VfGH G87/00

VfGHG87/003.3.2001

Präjudizialität einer gewerberechtlichen Bestimmung betreffend die Einbeziehung über die "Bagatellfälle" hinausgehender Betriebsanlagen in das vereinfachte Genehmigungsverfahren anläßlich der Zurückweisung der Beschwerde eines Nachbarn in einem solchen Verfahren; verfassungswidrige Versagung der Parteistellung der Nachbarn auch bei Beurteilung der Frage des Vorliegens der Voraussetzungen für ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
GewO 1994 §359b
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
GewO 1994 §359b

 

Spruch:

§359b Abs4 Gewerbeordnung, BGBl. Nr. 194/1994, in der Fassung BGBl. I Nr. 63/1997, war verfassungswidrig.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruchs im Bundesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu Zl. B2071/99 eine auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde gegen einen Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 25. November 1999 anhängig. Mit diesem Bescheid wurde die Berufung der Beschwerdeführer gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Fürstenfeld vom 21. Juli 1999, mit dem der beteiligten Partei die gewerbebehördliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb eines Hotels in Loipersdorf erteilt worden war, gemäß §66 Abs4 AVG 1991 idgF iVm §359b Abs1 GewO 1994 idgF im wesentlichen deshalb als unzulässig zurückgewiesen, weil Nachbarn im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach §359b GewO 1994 keine Parteistellung zukäme.

2. Bei der Behandlung der Beschwerde sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des §359b Abs4 GewO 1994, idF BGBl. I 63/1997, entstanden. Der Gerichtshof hat daher das Beschwerdeverfahren mit Beschluß vom 30. Juni 2000 unterbrochen und von Amts wegen eine Gesetzesprüfungsverfahren hinsichtlich der eben genannten Bestimmung eingeleitet.

3. Zur Rechtslage:

3.1. §359b Gewerbeordnung, BGBl. 194/1994, idF BGBl. I 63/1997, im folgenden: GewO 1994, hat (auszugsweise) folgenden Wortlaut (die in Prüfung gezogene Bestimmung ist hervorgehoben):

"(1) Ergibt sich aus dem Genehmigungsansuchen und dessen Beilagen (§353), daß

1. jene Maschinen, Geräte und Ausstattungen der Anlage, deren Verwendung die Genehmigungspflicht begründen könnte, ausschließlich solche sind, die in Verordnungen gemäß §76 Abs1 oder Bescheiden gemäß §76 Abs2 angeführt sind oder die nach ihrer Beschaffenheit und Wirkungsweise vornehmlich oder auch dazu bestimmt sind, in Privathaushalten verwendet zu werden, oder

2. das Ausmaß der der Betriebsanlage zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten und sonstigen Betriebsflächen insgesamt nicht mehr als 1 000 m² beträgt und die elektrische Anschlußleistung der zur Verwendung gelangenden Maschinen und Geräte 100 kW nicht übersteigt,

so hat die Behörde (§§333, 334, 335) das Projekt durch Anschlag in der Gemeinde und durch Anschlag in den der Anlage unmittelbar benachbarten Häusern mit dem Hinweis bekanntzugeben, daß die Projektsunterlagen innerhalb eines bestimmten, vier Wochen nicht überschreitenden Zeitraumes bei der Behörde zur Einsichtnahme aufliegen und daß die Nachbarn innerhalb dieses Zeitraumes von ihrem Anhörungsrecht Gebrauch machen können; die Eigentümer der betroffenen Häuser haben derartige Anschläge in ihren Häusern zu dulden; nach Ablauf der im Anschlag angeführten Frist hat die Behörde unter Bedachtnahme auf die eingelangten Äußerungen der Nachbarn die die Anwendung des vereinfachten Verfahrens begründende Beschaffenheit der Anlage mit Bescheid festzustellen und erforderlichenfalls Aufträge zum Schutz der gemäß §74 Abs2 sowie der gemäß §77 Abs3 und 4 wahrzunehmenden Interessen zu erteilen; dieser Bescheid gilt als Genehmigungsbescheid für die Anlage. Die Behörde hat diesen Bescheid binnen drei Monaten nach Einlagen des Genehmigungsansuchens und der erforderlichen Unterlagen zum Genehmigungsansuchen (§353) zu erlassen. §356b gilt sinngemäß.

(2) ...

(3) ...

