VfGH V121/03

VfGHV121/0325.2.2004

Aufhebung eines als "Bescheid" bezeichneten, jedoch als Verordnung zu deutenden Verwaltungsaktes betreffend das sogenannte "opting out" der Mitglieder der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten aus der Pflichtversicherung nach dem GSVG mangels Kundmachung im Bundesgesetzblatt

Normen

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsgegenstand
B-VG Art139 Abs3 zweiter Satz litc
BGBlG 1996 §2 Abs2 Z2
GSVG §2 Abs1 Z4
GSVG §5
B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsgegenstand
B-VG Art139 Abs3 zweiter Satz litc
BGBlG 1996 §2 Abs2 Z2
GSVG §2 Abs1 Z4
GSVG §5

 

Spruch:

Die als "Bescheid" bezeichnete Verordnung der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 28. Oktober 1999, GZ 21.130/35-2/99, wird als gesetzwidrig aufgehoben.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2004 in Kraft.

Der Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt II verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Gemäß §2 Abs1 Z4 GSVG idF des Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetzes 1997 (ASRÄG 1997; auch: 22. Novelle zum GSVG), BGBl. I Nr. 139/1997, sowie der 23. Novelle zum GSVG, BGBl. I Nr. 139/1998, sind selbständig erwerbstätige Personen, die auf Grund einer betrieblichen Tätigkeit (bestimmte) Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§22 Z1 - 3 und 5 EStG 1988) oder Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§23 EStG 1988) erzielen, in die Vollversicherung nach dem GSVG einbezogen, wenn die betriebliche Tätigkeit nicht bereits den Eintritt einer anderen Pflichtversicherung bewirkt.

Für einige, bisher auf Grund anderer Bestimmungen pflichtversicherte Personengruppen wurde der Versicherungstatbestand des §2 Abs1 Z4 GSVG erst mit 1. Jänner 2000 wirksam (vgl. §273 Abs3 GSVG), darunter auch für die Mitglieder der Ingenieurkammern, soweit sie nicht schon auf Grund der diese Mitgliedschaft begründenden selbständigen Erwerbstätigkeit der Pflichtversicherung in der gesetzlichen Sozialversicherung unterliegen (vgl. §2 Abs1 FSVG idF des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 487/1984).

2. §5 GSVG (idF des ASRÄG 1997, der 23. Novelle zum GSVG sowie des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 86/1999) normiert jedoch folgende Möglichkeit einer Ausnahme von der Pflichtversicherung ("opting-out"):

"Ausnahmen von der Pflichtversicherung für

einzelne Berufsgruppen

§5. (1) Von der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung oder in der Kranken- oder Pensionsversicherung sind Personen ausgenommen, wenn diese Personen auf Grund ihrer Zugehörigkeit zu einer gesetzlichen beruflichen Vertretung (Kammer) und auf Grund der Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit im Sinne des §2 Abs1 Z4 Anspruch auf Leistungen haben, die den Leistungen nach diesem Bundesgesetz gleichartig oder zumindest annähernd gleichwertig sind, und zwar

1. für die Kranken- und/oder Pensionsversicherung gegenüber einer Einrichtung dieser gesetzlichen beruflichen Vertretung oder

2. für die Krankenversicherung aus einer verpflichtend abgeschlossenen Selbstversicherung in der Krankenversicherung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz oder diesem Bundesgesetz

und die für das Bundesgebiet jeweils in Betracht kommende gesetzliche berufliche Vertretung (falls die gesetzliche berufliche Vertretung auf Grund eines Landesgesetzes eingerichtet ist, diese Vertretung) die Ausnahme von der Pflichtversicherung beantragt.

Hinsichtlich der Pensionsversicherung gilt dies nur dann, wenn die Berufsgruppe am 1. Jänner 1998 nicht in die Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung einbezogen war. Die Feststellung der Gleichartigkeit oder annähernden Gleichwertigkeit obliegt dem Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales.

(2) Der Antrag im Sinne des Abs1 ist bis zum 1. Oktober 1999 zu stellen. Über einen solchen Antrag ist vor dem 1. Jänner 2000 zu entscheiden.

(3) Die Gleichwertigkeit im Sinne des Abs1 Z1 ist jedenfalls dann als gegeben anzunehmen, wenn die Leistungsansprüche (Anwartschaften) auf einer bundesgesetzlichen oder einer der bundesgesetzlichen Regelung gleichartigen landesgesetzlichen Regelung über die kranken- oder pensionsrechtliche Versorgung beruhen."

Der Erläuterungen zur Regierungsvorlage des ASRÄG 1997 (886 BlgNR XX. GP, 109) bemerken hiezu:

" Eine Ausnahme von der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung oder in der Kranken- oder Pensionsversicherung auf Grund einer Tätigkeit im Sinne des §2 Abs1 Z4 GSVG kann nur von einer solchen Personengruppe beantragt werden, die über eine gesetzliche berufliche Vertretung verfügt. Durch die gesetzliche berufliche Vertretung soll - infolge der Pflichtmitgliedschaft der Angehörigen der Berufsgruppe - die Repräsentanz dieser Gruppe gesichert sein und - infolge der Aufsichtspflicht über die Mitglieder und der Disziplinarbefugnisse - die Erfüllung der Voraussetzungen gewährleistet werden.

Folgende Kammern, die der Bundeskonferenz der Kammern der Freien Berufe Österreichs angehören, kommen jedenfalls für einen entsprechenden Ausnahmeantrag in Betracht:

Österreichische Ärztekammer, Österreichische Apothekerkammer, Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten, Österreichische Dentistenkammer, Österreichische Notariatskammer, Österreichische Patentanwaltskammer, Österreichischer Rechtsanwaltskammertag, Bundeskammer der Tierärzte Österreichs, Kammer der Wirtschaftstreuhänder.

Die Ausnahmemöglichkeit soll auch für gesetzliche berufliche Vertretungen gelten, die auf Grund eines Landesgesetzes eingerichtet sind."

§273 Abs4 ASVG (idF des ASRÄG 1997) lautete wie folgt:

"(4) Angehörige von Berufsgruppen, die am 31. Dezember 1999 der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach diesem Bundesgesetz unterlegen sind und die auf Grund eines Antrages ihrer gesetzlichen beruflichen Vertretung gemäß §5 nicht mehr der Pflichtversicherung unterliegen, können diese Pflichtversicherung auf Antrag fortsetzen."

