VfGH V91/03 ua

VfGHV91/03 ua3.3.2004

Keine Gesetzwidrigkeit von Satzungsbestimmungen von Krankenkassen hinsichtlich der Kostenerstattung bzw Kostenzuschüssen für medizinische Hauskrankenpflege; kein Zutreffen der Bedenken des OGH hinsichtlich der Geringfügigkeit des Kostenersatzes bzw der Unmöglichkeit der Inanspruchnahme dieser gesetzlichen Pflichtleistung durch das Erfordernis der Vorlage einer saldierten Honorarnote bei medizinischer Intensivbetreuung wie in den Anlassfällen; intensivmedizinische Pflege außerhalb einer Krankenanstalt keine medizinische Hauskrankenpflege

Normen

B-VG Art18 Abs2
ASVG §131, §131b, §144, §151
Gesundheits- und KrankenpflegeG §14, §20
KAG §2
Satzung 1995 der Vlbg Gebietskrankenkasse §29, §38, Anhang 7
Satzung 2000 der Betriebskrankenkasse Austria Tabak §29, §38, Anhang 5
VfGG §61a
B-VG Art18 Abs2
ASVG §131, §131b, §144, §151
Gesundheits- und KrankenpflegeG §14, §20
KAG §2
Satzung 1995 der Vlbg Gebietskrankenkasse §29, §38, Anhang 7
Satzung 2000 der Betriebskrankenkasse Austria Tabak §29, §38, Anhang 5
VfGG §61a

 

Spruch:

Die Anträge werden abgewiesen.

Kosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Aufgrund seines Beschlusses vom 1. Juli 2003 beantragt der Oberste Gerichtshof (im Folgenden: OGH) die Aufhebung jener Bestimmungen der Satzung 2000 der Betriebskrankenkasse Austria Tabak (im Folgenden: BKK) als gesetzwidrig, die den Kostenzuschuss für medizinische Hauskrankenpflege betreffen (insbesondere die Festsetzung des Kostenzuschusses mit einem bestimmten Betrag);

es sind dies: in §29 der Satzung, SozSi, Heft 2/2000, Amtliche Verlautbarung Nr. 19/2000, das Wort "saldierten"; in §38 dieser Satzung die Wortfolge "- die medizinische Hauskrankenpflege (§151 ASVG)," sowie die Z4 im Anhang 5 dieser Satzung in der Fassung der 3. und 4. Änderung der Satzung 2000, www.avsv.at , Amtliche Verlautbarung Nr. 53/2002 und Nr. 18/2003.

Dieser Antrag ist zu V91/03 protokolliert.

1.2. Zum Sachverhalt führt der OGH Folgendes aus: Der am 1. Dezember 1976 geborene Kläger habe am 15. Juli 1997 einen Verkehrsunfall erlitten, als dessen Folge bei ihm eine nahezu komplette Querschnittlähmung unterhalb des Kopfes bestehe, wobei einige funktionell nahezu wertlose Restbewegungen der rechten und linken Hand sowie des rechten Beines vorhanden seien. Der Kläger leide unter nahezu kompletter Atemlähmung; um die Atmung des Klägers aufrecht zu erhalten, sei der Kläger mit einem Beatmungsgerät - das eine Tracheostomiekanüle erfordere - sowie einer Raumluftbeatmung ausgestattet. Aufgrund der Blasen- und Mastdarmlähmung sei ein regelmäßiger Fremdkatherismus erforderlich, das Stuhlabsetzen müsse medikamentös eingeleitet und durchgeführt werden. Das Fehlen der Hustenmöglichkeit erfordere eine laufende Toilettierung des Atembereiches und das Absaugen der großen Atemwege. Der Kläger könne Aktivitäten des täglichen Lebens nicht selbst wahrnehmen und sei nahezu vollständig auf fremde Hilfe angewiesen; lediglich das Schlucken von Flüssigkeiten und das Kauen vorgeschnittener Speisen seien möglich. Eine wesentliche funktionelle Besserung der Lähmungssituation sei nicht zu erwarten, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sei der Endzustand erreicht. Die Pflege des Klägers erfolge im Erdgeschoß eines von der Familie des Klägers errichteten und behindertengerecht ausgestatteten Wohnhauses durch geschultes Personal aufgrund ärztlicher Anordnung. Das Pflegepersonal arbeite im 12 Stunden-Rhythmus, wobei jeweils zwei Pflegepersonen eine Woche lang im Wechseldienst die Pflege durchführten.

Mit Bescheid vom 11. März 1999 habe die BKK den Antrag auf Gewährung von medizinischer Hauskrankenpflege gem. §151 ASVG abgewiesen, weil der Versicherungsfall der Krankheit nicht (mehr) vorliege. Aufgrund der dagegen erhobenen Klage habe das Erstgericht den Anspruch bejaht, das Berufungsgericht in Stattgebung der Berufung der BKK das Ersturteil behoben und die Sozialrechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen; es sei zu untersuchen, ob die Hauskrankenpflege hier der Anstaltspflege gleichwertig sei. Den dagegen erhobenen Rekursen habe der OGH keine Folge gegeben (Beschluss vom 22. Mai 2001, Z10 ObS 315/00x). Im fortgesetzten Verfahren verpflichtete das Erstgericht die beklagte Partei ab 23. Mai 2002 die Kosten der Hauskrankenpflege in Höhe von monatlich € 23.302,49 zu übernehmen (bis zu diesem Zeitpunkt habe die beklagte Partei die Kosten freiwillig übernommen). Das Berufungsgericht habe diese Entscheidung bestätigt und ausgesprochen, dass die von der beklagten Partei eingewendete satzungsmäßige Beschränkung der Leistung auf einen bloßen Kostenzuschuss nicht zum Tragen komme. Die beklagte Partei bekämpfe dieses Urteil mit Revision.