(4) Eine nicht dem Abs1 Z1 oder 2 oder einer Verordnung gemäß Abs2 oder 3 unterliegende Betriebsanlage ist dem vereinfachten Verfahren gemäß Abs1 dann zu unterziehen, wenn sich aus dem Genehmigungsansuchen und dessen Beilagen (§353) ergibt, daß die Anlage

1. nicht gefahrengeneigt (§82a Abs1) ist, und

2. ihren Standort in einem Gebiet hat, das nach den für die Widmung der Liegenschaften maßgebenden Rechtsvorschriften überwiegend oder ausschließlich gewerblichen Tätigkeiten dient und in dem nach diesen Vorschriften das Errichten und Betreiben bzw. Ändern der Anlage zulässig ist.

(5) ...

(6) ...

(7) Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten hat im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie und dem Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales durch Verordnung jene Arten von Betriebsanlagen zu bezeichnen, die aus Gründen des vorsorgenden Umweltschutzes jedenfalls nicht dem vereinfachten Genehmigungsverfahren zu unterziehen sind, auch wenn im Einzelfall eine derartige Anlage die Voraussetzungen für die Anwendung des vereinfachten Genehmigungsverfahrens erfüllt.

(8) ..."

3.2. §359b Abs4 GewO 1994 trat gleichzeitig mit der gemäß §359b Abs7 leg.cit. zu erlassenden Verordnung in Kraft (Abschnitt 2 ArtIII Abs1 GewO 1994, idF BGBl. I 63/1997).

Mit BGBl. II 265/1998 erließ der (damalige) Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten im Einvernehmen mit dem (damaligen) Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie und dem (damaligen) Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales jene Verordnung, welche all jene Arten von Betriebsanlagen bezeichnet, die aus Gründen des vorsorgenden Umweltschutzes jedenfalls nicht dem vereinfachten Genehmigungsverfahren zu unterziehen sind. §1 der eben zitierten Verordnung, die am 1. September 1998 in Kraft trat, hat folgenden Wortlaut:

"Die in der Anlage zu dieser Verordnung angeführten die Voraussetzungen des §359b Abs4 GewO 1994 erfüllenden Arten von Betriebsanlagen sind keinesfalls dem vereinfachten Verfahren gemäß §359b Abs1 GewO 1994 zu unterziehen."

Die betreffende Anlage zur Verordnung nennt insgesamt 65 Arten von Anlagen, so beispielsweise Anlagen zum Rösten, Sintern oder Schmelzen von Metallerz einschließlich sulfidischer Erze (Z1) oder Anlagen zum Räuchern von monatlich mehr als 5 t Fleisch oder Fisch (Z58).

3.3. Aufgrund des am 10. August 2000 ausgegebenen Bundesgesetzes, BGBl. I 88/2000, mit dem die GewO 1994 geändert wird, lautet §359b Abs4 Z1 GewO 1994 nunmehr wie folgt:

"1. nicht dem Abschnitt 8a betreffend die Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen unterliegt und".

Gemäß §382 Abs6 GewO 1994, idF BGBl. I 88/2000, tritt §359b Abs4 Z1 GewO 1994, idF BGBl. I 88/2000, mit dem der Kundmachung des Bundesgesetzes BGBl. I 88/2000 folgenden Monatsersten in Kraft; gleichzeitig tritt §82a GewO 1994 außer Kraft.

Mit derselben Novelle wurden dem Abs1 des §359b GewO 1994 (u.a.) folgende Sätze angefügt:

"Nachbarn (§75 Abs2) haben keine Parteistellung. In der Anlage 3 zu diesem Bundesgesetz angeführte Betriebsanlagen sind nicht dem vereinfachten Genehmigungsverfahren zu unterziehen."

