VwGH 2000/09/0043

VwGH2000/09/004320.11.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bazil, über die Beschwerde der K S in Wien, vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 24. September 1999, Zl. UVS- 07/A/23/00148/98, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in einer Angelegenheit nach dem AuslBG (weitere Partei: Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13 Abs3;
AVG §71 Abs1 Z1;
VStG §24;
AVG §13 Abs3;
AVG §71 Abs1 Z1;
VStG §24;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 4./5. Bezirk vom 20. August 1997 wurde die Beschwerdeführerin einer Übertretung des § 28 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 1 AuslBG schuldig erkannt und wegen dieser Verwaltungsübertretung über sie eine Geldstrafe in der Höhe von S 50.000,-- (im Nichteinbringungsfall zu einer Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 6 Tagen) sowie Kostenersatz verhängt. Dieses Straferkenntnis wurde nach Ausweis des postamtlichen Rückscheins am 28. August 1997 (erster Tag der Abholfrist) durch Hinterlegung zugestellt.

Mit Eingabe vom 17. November 1997, bei der Behörde erster Instanz eingelangt am 21. November 1997, stellte die Beschwerdeführerin den Antrag "auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand" (gemeint: gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Berufung) und ersuchte unter einem um "Zustellung des für das Strafverfahren maßgeblichen Bescheides". Begründet wurde dieser Antrag damit, erst durch eine Mahnung, datiert vom 31.10.1997, sei der Beschwerdeführerin zur Kenntnis gelangt, dass sie zu einer Geldleistung von insgesamt S 55.000,-- verpflichtet worden sei. Anlässlich einer Akteneinsicht habe sie festgestellt, dass bereits im April 1997 die Zustellung eines eigenhändigen Schriftstückes (gemeint: die Aufforderung zur Rechtfertigung) an ihre frühere Adresse in Wien 12., E-Straße Nr. 2 versucht worden sei. Sie könne sich nicht erinnern, eine Hinterlegungsanzeige erhalten zu haben und habe keine Erklärung dafür. Aus der Aktenlage sei ersichtlich, dass auch die Zustellung des der Mahnung zugrundeliegenden Straferkenntnisses an der Wohnadresse in Wien 17., H-Straße 1 versucht worden sei. Ausgewiesen werde eine Hinterlegung des Schriftstückes am 29.08.1997 beim Postamt in 1170 Wien und eine in das Hausbrieffach eingelegte diesbezügliche Verständigung. Eine solche Verständigung habe sie sicher nicht erhalten. Sie sei seit 20. Mai 1997 in Wien 17., H-Straße Nr. 1 wohnhaft. Dabei handle es sich um eine untervermietete Eigentumswohnung, für deren Hausbriefkasten ihr ein Schlüssel vom Wohnungseigentümer zur Verfügung gestellt worden sei. Das dazupassende Hausbrieffach sei zum Zeitpunkt dieser Zustellungen aber weder mit ihrem Namen noch mit der dazugehörigen Türnummer versehen gewesen. Außerdem bestehe keine lückenlos fortlaufende Durchnummerierung der einzelnen Hausbrieffächer. Auch sei nicht auszuschließen, dass die Verständigung über die Hinterlegung des Schriftstückes nicht im Hausbrieffach eingelegt bzw. wenn doch, von fremden Personen entfernt worden sei.