Mit dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 86/1999 ist die den Kammern zunächst gesetzte Frist zur Stellung eines Antrages auf Ausnahme von der Pflichtversicherung um drei Monate bis 1. Oktober 1999 erstreckt worden. Im entsprechenden Initiativantrag (IA 1059/A XX. GP) heißt es dazu:

"Die Frist für einen Antrag der Kammer der freien Berufe auf Ausnahme ihrer Mitglieder von der gesetzlichen Kranken- und/oder Pensionsversicherung soll vom 30. Juni 1999 auf den 1. Oktober 1999 verschoben werden. Im Zuge der Vorgespräche mit Vertretern der freien Berufe wurde deutlich, daß der Entscheidungsprozeß in den Kammern infolge der nicht zur Gänze festgelegten sozialversicherungsrechtlichen Begleitregelungen - wie etwa die Möglichkeit der krankenversicherungsrechtlichen Absicherung von Pensionisten im Falle des opting-out aus einem Zweig der Sozialversicherung - und noch zu schaffender berufsrechtlicher Regelungen diesen Aufschub erforderlich macht.

Die für die Bescheiderlassung über einen Antrag nach §5 GSVG vorgesehene Frist des §5 Abs2 GSVG (vor dem 1. Jänner 2000) wird durch diese Maßnahme nicht verschoben."

Mit dem genannten Bundesgesetz wurde überdies §273 Abs4 ASVG aufgehoben, und zwar rückwirkend mit Ablauf des 31. Dezember 1997. Im Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales wird dazu Folgendes bemerkt (AB 1843 BlgNR XX. GP, 2 f):

"Durch das ASRÄG 1997 wird auch jenen kammerorganisierten Berufsgruppen, die bereits derzeit in der Pensionsversicherung nach dem GSVG pflichtversichert sind (es sind dies die Wirtschaftstreuhänder, die Tierärzte und die Dentisten), die Möglichkeit eines opting-out hinsichtlich der Pensionsversicherung eingeräumt, wenn sie einen Anspruch auf Leistungen haben, die den Leistungen des GSVG gleichartig oder zumindest annähernd gleichwertig sind, und zwar gegenüber einer Einrichtung einer gesetzlichen beruflichen Vertretung (private Vorsorge) oder entweder aus einer verpflichtend abgeschlossenen Selbstversicherung in der Krankenversicherung und Pensionsversicherung oder in der Krankenversicherung oder Pensionsversicherung. Ergänzend dazu sieht §273 Abs4 GSVG für den einzelnen vor, eine bestehende Pensionsversicherung im Falle einer Ausnahme der Mitglieder seiner Berufsgruppe gemäß §5 GSVG nach den Bestimmungen des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes fortzusetzen. Da für diese Gruppen ab dem 1. Jänner 2000 nicht mehr die für Mitglieder der Kammer der gewerblichen Wirtschaft maßgeblichen Bestimmungen, sondern jene für Versicherte nach §2 Abs1 Z4 GSVG ('neue Selbständige') anzuwenden sind, wurde diese Regelung vorgesehen, um den verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz in die Rechtslage zu gewährleisten.

Die dargestellte Rechtslage ermöglicht es den drei genannten Berufsgruppen, unter versicherungsmathematisch günstigen Voraussetzungen ein kapitalgedecktes Pensionsversicherungssystem aufzubauen. Dies deshalb, da einerseits von einer Ausnahme aus der Pensionsversicherung gemäß §5 GSVG lediglich aktiv erwerbstätige Mitglieder einer Berufsgruppe erfaßt sein können, nicht jedoch Mitglieder der Berufsgruppe, die bereits eine Pension nach dem GSVG beziehen. Andererseits würden Personen, die bereits maßgebliche Ansprüche in der gesetzlichen Pensionsversicherung erworben haben, von der Möglichkeit des §273 Abs4 GSVG Gebrauch machen, sodaß somit jener Teil der Berufsgruppe im GSVG verbliebe, der bereits Leistungen bezieht, oder Ansprüche, die zu einem Leistungsbezug führen, erworben hat.

Im Zuge der eingangs genannten Gespräche mit Vertretern der freien Berufe wurde jedoch deutlich, daß die vorgesehene Regelung sowie die - analog zur Krankenversicherung - vorgesehenen ergänzenden Bestimmungen mehrere unerwünschte Konsequenzen hätten:

Durch die Einrichtung einer kapitalgedeckten Pensionsversorgung für die jüngeren Mitglieder einer Berufsgruppe würden innerhalb einer Berufsgruppe zwei verschiedene Pensionssysteme gelten, wodurch ein unerwünschter Entsolidarisierungsimpuls gegeben würde. Der dem Umlageverfahren der Sozialversicherung zugrundeliegende Generationenvertrag wäre hinsichtlich der betreffenden Berufsgruppe nicht mehr erfüllt, da keine neuen Beitragszahler aus dieser Berufsgruppe nachrücken. Dies würde zu maßgeblichen Belastungen für die Versichertengemeinschaft führen.

Die Vorgespräche machten deutlich, daß die zur Gewährleistung des Vertrauensschutzes für die drei genannten Berufsgruppen vorgesehene Begünstigung im Spannungsfeld zwischen der sofortigen Einbeziehung aller bis zum 1. Jänner 1998 versicherungsfreien selbständigen Erwerbstätigkeiten in die Sozialversicherung und der unveränderten Rechtslage für die zu diesem Zeitpunkt nach dem FSVG (Ärzte, Apotheker, Patentanwälte) oder dem NVG 1972 bereits versicherten Berufsgruppen als unausgewogen angesehen werden muß.

Im Zuge der für die Ausgestaltung der begleitenden Bestimmungen zu §5 GSVG geführten Beratungen wurde weiters erkannt, daß eine Verquickung zwischen gesetzlicher Pensionsversicherung und privaten Pensionsvorsorgesystemen, jeweils als eigenständige Absicherung - im Gegensatz zur Krankenversicherung -, wegen der diesem Zweig der Versicherung/Versorgung innewohnenden zeitlichen Komponente nicht möglich ist.