Es werde von der beklagten Partei nicht mehr in Zweifel gezogen, dass der Kläger Anspruch auf medizinische Hauskrankenpflege habe, da er einer Versorgung rund um die Uhr durch geschultes Pflegepersonal bedürfe; die stationäre Unterbringung in einer Krankenanstalt sei medizinisch kontraindiziert. Es stehe fest, dass es in Österreich keine Möglichkeit für eine dauernde Betreuung des Klägers auf einer Intensivstation, welche zudem erheblich höhere Kosten als die Hauskrankenpflege in der bestehenden Form erfordern würde, gebe. Es gebe in Österreich keine Einrichtung zur Unterbringung beatmungspflichtiger Patienten außerhalb einer Intensivstation. Die Unterbringung des Klägers zu Hause sei eine der Anstaltspflege gleichwertige Behandlung, welche in Bezug auf die psychischen Auswirkungen und im Hinblick auf das Infektionsrisiko der Behandlung auf einer Intensivstation weit überlegen sei. Bei langfristiger Unterbringung des Klägers auf einer Intensivstation würden daraus neben der signifikant erhöhten Infektionsgefahr schwere psychische Störungen resultieren; es wäre mit ausgeprägten depressiven Dekompensationen zu rechnen, die wiederum zu einer erheblichen Gefährdung im vitalen Bereich und zu erheblichen Komplikationen im somatischen Bereich führen würden. Der erkennende Senat gehe davon aus, dass der Kläger einen Anspruch auf medizinische Hauskrankenpflege habe.

1.3. Gegen die angefochtenen Bestimmungen der Satzung der BKK hegt der OGH folgende Bedenken:

"Das österreichische Krankenversicherungsrecht ist vom Sachleistungsprinzip geprägt. Die Sozialversicherungsträger haben sich darum zu bemühen, ein System zu schaffen, welches die Inanspruchnahme der Versicherungsleistungen ermöglicht, ohne dass die Versicherten selbst zur Honorierung herangezogen werden müssen. So obliegt es den Krankenversicherungsträgern gemäß §23 Abs5 ASVG, für die Krankenbehandlung der Versicherten und ihrer Familienangehörigen ausreichend Vorsorge zu treffen. Nach der im Sechsten Teil des ASVG enthaltenen Bestimmung des §338 Abs1 ASVG werden die Beziehungen der Träger der Sozialversicherung zu den freiberuflich tätigen Ärzten, Gruppenpraxen, Dentisten, Hebammen, Apothekern, freiberuflich tätigen klinischen Psychologen, freiberuflich tätigen Psychotherapeuten, Pflegepersonen, die medizinische Hauskrankenpflege gemäß §151 erbringen, und anderen Vertragspartnern durch privatrechtliche Verträge geregelt. Durch diese Verträge ist die ausreichende Versorgung der Versicherten und ihrer anspruchsberechtigten Angehörigen mit den gesetzlich und satzungsmäßig vorgesehenen Leistungen sicherzustellen (§338 Abs2 erster Satz ASVG). Schließlich ist auch in §133 Abs2 letzter Satz ASVG festgelegt, dass die Leistungen der Krankenbehandlung, soweit in diesem Bundesgesetz nichts anderes bestimmt wird (vgl. §130 Abs3, §131 Abs1 und 3, §131a, §131b, §132 ASVG), als Sachleistungen erbracht werden.

Auch bei der medizinischen Hauskrankenpflege steht die Sachleistungsgewährung im Vordergrund. ...

Die Mitwirkung der Vertragsärzte im Bereich der medizinischen Hauskrankenpflege wurde in einer zwischen der österreichischen Ärztekammer und dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger abgeschlossenen gesamtvertraglichen Vereinbarung geregelt (vgl. Scholz, medizinische Hauskrankenpflege als krankenhausersetzende Leistung, SozSi 1993, 380 ff). ...In Erfüllung der Sachleistungsverpflichtung haben die Sozialversicherungsträger neben dieser Vereinbarung mit der Ärzteschaft auch in den Bundesländern Abmachungen mit jenen Organisationen geschlossen, die die im Zusammenhang mit der medizinischen Hauskrankenpflege benötigten pflegerischen Leistungen anbieten. Aufgrund dieser Verträge kommt es zu einer Direktverrechnung zwischen dem Krankenversicherungsträger und seinen Vertragspartnern (vgl. ARD 4493/21/93 und 4364/10/92; Binder in Tomandl, SV-System 15. ErgLfg 232 [2.2.3.3.]).

Ist der Krankenversicherungsträger - wie offensichtlich auch im vorliegenden Fall - nicht in der Lage, dem Versicherten die notwendigen Sachleistungen durch eigene oder Vertragserrichtungen der Krankenbehandlung zur Verfügung zu stellen, so tritt an deren Stelle die Erbringung von Geldleistungen (Kostenerstattung bzw Kostenzuschuss). Bei der Kostenerstattung bzw beim Kostenzuschuss hat der Versicherte die gewünschte Leistung selbst am Markt zu besorgen; die Sozialversicherung leistet dabei grundsätzlich keine Hilfestellung. Ihre Aufgabe beschränkt sich darauf, die vom Versicherten für die Inanspruchnahme von Gesundheitsgütern aufgewendeten Kosten im Nachhinein bis zu einem gewissen Höchstbetrag zu erstatten (Schrammel, Die Durchsetzung von Leistungsansprüchen in der sozialen Krankenversicherung in FS Tomandl [1998) 679 ff [680] ua.; SSV-NF 10/114 ua.).

...

Nach §131b ASVG betreffend Kostenzuschüsse bei Fehlen vertraglicher Regelungen gilt dann, wenn andere Vertragspartner infolge Fehlens von Verträgen nicht zur Verfügung stehen, §131a ASVG mit der Maßgabe, dass in jenen Fällen, in denen noch keine Verträge für den Bereich einer Berufsgruppe bestehen, der Versicherungsträger den Versicherten die in der Satzung festgesetzten Kostenzuschüsse zu leisten hat. Der Versicherungsträger hat das Ausmaß dieser Zuschüsse unter Bedachtnahme auf seine finanzielle Leistungsfähigkeit und das wirtschaftliche Bedürfnis des Versicherten festzusetzen. Damit trifft §131b ASVG Vorsorge für die Fälle, in denen für den Bereich einer Berufsgruppe noch keine Verträge bestehen und keine derartigen Verträge zustande kommen.

