VfGH V57/99

VfGHV57/9915.12.1999

Feststellung der Gesetzwidrigkeit eines als Rechtsverordnung zu qualifizierenden Rundschreibens des Bundeskanzleramts betreffend ärztliche Gutachten für die zeitliche Ruhestandsversetzung wegen Kundmachungsmangels

Normen

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsgegenstand
BGBlG 1985 §2 Abs1 litf
BGBlG 1996 §2 Abs2 Z2
RDG §84
B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsgegenstand
BGBlG 1985 §2 Abs1 litf
BGBlG 1996 §2 Abs2 Z2
RDG §84

 

Spruch:

I. Das Rundschreiben des Bundeskanzleramtes vom 11. September 1995, GZ 920.075/7-II/A/6/95, war gesetzwidrig.

II. Der Bundesminister für Finanzen ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Bundesgesetzblatt II verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Die §§83 und 84 des Richterdienstgesetzes, in der im vorliegenden Fall maßgeblichen Fassung vor der Novelle BGBl. 1996/392, lauteten wie folgt:

"Anspruch auf Versetzung in den zeitlichen Ruhestand

§83. (1) Der Richter hat Anspruch auf Versetzung in den zeitlichen Ruhestand, wenn er dienstunfähig ist.

(2)Der Anspruch besteht auch ohne Nachweis der Dienstunfähigkeit, wenn der Richter eine der in §17 oder §19 Z1 BDG 1979 angeführten Funktionen inne hat.

Versetzung in den zeitlichen Ruhestand von Amts wegen

§84. (1) Der Richter ist in den zeitlichen Ruhestand zu versetzen, wenn

1. er infolge Krankheit länger als ein Jahr vom Dienst abwesend ist oder

2. er die Aufnahmeerfordernisse nach §2 Abs1 Z2 und 3 nicht mehr erfüllt oder

3. mit ihm ein befristetes Dienstverhältnis zu einem Land (zur Gemeinde Wien) als Mitglied eines unabhängigen Verwaltungssenates begründet wird,

sofern nicht die Voraussetzungen für die Versetzung in den dauernden Ruhestand vorliegen.

(2) Bei Berechnung der einjährigen Dauer einer durch Krankheit verursachten Abwesenheit vom Dienst ist eine dazwischenliegende, im Urlaubsverhältnis zugebrachte Zeit nicht als Unterbrechung anzusehen. Eine dazwischenliegende aktive Dienstleistung ist nur dann als Unterbrechung anzusehen, wenn sie mindestens die halbe Dauer der unmittelbar vorhergegangenen durch Krankheit verursachten Abwesenheit vom Dienst erreicht. In diesem Fall ist das Jahr erst vom Ende dieser Dienstleistung an zu rechnen. Bei einer dazwischenliegenden Dienstleistung von kürzerer Dauer sind bei Berechnung der einjährigen Krankheitsdauer die einzelnen Krankheitszeiten zusammenzurechnen.

(3) Solange ein in den zeitlichen Ruhestand versetzter Richter Mitglied eines unabhängigen Verwaltungssenates ist, ruht sein allfälliger Anspruch auf einen Ruhebezug. Diesem Richter steht auch keine Abfertigung zu."

1.2. §52 AVG lautet wie folgt:

"Sachverständige

§52. (1) Wird die Aufnahme eines Beweises durch Sachverständige notwendig, so sind die der Behörde beigegebenen oder zur Verfügung stehenden amtlichen Sachverständigen (Amtssachverständige) beizuziehen.

(2) Wenn Amtssachverständige nicht zur Verfügung stehen oder es mit Rücksicht auf die Besonderheit des Falles geboten ist, kann die Behörde aber ausnahmsweise andere geeignete Personen als Sachverständige (nichtamtliche Sachverständige) heranziehen.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs2 nicht vor, so kann die Behörde dennoch nichtamtliche Sachverständige heranziehen, wenn davon eine wesentliche Beschleunigung des Verfahrens zu erwarten ist. Die Heranziehung ist jedoch nur zulässig, wenn sie von demjenigen, über dessen Ansuchen das Verfahren eingeleitet wurde, angeregt wird und die daraus entstehenden Kosten einen von dieser Partei bestimmten Betrag voraussichtlich nicht überschreiten.

