VwGH 91/09/0182

VwGH91/09/018216.1.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Hoffmann und die Hofräte Mag. Meinl, Dr. Fürnsinn, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Weich, über die Beschwerde des Dr. XY in W, gegen den Bescheid der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres vom 20. August 1991, Zl. 380/1-DK/3a/91, betreffend Einleitungsbeschluß, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §58 Abs1;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §68 Abs4 lita;
BDG 1979 §105 Z1;
BDG 1979 §109 Abs1;
BDG 1979 §123;
BDG 1979 §241 Abs1;
BDG 1979 §45 Abs3;
BDG 1979 §53 Abs1;
BDG 1979 §54 Abs1;
DVG 1984 §13;
StPO §84 Abs1;
StPO §86 Abs1;
AVG §58 Abs1;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §68 Abs4 lita;
BDG 1979 §105 Z1;
BDG 1979 §109 Abs1;
BDG 1979 §123;
BDG 1979 §241 Abs1;
BDG 1979 §45 Abs3;
BDG 1979 §53 Abs1;
BDG 1979 §54 Abs1;
DVG 1984 §13;
StPO §84 Abs1;
StPO §86 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als rechtskundiger Beamter mit dem Amtstitel Hofrat in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund; er ist seit 1. Juli 1986 Leiter des Bezirkspolizeikommissariates YZ und gleichzeitig auch als Stellvertreter des Disziplinaranwaltes bei der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres ernannt.

Nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers hat er "in dieser Funktion" (- als Stellvertreter des Disziplinaranwaltes -) mit Schreiben vom 18. März 1991 bei der Staatsanwaltschaft Wien gegen den Stellvertreter des Vorsitzenden der Disziplinarkommission Hofrat Dr. NN eine Strafanzeige wegen Verdachtes nach § 302 StGB erstattet.

Die Staatsanwaltschaft Wien hat diese Anzeige nach Durchführung von Vorerhebungen "mangels genügender Gründe" zurückgelegt.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid beschloß die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 123 Abs. 1 BDG 1979 das Disziplinarverfahren einzuleiten. Der Beschwerdeführer wurde beschuldigt, er habe am 18. März 1991 Hofrat Dr. NN wegen Verdachtes des Mißbrauches der Amtsgewalt unmittelbar bei der Staatsanwaltschaft Wien angezeigt und diese Anzeige mit Schriftsätzen vom 2. und 30. April 1991 sowie vom 6. Mai 1991 ergänzt, ohne den hiefür gesetzlich vorgesehenen Dienstweg einzuhalten.

Insoweit dies über die vorstehenden Darlegungen hinausgeht, führt die belangte Behörde zur Begründung im wesentlichen weiter aus:

In seinem Schreiben vom 18. März 1991 an die Staatsanwaltschaft Wien habe der Beschwerdeführer auf seine Funktion als Disziplinaranwalt-Stellvertreter hingewiesen und dann weiter ausgeführt:

"Hofrat Dr. NN ist der erste Vorsitzende-Stellvertreter des Außensenates Wien (Senate 6 bis 16a) der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres (§ 98 Abs. 2 und 3 BDG 1979). Er übt diese Tätigkeit ausschließlich - also ohne andere dienstliche Tätigkeiten - aus. Tagungsort der angeführten Senate ist Wien, 9., Liechtenwerder Platz 5.

Die Senate der Disziplinarkommission bestehen aus drei Mitgliedern (§ 101 Abs. 1 BDG 1979), wobei die Formulierung der gefaßten Beschlüsse (Bescheide) grundsätzlich dem jeweiligen Vorsitzenden des Senats obliegt.

In den letzten Monaten haben die verschiedenen Senate - alle mit dem Vorsitz des Hofrat Dr. NN - mehrfach 'Nichteinleitungsbeschlüsse' gefaßt, die vom gefertigten Disziplinaranwalt-Stellvertreter angefochten worden sind. Die Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt (§§ 96 Z 3, 97 Z 3 und 99 Abs. 1 BDG 1979) hat zwar - aus formellen Gründen - einige dieser Entscheidungen bestätigt, aber in der jeweiligen Begründung auf die Unhaltbarkeit der von der Disziplinarkommission beim BMfI vertretenen Ansicht hingewiesen (siehe beiliegende Ablichtungen).