...

Seit 1. Jänner 2002 beträgt der Pauschalsatz pro Pflegetag infolge der Währungsumstellung EUR 8,72 (vgl. 3. und 4. Änderung der Satzung 2000 - Nr 53/2002 und Nr 18/2003).

Mit dem Inkrafttreten der neuen Satzung 2000 der Betriebskrankenkasse Austria Tabak wurde die bisher geltende Satzung 1995 aufgehoben. Die aufgehobene Satzung ist auf eingetretene Versicherungsfälle sowie bereits geltend gemachte Leistungsansprüche, die vor ihrer Aufhebung verwirklicht wurden, weiterhin anzuwenden (§52 Abs2 der Satzung 2000). Die Regelung betreffend Kostenerstattung für Leistungen, die der ärztlichen Hilfe gleichgestellt sind sowie für medizinische Hauskrankenpflege (§131 Abs2 ASVG) findet sich gleichlautend im §29 der Satzung 1995; die ebenfalls unverändert gebliebene Regelung über Kostenzuschüsse bei Fehlen vertraglicher Regelungen (§131b ASVG) war bereits im §37 der Satzung 1995 enthalten.

Der erkennende Senat geht im vorliegenden Fall davon aus, dass Verträge zwischen dem diplomierten Pflegepersonal und dem beklagten Krankenversicherungsträger über die Erbringung einer - im Falle des Klägers notwendigen - dauernden intensivmedizinischen Behandlung eines Versicherten im häuslichen Bereich nicht bestehen, zumal die Richtigkeit dieses Prozessvorbringens der beklagten Partei vom Kläger inhaltlich gar nicht bestritten wurde. Der beklagte Versicherungsträger hat daher gemäß §131b ASVG dem Kläger den in der Satzung für die Leistungen der medizinischen Hauskrankenpflege festgesetzten Kostenzuschuss zu leisten. Der Kläger hat dazu jedoch eingewendet, dass der bei ihm erforderliche außergewöhnliche Betreuungsaufwand in der Satzung der beklagten Partei nicht geregelt sei. Wenn auch der Auffassung des Klägers und der Vorinstanzen zweifellos darin beizupflichten ist, dass der in der Satzung für die medizinische Hauskrankenpflege vorgesehene Pauschalsatz von S 120 bzw nunmehr EUR 8,72 pro Pflegetag ganz offensichtlich nur auf den typischen (einfachen) Fall der Hauskrankenpflege (Verabreichung von Injektionen, Sondenernährung, Dekubitusversorgung) abstellt und den völlig außergewöhnlichen Fall einer dauernden intensivmedizinischen Behandlung eines Versicherten im häuslichen Bereich nicht berücksichtigt, so muss aufgrund des zitierten Wortlautes der Satzungsbestimmung des Anhanges 5 Z4 doch davon ausgegangen werden, dass nach dem Willen des Satzungsgebers jeder Fall der medizinischen Hauskrankenpflege von der in der Satzung festgesetzten Pauschalvergütung umfasst sein soll. Gegen eine solche Satzungsregelung bestehen jedoch Bedenken wegen Gesetzwidrigkeit, da dadurch dem Kläger im Ergebnis nur ein ganz geringfügiger, praktisch nicht ins Gewicht fallender Teil (ca 1 %) seiner Krankenbehandlungskosten ersetzt würde und damit dem Kläger der gesetzliche Anspruch auf Sachleistungsgewährung im Wege des Kostenzuschusses de facto 'abgeschnitten' werden würde [Hinweis auf Mazal, Der Anspruch auf Krankenbehandlung bei chronischen Krankheiten am Beispiel der Behandlung beatmungspflichtiger Kranker, ZAS 2002, 33ff]. So hat auch bereits der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg 13.571 einen Kostenzuschuss für unentbehrlichen Zahnersatz in der Höhe von S 500 pro Zahn (= rund 10 % des Aufwandes des Versicherten) als jedenfalls zu gering erachtet und die entsprechende Bestimmung in der Satzung der oberösterreichischen Gebietskrankenkasse als gesetzwidrig aufgehoben. Ein Zuschuss (eine Kostenbeteiligung) müsse eine bestimmte Höhe erreichen, um begrifflich noch als Zuschuss gelten zu können. Es bestehen daher im vorliegenden Fall erhebliche Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der im Anhang der Satzung der beklagten Partei für Leistungen der medizinischen Hauskrankenpflege vorgesehenen pauschalen Zuschussregelung.

...

Die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung haben im Rahmen der Sachleistungsvorsorge ein Leistungssystem zu organisieren, das dem Versicherten die Inanspruchnahme medizinischer Hilfen ohne Vorauszahlung ermöglicht. Der Versicherte soll die medizinische Hilfe direkt auf Rechnung des Krankenversicherungsträgers erhalten. Diese Direktverrechnung der Behandlungskosten zwischen Sozialversicherung und Leistungserbringer ist ein Wesensmerkmal der Sachleistungsvorsorge (Selb-Schrammel in Tomandl, SV-System 15. ErgLfg 569 mwN ua.). Soweit es den Sozialversicherungsträgern nicht möglich ist, ein derartiges Sachleistungssystem aufzubauen, werden die Versicherungsleistungen nach dem Kostenerstattungssystem ermöglicht. Der Vorrang des Sachleistungsprinzips hat aber auch sehr plausible Gründe. Für sehr viele Versicherte wäre nämlich ein (reines) Kostenerstattungssystem kaum zumutbar, weil ihnen die notwendigen Mittel für die Vorfinanzierung der häufig teuren medizinischen Leistungen fehlen.

