VwGH 2000/02/0079

VwGH2000/02/00797.8.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. König, über die Beschwerde der MO in S, vertreten durch Mag. Rainer Rienmüller, Rechtsanwalt in Wien I, Kohlmarkt 16, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 24. Jänner 2000, Zl. Senat-WB-99-454, betreffend Übertretung der StVO, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §46;
StGB §11;
StVO 1960 §5 Abs2;
StVO 1960 §5 Abs4;
StVO 1960 §99 Abs1 litb;
VStG §44a Z1;
VStG §44a Z2;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §46;
StGB §11;
StVO 1960 §5 Abs2;
StVO 1960 §5 Abs4;
StVO 1960 §99 Abs1 litb;
VStG §44a Z1;
VStG §44a Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 24. Jänner 2000 wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, sie habe am 28. März 1999 von 22.09 Uhr bis 22.14 Uhr im Krankenhaus Wiener Neustadt die Untersuchung ihrer Atemluft auf Alkoholgehalt gegenüber einem besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht verweigert, obwohl sie ein dem Kennzeichen nach näher bestimmtes Fahrzeug an einem näher genannten Ort im Gemeindegebiet von Felixdorf um

21.34 Uhr gelenkt habe und vermutet werden habe können, dass sie sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe.

Sie habe dadurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 99 Abs. 1 lit. b i.V.m. "§ 5 Abs. 2 u. 4" StVO begangen, weshalb über sie eine Geldstrafe von S 16.000.-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 384 Stunden) verhängt wurde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende

Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Zur Klarstellung sei zunächst auf Folgendes verwiesen:

Wohl wurde der Beschwerdeführerin spruchgemäß (im Instanzenzug) der Vorwurf gemacht, das Fahrzeug "gelenkt" zu haben ("beim Lenken"), obwohl ihre Lenkereigenschaft (noch) nicht als erwiesen angenommen werden konnte. Der Verwaltungsgerichtshof hat aber in seiner Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht, der Vorwurf des "Lenkens" im Sinne des § 5 Abs. 2 StVO schließe den bloßen "Verdacht" des Lenkens in sich. Von daher gesehen wurde somit im Beschwerdefall ein "überschießendes" Tatbestandselement in den Spruch aufgenommen, welches nicht Gegenstand der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung (nach dem zweiten Satz des § 5 Abs. 2 StVO) ist. Eine Verletzung von Rechten der Beschwerdeführerin hiedurch ist jedoch nicht erkennbar (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 23. November 2001, Zl. 98/02/0212).

Mit der zusätzlichen - und durch die belangte Behörde unberichtigt gebliebenen - Zitierung des § 5 Abs. 4 StVO als Übertretungsnorm wurde der angefochtene Bescheid mit keiner Rechtswidrigkeit belastet, zumal zufolge der Umschreibung des Tatbildes (Verweigerung der Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt) die Zuordnung der erwiesenen Tat zum Straftatbestand des § 5 Abs. 2 StVO klar ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Juli 2003, Zl. 2000/02/0060).

Die Beschwerdeführerin rügt u.a., der angefochtene Bescheid sei deshalb rechtswidrig, weil von der belangten Behörde zu Unrecht eine Unzurechnungsfähigkeit der Beschwerdeführerin i.S. des § 3 VStG nicht angenommen worden sei. Die belangte Behörde habe diese Rechtsfrage unrichtig gelöst, weil sie es unterlassen habe, einen ärztlichen Sachverständigen zu dieser Frage hinzuzuziehen, obwohl das Beweisverfahren eindeutige Anhaltspunkte in diese Richtung geboten habe. Die Zeugin R. und der Zeuge O. hätten angegeben, dass die Beschwerdeführerin nach dem Vorfall und im Krankenhaus Wiener Neustadt zeitlich und örtlich nicht orientiert gewesen sei und auf Ansprechversuche nicht reagiert habe.

Dem ist entgegenzuhalten, dass beide von der Beschwerdeführerin genannten Zeugen weder bei dem Gespräch, in dessen Verlauf der Spitalsarzt Dr. E. den Eindruck gewann, dass die Beschwerdeführerin zeitlich und örtlich orientiert gewesen sei und verstanden habe, worum es gehe, und das der Aufforderung zur Ablegung des Atemalkoholtests und der nachfolgenden Verweigerung infolge Ablegung von 5 nicht verwertbaren Blasversuchen (mit jeweils zu kurzer Blaszeit) voranging, noch bei der Amtshandlung betreffend den Atemalkoholtest unmittelbar anwesend waren. Auch die beiden als Zeugen vor der belangten Behörde einvernommenen Polizeibeamten sagten übereinstimmend aus, dass die Beschwerdeführerin während der Amtshandlung örtlich und zeitlich orientiert gewesen sei und auch verstanden habe, was mit ihr gesprochen worden sei. Überdies haben sich die beiden Polizeibeamten vor Durchführung der Amtshandlung beim Spitalsarzt Dr. E. vergewissert, dass die Beschwerdeführerin in der Lage sei, den Atemalkoholtest mittels Alkomat durchzuführen.