II. 1. Zur Zulässigkeit des Gesetzesprüfungsverfahrens führte der Verfassungsgerichtshof in seinem Prüfungsbeschluß wörtlich folgendes aus:

"1.1. Der bekämpfte Bescheid stützt sich zwar im Spruch lediglich auf §66 Abs4 AVG 1991 idgF iVm §359b Abs1 GewO 1994. Es ist jedoch in diesem Zusammenhang von Bedeutung, daß der erstinstanzliche Bescheid vor dem Hintergrund des zu beurteilenden Sachverhaltes die Zulässigkeit eines vereinfachten Betriebsanlagenverfahrens ausdrücklich im Hinblick auf Abs4 dieser Bestimmung bejaht hatte. Wenn die belangte Behörde daher nicht nur im Spruch, sondern auch in der Begründung ihres Bescheides lediglich auf Abs1 des §359b GewO 1994 verweist, so dürfte sich nichts daran ändern, daß sie bei ihrer Entscheidung offensichtlich (stillschweigend) davon ausgegangen ist, daß die Voraussetzungen für ein vereinfachtes Verfahren nach Abs4 des §359b GewO 1994 vorlagen. Die belangte Behörde dürfte diese Vorschrift somit wohl angewendet haben."

Der Verfassungsgerichtshof ging ferner davon aus, daß auch er bei Überprüfung des bekämpften Bescheides §359b Abs4 GewO 1994 anzuwenden hätte. Er vertrat nämlich - vorläufig - die Auffassung, daß die belangte Behörde den Beschwerdeführern zu Unrecht eine Sachentscheidung vorenthalten hatte und führte hiezu aus:

"1.2.1. Das Betriebsanlagengenehmigungsrecht der GewO 1994 bezweckt in erster Linie die Prüfung, ob die beantragte Anlage dem objektiven Recht entspricht. Darüber hinaus geht es um die Frage, ob allfällige Nachbarn in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt sind (gemäß §75 Abs2, erster Satz, GewO 1994 sind Nachbarn alle Personen, die durch die Errichtung, den Bestand oder den Betrieb einer Betriebsanlage gefährdet oder belästigt oder deren Eigentum oder sonstige dingliche Rechte gefährdet werden könnten). Grundsätzlich wird diese Frage in einem kontradiktorischen gewerbebehördlichen Bewilligungsverfahren erörtert, in dem die Nachbarn die Möglichkeit haben, die vom Gesetzgeber als schutzwürdig angesehenen Interessen selbst geltend zu machen und wahrzunehmen. Aufgrund der mit der AVG-Novelle BGBl. I 158/1998 mit Wirkung ab 1. Jänner 1999 auch für den Bereich der GewO 1994 geänderten Rechtslage (vgl. VwGH 30. Juni 1999, Zl. 98/04/0215 sowie VwGH 22. Dezember 1999, Zl. 99/04/0128) besitzen (und behalten) in diesem Verfahren nämlich jene Nachbarn Parteistellung, die spätestens am Tag vor der Augenscheinsverhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen gegen die Anlage erheben (§42 Abs1 iVm §82 AVG idF der eben zitierten Novelle und §356 Abs1 GewO 1994); in der Folge ist damit auch das Berufungsrecht gegen den Genehmigungsbescheid verbunden (§359 Abs4 GewO 1994).

Handelt es sich jedoch um Anlagen, für die nach §359b GewO 1994 die Voraussetzungen für ein sogenanntes vereinfachtes Verfahren vorliegen, so kommt den Nachbarn keine Parteistellung, sondern lediglich ein Anhörungsrecht zu. Ihren Schutzinteressen wird in diesem Fall durch bescheidmäßige Erteilung der im Einzelfall erforderlichen Aufträge Rechnung getragen.

Die Rechtsstellung der Nachbarn im gewerblichen Betriebsanlagengenehmigungsverfahren hängt somit anscheinend entscheidend davon ab, ob nach §359b GewO 1994 die Voraussetzungen für ein vereinfachtes Verfahren vorliegen oder nicht. Wären diese Voraussetzungen nämlich nicht gegeben, so stünde den Nachbarn (wieder) das Recht zu, ihre Interessen im Rahmen des ordentlichen gewerbebehördlichen Verfahrens selbst wahrzunehmen. Insofern dürfte die Beurteilung der Frage, ob ein Verfahren zu Recht nach §359b GewO 1994 als vereinfachtes durchgeführt wurde, eine Vorfrage sein, von deren Beantwortung die Parteistellung der Nachbarn und insofern die Frage, wem die Artikulierung und Wahrnehmung rechtlich geschützter Interessen obliegt, direkt abhängt.