Mit Bescheid vom 1. Dezember 1997 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Bewilligung der Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Berufung gegen das Straferkenntnis vom 20. August 1997 gemäß § 71 Abs. 1 AVG im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, die gesetzlichen Voraussetzungen für die Bewilligung der Wiedereinsetzung lägen nicht vor, auch sei die versäumte Handlung nicht nachgeholt worden.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der gegen den Bescheid vom 1. Dezember 1997 gerichteten Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 in Verbindung mit § 71 Abs. 3 AVG mit der Maßgabe keine Folge, dass der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Berufung gegen das Straferkenntnis vom 20. August 1997 als unzulässig zurückgewiesen wurde. Begründet wurde dies damit, dass nach der Aktenlage die versäumte Handlung, nämlich die Erhebung einer mit einem begründeten Berufungsantrag versehenen Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis vom 20. August 1997, nicht nachgeholt worden sei. Dies sei ein unverbesserbarer inhaltlicher Mangel des Antrages, der einer inhaltlichen Erledigung entgegen stehe. Lediglich ergänzend verwies die belangte Behörde auch auf die mangelnde materielle Berechtigung der beantragten Wiedereinsetzung, da sich die Behauptungen im Antrag lediglich auf die Unzulässigkeit der erfolgten Zustellung durch Hinterlegung bezögen, hierfür aber die beantragte Wiedereinsetzung nicht der geeignete Rechtsbehelf sei; über den Antrag auf (neuerliche) Zustellung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses sei mit dem bekämpften Bescheid vom 1. Dezember aber noch nicht entschieden worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht "auf Durchführung eines mangelfreien Ermittlungsverfahrens, sowie in dem Recht auf Erteilung einer Rechtsbelehrung und im Recht auf amtswegige Wahrheitserforschung" verletzt.

Sie begründet ihre Beschwerde wie folgt:

"Der erlassene Bescheid ist deshalb rechtswidrig, da die Behörde in ihrem Bescheid ausführte, dass die Antragstellerin lediglich die unverschuldete Unkenntnis der wirksamen Zustellung geltend machen wollte. Dies konnte man ihrem Vorbringen entnehmen. Dies ist jedoch nicht richtig. Allein durch das Vorbringen der Beschwerdeführerin ist zu erkennen, dass es wahrscheinlich ist, dass die Verständigung überhaupt nicht hinterlegt worden ist, da der Postkasten nicht mit ihrem Namen versehen war.

Weiters führte die Behörde aus, das im vorliegenden Fall jedoch bloß Behauptungen aufgestellt wurden ohne konkrete Bescheinigungsmittel für diese Behauptungen anzubieten. Die belangte Behörde übersieht jedoch im vorliegenden Fall, dass seitens der Beschwerdeführerin sehrwohl Behauptungen vorgebracht wurden, jedoch es auch Aufgabe der belangten Behörde gewesen wäre, die Beschwerdeführerin entsprechend zu belehren und darauf hinzuweisen, dass entsprechende Bescheinigungsmittel vorzubringen seien.

Da die Behörde ihrer Belehrungspflicht nicht nachgekommen ist, ist der erlassene Bescheid rechtswidrig. Überdies ist auch die Behörde von Amts wegen verpflichtet bei Vorliegen eines entsprechenden Sachverhaltes von sich aus Beweise, die bereits durch den Sachverhalt hervorgekommen sind von Amts wegen zu erforschen. In diesem Fall hätte man eine Anfrage beim zuständigen Postamt ebenfalls durchführen müssen, oder eine Fotokopie des Postbuches, mit welchem die Hinterlegungszeitpunkte festgelegt werden, von Amts wegen einholen müssen.

Da die Behörde sohin von sich aus keine entsprechenden Ermittlungen durchgeführt hat, ist der erlassene Bescheid rechtswidrig. Insbesondere wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die Beschwerdeführerin zu diesem Zeitpunkt nicht anwaltlich vertreten war, sodass die Belehrungspflicht entsprechend seitens der belangten Behörde durchgeführt hätte werden müssen. Der erlassene Bescheid ist daher rechtswidrig.

Dass die Glaubhaftmachung des behaupteten Ereignisses notwendig ist, hätte daher die belangte Behörde der Beschwerdeführerin darlegen und erklären müssen. Diesfalls hätte die Beschwerdeführerin jedenfalls einen Beweis erbringen können.