(4) Der Bestellung zum nichtamtlichen Sachverständigen hat Folge zu leisten, wer zur Erstattung von Gutachten der erforderten Art öffentlich bestellt ist oder wer die Wissenschaft, die Kunst oder das Gewerbe, deren Kenntnis die Voraussetzung der geforderten Begutachtung ist, öffentlich als Erwerb ausübt oder zu deren Ausübung öffentlich angestellt oder ermächtigt ist. Nichtamtliche Sachverständige sind zu beeiden, wenn sie nicht schon für die Erstattung von Gutachten der erforderten Art im allgemeinen beeidet sind. Die §§49 und 50 gelten auch für nichtamtliche Sachverständige."

2.1. In ihrer Sitzung am 1. August 1995 hat die Bundesregierung über einen "Bericht des Bundeskanzlers, GZ 920.075/1-II/A/6/95, betr. Übertragung der Dienstunfähigkeitsuntersuchungen von Bundesbeamten an die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten; Abschluss eines Rahmenvertrages" antragsgemäß Beschluss gefasst. Dieser Bericht lautet auszugsweise wie folgt:

"Gemäß §14 BDG 1979 ist der Beamte auf Antrag oder von Amts wegen in den Ruhestand zu versetzen, wenn er entweder dauernd dienstunfähig oder infolge Krankheit, Unfalls oder Gebrechens ein Jahr vom Dienst abwesend gewesen und dienstunfähig ist.

Das Vorliegen dauernder Dienstunfähigkeit ist von der Dienstbehörde in einem nach den Bestimmungen des Dienstrechtsverfahrensgesetzes durchzuführenden Ermittlungsverfahren festzustellen. Im Zuge dieses Ermittlungsverfahrens hat die Dienstbehörde Feststellungen über den Gesundheitszustand des Beamten und die Auswirkungen, die sich aus festgestellten Leiden oder Gebrechen auf die Erfüllung der dienstlichen Aufgaben ergeben, durch Beiziehung ärztlicher Sachverständiger zu treffen. Aufgabe des ärztlichen Sachverständigen ist es dabei, an der Feststellung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes mitzuwirken und, um der Dienstbehörde eine Beurteilung des Kriteriums 'dauernd' zu ermöglichen, auch eine Prognose über die Besserungsfähigkeit dieses Zustandes zu stellen.

Welche ärztliche Sachverständige zur Durchführung dieser ärztlichen Untersuchungen herangezogen werden, ist derzeit je nach Dienstbehörde unterschiedlich organisiert (z.B. Nutzung des ressorteigenen medizinischen Apparates, Werkverträge mit Vertrauensärzten, Heranziehung der anderen Behörden zur Verfügung stehenden Ärzte im Amtshilfeweg).

Den unterschiedlichen Begutachtungsformen entsprechen auch unterschiedliche Standards der ärztlichen Gutachten. Die daraus resultierende unterschiedliche Pensionierungspraxis der Dienstbehörden stellt eine der Ursachen für das tendenziell fallende faktische Pensionseintrittsalter dar. Diese Tendenz soll durch die Vereinheitlichung der Standards der Gutachtenerstellung entgegengewirkt werden.

Dies soll durch die Übertragung der ärztlichen Untersuchungen zur Feststellung einer dauernden Dienstunfähigkeit an die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten erreicht werden. Diese verfügt über einen eingespielten Begutachtungsapparat mit langjähriger Erfahrung bei der Beurteilung der Berufsunfähigkeit nach §273 ASVG mit Untersuchungsstandorten in Wien, Graz, Linz, Salzburg und Innsbruck. Deren ärztliche Untersuchungen umfassen im Regelfall einen internistischen, orthopädischen und neurologischen Befund. Dazu können noch gelegentlich Abklärungen aus anderen Disziplinen hinzutreten. Mit der chefärztlichen Überbegutachtung bei der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten wird ein einheitlicher Standard der Gutachtenerstellung sichergestellt.

Die Übertragung der ärztlichen Begutachtungen an die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten soll mit einem Rahmenvertrag ... erfolgen ...