1.2.2. Der Verfassungsgerichtshof vermag vorläufig der belangten Behörde nicht zu folgen, wenn sie die Auffassung vertritt, die Frage, ob im konkreten Fall die Voraussetzungen des §359b GewO 1994 erfüllt seien, sei (ausschließlich) von der Behörde im Rahmen ihrer gesetzlichen Verantwortung ohne diesbezügliche Parteistellung der Nachbarn zu klären: Zwar bezweifelt der Verfassungsgerichtshof nicht, daß der Gesichtspunkt der Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens zur Betriebsanlagengenehmigung Einschränkungen der Nachbarrechte rechtfertigen kann, wenn typischerweise schutzwürdige Nachbarinteressen gar nicht berührt werden oder ihre Beachtung auf anderem Wege gesichert erscheint (dazu 2.1.). Der Gesichtspunkt der Verfahrensbeschleunigung scheint es aber nicht zu rechtfertigen, Parteirechte auch in solchen Fällen vorzuenthalten, in denen nach den gesetzlichen Wertungen eine Verfahrensbeschleunigung gar nicht gerechtfertigt ist. Zu diesem Ergebnis dürfte aber der von der belangten Behörde eingenommene Standpunkt führen: Haben die betroffenen Nachbarn nicht die Möglichkeit, im verwaltungsbehördlichen Verfahren überprüfen zu lassen, ob die Voraussetzungen für ein vereinfachtes Verfahren nach §359b GewO 1994 vorlagen (und ihnen somit zu Recht die Parteistellung vorenthalten wurde), so wird den Nachbarn die Parteistellung notwendigerweise auch in Fällen vorenthalten, in denen die Behörde - aus welchen Gründen immer - die Voraussetzungen eines vereinfachten Verfahrens zu Unrecht bejaht hat, rechtens jedoch ein ordentliches Genehmigungsverfahren durchgeführt hätte werden müssen, in dem die Nachbarn durch rechtzeitige Einwendungen ihre Parteistellung behalten könnten und in denen die damit allenfalls verbundene Verfahrensverzögerung jedenfalls hingenommen werden müßte. Macht der Gesetzgeber die Parteistellung von Nachbarn in bezug auf die Genehmigung von genehmigungsbedürftigen Betriebsanlagen (bei denen somit dem Grunde nach ein Schutzinteresse der Nachbarn bejaht wird) davon abhängig, ob die Voraussetzungen für eine bestimmte Art des Genehmigungsverfahrens vorliegen oder nicht, so dürfte es den aus dem rechtsstaatlichen Prinzip abzuleitenden Anforderungen widersprechen, wenn die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Art des Verfahrens ausschließlich der Behörde obläge. Der Hinweis auf das Ziel der Verfahrensbeschleunigung dürfte eine solche Regelung ebensowenig rechtfertigen wie der Umstand, daß bei Ausschluß der Parteistellung allenfalls zivilrechtliche Unterlassungs- oder Schadenersatzansprüche aufrecht bleiben. Ebensowenig dürfte es genügen, daß den Nachbarn aufgrund des §79a Abs3 iVm §79 GewO 1994 - offenbar unabhängig von ihrer Parteistellung im vorangegangenen Bewilligungsverfahren - die Möglichkeit offensteht, nach Genehmigung der Anlage ein Verfahren in Gang zu setzen, in dem die Behörde entsprechende Auflagen zu erteilen hat, wenn sich ergibt, daß die gemäß §74 Abs2 leg.cit. wahrzunehmenden Interessen trotz Einhaltung der im Genehmigungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen nicht hinreichend geschützt sind. Diese Möglichkeit, eine 'Nachbesserung' zu erreichen, dürfte mit der fehlenden Parteistellung im vereinfachten Verfahren schon deswegen nichts zu tun haben, da sie auch von Nachbarn in Anspruch genommen werden kann, die in einem vorangegangenen ordentlichen Verfahren ihre Schutzinteressen selbst hinreichend artikulieren konnten. Im übrigen scheint es dem Verfassungsgerichtshof auf der Hand zu liegen, daß die Möglichkeit, die Verletzung von Schutzinteressen ex post - nach Inbetriebnahme der Anlage - geltend zu machen, mit ihrer ex-ante-Geltendmachung im Bewilligungsverfahren selbst nicht vergleichbar ist.