Dies gilt auch für den vorliegenden Fall, in welchem dem Kläger die Inanspruchnahme der ihm als gesetzliche Pflichtleistung zustehenden medizinischen Hauskrankenpflege letztlich unmöglich gemacht wird, wenn der Krankenversicherungsträger keine Vorsorge für die Sachleistungsgewährung schafft. Im Hinblick auf die Höhe der Kosten der im Falle des Klägers laufend erforderlichen intensivmedizinischen Behandlung ist einem Versicherten eine dem Kostenerstattungssystem zugrunde liegende Vorfinanzierung der Behandlungskosten in der Regel nämlich unmöglich bzw unzumutbar. Da im vorliegenden Fall auch der Umfang der späteren Kostenerstattung nicht absehbar ist, wäre auch eine Aufbringung dieser Geldmittel im Kreditweg, sofern eine solche Vorfinanzierung überhaupt gewährt würde, nicht zumutbar, weil sie letztlich zum wirtschaftlichen Ruin des Versicherten führen könnte. Der Kläger befindet sich, sofern er die in Frage stehende Behandlung im Rahmen der medizinischen Hauskrankenpflege nicht mehr erhält, in einer lebensbedrohlichen Situation, da auch die mit nachteiligen Begleitumständen verbundene Möglichkeit einer stationären Behandlung in einer Intensivstation nach den getroffenen Feststellungen keineswegs gesichert erscheint. Es bestehen daher im vorliegenden Fall auch Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der in §29 der Satzung (durch die in dieser Bestimmung für eine Kostenerstattung vorgeschriebene Vorlage einer saldierten Honorarnote) vorgesehenen Vorfinanzierung der Behandlungskosten durch den Versicherten, weil damit, wie sich aus dem vorliegenden Fall ergibt, durch Unterlassung der gebotenen Sachleistungsvorsorge durch den Versicherungsträger (Nichtabschluss von entsprechenden Verträgen) die Inanspruchnahme der als gesetzliche Pflichtleistung dem Versicherten zustehenden medizinischen Hauskrankenpflege unmöglich gemacht werden kann."

2.1. Mit Antrag vom 15. Juli 2003 begehrt der OGH die Aufhebung des Wortes "saldierten" in §29 der Satzung 1995 der Vorarlberger Gebietskrankenkasse (im Folgenden: Vbg. GKK), SozSi, Heft 9/1995, Amtliche Verlautbarung Nr. 73/1995 sowie in §29 der Satzung 2000, SozSi, Heft 1/2001, Amtliche Verlautbarung Nr. 6/2001, der Wortfolge "- die medizinische Hauskrankenpflege (§151 ASVG)" in §38 der Satzung 1995 idF SozSi, Heft 3/2000, Amtliche Verlautbarung Nr. 31/2000 sowie dieser Wortfolge in der Satzung 2000, und die Z4 im Anhang 7 der Satzung 1995 idF SozSi, Heft 5/1997, Amtliche Verlautbarung Nr. 70/1997 sowie in der Satzung 2000 idF www.avsv.at , Amtliche Verlautbarung Nr. 22/2002 als gesetzwidrig; dieser Antrag ist zu V94,95/03 protokolliert.

2.2. Der OGH hat in diesem (Revisions-)Verfahren über den Anspruch des Klägers, der nach einem Unfall komplett querschnittgelähmt und dauernd atemgelähmt ist, auf Kostenersatz für medizinische Hauskrankenpflege zu entscheiden. Hinsichtlich des Sachverhaltes führt der OGH aus, dass bei der Betreuung des Klägers folgende Tätigkeiten erforderlich seien: Grundpflege, Überwachung und Wartung des Beatmungssystems sowie Pflege des Tracheostomas und der Kanüle, Betreuung hinsichtlich der Stuhl- und Harnsituation mit entsprechender Harnableitung durch Katherismus, physiotherapeutische Maßnahmen einschließlich Mobilisation im Stehbett und im Rollstuhl. Die häusliche Pflege des Klägers bedürfe einer dauernden Überwachung durch qualifiziertes Pflegepersonal; diese gliedere sich in eine technische Überwachung und in die Anwesenheit in Hörweite des Klägers. Vom 8. Dezember 2000 bis 30. September 2001 habe eine näher bezeichnete Gesellschaft diese Pflege gegen ein Entgelt von S 254.000,-- wahrgenommen; seit dem 1. Oktober 2001 erbringe eine andere Gesellschaft diese Leistungen gegen ein Entgelt von S 250.000,-- [Anm: wie aus den Gerichtsakten hervorgeht: monatlich inkl. USt]; die Grundpflege und die hauswirtschaftliche Pflege werde von den Angehörigen des Klägers durchgeführt. Bei einer Betreuung des Klägers in einer öffentlichen Krankenanstalt entstünden tägliche Kosten in der Höhe von S 14.000,--. Aufgrund des von der beklagten Vbg. GKK mit dem Landesverband im Namen und im Auftrag aller Vbg. Hauskrankenpflegevereine und mit dem Krankenpflegeverband als Berufsverband der diplomierten Krankenschwestern und der diplomierten Krankenpfleger zur Sicherstellung der medizinischen Hauskrankenpflege abgeschlossenen Vertrages sei eine Zur-Verfügung-Stellung von medizinischer Hauskrankenpflege nicht möglich gewesen, da es sowohl an personellen Voraussetzungen als auch den erforderlichen Geräten gemangelt hätte.

2.3. Der OGH bringt gegen die angefochtenen Bestimmungen der Satzung der Vbg. GKK, die die medizinische Hauskrankenpflege betreffen, dieselben Bedenken vor, wie schon im Verfahren zu V91/03 betreffend die Satzung der BKK vorbringt.

2.4. In den Verordnungsprüfungsverfahren haben die beteiligten Krankenkassen Äußerungen erstattet, in denen sie den Bedenken des OGH entgegentreten.

3. Die Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

Gem. §117 Z2 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes - ASVG, BGBl. 189/1955 idgF, werden als Leistungen der Krankenversicherung erbracht: "aus dem Versicherungsfall der Krankheit: Krankenbehandlung (§§133 bis 137), erforderlichenfalls medizinische Hauskrankenpflege (§151) oder Anstaltspflege (§144 bis 150)". Die Krankenbehandlung umfasst gem. §133 Abs1 ASVG ärztliche Hilfe, Heilmittel und Heilbehelfe; sie muss gem. §133 Abs2 ASVG "ausreichend und zweckmäßig" sein, darf jedoch "das Maß des Notwendigen" nicht überschreiten; die Leistungen werden als Sachleistungen erbracht. Ein Versicherter hat gem. §133 Abs5 ASVG keinen Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn er sich in Anstaltspflege befindet und soweit die entsprechenden Leistungen nach dem KAG (nunmehr KAKuG) im Rahmen der Anstaltspflege zu gewähren sind. Die Krankenbehandlung wird gem. §134 Abs1 ASVG während der Versicherung für die Dauer der Krankheit ohne zeitliche Begrenzung gewährt.