Ich stelle daher den Antrag

die Bundesregierung wolle

1. die Absicht, die ärztlichen Untersuchungen von Bundesbeamten bei Ruhestandsversetzungsverfahren wegen dauernder Dienstunfähigkeit durch deren Übertragung an die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten zu vereinheitlichen, zustimmend zur Kenntnis nehmen und

2. den Bundeskanzler ermächtigen, den Rahmenvertrag mit der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten namens des Bundes abzuschließen."

2.2. In weiterer Folge ist in diesem Zusammenhang ein Rundschreiben des Bundeskanzleramtes vom 11. September 1995, GZ 920.075/7-II/A/6/95, ergangen, das auszugsweise wie folgt lautet:

"An

die Österreichische Präsidentschaftskanzlei

die Parlamentsdirektion

den Rechnungshof

die Volksanwaltschaft

den Verfassungsgerichtshof

den Verwaltungsgerichtshof

alle Bundesministerien

die Sektion I des Bundeskanzleramtes

die Generaldirektion für die Post- und Telegraphenverwaltung

den Österreichischen Bundestheaterverband

die Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste die Gewerkschaft öffentlicher Dienst

die Gewerkschaft der Post- und Fernmeldebediensteten

Betrifft: Übertragung der Dienstunfähigkeitsuntersuchungen von Bundesbeamten an die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten -

Durchführung;

Rundschreiben

Das Bundeskanzleramt-Zentrale Personalverwaltung teilt im Interesse einer einheitlichen Vorgangsweise im Verhältnis zwischen den Dienstbehörden des Bundes und der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten (PVAng.) bei der Einholung von ärztlichen Sachverständigenbeweisen bei Ruhestandsversetzungen wegen dauernder Dienstunfähigkeit folgendes mit:

Der Ministerrat hat am 1. August 1995 den Grundsatzbeschluß gefaßt, die Dienstunfähigkeitsuntersuchungen von Bundesbeamten an die PVAng. zu übertragen und den Bundeskanzler ermächtigt, einen diesbezüglichen Vertrag mit der PVAng. abzuschließen.

Aufgrund der nunmehr dazu vorliegenden Zustimmung durch die zuständigen Organe der PVAng. sind ab sofort die nach §14 Abs1 Z1 BDG 1979 und §§84 Abs1 Z2 und 88 RDG erforderlichen ärztlichen Untersuchungen und Sachverständigengutachten von der PVAng. durchzuführen bzw. zu erstellen. Im einzelnen ist dabei wie folgt vorzugehen:

1. Fälle, in denen ärztliche Untersuchungen und Gutachten von der PVAng. durchzuführen bzw. zu erstellen sind:

An die PVAng. werden nur die ärztlichen Untersuchungen samt Gutachtenerstellung

a) in Verfahren zur Versetzung in den Ruhestand wegen dauernder Dienstunfähigkeit nach §14 Abs1 Z1 BDG 1979 und

b) in Verfahren zur Versetzung von Richtern in den zeitlichen Ruhestand nach §84 Abs1 Z2 RDG und in den dauernden Ruhestand nach §88 RDG

übertragen.

Andere im Zusammenhang mit Ruhestandsversetzungen, insbesondere solchen nach

2. Behördenzuständigkeit zur Beauftragung der PVAng. mit ärztlichen Untersuchungen samt Gutachtenerstellung:

Die Zuständigkeit zur Versetzung in den Ruhestand wegen dauernder Dienstunfähigkeit nach §14 Abs1 Z1 BDG 1979 und in den zeitlichen Ruhestand nach §84 Abs1 Z2 RDG sowie in den dauernden Ruhestand nach §88 RDG richtet sich nach §2 Abs2 DVG in Verbindung mit der durch die DVG-Novelle BGBl. Nr. 540/1995 geänderten Zuständigkeit (§1 Abs1 Z5 DVV). Demnach ist für diese Verfahren zur Versetzung in den Ruhestand die oberste Dienstbehörde zuständig.