Ungeachtet dieser Rechtsmeinungen der Berufungsbehörde und mehrfacher Hinweise des Gefertigten auf die Unhaltbarkeit der vertretenen Meinung der Disziplinarkommission beim BMfI faßte die angeführte Disziplinarkommission am 15. März 1991 (unter GZ 56/4-DK/8/91, siehe beiliegende Ablichtung) neuerlich einen Beschluß auf Nichteinleitung eines Disziplinarverfahrens (wogegen noch am selben Tag seitens des Gefertigten Berufung erhoben wurde - siehe ebenfalls beiliegende Ablichtung).

Im Hinblick auf die Beharrlichkeit der bereits mehrfach von der Berufungsbehörde verworfenen Rechtsansicht muß der Verdacht des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt angenommen werden, wobei das Inkaufnehmen eines Schadens sogar ausdrücklich in der Begründung des Bescheides vom 15. März 1991 - wie auch schon in einigen etwa gleichlautenden Bescheiden vorher - ausgeführt wird: 'Doch in diesem Fall ist für die Dienstbehörde höchstens ein finanzieller Strafanspruch verwirklicht.' Auf den ideellen Strafanspruch - wird gar nicht eingegangen.

Dieser Sachverhalt wird daher der Staatsanwaltschaft Wien mit dem Ersuchen um Prüfung in der Richtung des Tatbestandes nach § 302 StGB zur Kenntnis gebracht.

Es wird angeregt, allfällige Vorerhebungen nicht durch Organe der Bundespolizeidirektion Wien durchführen zu lassen, da die meisten der in Betracht kommenden Organe - im Falle eines Disziplinarverfahrens - in die Zuständigkeit des Außensenates Wien der Disziplinarkommission beim BMfI fallen würden.

Außerdem wird ersucht, die Bundespolizeidirektion Wien, Personalbüro (1010 Wien, Schottengasse 7-9) vom Ergebnis der do. Überlegungen ehestens zu verständigen, da allenfalls dienstrechtliche Maßnahmen (siehe auch § 100 Abs. 3 BDG 1979) erforderlich wären."

Diese Anzeige habe der Beschwerdeführer durch die Anführung konkreter Fälle mit Schreiben vom 2. und 30. April sowie vom 6. Mai 1991 ergänzt. Gleichschriften dieser Schreiben habe der Beschwerdeführer an die Bundespolizeidirektion Wien, Personalbüro, übermittelt.

In der Disziplinaranzeige der Bundespolizeidirektion Wien vom 21. Juni 1991 sei der Verdacht geäußert worden, daß der Beschwerdeführer dadurch, daß er Hofrat Dr. NN bei der Staatsanwaltschaft angezeigt habe, ohne zuvor "den Bundesminister für Inneres allenfalls auch den Disziplinaranwalt zu informieren bzw. dessen Entscheidung einzuholen" die ihm nach den §§ 45 Abs. 3, 53 Abs. 1 und 54 Abs. 1 BDG 1979 obliegenden Dienstpflichten verletzt habe.

Weiters habe der Beschwerdeführer in dem der Disziplinaranzeige vorangegangenen Ermittlungsverfahren mit Schreiben vom 14. Mai 1991 gemäß § 111 BDG 1979 eine Selbstanzeige erstattet.

Nach Wiedergabe der Rechtslage, und zwar der §§ 45 Abs. 3, 53 Abs. 1, 54 Abs. 1 und 109 Abs. 1 BDG 1979 und des § 84 Abs. 1 StPO führt die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides weiter aus, die Überschriften und der Wortlaut dieser in ihrem Zusammenhalt zu sehenden Vorschriften zeige, daß die Dienstbehörde bei Vorliegen des Verdachtes einer gerichtlich strafbaren Handlung verpflichtet sei, hievon der Staatsanwaltschaft Anzeige zu erstatten. Weiters gehe daraus die Pflicht der Beamten hervor, dem Leiter der Dienststelle unverzüglich Meldung zu erstatten, wenn ihnen bei Ausübung ihres Dienstes der Verdacht einer gerichtlich strafbaren Handlung bekannt werde. Schließlich sei diesen Vorschriften zu entnehmen, daß es den Beamten verboten sei, unmittelbar der Staatsanwaltschaft Anzeige zu erstatten.