§144 ASVG lautet:

"§144. (1) Pflege in der allgemeinen Gebührenklasse einer Krankenanstalt, die über Landesfonds finanziert wird (landesfondsfinanzierte Krankenanstalt), ist, sofern im Sprengel des Versicherungsträgers eine solche Krankenanstalt besteht und der Erkrankte nicht mit seiner Zustimmung in einer anderen Krankenanstalt untergebracht wird, zu gewähren, wenn und solange es die Art der Krankheit erfordert. §134 gilt entsprechend. Wenn und solange es die Art der Krankheit zulässt, ist anstelle von Anstaltspflege medizinische Hauskrankenpflege zu gewähren (§151). Die Anstaltspflege kann auch gewährt werden, wenn die Möglichkeit einer medizinischen Hauskrankenpflege nicht gegeben ist.

(2) Der Erkrankte ist verpflichtet, sich einer Anstaltspflege zu unterziehen,

a) wenn die Art der Krankheit eine Behandlung oder Pflege erfordert, die bei häuslicher Pflege nicht gewährleistet ist, oder

b) wenn das Verhalten oder der Zustand des Erkrankten seine fortgesetzte Beobachtung erfordert, oder

c) wenn der Erkrankte wiederholt den Bestimmungen der Krankenordnung zuwidergehandelt hat, oder

d) wenn es sich um eine ansteckende Krankheit handelt.

(3) Ist die Anstaltspflege oder die medizinische Hauskrankenpflege nicht durch die Notwendigkeit ärztlicher Behandlung bedingt (Asylierung), so wird sie nicht gewährt.

(4) Als Anstaltspflege gilt nicht die Unterbringung in einem Heim für Genesende, die ärztlicher Behandlung und besonderer Pflege bedürfen (§2 Abs1 Z3 Krankenanstaltengesetz, BGBl. Nr. 1/1957), in einer Pflegeanstalt für chronisch Kranke, die ärztlicher Betreuung und besonderer Pflege bedürfen (§2 Abs1 Z4 Krankenanstaltengesetz, BGBl. Nr. 1/1957) oder in einer Sonderkrankenanstalt, die vorwiegend der Rehabilitation von Versicherten dient.

(5) - (6) ...".

§151 ASVG, BGBl. Nr. 681/1991 idF des SRÄG 1993, BGBl. Nr. 335, und der 55. Novelle zum ASVG, BGBl. I Nr. 138/1998, lautet wie folgt:

"Medizinische Hauskrankenpflege

§151. (1) Wenn und solange es die Art der Krankheit erfordert, ist medizinische Hauskrankenpflege zu gewähren.

(2) Die medizinische Hauskrankenpflege wird erbracht durch Angehörige des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege (§12 des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes, BGBl. I Nr. 108/1997), die vom Krankenversicherungsträger beigestellt werden oder die mit dem Krankenversicherungsträger in einem Vertragsverhältnis im Sinne des Sechsten Teiles dieses Bundesgesetzes stehen oder die im Rahmen von Vertragseinrichtungen tätig sind, die medizinische Hauskrankenpflege betreiben.

(3) Die Tätigkeit des Angehörigen des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege kann nur auf ärztliche Anordnung erfolgen. Die Tätigkeit umfasst medizinische Leistungen und qualifizierte Pflegeleistungen, wie die Verabreichung von Injektionen, Sondenernährung, Dekubitusversorgung. Zur medizinischen Hauskrankenpflege gehören nicht die Grundpflege und die hauswirtschaftliche Versorgung des Kranken.

(4) Hat der (die) Anspruchsberechtigte nicht die Vertragspartner (§338) oder die eigenen Einrichtungen (Vertragseinrichtungen) des Versicherungsträgers in Anspruch genommen, so gebührt ihm Kostenersatz gemäß §131.

(5) Die medizinische Hauskrankenpflege wird für ein und denselben Versicherungsfall für die Dauer von längstens vier Wochen gewährt. Darüber hinaus wird sie nach Vorliegen einer chef- oder kontrollärztlichen Bewilligung weitergewährt.

(6) Medizinische Hauskrankenpflege wird nicht gewährt, wenn der (die) Anspruchsberechtigte in einer der im §144 Abs4 bezeichneten Einrichtungen untergebracht ist."

§131b ASVG idF der 50. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 676/1991, lautet:

"Kostenzuschüsse bei Fehlen

vertraglicher Regelungen

§131b. Stehen andere Vertragspartner infolge Fehlens von Verträgen nicht zur Verfügung, so gilt §131a mit der Maßgabe, dass in jenen Fällen, in denen noch keine Verträge für den Bereich einer Berufsgruppe bestehen, der Versicherungsträger den Versicherten die in der Satzung festgesetzten Kostenzuschüsse zu leisten hat. Der Versicherungsträger hat das Ausmaß dieser Zuschüsse unter Bedachtnahme auf seine finanzielle Leistungsfähigkeit und das wirtschaftliche Bedürfnis der Versicherten festzusetzen."

Die relevanten Satzungsbestimmungen der BKK, SozSi Nr. 19/2000, avsv Nr. 53/2002 und avsv Nr. 18/2003, haben folgenden Wortlaut (die angefochtenen Teile sind hervorgehoben):

"Kostenerstattung für Leistungen, die der ärztlichen Hilfe

gleichgestellt sind sowie für medizinische Hauskrankenpflege

(§131 Abs2 ASVG)

§29. Für die Kostenerstattung sind auf der saldierten Honorarnote

anzuführen.