Die von der Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang eingewendete "objektivierte Schädelverletzung" war, worauf auch der als Zeuge einvernommene Spitalsarzt Dr. E. in Übereinstimmung mit der den Verwaltungsakten beiliegenden Krankengeschichte des Krankenhauses Wiener Neustadt hingewiesen hat, eine kleine Rissquetschwunde rechts über dem Scheitelbein und eine Kopfprellung. Trotz dieser vom Arzt diagnostizierten Verletzungen gab es auf Grund des situationsangepassten Verhaltens der Beschwerdeführerin - vgl. auch die diesbezüglichen Aussagen dieses als Zeugen einvernommenen Arztes vor der belangten Behörde - keinen Anhaltspunkt, dass die Beschwerdeführerin damals nicht zurechnungsfähig gewesen wäre.

Den Zeugenaussagen des Spitalsarztes und der beiden an der Amthandlung beteiligten Polizeibeamten kann - entgegen den Beschwerdebehauptungen - nicht entnommen werden, dass die Beschwerdeführerin vor oder während der gegenständlichen Amtshandlung ein Verhalten an den Tag gelegt habe, welches mit der Situation nicht in Einklang zu bringen sei, indem sie "unkoordiniert mit Lachen und Weinen reagiert" habe. Aus der Zeugenaussage des Gr. Insp. S. geht hervor, dass die Beschwerdeführerin bei der Vornahme des Alkotests "eher lustig" gewesen sei, was der Zeuge auf deren Alkoholisierung zurückführte. Der Zeuge Gr. Insp. H. sagte vor der belangten Behörde aus, dass die Beschwerdeführerin auf seine Belehrungen nach dem Fehlversuch "nur mit Schulterzucken und Lachen" reagiert habe. Es trifft daher auch entgegen den Beschwerdebehauptungen nicht zu, dass die als Zeugen einvernommenen Polizeibeamten das "merkwürdige Verhalten" der Beschwerdeführerin, nämlich "Lachen und Weinen", im Zuge des Versuchs, den Alkomat zu bedienen, bestätigt hätten.

Selbst wenn - wie die Beschwerdeführerin behauptet - das Gespräch mit dem Spitalsarzt Dr. E. "nur kurz" gedauert haben sollte, konnte sich dieser (medizinisch sachkundige) Zeuge, wie aus seiner vor der belangten Behörde getätigten Aussage hervorgeht, einen hinreichenden Eindruck über die Zurechnungsfähigkeit der Beschwerdeführerin verschaffen. Auch die nachträglich vom Hausarzt der Beschwerdeführerin vorgelegte Bestätigung über deren gesundheitliche Beeinträchtigungen bei einer Visite am 30. März 1999 (= zwei Tage nach dem Unfall und der Verweigerung des Alkomattests) vermag nicht einen die Zurechnungsfähigkeit der Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Verweigerung des Alkomattests ausschließenden Zustand darzutun. Es bestanden daher für die belangte Behörde keine hinreichenden Anhaltspunkte für die von der Beschwerdeführerin behauptete Unzurechnungsfähigkeit.

Ferner bedurfte es entgegen den Beschwerdebehauptungen auch keiner ergänzenden Beiziehung eines "gerichtlich beeideten Sachverständigen" (im Zuge des Berufungsverfahrens begehrte die Beschwerdeführerin die Einholung eines Gutachtens durch einen "Gerichtsmediziner"), zumal einem Arzt mit langjähriger Spitalserfahrung - wie dies beim Zeugen Dr. E. zutrifft - zuzugestehen ist, das Vorliegen der Dispositionsbzw. Diskretionsfähigkeit eines Patienten zuverlässig festzustellen. Im Übrigen entspricht es der ständigen hg. Rechtsprechung im Zusammenhang mit Übertretungen nach § 5 Abs. 2 StVO - worauf auch die belangte Behörde hinwies -, dass es bei situationsbezogenem Verhalten des Probanden an Ort und Stelle entbehrlich ist, ein ärztliches Sachverständigengutachten einzuholen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 1997, Zl. 97/02/0044,0045). Der gerügte Verfahrensmangel liegt daher nicht vor.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 7. August 2003

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