Die im ursprünglichen Konzept vorgesehene freie Wahlmöglichkeit im Falle einer Ausnahme einer Berufsgruppe aus der gesetzlichen Pensionsversicherung für den einzelnen zwischen privater Einrichtung der Kammer und Selbstversicherung in der Sozialversicherung würde einerseits die kammereigene Versorgungseinrichtung konterkarieren und bedürfte den Sozialversicherungsgesetzen entsprechende Überweisungsregelungen zwischen privatem System und öffentlich-rechtlichem System, um im anderen System allenfalls erworbene Ansprüche zusammenrechnen zu können.

...

... Durch die vorgeschlagene Änderung des §5 Abs1 GSVG soll die Möglichkeit für eine Ausnahme aus der gesetzlichen Pensionsversicherung gemäß §5 GSVG für jene freiberuflich tätigen Berufsgruppen ausgeschlossen werden, die am 1. Jänner 1998 in der gesetzlichen Sozialversicherung pflichtversichert waren. Die Übergangsbestimmung des §273 Abs4 GSVG kann somit entfallen."

§276 Abs9 GSVG idF der 23. Novelle zum GSVG sieht vor, dass selbständig Erwerbstätige, die gemäß §2 Abs1 Z4 GSVG pflichtversichert wären und einer gesetzlichen beruflichen Vertretung auf Grund eines Bundesgesetzes oder eines Landesgesetzes angehören, ohne in §273 Abs3 GSVG genannt zu sein, auf Antrag hinsichtlich der die Mitgliedschaft zur gesetzlichen beruflichen Vertretung begründenden Tätigkeit von der Pflichtversicherung gemäß §2 Abs1 Z4 GSVG bis 31. Dezember 1999 auszunehmen sind.

Gemäß §281 Abs4a GSVG idF der 24. Novelle zum GSVG, BGBl. I Nr. 175/1999, blieben die in §3 Abs3 Z4 GSVG (idF der 17. Novelle, BGBl. Nr. 295/1990) genannten freiberuflich tätigen bildenden Künstler (zu dieser Gruppe gehörten auch zahlreiche, als Architekten tätige Mitglieder der Ingenieurkammern) bis zum Ablauf des 31. Dezember 2000 nach dem GSVG pflichtversichert.

§291 Abs3 GSVG idF der 25. Novelle zum GSVG, BGBl. I Nr. 100/2001, erlaubte es freiberuflich tätigen bildenden Künstlern, die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2000 gegebene Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung - unter bestimmten Voraussetzungen - beizubehalten:

"Freiberuflich tätige bildende Künstler, die am 31. Dezember 2000 nach §281 Abs4a der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach diesem Bundesgesetz unterlegen sind, ab dem 1. Jänner 2001 nach §5 von der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung ausgenommen sind und über eine aufrechte Berufsbefugnis nach dem Ziviltechnikergesetz 1993, BGBl. Nr. 156/1994, verfügen, sind auf Antrag in der Pensionsversicherung nach diesem Bundesgesetz bis zum Erreichen von 180 Beitragsmonaten in einer gesetzlichen Pensionsversicherung pflichtversichert. Ein solcher Antrag ist bis zum 31. Dezember 2003 zu stellen."

Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage der zuletzt genannten GSVG-Novelle (625 BlgNR XXI. GP, 9) bemerken dazu:

"Eine gesonderte Übergangsbestimmung (Abs3) ist für jene bildenden Künstler erforderlich, die als Architekten der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten angehören. Auf Grund des Opting-out nach §5 GSVG sind die Mitglieder der genannten Kammer von der Pflichtversicherung nach §2 Abs1 Z4 GSVG ausgenommen. Für jenen Teil dieser Berufsgruppe, die bisher als bildende Künstler nach dem GSVG versichert waren, wurde diese Ausnahme erst mit 1. Jänner 2001 wirksam. Dieser Personengruppe soll die Möglichkeit eröffnet werden, auf Antrag ihre Pflichtversicherung rückwirkend mit 1. Jänner 2001 so lange fortzusetzen, bis sie 180 Beitragsmonate in einer gesetzlichen Pensionsversicherung erworben haben. Voraussetzung für eine solche Fortsetzung ist eine aufrechte Berufsbefugnis nach den einschlägigen berufsrechtlichen Vorschriften, da nur im Falle einer aufrechten Berufsbefugnis die nach §5 GSVG zuerkannte Ausnahme gilt. Bildende Künstler, die ihre Architektenbefugnis ruhend gemeldet haben, sind nicht in die Wohlfahrtseinrichtung der Kammer eingebunden, für diese gelten die allgemeinen Bestimmungen des §2 Abs1 Z4 GSVG."

II. Die Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten (vgl. §1 Abs1 Z2 des Ziviltechnikerkammergesetzes 1993, BGBl. Nr. 157/1994) beantragte am 27. August 1999 gemäß §5 GSVG die Ausnahme ihrer Mitglieder von der Pflichtversicherung in der gesetzlichen Pensionsversicherung. Diesem Antrag wurde von der (damaligen) Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales mit Erledigung vom 28. Oktober 1999, GZ 21.130/35-2/99, "stattgegeben".

Diese Erledigung lautet wie folgt (Hervorhebungen wie im Original):

"BUNDESMINISTERIUM FÜR ARBEIT, GESUNDHEIT UND SOZIALES

GZ: 21.130/35-2/99 Wien, 28. Oktober 1999

Bescheid

Dem Antrag der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten vom 27.8.1999 auf Ausnahme von der Pflichtversicherung der Kammermitglieder im Bereich der Pensionsversicherung wird stattgegeben und gem. §5 Abs1 in Verbindung mit Abs3 GSVG festgestellt, dass die freiberuflich tätigen Kammermitglieder, die ab 1.1.2000 der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach §2 Abs1 Z4 GSVG unterliegen, ab diesem Zeitpunkt und die freiberuflich tätigen Kammermitglieder, die der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach §3 Abs3 Z4 GSVG unterliegen, ab 1.1.2001 von der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem GSVG ausgenommen sind.

Begründung

Die Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten hat mit Schreiben vom 27.8.1999, GZ. sch/ed, beantragt, die Ausnahme von der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung für die Kammermitglieder festzustellen.