Kostenzuschüsse bei Fehlen vertraglicher Regelungen

(§131b ASVG)

§38. Stehen Vertragspartner für

auf Rechnung der Kasse nicht zur Verfügung, weil Verträge nicht zustande gekommen sind, leistet die Kasse Kostenzuschüsse nach der Regelung im Anhang zur Satzung. §27 Abs1 gilt entsprechend.

Anhang 5

Kostenzuschüsse gemäß §37 der Satzung bei Fehlen vertraglicher Regelungen

1. ... 3.

4. Für medizinische Hauskrankenpflege durch diplomiertes Pflegepersonal pauschal pro Pflegetag 8,72 €

längstens aber für die Dauer von 4 Wochen für ein und denselben Versicherungsfall. Darüber hinaus wird ein Kostenzuschuss nur bei Vorliegen einer chef- oder kontrollärztlichen Bewilligung geleistet."

Die relevanten Bestimmungen der Satzung 1995 der Vbg. GKK, SozSi Nr. 73/1995 idF SozSi Nr. 70/1997 und SozSi Nr. 31/2000, sowie der Satzung 2000, Nr. 6/2001 idF avsv Nr. 22/2002 lauten (die angefochtenen Teile sind hervorgehoben):

"Kostenerstattung für Leistungen, die der ärztlichen Hilfe

gleichgestellt sind sowie für medizinische Hauskrankenpflege

(§131 Abs2 ASVG)

§29. Für die Kostenerstattung sind auf der saldierten Honorarnote

anzuführen.

Kostenzuschüsse bei Fehlen vertraglicher Regelungen

(§131b ASVG)

§38. Stehen Vertragspartner für

auf Rechnung der Kasse nicht zur Verfügung, weil Verträge nicht zu[s]tande gekommen sind, leistet die Kasse Kostenzuschüsse nach der Regelung im Anhang 7 zur Satzung.

Anhang 7

Kostenzuschüsse gemäß §38 bei Fehlen gesamtvertraglicher Regelungen

1. ... 3.

4. Für medizinische Hauskrankenpflege durch diplomiertes Pflegepersonal werden geleistet:

pro Fall und Pflegetag, an dem medizinische Hauskrankenpflege

geleistet wurde ................... S 60,--

(EUR 4,36)"

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - gem. §463 Abs1 iVm.

§187 Abs1 ZPO (§35 Abs1 VfGG) zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen - Anträge erwogen:

1. Zur Zulässigkeit:

1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist in der Frage der Präjudizialität nicht berechtigt, das antragstellende Gericht an eine bestimmte Auslegung des Gesetzes zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iS des Art140 B-VG bzw. des Art139 B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die - angefochtene - generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (zB. VfSlg. 9811/1983, 10.296/1984, 11.565/1987, 12.189/1989).

1.2. Vor dem Hintergrund der vom OGH dargelegten Sachverhalte der von ihm zu entscheidenden Ausgangsfälle ist es nicht denkunmöglich, dass der OGH die von ihm angefochtenen Bestimmungen der Satzungen der BKK und der Vbg. GKK betreffend den Kostenzuschuss für medizinische Hauskrankenpflege anzuwenden hat.

Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, sind die Anträge zulässig.

2. In der Sache:

2.1. Der OGH hegt gegen die jeweils angefochtenen Satzungsbestimmungen das Bedenken, dass den klagenden Parteien im Ergebnis nur ein ganz geringfügiger, praktisch nicht ins Gewicht fallender Teil der Kosten der bei ihnen erforderlichen medizinischen Intensivpflege ersetzt würde, womit der gesetzliche Anspruch auf Sachleistungsgewährung im Wege des Kostenzuschusses des facto "abgeschnitten" werde; ein Zuschuss müsse eine bestimmte Höhe erreichen, um begrifflich noch als Zuschuss zu gelten. Gegen das Wort "saldierten" hegt der OGH das Bedenken, dass mit dem Erfordernis der Vorlage einer saldierten Rechnung die Inanspruchnahme der "als gesetzliche Pflichtleistung zustehenden medizinischen Hauskrankenpflege" letztlich unmöglich gemacht werde, wenn der Krankenversicherungsträger keine Vorsorge für die Sachleistungsgewährung schaffe, da die Kosten medizinischer Intensivbetreuung für die klagenden Parteien einerseits kaum erschwinglich, für die Aufrechterhaltung ihrer Vitalfunktionen aber unerlässlich seien.

2.2. Diese Bedenken sind insofern unbegründet, als intensivmedizinische Pflege nicht vom Begriff der medizinischen Hauskrankenpflege iS der §§144 Abs1 iVm 151 ASVG umfasst ist:

2.2.1. Mit dem Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Arbeitsmarktförderungsgesetz sowie das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden, BGBl. Nr. 681/1991, wurde die bis dahin als freiwillige Leistung gewährte medizinische Hauskrankenpflege in eine Pflichtleistung der Krankenversicherung umgewandelt. In den Materialien (allerdings zur 50. Novelle zum ASVG, GP XVIII RV 284, S 30 f) wird dazu folgendes ausgeführt:

"Durch die 32. Novelle zum Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 704/1976, wurde als neue Leistung der Krankenversicherung die Gewährung von Hauskrankenpflege als freiwillige Leistung eingeführt. Diese Leistung soll nunmehr in eine Pflichtleistung umgewandelt werden, wobei bereits durch die Bezeichnung 'medizinische Hauskrankenpflege' und durch die Formulierung im ersten Absatz des §151 ASVG gewährleistet werden soll, dass diese Leistung medizinisch bedingt sein muss. Voraussetzung für den Leistungsanspruch ist demnach das Vorliegen des Versicherungsfalles der Krankheit; darunter ist nach geltendem Recht ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand zu verstehen, der Krankenbehandlung notwendig macht. Die Leistungsgewährung soll nur durch qualifiziertes Personal im Sinne des Bundesgesetzes betreffend die Regelung des Krankenpflegefachdienstes, der medizinisch-technischen Dienste und der Sanitätshilfsdienste über ärztliche Anordnung erfolgen. ... Die Übernahme der Hauskrankenpflege als Pflichtleistung der Krankenkassen soll, da durch eine solche Maßnahme die finanzielle Leistungsfähigkeit der Krankenversicherungsträger nicht beeinträchtigt werden darf, als flankierende Maßnahme zur Bettenreduktion vorgenommen werden. Sie ist, wenn und solange es die Art der Krankheit zulässt, anstelle von Anstaltspflege zu gewähren. ..."

