorgesetzten zu sorgfältiger Sachverhaltsermittlung veranlassen müssen. Aus welchem Grund es keinem der beiden Beamten möglich war für die Verletzten Hilfeleistungen zu erbringen, beantwortet die Beschwerde nicht.

Nach seinem Beschwerdevorbringen ist der Beschwerdeführer der unakzeptablen Auffassung, es sei nicht weiter untersuchungsbedürftig gewesen und habe keinen abzustellenden Misstand dargestellt, wenn die unterstellten Gendarmeriebeamten bei ihrer Verkehrsunfallerhebung den schwerverletzten Beifahrer und das am Kindersitz mitfahrende Kind einfach übersehen und - nachdem sie die Fahrertüre des Unfall-PKW bloß öffneten und auf den Lenker geblickt hatten - nach Verständigung der Hilfsmannschaft in ihrem Dienst-KFZ auf das Eintreffen der Rettung warteten.

Mit seinem unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erstatteten Beschwerdevorbringen über angebliche Mängel des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde betreffend das Verhalten der Beamten M und D vermag der Beschwerdeführer nicht begründet aufzuzeigen inwieweit die belangte Behörde durch nicht näher bezeichnete eigene Ermittlungen "des notwendigen Sachverhaltes" und durch eine Verlesung der "Aussage des BI N in Disziplinarverfahren gegen M und D" hinsichtlich des in Rede stehenden Teiles des Schuldspruches zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Konkrete Ausführungen darüber, inwieweit die Berufung des Beschwerdeführers von der belangten Behörde unvollständig erledigt wurde, und zu welchem Ergebnis eine Vermeidung des derart behaupteten aber nicht näher dargelegten Verfahrensfehlers geführt hätte, fehlen in der Beschwerde.

Die Beschwerde erweist sich somit im Umfang des Schuldspruches zu Spruchpunkt 1. des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses als unbegründet. Sie war in diesem Umfang daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff insbesondere auch § 50 VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 333/2003. Die Umrechnung des zuerkannten Betrages beruht auf § 3 Abs. 2 Z. 2 Eurogesetz, BGBl. I Nr. 72/2000.

Wien, am 4. September 2003

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