Es bestehe der Verdacht, daß der Beschwerdeführer gegen dieses Verbot durch die gegen Hofrat Dr. NN gerichtete Strafanzeige verstoßen und damit seine Dienstpflichten verletzt habe. Aus den von der Bundespolizeidirektion Wien vorgelegten Akten gehe hervor, daß der Beschwerdeführer die Anzeige nicht im Dienstweg, sondern unmittelbar erstattet habe. Als Disziplinaranwalt-Stellvertreter sei der Beschwerdeführer weder Leiter einer Dienststelle noch Leiter einer Dienstbehörde. Er sei von diesem auch nicht zur Anzeigeerstattung ermächtigt worden. Es komme daher für ihn die unmittelbare Anzeigeerstattung nach § 45 Abs. 3 oder § 109 Abs. 1 vorletzter Satz BDG 1979 nicht in Betracht. Vielmehr wäre er verpflichtet gewesen, seinen Verdacht gemäß § 53 Abs. 1 und § 54 Abs. 1 BDG 1979 im Dienstweg zu melden.

Ob der vorliegende Verdacht der Dienstpflichtverletzung auch begründet sei, werde das durchzuführende Disziplinarverfahren ergeben.

Letztlich führt die belangte Behörde noch unter Hinweis auf § 118 BDG 1979 "Einstellung des Disziplinarverfahrens" aus, daß die in Abs. 1 Z. 4 dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen nicht vorlägen. Auch ein entschuldbarer Rechtsirrtum könne bei einem in Dienstrechtsangelegenheiten überaus erfahrenen Beamten, wie dem Beschwerdeführer, nicht angenommen werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der kostenpflichtige Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und kostenpflichtige Abweisung beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 91 BDG 1979, BGBl. Nr. 333, ist der Beamte, der schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt, nach diesem Abschnitt (d.h. dem 9. Abschnitt dieses Gesetzes) zur Verantwortung zu ziehen.

Nach § 94 Abs. 1 BDG 1979 darf der Beamte wegen einer Dienstpflichtverletzung nicht mehr bestraft werden, wenn gegen ihn nicht

1) innerhalb von sechs Monaten, gerechnet von dem Zeitpunkt, zu dem der Disziplinarbehörde die Dienstpflichtverletzung zur Kenntnis gelangt ist, oder

2) innerhalb von drei Jahren, gerechnet von dem Zeitpunkt der Beendigung der Dienstpflichtverletzung, eine Disziplinarverfügung erlassen oder ein Disziplinarverfahren vor der Disziplinarkommission eingeleitet wurde.

§ 118 Abs. 1 BDG 1979 sieht vor, daß das Disziplinarverfahren mit Bescheid einzustellen ist, wenn

1) der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit ausschließen,

2) die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Dienstpflichtverletzung darstellt,

  1. 3) Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen, oder
  2. 4) die Schuld des Beschuldigten gering ist, die Tat keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und überdies eine Bestrafung nicht geboten ist, um den Beschuldigten von der Verletzung der Dienstpflichten abzuhalten oder der Verletzung von Dienstpflichten durch andere Beamte entgegenzuwirken.