Gemäß §5 Abs1 GSVG sind von der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung Personen ausgenommen, wenn diese Personen auf Grund ihrer Zugehörigkeit zu einer gesetzlichen beruflichen Vertretung (Kammer) und auf Grund der Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit im Sinne des §2 Abs1 Z4 GSVG Anspruch auf Leistungen haben, die den Leistungen nach dem GSVG gleichartig oder zumindest annähernd gleichwertig sind und zwar für die Pensionsversicherung gegenüber einer Einrichtung dieser gesetzlichen beruflichen Vertretung und die für das Bundesgebiet jeweils in Betracht kommende gesetzliche berufliche Vertretung die Ausnahme von der Pflichtversicherung beantragt.

Gemäß §5 Abs2 GSVG ist der Antrag bis zum 1.10.1999 zu stellen.

Gemäß §5 Abs3 GSVG ist die Gleichwertigkeit jedenfalls dann als gegeben anzunehmen, wenn die Leistungsansprüche auf einer bundesgesetzlichen Regelung oder einer der bundesgesetzlichen Regelung gleichartigen landesgesetzlichen Regelung über die pensionsrechtliche Versorgung beruhen.

Nach §29 ff ZTKG 1993 besteht für die Mitglieder ein verpflichtender Versorgungsfonds, der Leistungen für den Fall des Alters und der Berufsunfähigkeit erbringt und auch die Hinterbliebenen der Ziviltechniker versorgt.

Die freiberuflich tätigen Mitglieder der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten wären ab 1.1.2000 gemäß §2 Abs1 Z4 GSVG in der Pensionsversicherung nach diesem Bundesgesetz pflichtversichert. Da die Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten einen Versorgungsfonds für die Leistungen aus dem Versicherungsfall des Alters, der Berufsunfähigkeit und des Todes auf bundesgesetzlicher Basis eingerichtet hat, war gemäß §5 Abs3 GSVG die Gleichwertigkeit jedenfalls als gegeben anzunehmen und die Ausnahme dieses Versichertenkreises von der Pensionsversicherung ab 1.1.2000 festzustellen.

Ein Teil der Mitglieder der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten ist derzeit auf Grund des §3 Abs3 Z4 GSVG als freiberuflich tätige bildende Künstler in der Pensionsversicherung nach dem GSVG pflichtversichert.

Diese Bestimmung wurde ursprünglich mit der 22. Novelle zum GSVG, BGBl. I Nr. 139/1997 mit Wirkung ab 1.1.2000 aufgehoben, sodass der nach §3 Abs3 Z4 GSVG versicherte Personenkreis ab diesem Zeitpunkt in die Pflichtversicherung nach §2 Abs1 Z4 GSVG einbezogen worden wäre.

Durch §281 Abs4a i.d.F. der 24. Novelle zum GSVG, BGBl. I 175/1999, sind die im §3 Abs3 Z4 GSVG in der am 31.12.1999 geltenden Fassung genannten freiberuflich tätigen bildenden Künstler bis zum Ablauf des 31.12.2000 nach den für sie jeweils geltenden Bestimmungen des GSVG pflichtversichert.

Die auf Grund des §3 Abs3 Z4 GSVG pflichtversicherten Personen fallen daher erst ab dem 1.1.2001 unter den Tatbestand des §2 Abs1 Z4 GSVG.

Daher war die Ausnahme für freiberuflich tätige Mitglieder der Bundeskammer, die dem Tatbestand des §3 Abs3 Z4 GSVG unterliegen, erst mit 1.1.2001 festzustellen.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Bescheid ist eine Berufung unzulässig.

Hinweis

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von 6 Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

...

Für die Bundesministerin:

Prof. W"

Dieser "Bescheid" wurde, wie sich aus den Verwaltungsakten ergibt, am 5. November 1999 sowohl der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (zu Handen ihres Obmannes) als auch der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten (zu Handen des Präsidenten) nachweislich zugestellt.

III. 1. Der Beschwerdeführer zu B3/03 war bis 31. Dezember 2000 als freiberuflich tätiger bildender Künstler (§3 Abs3 Z4 GSVG) in der Pensionsversicherung nach dem GSVG pflichtversichert und hat bis zu diesem Tag 215 Beitragsmonate in der Pflichtversicherung erworben. Mit - an die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, Landesstelle Oberösterreich, gerichtetem - Schreiben vom 24. April 2002 beantragte er die Feststellung, dass er "gemäß dem gewerblichen Sozialversicherungsgesetz rückwirkend mit 1.1.2001 fortlaufend der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung unterliegt".

Die hg. zu B3/03 protokollierte, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde richtet sich gegen den im Instanzenzug ergangenen Bescheid des damals zuständigen Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen vom 19. November 2002, mit dem dieser Antrag abgewiesen worden ist, weil Architekten auf Grund des §5 GSVG sowie des hiezu ergangenen "Bescheides" der damaligen Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 28. Oktober 1999, GZ 21.130/35-2/99, seit 1. Jänner 2001 von der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem GSVG ausgenommen seien.

2. Aus Anlass dieses Beschwerdeverfahrens sind im Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit des - zwar als "Bescheid" bezeichneten, vom Gerichtshof jedoch vorläufig als Verordnung qualifizierten - Verwaltungsaktes der damaligen Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 28. Oktober 1999, GZ 21.130/35-2/99, entstanden, weshalb er am 11. Oktober 2003 beschlossen hat, von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit dieses Verwaltungsaktes einzuleiten.

Folgende Bedenken haben den Verfassungsgerichtshof dazu veranlasst:

"... Zunächst hegt der Verfassungsgerichtshof das Bedenken, daß der als anscheinend als Verordnung zu qualifizierende Verwaltungsakt der (damaligen) Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales entgegen §2 Abs2 Z2 des Bundesgesetzes über das Bundesgesetzblatt 1996, BGBl. Nr. 660, nicht im Bundesgesetzblatt kundgemacht worden ist (Art139 Abs3 litc B-VG).