Überdies wird darauf hingewiesen, dass sich die Behörde in ihrem Bescheid hauptsächlich auf das Zitieren von VwGH-Entscheidungen beruft und aufgrund einer Entscheidung des VwGH vom 22.09.1992, 22/04/0194, davon ausgeht, dass im vorliegenden Fall das Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag für sich allein nicht geeignet erscheint, diesen zum Erfolg zu führen, sodass dem Wiedereinsetzungsantrag ohne weiteres Verfahren und ohne Erteilung eines Mängelbehebungsauftrages in Ansehung des eingebrachten Schriftsatzes nicht stattzugeben ist. Im vorliegenden Fall wäre jedenfalls auch ein Mängelbehebungsauftrag zu erteilen gewesen.

Insbesondere auch deshalb, da die Beschwerdeführerin nicht anwaltlich vertreten war. Die Behörde hat sohin auch ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren durchgeführt und überdies nicht die erforderlichen Maßnahmen ergriffen, die zur rechtsrichtigen Beurteilung der Sach- und Rechtslage notwendig gewesen wären. Der erlassene Bescheid ist daher rechtswidrig."

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG (in Verbindung mit § 24 VStG) ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung muss gemäß § 71 Abs. 2 AVG binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.

Nach § 71 Abs. 3 AVG hat die Partei im Fall der Versäumung einer Frist die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen.

Wird die versäumte Handlung also nicht (spätestens) gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachgeholt, liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein inhaltlicher und daher nicht der Verbesserung zugänglicher Mangel vor (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 1982, Zl. 82/10/0067, sowie die Beschlüsse vom 4. September 1997, Zlen. 97/18/0440 und 0441, und vom 31. Januar 1995, Zl. 94/07/0188 als Beispiel für viele).

Ferner ist darauf zu verweisen, dass die Verfahrensgesetze keine Bestimmung enthalten, wonach die Partei zur Erhebung bestimmter Behauptungen und zur Stellung bestimmter Anträge anzuleiten wäre. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 19. Jänner 1990, Zl. 89/18/0162) bezieht sich die Manuduktionspflicht des § 13a AVG lediglich auf Verfahrenshandlungen und deren Rechtsfolgen. Die Behörden des Verwaltungsverfahrens sind aber nicht verpflichtet, den Parteien Unterweisungen zu erteilen, wie sie ihr Vorbringen zu gestalten haben, um einen von ihnen angestrebten Erfolg zu erreichen. Auch aus der Vorschrift des § 13 Abs 3 AVG (in Verbindung mit § 24 VStG) kann eine Verpflichtung der Behörde, die Partei zur Einbringung von Anträgen , wie im Beschwerdefall etwa eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aufzufordern, nicht abgeleitet werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Januar 1994, Zl. 93/02/0317). Schließlich verkennt die Beschwerdeführerin mit ihrem Vorbringen, die belangte Behörde hätte ihr im Rahmen des Parteiengehörs die Gelegenheit eröffnen müssen, die versäumte Handlung nachzuholen, die Rechtslage, da dies nicht Gegenstand des im § 45 Abs. 3 AVG normierten Parteienrechtes ist.

Die Unterlassung eines - mündlichen oder schriftlichen - Verbesserungsverfahrens durch die belangte Behörde kann daher in einem Fall wie dem vorliegenden keine Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bedeuten.

Zutreffend verweist die belangte Behörde im Übrigen darauf, dass die Behauptung von Zustellmängeln und sohin die Behauptung der nicht rechtswirksamen Zustellung nicht erfolgreich als Wiedereinsetzungsgrund im Sinne des § 71 AVG geltend gemacht werden kann, weil bei Zutreffen dieser Behauptung die versäumte Frist noch gar nicht zu laufen begonnen hätte (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Februar 1996, 94/13/0082). Über den Antrag auf neuerliche Zustellung des Straferkenntnisses hat die Behörde aber bislang noch nicht entschieden.

Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 20. November 2001

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