2.2.2. Gem. §144 Abs1 ASVG wird Anstaltspflege gewährt, "wenn und solange es die Art der Krankheit erfordert". Als Anstaltspflege gilt nicht die Unterbringung in einer Pflegeanstalt für chronisch Kranke, die ärztlicher Betreuung und besonderer Pflege (§2 Abs1 Z4 KAG) bedürfen (§144 Abs4 ASVG).

"Wenn und solange es die Art der Krankheit zulässt", ist gem. §144 Abs1 3. Satz ASVG anstelle von Anstaltspflege medizinische Hauskrankenpflege zu gewähren. Auch diese wird gem. §151 Abs1 ASVG nur dann geleistet, wenn und solange es die Art der Krankheit erfordert. Auch wenn und solange es die Art der Erkrankung zuließe, Hauskrankenpflege zu gewähren, kann (nach der Gesetzessystematik im Sinne von "muss" [Tomandl, ZAS 1992, 80 und Marhold, ZAS 1980, 114]) Anstaltspflege gewährt werden, wenn die Möglichkeit einer medizinischen Hauskrankenpflege nicht gegeben ist (§144 Abs1 letzter Satz ASVG).

Medizinische Hauskrankenpflege ist somit der Sache nach Krankenhausersatzpflege; sie ist vom Gesetzgeber nicht im Rahmen der Krankenbehandlung (vgl. die §§133ff im 2. Unterabschnitt des Abschnitts II des Zweiten Teils des ASVG) sondern im Abschnitt über die Anstaltspflege (vgl. den 4. Unterabschnitt "Anstaltspflege, medizinische Hauskrankenpflege" des Abschnitts II des Zweiten Teils des ASVG) geregelt worden und dazu bestimmt, als eine gegenüber einem Akutbett für die Sozialversicherungsträger kostengünstigere und der Sachlage angemessenere Versicherungsleistung Teile der Anstaltspflege zu ersetzen. Anstaltspflege liegt aber bei Unterbringung in eine Pflegeanstalt für chronisch Kranke, "die ärztlicher Betreuung und besonderer Pflege bedürfen", gem. §144 Abs4 ASVG nicht vor (vgl. zu einem zu den Konstellationen der Anlassfälle vergleichbaren Fall OGH 31. März 1998, 10 ObS 432/97). Bei Unterbringung in einer der in §144 Abs4 ASVG genannten Anstalten hat der Versicherte zwar Anspruch auf Krankenbehandlung iS der §§133 ff ASVG, nicht jedoch auf Ersatz der Kosten der Unterbringung im Rahmen der Anstaltspflege, auch wenn bei ihm während der gesamten Zeit aus medizinischer Sicht Anstaltspflege erforderlich war. Als Beitrag zu den von der Krankenversicherung nicht zu tragenden Kosten des Aufenthalts in einer solchen Anstalt kommen Leistungen nach den Pflegegeldgesetzen des Bundes und der Länder, allenfalls auch Leistungen der Sozialhilfe in Betracht (vgl. Scholz, SoSi 1993, 380).

2.2.3. §151 Abs6 ASVG schließt in diesem Sinne Hauskrankenpflege für einen solchen Fall auch ausdrücklich aus. Dieser Ausschluss gilt nach seinem Wortlaut nur für den Fall, dass der Anspruchsberechtigte in einer der in §144 Abs4 ASVG genannten Einrichtungen "untergebracht ist". Der Verfassungsgerichtshof hatte in seinem Erkenntnis VfSlg. 9870/1983, angesichts des Umstandes, dass auch pflegebedürftigen Personen im Bedarfsfall Anspruch auf Krankenbehandlung iS der §§133 und 134 ASVG zusteht, keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, dass das Gesetz bei der Abgrenzung zwischen Anstaltspflege und "Asylierung" ua. am Anstaltstyp anknüpft, aus dem sich ergibt, für welche Pfleglinge eine Anstalt bestimmt ist. In Pflegeanstalten gemäß §2 Abs1 Z4 KAG unterzubringen sind demnach nicht behandlungsbedürftige Kranke, sondern nur betreuungsbedürftige und pflegebedürftige Personen.

§151 Abs6 ASVG ist aber sprachlich missglückt: Da die Gewährung medizinischer Hauskrankenpflege dem Sinne und der Wortbedeutung nach einen Aufenthalt außerhalb einer Krankenanstalt voraussetzt und da sich jemand, der in einer Krankenanstalt iS des §144 Abs4 ASVG iS der verba legalia tatsächlich zur Pflege "untergebracht ist", schon deshalb nicht gleichzeitig auch in Hauskrankenpflege befinden kann, muss §144 Abs4 ASVG - soll dieser Bestimmung ein vernünftiger Sinn entnommen werden - zumindest so gedeutet werden, dass eine pflegebedürftige Person, die in einer Krankenanstalt untergebracht ist, in der sie nach dem Gesetz keine Anstaltspflege erhalten kann, auch nicht in eine krankenkassenfinanzierte medizinische Hauskrankenpflege entlassen werden kann.