... Weiters hegt der Verfassungsgerichtshof das Bedenken, daß die von der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales verfügte Ausnahme der Mitglieder der Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten den in §5 Abs1 und 3 GSVG festgelegten gesetzlichen Voraussetzungen nicht entsprechen dürfte: §5 Abs1 GSVG dürfte nämlich gebieten, daß die Bundesministerin eine meritorische Prüfung der Gleichwertigkeit der kammereigenen Versorgung vorzunehmen gehabt hätte:

... Gem. §5 Abs1 GSVG sind Personen von der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung ausgenommen, wenn sie aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer gesetzlichen beruflichen Vertretung und aufgrund der Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit Anspruch auf Leistungen haben, die den Leistungen nach dem GSVG gleichartig oder zumindest gleichwertig sind. Die Feststellung dieser Gleichartigkeit bzw. Gleichwertigkeit oblag - bis zum 31.12.1999 - dem BMAGS.

... Die Bundesministerin hat diese Prüfung im einzelnen anscheinend aber nicht vorgenommen, sondern ihre Entscheidung auf §5 Abs3 GSVG gestützt: Nach dieser Bestimmung ist die Gleichwertigkeit im Sinne des Abs1 jedenfalls dann 'als gegeben anzunehmen', wenn die Leistungsansprüche (Anwartschaften) auf einer bundesgesetzlichen Regelung über die pensionsrechtliche Versorgung beruhen. Dazu führte die Bundesministerin aus, daß nach §29 ZTKG für die Kammermitglieder ein verpflichtender Versorgungsfonds bestehe, der Leistungen für den Fall des Alters und der Berufsunfähigkeit erbringe und auch die Hinterbliebenen versorge.

...

... Der Verfassungsgerichtshof ist vorläufig der Ansicht, daß die damaligen gesetzlichen Regelungen hinsichtlich der Wohlfahrtseinrichtungen der Ziviltechniker nicht solche sind, welche die Bundesministerin zur vorbehaltlosen Annahme der Gleichwertigkeit im Sinne des §5 Abs1 GSVG und damit zur Verfügung der Ausnahme gem. §5 Abs3 GSVG ermächtigt haben:

a) Primär soll das Vorliegen der Voraussetzungen für die Ausnahme aus der Pflichtversicherung aus Anlaß des jeweiligen Antrags vom zuständigen Bundesminister geprüft werden. Nur dann, wenn die Leistungsansprüche (Anwartschaften) auf einem Gesetz im formellen Sinn beruhen, d.h. wenn der Gesetzgeber selbst die Leistungen im Einzelnen festlegt, entfällt eine nähere Prüfung der entsprechenden Satzung anhand der Kriterien des GSVG.

b) Der Verfassungsgerichtshof ist nun aber vorläufig der Auffassung, daß für die in §5 Abs3 GSVG ausgesprochene gesetzliche Vermutung der Gleichwertigkeit eine gesetzliche Normierung bloß der Verpflichtung der Kammer zur Errichtung einer Wohlfahrtseinrichtung nicht ausreicht, und zwar unabhängig davon, daß §29 ZTKG in der hier maßgebenden Fassung nicht einmal den Anforderungen des Art18 B-VG entsprochen hat (vgl. dazu das Erkenntnis vom 23.6.2003, G40/03). Die Errichtung einer verpflichtenden kammereigenen Versorgung ist nämlich von vornherein nur zulässig, wenn sie über eine dem Art18 Abs2 B-VG genügende Rechtsgrundlage im Gesetz verfügt (vgl. dazu auch VfSlg. 16.206/2001 mwH). Eine (bloß) dem Art18 Abs2 B-VG genügende gesetzliche Ermächtigung zur Ausgestaltung einer Versorgungseinrichtung durch Verordnung dürfte daher nicht schon deshalb eine ausreichende gesetzliche Regelung im Verständnis des §5 Abs3 GSVG darstellen, da diesfalls die Prüfungskompetenz des Bundesministers - außer im Fall der Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Ermächtigung wegen Verstoßes gegen Art18 Abs2 B-VG - stets leerlaufen würde. Dies kann aber dem Gesetzgeber nicht zugesonnen werden. §5 Abs3 GSVG scheint somit eine weitgehende Regelung der Beiträge und der wesentlichen Anspruchsgrundlagen der Versorgung im Gesetz selbst zu erfordern, und nicht bloß die Zulassung ihrer näheren Ausgestaltung durch Verordnung (unter gesetzlicher Festlegung des einzuhaltenden Systems und einer Belastungsobergrenze - vgl. neuerlich das Erkenntnis VfSlg. 16.206/2001) genügen zu lassen.

c) Die §§29 und 31 ZTKG in der hier maßgebenden Fassung scheinen aber darüberhinaus schon deshalb keine im Sinne des §5 Abs3 GSVG die Vermutung der Gleichwertigkeit begründende bundesgesetzliche Regelung darzustellen, da sie nicht einmal den Kriterien des Art18 Abs2 B-VG entsprochen haben (vgl. das Erkenntnis vom 23.6.2003, G40/03).

... Der Verwaltungsakt der Bundesministerin scheint daher auch insoweit mit Gesetzwidrigkeit belastet zu sein, als die zumindest annähernde Gleichwertigkeit und Gleichartigkeit der Versorgungseinrichtung der Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten mit dem Leistungssystem des GSVG im Sinne des §5 Abs1 GSVG ungeprüft geblieben, der Verwaltungsakt somit ohne Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen auf §5 Abs3 GSVG gestützt worden sein dürfte."

3. Der (nunmehr zuständige) Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz sowie die Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten haben jeweils eine schriftliche Äußerung zum Gegenstand erstattet.

IV. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

A. Zur Zulässigkeit:

1. Sowohl der Bundesminister als auch die Bundeskammer sind der Annahme des Verfassungsgerichtshofes entgegengetreten, der in Prüfung gezogene Verwaltungsakt sei als Verordnung iS des Art139 B-VG zu werten:

1.1. Nach Ansicht des Bundesministers sei die Ausnahme der in Rede stehenden Berufsgruppe von der Pflichtversicherung nach dem GSVG nicht diesem Verwaltungsakt zuzuschreiben, sondern unmittelbar auf Grund des Gesetzes eingetreten. Für die Ausnahme einzelner Berufsgruppen von der Pflichtversicherung seien in §5 GSVG folgende Tatbestandselemente festgelegt: die Zugehörigkeit zu einer gesetzlichen beruflichen Vertretung, die Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit iS des §2 Abs1 Z4 GSVG sowie die Feststellung der Gleichartigkeit oder zumindest annähernden Gleichwertigkeit der Leistungen auf Grund eines Antrages der gesetzlichen beruflichen Vertretung. Im vorliegenden Fall sei weder die Zugehörigkeit zur Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten noch die Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit iS des §2 Abs1 Z4 GSVG strittig. Auch sei die Gleichartigkeit oder annähernde Gleichwertigkeit auf Grund eines Antrages der Bundeskammer mit Bescheid festgestellt worden.