Nach § 123 Abs. 1 BDG 1979 hat der Vorsitzende der Disziplinarkommission nach Einlangen der Disziplinaranzeige die Disziplinarkommission zur Entscheidung darüber einzuberufen, ob ein Disziplinarverfahren durchzuführen ist. Notwendige Ermittlungen sind von der Dienstbehörde im Auftrag der Disziplinarkommission durchzuführen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes haben Ermittlungen der Disziplinarbehörde vor der Einleitung eines Disziplinarverfahrens das Ziel, zu klären, ob die Voraussetzungen für die Einleitung gegeben sind oder ob allenfalls offenkundige Gründe für eine sofortige Verfügung der Einstellung des Disziplinarverfahrens vorliegen. Für die Einleitung des Verfahrens reicht es aus, wenn genügende Verdachtsgründe gegen den Beamten vorliegen, welche die Annahme einer Dienstpflichtverletzung rechtfertigen. Ein Verdacht besteht, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens von bestimmten Umständen gegeben erscheinen lassen. Verdacht ist mehr als eine bloße Vermutung, er setzt die Kenntnis von Tatsachen voraus, aus denen nach der Lebenserfahrung auf ein Vergehen geschlossen werden kann. Die Disziplinarkommission muß bei Erlassung eines Einleitungsbeschlusses noch nicht völlige Klarheit darüber haben, ob ein bestimmter Beamter eine Dienstpflichtverletzung begangen hat. Dies ist erst in dem der Einleitung des Verfahrens nachfolgenden Ermittlungsverfahrens aufzuklären. Ebensowenig muß im Einleitungsbeschluß das dem Beamten zur Last gelegte Verhalten bereits abschließend rechtlich gewürdigt werden. Die dem Einleitungsbeschluß nach § 123 BDG 1979 zukommende rechtliche Bedeutung ist in erster Linie darin gelegen, dem beschuldigten Beamten gegenüber klarzustellen, hinsichtlich welcher Dienstplichtverletzung ein Disziplinarverfahren eingeleitet wird, was insbesondere für die Frage einer allfälligen Verjährung von ausschlaggebender Bedeutung ist (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Oktober 1991, Zl. 90/09/0192 und die dort weiters angeführte Vorjudikatur).

Für den Einleitungsbeschluß nach § 123 BDG 1979 kommen die Bestimmungen des § 58 Abs. 1 und 2 AVG insofern zur Anwendung, als er - neben der Rechtsmittelbelehrung - einen Spruch und eine Begründung zu enthalten hat. Im Spruch des Einleitungsbeschlusses ist das dem Beschuldigten zur Last gelegte Verhalten, das als Dienstpflichtverletzung erachtet wurde, nur in groben Umrissen zu beschreiben. Die einzelnen Fakten müssen nicht bestimmt, d.h. in dem für eine Subsumtion relevanten Einzelheiten beschrieben werden. In der Begründung des Einleitungsbeschlusses ist darzulegen, warum sich nach dem geschilderten Verhalten der Verdacht einer Dienstpflichtverletzung ergibt (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1989, Zl. 89/09/0113).

Wird dem Leiter einer Dienststelle in Ausübung seines Dienstes der begründete Verdacht einer gerichtlich strafbaren Handlung bekannt, die von Amts wegen zu verfolgen ist, so hat er dies gemäß § 45 Abs. 3 BDG 1979, sofern er nicht ohnehin gemäß § 109 Abs. 1 vorzugehen hat, unverzüglich der zur Anzeige an den Staatsanwalt des zuständigen Gerichtes berufenen Stelle zu melden oder, wenn er hiezu selbst berufen ist, an den Staatsanwalt des zuständigen Gerichtes die Anzeige zu erstatten. Unter der Überschrift "Meldepflichten" ist in § 53 Abs. 1 BDG 1979 vorgesehen, daß der Beamte, dem bei der Ausübung seines Dienstes der begründete Verdacht einer gerichtlich strafbaren Handlung bekannt wird, die von Amts wegen zu verfolgen ist, dies unverzüglich dem Leiter der Dienststelle zu melden hat.

Nach § 54 Abs. 1 BDG 1979 hat der Beamte Anbringen, die sich auf sein Dienstverhältnis oder auf seine dienstlichen Aufgaben beziehen, bei seinem unmittelbaren Dienstvorgesetzten einzubringen. Dieser hat das Anbringen unverzüglich an die zuständige Stelle weiterzuleiten.