Im Interesse einer Verfahrensbeschleunigung wird den obersten Dienstbehörden empfohlen, den nachgeordneten Dienstbehörden die Zuständigkeit zur Beauftragung der PVAng. mit der Erstellung von Gutachten hinsichtlich der den nachgeordneten Dienstbehörden angehörenden Beamten, ausgenommen deren Leiter sowie die der obersten Dienstbehörde länger als zwei Monate dienstzugeteilten Beamten, zu übertragen.

3. Beauftragung der PVAng. mit ärztlichen Untersuchungen samt Gutachtenerstellung:

...

4. Dienstauftrag an den zu untersuchenden Beamten:

4.1. Dem zu untersuchenden Beamten ist der ausdrückliche Dienstauftrag zu erteilen (§52 BDG 1979), sich den von der PVAng. festgelegten Untersuchungen an den ihm von der PVAng. bekanntgegebenen ambulanten oder stationären Untersuchungsstellen zu den ihm mitgeteilten Untersuchungsterminen zu unterziehen.

4.2. Der Beamte ist weiters darauf hinzuweisen, daß die von der PVAng. bekanntgegebenen Untersuchungstermine unbedingt einzuhalten sind und unentschuldigtes Fernbleiben disziplinär geahndet wird.

4.3. Der Beamte hat den ihm von der PVAng. bekanntgegebenen Untersuchungstermin und -ort umgehend seiner Dienststelle zu melden. Soweit mit seiner An- und Rückreise zu Untersuchungen Reisekosten verbunden sind, hat der Beamte Anspruch auf Ersatz der Reisekosten nach den Bestimmungen der RGV 1955. Die mit einem allenfalls notwendigen Krankenwagentransport verbundenen zusätzlichen Kosten sind ebenfalls vom Bund bzw. dem Ressort des Beamten zu tragen.

5. Kontakt mit der PVAng.:

...

6. Veranlassungen der obersten Dienstbehörde (Zentralstelle) nach Vorlage des Gutachtens durch die PVAng.:

6.1. ...

6.2. Werden vom untersuchten Beamten im Rahmen des ihm eingeräumten Parteiengehörs zum Gutachten der PVAng. Gegengutachten beigebracht, ist ein neuerliches Gutachten bei der PVAng. einzuholen, wenn die oberste Dienstbehörde die Einholung eines weiteren ärztlichen Gutachtens beabsichtigt. Auch für diese neuerlichen Gutachten der PVAng. ist voller Kostenersatz (insbesondere Pauschalvergütung) zu leisten.

...

Für den Bundeskanzler:

Bachmayer"

2.3. Ein weiteres zu diesem Gegenstand ergangenes Rundschreiben des Bundesministeriums für Finanzen (auf Grund der Änderung des Teiles 2 der Anlage zu §2 des Bundesministeriengesetzes 1986 mit der Novelle BGBl. I Nr. 21/1997 fallen die hier einschlägigen allgemeinen Personalangelegenheiten von öffentlich Bediensteten nunmehr in den Wirkungsbereich dieses Bundesministeriums) vom 6. Mai 1997, GZ 920.075/0-VII/A/6/97, betreffend die Einstellung der Dienstunfähigkeitsuntersuchungen von Bundesbeamten durch die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, lautet wie folgt:

"1. Das Bundesministerium für Finanzen - Sektion VII teilt mit, daß der Verwaltungsgerichtshof (Erk. vom 26. Februar 1997, Zl 96/12/0242-5) einen Ruhestandsversetzungsbescheid u.a. mit der Begründung aufgehoben hat, daß die Betrauung der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten mit der medizinischen Begutachtung in Ruhestandsversetzungsverfahren im Hinblick auf die grundsätzliche Verpflichtung des §52 Abs1 AVG, zur notwendigen Aufnahme eines Beweises durch Sachverständige die der Behörde beigegebenen oder zur Verfügung stehenden Amtssachverständigen heranziehen, unzulässig war.

Über die gesetzliche Fundierung einer weiteren Heranziehung der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten durch besondere gesetzliche Verfahrensbestimmungen konnte mit den Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes keine Einigung erzielt werden. Um daher künftige Ruhestandversetzungsbescheide aus diesem Grund nicht mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften zu belasten, ist die Kündigung des Rahmenvertrages mit der Pensionsversicherungsanstalt in Aussicht genommen.