Wörtlich heißt es sodann:

"Im Gegensatz zu den Ausführungen des VfGH ..., wonach es sich beim Bescheid der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 28.10.1999 um eine 'Ausnahmegenehmigung' handelt, vertritt das BMSG die Auffassung, dass die Rechtswirkung der Ausnahme von der gesetzlichen Pflichtversicherung nicht auf dem Feststellungsbescheid der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales beruht, sondern auf die Erfüllung aller für die Ausnahme erforderlichen Tatbestandsmerkmale des §5 GSVG zurückzuführen und somit nach Bescheiderlassung ex lege eingetreten ist. Diese Auffassung steht auch im Einklang mit der Judikatur des VfGH, wonach Willensakte bestimmter Organe als Tatbestandsmerkmale zu werten sind, bei deren Vorliegen ex lege eine bestimmte Rechtsfolge eintritt (VfSlg. 5985, 6061, 8136, 15.496).

Einen entsprechenden Bescheid hat das BMSG am 22.7.1999, GZ. 21.130/21-2/99, auch für die Mitglieder der Kammer der Rechtsanwälte erlassen. Die Versorgungseinrichtungen der Kammer der Rechtsanwälte im Bereich der Pensionsversicherung beruhen ausnahmslos auf bundesgesetzlicher Regelung, sodass auch in diesen Fällen eine Überprüfung der Gleichwertigkeit durch das BMSG nach dem ausdrücklichen Wortlaut des §5 Abs3 GSVG zu unterbleiben hatte.

...

Die Angehörigen der Freien Berufe sind in die Systeme von gesetzlichen beruflichen Vertretungen durch Pflichtmitgliedschaften zur jeweiligen Kammer eingebunden. Ihr Recht auf Mitgestaltung der von den Kammern wahrzunehmenden Agenden erfolgt mittels der demokratischen Willensbildung innerhalb der jeweiligen Kammer. Die in den jeweiligen Kammern gefassten Beschlüsse sind von diesen nach außen zu vertreten, so dass das Recht der Antragstellung nach §5 GSVG eben der jeweiligen Kammer und nicht dem einzelnen Mitglied zukommt. Nach Auffassung des BMSG liegt daher im Bescheidverfahren nach §5 GSVG ein Einparteienverfahren vor, in der die jeweilige Kammer als Antragstellerin, nicht aber das einzelne Mitglied der Kammer Partei ist.

Das BMSG kann sich der vom VfGH vertretenen Auffassung, wonach dann, wenn die Ausnahme der betreffenden Berufsgruppe aus dem GSVG ausschließlich in einem Bescheidverfahren entschieden würde, an dem nur die betreffende gesetzliche berufliche Vertretung als Partei beteiligt ist, den von dieser Entscheidung betroffenen Kammermitgliedern kein Weg offen stünde, die Frage der Gesetzmäßigkeit der Entscheidung des Bundesministers in einem rechtsstaatlichen Verfahren überprüfen zu lassen, nicht anschließen. Im gegenständlichen Verfahren wurde [mit] Bescheid des BMSG vom 19.11.2002 ... ein Feststellungsbegehren des Beschwerdeführers ... abgewiesen. Gegen diesen letztinstanzlichen Bescheid des BMSG wurde sodann eine Beschwerde an den VfGH erhoben, woraus die Überprüfbarkeit des Verwaltungsaktes in einem rechtsstaatlichen Verfahren deutlich hervorgeht.

Bei den gesetzlichen beruflichen Vertretungen der Freien Berufe handelt es sich um Selbstverwaltungskörper, welchen jeweils ein eigener Wirkungsbereich zugewiesen ist, in dem der Selbstverwaltungskörper auch zu einer weisungsfreien Verwaltungsführung berechtigt ist. Zum Aufgabenbereich der Bundeskammer im selbständigen Wirkungsbereich zählt u.a. die Einrichtung einer gemeinsamen Wohlfahrtseinrichtung für Ziviltechniker und deren Hinterbliebene.

Alle Mitglieder der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten waren grundsätzlich immer in die kammereigene Versorgung einbezogen. Gespräche zwischen dem BMSG und der Bundeskammer über eine Übernahme bzw. Überführung der gesetzlichen Versorgungseinrichtung in die gesetzliche Sozialversicherung haben zu keinem konsensualen Ergebnis geführt. Für bestimmte Zivilingenieure und Ingenieurkonsulenten bestand jedoch die Möglichkeit, durch eine Meldung als 'bildender Künstler' gemäß §3 Abs3 Z4 GSVG sich in der Pensionsversicherung nach dem GSVG pflichtzuversichern. Die Mehrheit der Mitglieder der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten hat jedoch mit Beschluss vom 27.8.1999 den Antrag auf Ausnahme von der Pflichtversicherung der Kammermitglieder in der Pensionsversicherung gestellt und sich damit für die Aufrechterhaltung der standeseigenen Versorgungseinrichtung entschieden. Es handelt sich dabei um einen demokratischen Prinzipien entsprechenden mit Stimmenmehrheit gefassten Beschluss."

1.2. Die Bundeskammer vertritt in ihrer Äußerung ebenfalls diese Auslegung des §5 GSVG. Weiters heißt es darin, die Bundeskammer habe die Ausnahme von der Pflichtversicherung nach dem GSVG - im Hinblick auf das Fehlen von Regelungen über bereits erworbene Anwartschaften - "unter Protest" beantragt, um die ansonsten eintretende Doppelversorgung nach GSVG und ZTKG zu vermeiden. Mit Erlassung des Bescheides der damaligen Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 28. Oktober 1999 seien die Voraussetzungen des in §5 GSVG normierten Ausnahmetatbestandes gegeben gewesen; die Pflichtversicherung der Mitglieder der Kammern der Architekten und Ingenieurkonsulenten (mit Ausnahme der freiberuflich tätigen bildenden Künstler) im Bereich der Pensionsversicherung sei somit ex lege "niemals in Kraft getreten". Es habe daher auch keines besonderen Verwaltungsaktes bedurft, um diese Ausnahme von der Pflichtversicherung zu bewirken, da diese Pflichtversicherung niemals wirksam geworden sei.