Nun kann es aber bei einer am Gleichheitssatz orientierten Interpretation des §144 Abs4 ASVG für den Anspruch auf medizinische Hauskrankenpflege nicht darauf ankommen, ob jemand, der einer Intensivpflege bedarf, wie die klagenden Parteien der Ausgangsfälle vor dem OGH, in einer Krankenanstalt iS des §2 Abs1 Z4 KAG tatsächlich bereits untergebracht (gewesen) ist oder ob er gegebenenfalls - alternativ zur Hauskrankenpflege - in einer solchen Anstalt untergebracht werden müsste. Es kann vielmehr verfassungskonform nur darauf ankommen, ob der Leidenszustand ein solcher ist, der entweder der Anstaltspflege bedarf (dann kommt "wenn es die Art der Erkrankung zulässt" an deren Stelle auch medizinische Hauskrankenpflege in Betracht) oder ob er "ärztlicher Betreuung und besonderer Pflege" in einer Krankenanstalt iS des §2 Abs1 Z4 KAG bedarf (dann besteht kein Anspruch auf medizinische Hauskrankenpflege). Unabhängig davon, ob die Krankheit Anstaltspflege iS des §144 Abs1 1. Satz ASVG "erfordert", oder nach ihrer Art auch Hauskrankenpflege "zulässt", muss es sich daher stets um einen solchen Leidenszustand handeln, für den ihrer Art nach Anstaltspflege (und daher auch die sie ersetzende medizinische Hauskrankenpflege) und nicht bloß Asylierung in Frage kommt. Die Ansprüche auf medizinische Hauskrankenpflege und auf Anstaltspflege verhalten sich auf diese Weise "wie konzentrische Kreise" (Tomandl, ZAS 1992, 80; ebenso der Sache nach Marhold, ZAS 1980, 96).

2.2.4. Die Richtigkeit dieser (von den beteiligten Krankenversicherungsträgern der Sache nach vertretenen und vom Verfassungsgerichtshof geteilten) Rechtsauffassung bestätigt §151 Abs2 ASVG:

a) Nach dieser Bestimmung wird medizinische Hauskrankenpflege durch Angehörige des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege (§12 des BG über Gesundheits- und Krankenpflegeberufe - GuKG, BGBl. I Nr. 108/1997) erbracht, deren Tätigkeit "nur auf ärztliche Anordnung" erfolgen darf.

Bei den für die Hauskrankenpflege ausdrücklich im Gesetz genannten "auf ärztliche Anordnung" zu erbringenden Leistungen der Verabreichung von Injektionen, der Sondenernährung und der Dekubitusversorgung (§151 Abs3 ASVG) handelt es sich um solche Leistungen, die gem. §14 GuKG in den "mitverantwortlichen Bereich" der diplomierten Pflegepersonen fallen. Die Verantwortung für die Anordnung solcher Pflegeleistungen trägt der Arzt, jene für die Durchführung die betreffende Angehörige des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege (§15 Abs2 GuKG).

b) Nun unterscheidet aber das in §151 Abs2 ASVG verwiesene Bundesgesetz über Gesundheits- und Krankenpflegeberufe (in der Folge: GuKG) ua. zwischen solchen Pflegeleistungen im "mitverantwortlichen Bereich" und der (in den Anlassfällen erforderlichen) Intensivpflege iS des §20 Abs4 leg. cit, die gem. §17 Abs1 Z. 3 leg. cit. zu den sog. "Spezialaufgaben" gehört, für die eine besondere Ausbildung nach Maßgabe des §17 Abs6 GuGK erforderlich ist. Zur Intensivpflege zählen u. a. gem. §20 GuKG die Überwachung und Betreuung ateminsuffizienter Patienten mit invasiven und nichtinvasiven Methoden sowie die Mitwirkung an der Überwachung und Funktionsaufrechterhaltung der apparativen Ausstattung (Monitoring, Beatmung, Katheter und dazugehörige Infusionssysteme).

c) Wenn nun §144 Abs1 3. Satz ASVG den Anspruch auf Hauskrankenpflege anstelle von Anstaltspflege nur für den Fall zulässt, "wenn und solange es die Art der Krankheit zulässt" dann liegt dem offenbar zugrunde, dass "die Art der Krankheit" Hauskrankenpflege jedenfalls dann nicht zulässt, wenn hiefür eine apparative und personelle Ausstattung erforderlich ist, wie sie typischerweise nur in Krankenanstalten vorgehalten wird, wozu insbesondere Beatmungssysteme, aber auch das Erfordernis einer "Rund-um-die-Uhr-Betreuung" zählen. Der Gesetzgeber hat auch dadurch, dass er in §151 Abs3 ASVG lediglich bestimmte, typischerweise nicht ununterbrochen erforderliche Pflegeleistungen als zur medizinischen Hauskrankenpflege gehörig (beispielsweise) bezeichnet hat, deren Leistungsumfang in einer Weise gekennzeichnet, der jedenfalls im Umfang des §14 GuKG seine Grenze finden muss und Intensivpflege iS des §20 GuKG, wie sie typischerweise auch in Krankenanstalten für chronisch Kranke iS des §2 Abs1 Z4 KAG durchgeführt wird, nicht mitumfasst.

2.3. Da die Bedenken des OGH gegen die Höhe der in den angefochtenen Satzungsbestimmungen vorgesehenen Kostenerstattungsbeträge, aber auch gegen das dort vorgesehene Erfordernis der Vorlage einer "saldierten" Honorarnote auf der Prämisse beruhen, dass Intensivpflegepatienten wie jene der Ausgangsfälle Anspruch auf medizinische Hauskrankenpflege haben, (woraus abgeleitet wird, dass die in den Satzungsbestimmungen vorgesehene Kostenerstattung nur einen Bruchteil der in den Anlassfällen erforderlichen Kosten der medizinischen Intensivbetreuung abdecke und in einem grundsätzlich auf Sachleistungen gerichteten System eine Vorfinanzierung der enormen Kosten einer solchen Betreuung regelmäßig nicht zumutbar sei) die erwähnte Prämisse aber nicht zutrifft, ist den Bedenken der Boden entzogen.

3.1. Die Anträge waren daher abzuweisen.

3.2. Kosten waren den beteiligten Krankenversicherungsträgern - soweit sie für abgegebene Äußerungen verzeichnet wurden - nicht zuzusprechen, weil es im Falle eines - wie hier - aufgrund eines Gerichtsantrages eingeleiteten Normprüfungsverfahrens Aufgabe des antragstellenden Gerichtes ist, über allfällige Kostenersatzansprüche nach den für sein Verfahren geltenden Vorschriften zu erkennen (VfSlg. 14.631/1996, 15.785/2000 uva.).

4. Dies konnte gem. §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden.

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