2. In diesem Sinne wird ersucht, ab sofort keine weiteren Begutachtungsaufträge mehr an die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten zu erteilen. Was die derzeit anhängigen Begutachtungsaufträge betrifft, wurde mit der Pensionsversicherungsanstalt vereinbart, diese, soweit schon ärztliche Untersuchungen angeordnet wurden, ohne chefärztliche Überbegutachtung gegen vollen Kostenersatz (Pauschalvergütung) im Sinne des ho. Rundschreibens vom 11. September 1995, GZ 920.075/7-II/A/(6/)95, zu Ende zu führen. Soweit hingegen ärztliche Untersuchungen noch nicht angeordnet wurden, wird die Pensionsversicherungsanstalt die entsprechenden Begutachtungsaufträge samt den angeschlossenen Unterlagen den auftragerteilenden Dienstbehörden rückmitteln, ohne dafür Kosten in Rechnung zu stellen.

3. Um auch in Zukunft einen möglichst einheitlichen Standard der Gutachten sicherzustellen, wird angeregt, zur zuverlässigen Beurteilung von in das Gebiet ärztlichen Fachwissens fallenden Fragen in jedem Fall - allenfalls auch zusätzlich zu den Gutachten der einzelnen Dienstbehörden beigegebenen oder zur Verfügung stehenden Amtssachverständigen - Fachärzte beizuziehen.

...

Für den Bundesminister:

Mag. Bachmayer"

3. Das in diesem Rundschreiben erwähnte Erkenntnis VwGH 26.2.1997, 96/12/0242, lautet auszugsweise wie folgt:

"Nach §14 Abs1 BDG 1979, BGBl. Nr. 333, in der im Beschwerdefall anwendbaren Fassung BGBl. Nr. 820/1995 ..., ist der Beamte von Amts wegen oder auf seinen Antrag in den Ruhestand zu versetzen, wenn er dauernd dienstunfähig ist. Der Beamte ist nach Abs3 der genannten Bestimmung (Stammfassung) dienstunfähig, wenn er infolge seiner körperlichen oder geistigen Verfassung seine dienstlichen Aufgaben nicht erfüllen und ihm im Wirkungsbereich seiner Dienstbehörde kein mindestens gleichwertiger Arbeitsplatz zugewiesen werden kann, dessen Aufgaben er nach seiner körperlichen und geistigen Verfassung zu erfüllen imstande ist und der ihm mit Rücksicht auf seine persönlichen, familiären und sozialen Verhältnisse billigerweise zugemutet werden kann.

Im §14 BDG 1979 bzw. in anderen Bestimmungen des BDG 1979 sind für die Ruhestandsversetzung keine besonderen Verfahrensbestimmungen vorgesehen. Auf das Ruhestandsversetzungsverfahren findet daher das AVG mit den durch das DVG gegebenen Abweichungen Anwendung.