Unter der Überschrift Disziplinaranzeige ist im § 109 Abs. 1 BDG 1979 folgendes normiert:

Der unmittelbar oder mittelbar zur Führung der Dienstaufsicht berufene Vorgesetzte (Dienstvorgesetzte) hat bei jedem begründeten Verdacht einer Dienstpflichtverletzung die zur vorläufigen Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Erhebungen zu pflegen und sodann unverzüglich im Dienstwege der Dienstbehörde Disziplinaranzeige zu erstatten. Erweckt der Verdacht einer Dienstpflichtverletzung auch den Verdacht einer von Amts wegen zu verfolgenden gerichtlich strafbaren Handlung, so hat sich der Dienstvorgesetzte in dieser Eigenschaft jeder Erhebung zu enthalten und sofort der Dienstbehörde zu berichten. Diese hat gemäß § 84 der Strafprozeßordnung 1975, BGBl. Nr. 631, vorzugehen.

§ 84 Abs. 1 StPO lautet:

Alle öffentlichen Behörden und Ämter sind schuldig, die entweder von ihnen selbst wahrgenommenen oder sonst zu ihrer Kenntnis gelangten strafbaren Handlungen, die nicht bloß auf Begehren eines Beteiligten zu untersuchen sind, sogleich dem Staatsanwalte des zuständigen Gerichtes anzuzeigen.

Gemäß § 86 Abs. 1 StPO ist wer immer von einer strafbaren Handlung, die von Amts wegen zu verfolgen ist, Kenntnis erlangt, berechtigt, sie anzuzeigen.

Nach § 241 Abs. 1 BDG 1979 sind Dienststellen im Sinne dieses Bundesgesetzes die Behörden, Ämter und anderen Verwaltungsstellen sowie die Anstalten und Betriebe des Bundes, die nach ihrem organisatorischen Aufbau eine verwaltungs- oder betriebstechnische Einheit darstellen.

Die Regelungen des § 45 Abs. 3 BDG 1979 in Verbindung mit §§ 53 Abs. 1, 54 Abs. 1 und 109 Abs. 1 leg. cit. zeigen, daß die Berechtigung zur Erstattung einer Strafanzeige an den Staatsanwalt (in Präzisierung der Bestimmung der §§ 84 und 86 StPO) wegen des in Ausübung des Dienstes zur Kenntnis gelangten Verdachtes einer von Amts wegen zu verfolgenden gerichtlich strafbaren Handlung nur bestimmten Funktionsträgern zukommt. Richtet sich dieser Verdacht gegen einen Beamten, ist zu prüfen, ob die inkriminierte Handlung (Unterlassung) nur den Verdacht einer von Amts wegen zu verfolgenden gerichtlich strafbaren Handlung (Anwendungsfall des § 45 Abs. 3 BDG 1979) oder gleichzeitig auch den Verdacht einer Dienstpflichtverletzung (was der Regelfall sein wird - Anwendungsfall des § 45 Abs. 3 iVm § 109 Abs. 1 BDG 1979) begründet. Je nachdem richtet sich die Handlungspflicht der Funktionsträger.

Hingegen trifft den Beamten, der nicht zu diesen Funktionsträgern gehört, in dem vorher umschriebenen "Verdachtsfall" nur die nach § 53 Abs. 1 BDG 1979 bestehende allgemeine Meldepflicht an den Leiter der Dienststelle. Aus diesen Bestimmungen ist abzuleiten, daß ein Beamter an sich nicht berechtigt ist, an Stelle des allein handlungspflichtigen Funktionsträgers unmittelbar selbst beim Staatsanwalt die Anzeige zu erstatten.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kann es daher keinem Zweifel unterliegen, daß die ihm vorgeworfene Vorgangsweise in rechtlicher Hinsicht eine Dienstpflichtverletzung darstellen kann.

Der Beschwerdeführer macht geltend, der angefochtene Bescheid lasse nicht erkennen, welcher Dienstpflichtverletzungen er konkret beschuldigt werde, weil aus dem Bescheidspruch nicht klar hervorgehe, in welcher Funktion er die Dienstpflichtverletzungen begangen habe.