2. Der Verfassungsgerichtshof bleibt bei seiner Annahme, dass der als "Bescheid" bezeichnete Verwaltungsakt der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales als Verordnung iS des Art139 B-VG zu qualifizieren ist:

2.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist für die Qualifikation eines Rechtsaktes als Verordnung im Sinn des Art139 B-VG weder seine Bezeichnung noch der formelle Adressatenkreis, noch die Art seiner Veröffentlichung bestimmend; vielmehr kommt es auf den normativen Gehalt des Verwaltungsaktes an (vgl. etwa VfSlg. 8647/1979, 11.472/1987, 13.632/1993).

Eine Verordnung ist eine von einer Verwaltungsbehörde erlassene, generelle - dh. an einen durch Gattungsmerkmale bezeichneten Personenkreis adressierte - Rechtsvorschrift, wobei es auf dieser Ebene der Prüfung zunächst auf die Rechtmäßigkeit der Norm nicht ankommt (vgl. VfSlg. 5536/1967, 12.574/1990; zuletzt etwa VfGH 11. Dezember 2002, V104/01 ua.).

2.2. Der Verwaltungsakt der damaligen Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales ist zwar als "Bescheid" bezeichnet, gliedert sich in Spruch und Begründung und enthält eine Rechtsmittelbelehrung sowie den in §61a AVG vorgesehenen Hinweis auf die Möglichkeit einer Beschwerde an den Verfassungs- oder Verwaltungsgerichtshof. Auch erging er in Erledigung eines Antrages der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten. Dieser Umstand kann jedoch nichts daran ändern, dass der in Prüfung stehende Verwaltungsakt nicht nur (und nicht einmal in erster Linie) Rechtsbeziehungen zur genannten gesetzlichen beruflichen Vertretung normativ gestaltet. Wie auch der Spruch des "Bescheides" zeigt, gestaltet dieser die Rechtssphäre eines unbestimmten Personenkreises - nämlich aller derzeitigen, aber auch aller künftigen Mitglieder der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten - in der Weise, dass er ihre Ausnahme von der sonst mit der Erteilung der Berufsbefugnis als Ziviltechniker eintretenden Pflichtversicherung gemäß §2 Abs1 Z4 GSVG verfügt. Der "Bescheid" der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales ist also an einen nach generell-abstrakten Merkmalen umschriebenen Personenkreis adressiert und entfaltet für diesen Personenkreis normative Wirkung. Dieser für die Verordnungsqualität des Verwaltungsaktes maßgeblichen Beurteilung seiner Wirkungen durch den Verfassungsgerichtshof ist im Verordnungsprüfungsverfahren von keiner Seite entgegengetreten worden.

2.3. Der Verfassungsgerichtshof hält weiters daran fest, dass eine Deutung der erwähnten Erledigung als Verordnung auch vor dem Hintergrund des in der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes entwickelten Rechtsschutzkonzeptes und dem daraus für den Gesetzgeber abgeleiteten "Rechtstypenzwang" (vgl. dazu VfSlg. 1685/1948, 3820/1960, 3892/1961, 14.295/1995; zuletzt VfGH 9. Oktober 2003, G41,42/03) geboten ist: Würde nämlich die für die Ausnahme einer Berufsgruppe von der Pflichtversicherung nach dem GSVG maßgebliche Frage der Gleichwertigkeit der Versorgungseinrichtung ausschließlich in einem Bescheidverfahren entschieden, an dem nur die jeweilige gesetzliche berufliche Vertretung als Partei beteiligt ist, dann stünde den von dieser Entscheidung normativ betroffenen Kammermitgliedern (insbesondere auch der in den zuständigen Kammerorganen überstimmten Minderheit) kein Weg offen, die Frage der Gesetzmäßigkeit der Entscheidung des Bundesministers, von der nach dem Gesetz der Fortbestand ihrer Pflichtversicherung und damit der Standard ihrer künftigen Altersversorgung abhängt - sie sohin in ihrer Rechtssphäre berührt sind - in einem rechtsstaatlichen Verfahren prüfen zu lassen. Der bloße Hinweis des Bundesministers auf das Ausgangsverfahren dieses Verordnungsprüfungsverfahrens ist zur Widerlegung dieses Bedenkens ungeeignet, weil dem Verfassungsgerichtshof nicht auch die Befugnis zukommt, aus Anlass eines Bescheidbeschwerdeverfahrens andere als die jeweils angefochtenen Bescheide auf ihre Rechtmäßigkeit zu prüfen.

2.4. Der in Prüfung stehende Verwaltungsakt der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales entspricht in Funktion und Rechtswirkungen jenen Anforderungen, wie sie in §5 GSVG umschrieben sind. §5 GSVG zwingt aber nicht zu einer Deutung der Erledigung des Bundesministers (nur) als Bescheid, er ist vielmehr (insoweit ähnlich wie das Anerkennungsgesetz; vgl. dazu VfSlg. 11.931/1988 und 13.134/1992) einer Auslegung zugänglich, nach welcher der Bundesminister bei Stattgebung des Antrages der gesetzlichen beruflichen Vertretung eine Verordnung zu erlassen hat, zumal die genannte Bestimmung überhaupt keine explizite Festlegung darüber enthält, in welcher Form die Bewilligung der Ausnahme von der Pflichtversicherung nach dem GSVG zu erteilen ist.

2.5. Auch der Gesetzgeber ist bisher in vergleichbaren Konstellationen vom verfassungsrechtlichen Erfordernis einer Verordnung ausgegangen (vgl. die ganz vergleichbare frühere Rechtslage nach §2 Abs2 FSVG, BGBl. Nr. 624/1978, betreffend die Einbeziehung von Berufsgruppen in das FSVG durch Verordnung auf Antrag der zuständigen gesetzlichen beruflichen Vertretung; ferner §9 ASVG über die Einbeziehung in die gesetzliche Krankenversicherung durch Verordnung, sowie §22a ASVG über die ebenfalls durch Verordnung vorzunehmende Einbeziehung von Berufsgruppen in die Zusatzversicherung in der Unfallversicherung).