Wenn die Aufnahme eines Beweises durch Sachverständige notwendig ist, so sind nach §52 Abs1 AVG die der Behörde beigegebenen oder zur Verfügung stehenden Amtssachverständigen heranzuziehen. Wenn Amtssachverständige nicht zur Verfügung stehen oder es mit Rücksicht auf die Besonderheit des Falles geboten ist, kann die Behörde nach Abs2 der genannten Bestimmung (Abs2 bis 4 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 471/1995) ausnahmsweise andere geeignete Personen als (nicht amtliche) Sachverständige heranziehen. Liegen die Voraussetzungen des Abs2 nicht vor, so kann die Behörde nach Abs3 dennoch nichtamtliche Sachverständige heranziehen, wenn davon eine wesentliche Beschleunigung des Verfahrens zu erwarten ist. Die Heranziehung ist jedoch nur zulässig, wenn sie von demjenigen, über dessen Ersuchen das Verfahren eingeleitet wurde, angeregt wird und die daraus entstehenden Kosten einen von dieser Partei bestimmten Betrag voraussichtlich nicht überschreiten. Nichtamtliche Sachverständige sind nach Abs4 zu beeiden, wenn sie nicht schon für die Erstattung von Gutachten der erforderten Art im allgemeinen beeidet sind. Für sie gelten die §§49 und 50 (Aussageverweigerung und Belehrungspflicht). Die Regelung über die Kostenersatzpflicht der Parteien im §76 AVG gilt auch für das Dienstrechtsverfahren. Der Beiziehung eines nichtamtlichen Sachverständigen nach §52 Abs2 AVG bedarf es z.B. dann, wenn der Amtssachverständige nicht in der Lage gewesen wäre, eine zuverlässige Beurteilung vorzunehmen und ein dementsprechend schlüssiges und vollständiges Gutachten zu erstatten (vgl. in diesem Sinn das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Februar 1992, Zl. 90/12/0140, mit weiteren Angaben). Auch der mit ArtI Z5 der Novelle BGBl. Nr. 820/1995 dem §52 BDG 1979 angefügte Abs2 sieht seinem Inhalt nach bezogen auf die Dienstunfähigkeitsprüfung nach §51 BDG 1979 die Heranziehung von Fachärzten hiefür nur vor, wenn es zur zuverlässigen Beurteilung erforderlich ist. Als Sachverständiger kommt immer nur ein bestimmter Mensch in Betracht (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Mai 1965, Slg. N. F. Nr. 6681/A, u. v.a.).

Auf Grund dieser rechtlichen Überlegungen besteht keinesfalls die Berechtigung zur Betrauung der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten selbst mit der medizinischen Begutachtung im Ruhestandsversetzungsverfahren. Aber auch bei den von der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten herangezogenen Ärzten handelt es sich jedenfalls nicht um Amtssachverständige im Sinne des §52 Abs1 AVG (vgl. Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. Juli 1977, Slg. N. F. Nr. 9370/A, und vom 12. Mai 1992, Zl. 91/08/0139), sondern beim sogenannten 'Chefarzt' um einen leitenden Angestellten eines Pensionsversicherungsträgers im Sinne des §460 Abs4 ASVG. Sonstige im Verfahren von der genannten Pensionsversicherungsanstalt herangezogene Ärzte stehen zu dieser in verschiedenen vertraglichen Rechtsverhältnissen, sind aber - ebenfalls - weder der belangten Behörde noch einer anderen Verwaltungsbehörde im Sinne des Gesetzes beigegeben oder zur Verfügung stehend. Da seitens der belangten Behörde die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten selbst um Begutachtung ersucht wurde und es sich hiebei von vornherein nicht um die Heranziehung anderer geeigneter Personen als Amtssachverständige im Sinne des §52 Abs2 AVG gehandelt hat, liegt bereits darin begründet eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften."

II. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B810/97 eine auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde gegen einen Bescheid des Bundesministers für Justiz anhängig. Mit diesem Bescheid wurde das von der Beschwerdeführerin gestellte Ansuchen um Versetzung in den zeitlichen Ruhestand aus gesundheitlichen Gründen abgewiesen. Gestützt wurde diese Entscheidung der belangten Behörde auf Gutachten der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, die die Dienstfähigkeit der Beschwerdeführerin bejahen.

2. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wird die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides beantragt.

In einem weiteren Schriftsatz regt die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf das oben auszugsweise wiedergegebene Erkenntnis VwGH 26.2.1997, 96/12/0242, an, den Beschluss der Bundesregierung vom 1.8.1995 und das Durchführungsrundschreiben des Bundeskanzleramtes vom 11.9.1995 gemäß Art139 B-VG in Prüfung zu ziehen.

3. Aus Anlass dieser Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof am 12. Juni 1999 beschlossen, gemäß Art139 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit des Ausdruckes "§84 Abs1 Z2 und" im 3. Absatz und der Wortfolge "in den zeitlichen Ruhestand nach §84 Abs1 Z2 RDG und" in Pkt. 1 des Rundschreibens des Bundeskanzleramtes vom 11. September 1995, GZ 920.075/7-II/A/6/95, einzuleiten.