Dem Beschwerdeführer ist einzuräumen, daß im Spruch keine Bezugnahme auf die seiner Dienstpflichtverletzung zugrunde liegenden Normen erfolgt ist. Trotzdem führt dies im Beschwerdefall nicht zur Aufhebung, weil die Begründung zur Auslegung eines unklaren Spruches heranzuziehen ist. Aus dieser ergeben sich aber die an einen Einleitungsbeschluß im Sinne der vorher dargestellten Rechtsprechung zu stellenden maßgebenden Anforderungen nämlich, daß die belangte Behörde das Disziplinarverfahren gegen den Beschwerdeführer in seiner Funktion als Disziplinaranwalt-Stellvertreter eingeleitet hat und daß ihm die selbständige Erstattung einer Anzeige an die Staatsanwaltschaft Wien zum Vorwurf gemacht wird jedenfalls hinreichend. Ob der Verdacht tatsächlich zutrifft und bejahendenfalls welche Dienstpflichtverletzungen im einzelnen dadurch in rechtlicher Hinsicht begangen wurden, ist - wie schon ausgeführt - nicht im Einleitungsbeschluß, sondern im sodann durchzuführenden Disziplinarverfahren zu klären. Wenn der Beschwerdeführer darauf hinweist, er habe ohnehin Kopien seiner Strafanzeigen (- gleichzeitig mit der Übermittlung dieser an die Staatsanwaltschaft -) an den Vorsitzenden der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres und an die für Personalangelegenheiten der Polizeibediensteten zuständige Abteilung übermittelt, so ist dem entgegenzuhalten, daß diesem Umstand keine Bedeutung hinsichtlich des Vorwurfes der selbständigen Erstattung der Strafanzeige zukommt, weil seitens der hiezu berufenen Funktionsträger keine Entscheidungsmöglichkeit mehr gegeben war.

Wenn der Beschwerdeführer weiters die Verjährung der ihm angelasteten Dienstpflichtverletzungen geltend macht, die am 18. März bzw. 2. und 30. April 1991 sowie am 6. Mai 1991 gesetzt worden sein sollen, so kann dem der Verwaltungsgerichtshof nicht folgen, weil die sechsmonatige Verfolgungsverjährungsfrist im Zeitpunkt des Einlangens des Einleitungsbeschlusses beim Beschwerdeführer am 26. August 1991 keinesfalls abgelaufen war.

Gleiches gilt hinsichtlich der vom Beschwerdeführer geäußerten Auffassung, daß er als Disziplinaranwalt-Stellvertreter Dienststellenleiter einer nur aus ihm bestehenden Dienststelle gewesen sei. Aus § 241 Abs. 1 BDG 1979 ergibt sich zwingend, daß im Gesetzeswortlaut organisatorische Mindesterfordernisse für das Vorliegen einer Dienststelle festgelegt sind, die auf den Beschwerdeführer als Funktionsträger und Einzelperson von vornherein nicht anwendbar sind.

Wenn der Beschwerdeführer darüber hinaus noch vorbringt, er sei als Disziplinaranwalt-Stellvertreter nicht an interne Zuständigkeitsvorschriften der Bundespolizeidirektion gebunden, so ist dies nicht unrichtig, ändert aber nichts daran, daß der Beschwerdeführer in dieser Funktion weisungsgebunden ist, jedenfalls dem Bundesminister unterstellt und kein zur Anzeigeerstattung berechtigter bzw. verpflichteter Funktionsträger ist.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen befaßt sich der angefochtene Bescheid - soweit dies überhaupt in Betracht kommt - auch mit der Frage, ob Gründe nach § 118 Abs. 1 BDG 1979 vorliegen, um von der Einleitung eines Disziplinarverfahrens abzusehen.

Da die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides im Sinne der vorstehenden Ausführungen nicht gegeben war, mußte die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich im Rahmen des mit S 2.760,-- bezifferten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Soweit in der Amtlichen Sammlung nicht veröffentlichte Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes genannt sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

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