2.6. Der Annahme, dass der Verwaltungsakt vom 28. Oktober 1999 in verfassungskonformer Deutung eine Verordnung ist, die daher Gegenstand eines Prüfungsverfahrens gemäß Art139 B-VG sein kann, steht auch nicht etwa der Umstand entgegen, dass es verfassungsrechtlich schlechthin unzulässig wäre, die Erlassung einer Verordnung durch ein oberstes Verwaltungsorgan an einen Antrag zu binden: Der Verfassungsgerichtshof hat nämlich bereits wiederholt ausgesprochen, dass eine solche Antragsbefugnis nicht immer oder schlechthin als verfassungswidriger Eingriff in die Entscheidungsbefugnis des mit der Erlassung des Verwaltungsaktes betrauten Verwaltungsorganes zu werten sei; eine Antragsbefugnis bewirke dann keinen derartigen Eingriff, wenn sie zur Durchsetzung von Interessen diene, die wahrzunehmen der Antragsteller - wie eben auch die Bundeskammer für Architekten und Ingenieurkonsulenten für ihre Mitglieder - berufen sei (vgl. zur Einbeziehung von Berufsgruppen in das FSVG auf Grund eines Antrages der zuständigen Kammer: VfSlg. 11.469/1987; vgl. auch VfSlg. 11.931/1988, 12.183/1989, 12.472/1990, 12.506/1990, 12.843/1991, 14.977/1997). Der hier zu beurteilende Fall eines Antrages auf Ausnahme von der Pflichtversicherung liegt insoweit gleich.

2.7. Der als Verordnung anzusehende Verwaltungsakt der Bundesministerin ist zwar nicht kundgemacht worden, hat aber durch seine Zustellung an die Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten sowie die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft ein gewisses Maß an Publizität erlangt und ist daher Bestandteil der Rechtsordnung geworden (vgl. zB - jeweils mwN - VfSlg. 8350/1978, 10.602/1985, 12.382/1990).

3. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen gegeben sind, ist das Verordnungsprüfungsverfahren insgesamt zulässig.

B. In der Sache:

1. §2 des im vorliegenden Fall maßgebenden Bundesgesetzes über das Bundesgesetzblatt 1996 (BGBlG), BGBl. Nr. 660/1996, lautet auszugsweise wie folgt:

"§2. (1) ...

(2) Das Bundesgesetzblatt II (BGBl. II) ist bestimmt zur Verlautbarung

1. der allgemeinen Entschließungen des Bundespräsidenten auf Grund seiner verfassungsrechtlich festgelegten Befugnisse;

2. der Verordnungen der Bundesregierung und der Bundesminister - jedoch mit Ausnahme der Verordnungen nach Abs6 und der ausschließlich an unterstellte Verwaltungsbehörden ergehenden allgemeinen Verordnungen - sowie der Verordnungen des Präsidenten des Nationalrates, der Volksanwaltschaft und des Präsidenten des Rechnungshofes;

3. der Kundmachung des zuständigen Bundesministers über das Außerkraftsetzen von im Bundesgesetzblatt kundgemachten Verordnungen infolge des Inkrafttretens von Landesgesetzen oder Verordnungen einer Landesbehörde gemäß Art16 Abs4 B-VG;

4. der Kundmachung des Bundeskanzlers oder des zuständigen Bundesministers über die Aufhebung gesetzwidriger Verordnungen einer Bundesbehörde (Art139 Abs5 B-VG);

5. von Vereinbarungen des Bundes und der Länder untereinander (Art15a Abs1 B-VG), soweit sie nicht unter Abs1 Z5 fallen.

(3) ...

(4) Für Verordnungen im Sinne des Abs2 Z2 kann der Bundeskanzler im Einvernehmen mit dem zuständigen Bundesminister durch Verordnung bestimmen, daß sie nicht im Bundesgesetzblatt, sondern im Amtsblatt des zuständigen Bundesministeriums zu verlautbaren sind. Eine solche Verordnung kann erlassen werden, wenn die nicht im Bundesgesetzblatt kundzumachende Verordnung bloß für einen beschränkten Kreis von Personen von Interesse ist. Dies ist insbesondere bei Lehrplänen sowie bei einzelne Berufe betreffenden Ausbildungs- und Prüfungsvorschriften der Fall. Auf derartige Kundmachungen ist im BGBl. II unter Angabe des Titels der Verordnung und ihrer Fundstelle im Amtsblatt des zuständigen Bundesministeriums hinzuweisen.

(5)-(7) ..."

2. Der als Verordnung wirkende Verwaltungsakt der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 28. Oktober 1999 wäre somit - wie sich aus §2 Abs2 Z2 BGBlG ergibt - im Bundesgesetzblatt II kundzumachen gewesen. Da diese Publikation unterblieben ist, erweist sich der Verwaltungsakt als gesetzwidrig kundgemacht und war daher - in Anwendung des Art139 Abs3 litc B-VG - zur Gänze aufzuheben (vgl. zB VfSlg. 12.744/1991, 15.189/1998; zuletzt VfGH 4. Dezember 2003, V6/03).

3. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Eingehen auf die weiteren Bedenken des oben (Pkt. III.2.) wiedergegebenen Einleitungsbeschlusses.

4. Für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Verordnung war eine Frist zu setzen, um die Behebung des festgestellten Kundmachungsmangels sowie die in diesem Zusammenhang notwendigen gesetzlichen Vorkehrungen zu ermöglichen. Dieser Ausspruch stützt sich auf Art139 Abs5 letzter Satz B-VG.

5. Die Kundmachungspflicht des Bundesministers für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz ergibt sich aus Art139 Abs5 erster Satz B-VG iVm §4 Abs1 Z4 des - nunmehr maßgebenden - Bundesgesetzes über das Bundesgesetzblatt 2004 (Art4 des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 100/2003).

6. Dies konnte ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden (§19 Abs4 erster Satz VfGG).

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