4. In diesem Verfahren hat der - gemäß Z4 und 10 des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 21/1997 seit 15. Feber 1997 an Stelle des Bundeskanzlers für allgemeine Personalangelegenheiten von öffentlich Bediensteten zuständige - Bundesminister für Finanzen eine schriftliche Äußerung erstattet, in der er vor allem die Präjudizialität des prüfungsgegenständlichen Rundschreibens in Frage stellt. Darüberhinaus wird in dieser Äußerung dargetan, dass es sich bei diesem Rundschreiben um eine - nicht kundmachungspflichtige - Verwaltungsverordnung handle und auch das Bedenken, es mangle dem Rundschreiben an der gesetzlichen Grundlage, nicht zutreffe.

III. Der Verfassungsgerichtshof

hat erwogen:

1.1. Was die Zulässigkeit des Verordnungsprüfungsverfahrens anlangt, so ging der Verfassungsgerichtshof im Prüfungsbeschluss von folgenden Annahmen aus:

"Bei Behandlung der Beschwerde dürfte der Verfassungsgerichtshof die im Spruch bezeichneten Teile des Rundschreibens anzuwenden haben:

Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, dass das Rundschreiben durch seine Versendung an die im Eingang bezeichneten Dienststellen des Bundes ein solches Maß an Publizität erlangt hat, dass es damit in die Rechtsordnung Eingang gefunden hat (vgl. VfSlg. 8647/1979, 11467/1987, 13632/1993).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes

ist für die Qualifikation eines Rechtsaktes als Verordnung im

Sinne des Art139 B-VG weder seine Bezeichnung, noch der formelle

Adressatenkreis, noch die Art seiner Veröffentlichung bestimmend,

vielmehr kommt es auf den normativen Gehalt des Verwaltungsaktes

an (vgl. etwa VfSlg. 8647/1979, 11472/1987, 13632/1993). Das

für den Bundeskanzler gezeichnete Rundschreiben geht von einem

Verwaltungsorgan aus, das mit der Wahrnehmung von Hoheitsaufgaben

betraut ist, und bedient sich im Zusammenhang mit den in Prüfung

genommenen Teilen imperativer Formulierungen (arg.: "... sind ab

sofort ... durchzuführen bzw. zu erstellen. Im Einzelnen ist

dabei wie folgt vorzugehen: ..."), sodass der

Verfassungsgerichtshof vorläufig annimmt, dass es sich bei dieser

- hinsichtlich einzelner Bestimmungen in Prüfung genommenen -

Enunziation der Verwaltung um eine Verordnung im Sinne des

Art139 B-VG handelt.

...

(D)er Verfassungsgerichtshof (geht) vorläufig davon aus, dass die in Prüfung gezogenen Bestimmungen von der belangten Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendet wurden und weiters auch davon, dass die Anwendung dieser Bestimmungen nach Lage des Falles jedenfalls denkmöglich erfolgte, wenngleich es sich dabei nicht um eine (von der in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmung ausdrücklich erfasste) Versetzung in den zeitlichen Ruhestand von Amts wegen gemäß §84 Abs1 Z2 RDG handelte, sondern um eine solche auf Antrag gemäß §83 RDG.

Ferner nimmt der Verfassungsgerichtshof vorläufig an, dass auch

die Bezugnahme auf den "Grundsatzbeschluß des Ministerrates vom

1.8.1995" im Sinne eines Hinweises auf die Anwendung der in

Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmungen zu deuten ist, weil es

dem in Rede stehenden Beschluss der Bundesregierung an einer

dahingehenden normativen Bedeutung fehlen dürfte (arg.: "... die

Absicht, die ärztlichen Untersuchungen von Bundesbeamten bei

Ruhestandsverfahren wegen dauernder Dienstunfähigkeit durch deren

Übertragung an die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten

zu vereinheitlichen, zustimmend zur Kenntnis nehmen und ... den

Bundeskanzler ermächtigen, den Rahmenvertrag mit der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten namens des Bundes abzuschließen."); eine solche Bedeutung dürfte vielmehr erst dem in weiterer Folge ergangenen Rundschreiben zukommen. (Die Aufhebung des Rundschreibens ist erst nach Erlassung des angefochtenen Bescheides erfolgt.)

Das Rundschreiben dürfte, wie der Verfassungsgerichtshof vorläufig annimmt, nicht nur Dienstpflichten der mit der Durchführung von Ruhestandsversetzungsverfahren befassten Organwalter des Bundes normieren, sondern auch die Rechtsposition jener Beamtinnen und Beamten des Bundes gestalten, die wegen Dienstunfähigkeit (§14 BDG) oder wegen Wegfalles der geistigen oder körperlichen Eignung (§84 RDG iVm §2 leg. cit.) in den (zeitlichen) Ruhestand versetzt werden sollen. Angesichts dessen nimmt der Verfassungsgerichtshof vorläufig an, dass es sich bei diesem Rundschreiben insoweit (d.h. einschließlich jedenfalls der hier in Prüfung gezogenen Bestimmungen) um eine Rechtsverordnung handelt."

1.2. Im Verfahren wurde nichts vorgebracht und kam auch ansonsten nichts hervor, was an der Berechtigung dieser Annahmen zweifeln ließe.

Auch das Vorbringen des Bundesministers für Finanzen, das in Rede stehende Rundschreiben gebe "nur die Rechtsansicht des Bundeskanzlers zu dienstrechtlichen Angelegenheiten" wieder, sei bloß eine "allgemeine Weisung bzw. Verwaltungsverordnung ... gegenüber den für den Bundeskanzler selbst tätigen Verwaltungsorganen, nicht jedoch gegenüber Verwaltungsorganen anderer Ressorts" und normiere auch keine "Rechtspflicht der an einem Ruhestandsversetzungsverfahren beteiligten Beamtinnen und Beamten", ist nicht geeignet, diese Annahmen zu widerlegen. Dies allein deshalb, weil selbst diese Äußerung einräumen muss, dass sich das Rundschreiben im Zusammenhang mit den in Prüfung genommen Teilen imperativer Formulierungen bedient und "seinem Wortlaut nach" auch an die "an einem Ruhestandsversetzungsverfahren beteiligten Beamtinnen und Beamten" gerichtet ist. Gerade darauf kommt es aber - wie aus dem oben wiedergegebenen Prüfungsbeschluss deutlich wird - bei der Qualifikation des hier teilweise in Prüfung gezogenen Rundschreibens als eine Verordnung iSd. Art139 B-VG an.

2. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, ist das Verordnungsprüfungsverfahren zulässig.

3.1. Das aufgrund seiner auch die Rechtsposition der hiefür in Betracht kommenden Beamtinnen und Beamten des Bundes gestaltenden Wirkung als Rechtsverordnung zu qualifizierende Rundschreiben des Bundeskanzleramtes wäre gemäß §2 Abs1 litf des Bundesgesetzes über das Bundesgesetzblatt 1985, BGBl. 200, im Bundesgesetzblatt kundzumachen gewesen; derzeit müsste es gemäß §2 Abs2 Z2 des Bundesgesetzes über das Bundesgesetzblatt 1996, BGBl. 660, im Bundesgesetzblatt II kundgemacht werden.

3.2. Da dies unterblieben ist, liegt ein Kundmachungsmangel vor. Dieser belastet die Verordnung offenkundig in ihrer Gesamtheit mit Gesetzwidrigkeit, sodass - unabhängig davon, welche ihrer Bestimmungen präjudiziell sind - nach Art139 Abs3 litc B-VG vorzugehen ist. Hindernisse iS des Art139 Abs3 letzter Satz B-VG liegen nicht vor.

Die Verordnung erweist sich somit allein schon aus diesem Grunde als gesetzwidrig. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob auch die im Prüfungsbeschluss enthaltenen materiellen Bedenken zutreffen.

4.1. Da die Verordnung als solche nicht mehr dem Rechtsbestand angehört (s. dazu oben Pkt. I.2.3.), war gemäß Art139 Abs4 B-VG auszusprechen, dass sie gesetzwidrig war.

4.2. Der Ausspruch über die Kundmachung stützt sich auf Art139 Abs5 B-VG.

Diese Entscheidung wurde in sinngemäßer Anwendung des §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 in nichtöffentlicher Sitzung ohne vorangegangene mündliche Verhandlung gefasst.

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