1.2.3. Nach der vorläufigen Auffassung des Gerichtshofes muß somit den Nachbarn im vereinfachten Verfahren die Möglichkeit eingeräumt sein, überprüfen zu lassen, ob die Behörde zu Recht davon ausgegangen ist, daß die Voraussetzungen für diese Verfahrensvariante vorlagen. §359b GewO 1994 dürfte der Zuerkennung einer derartigen - anscheinend aus verfassungsrechtlichen Gründen gebotenen - beschränkten Parteistellung aber gar nicht entgegenstehen. Wenn dort (in Abs1) festgehalten ist, daß die Behörde 'unter Bedachtnahme auf die eingelangten Äußerungen der Nachbarn die die Anwendung des vereinfachten Verfahrens begründende Beschaffenheit der Anlage mit Bescheid festzustellen' hat, so wird damit nach der (vorläufigen) Auffassung des Gerichtshofes auch zum Ausdruck gebracht, daß den Nachbarn ein rechtliches Interesse (§8 AVG) an einer Überprüfung der Voraussetzungen des vereinfachten Verfahrens zugebilligt wird. Anders als in dem dem hg. Erkenntnis vom 26. Februar 1998, B1485/95 (VfSlg. 15.093/1998), zugrundeliegenden Fall (zur OÖ BauO) dürfte somit im vorliegenden Fall den Nachbarn die Möglichkeit gegeben sein, im Rahmen des vereinfachten Verfahrens zur Geltung zu bringen, daß in Wahrheit die Voraussetzungen für die Durchführung eines solchen Verfahrens nicht vorliegen."

Der Gerichtshof ging somit - vorläufig - davon aus, daß die belangte Behörde in der Entscheidung über die Berufung darüber abzusprechen gehabt hätte, ob die Voraussetzungen des §359b GewO 1994 im vorliegenden Fall überhaupt gegeben waren oder nicht, und daß er selbst daher bei Prüfung des Bescheides die Vorschrift des §359b Abs4 GewO 1994 anzuwenden hätte.

2. Die Erwägungen, die den Verfassungsgerichtshof zur Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens veranlaßt hatten, legte er in seinem Prüfungsbeschluß wie folgt dar:

"2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis VfSlg. 14.512/1996 betreffend §359b Abs1 GewO 1994 die Auffassung vertreten, das Fehlen der Parteistellung von Nachbarn im vereinfachten Verfahren sei mit Rücksicht auf die in den EB zur Regierungsvorlage (zu §359b GewO 1973, vgl. 341 BlgNR 17. GP) vertretene Auffassung sachlich gerechtfertigt. Den Materialien zufolge handle es sich bei den Fällen des §359b GewO aus der Sicht der Schutzinteressen des §74 Abs2 GewO um Bagatellfälle. Für diese sollte mit dem vereinfachten Genehmigungsverfahren (Auftragsverfahren) ein wichtiger Beitrag zur Verwaltungsvereinfachung geleistet und eine rasche gewerbebehördliche Entscheidung erreicht werden. Der Verfassungsgerichtshof hat dies deswegen als sachlich gerechtfertigt erachtet, weil es sich bei den betreffenden Anlagen nach den Kriterien des §359b Abs2 GewO 1994 um im Regelfall ohnedies als genehmigungsfähig anzusehende Anlagen handelt. Der Gerichtshof hat im übrigen in dieser Entscheidung darauf hingewiesen, daß er sich im damals gegebenen Zusammenhang nicht mit der Frage zu befassen habe, ob auch ein gesetzwidriger Feststellungsbescheid nach §359b GewO 1994 für die Nachbarn die Rechtswirkungen des §364a Abs1 ABGB nach sich zieht oder ob die Nachbarn Einwirkungen der Anlage auf andere Weise unterbinden oder zumindest bekämpfen können.

Der Verfassungsgerichtshof hat es sohin als sachlich gerechtfertigt angesehen, in Fällen, in denen die Genehmigungsfähigkeit von Anlagen die Regel bildet, zum Zwecke der Abkürzung des Verwaltungsverfahrens dieses dadurch zu vereinfachen, daß den Nachbarn dabei keine subjektiven öffentlichen Rechte eingeräumt werden.

2.2. Seit der GewO-Novelle 1997 (BGBl. I 63) ist das vereinfachte Verfahren nach §359b Abs4 leg.cit. auch zulässig, wenn die Anlage nicht gefahrengeneigt (§82a Abs1) ist und ihren Standort in einem Gebiet hat, das nach den für die Widmung der Liegenschaften maßgebenden Rechtsvorschriften überwiegend oder ausschließlich gewerblichen Tätigkeiten dient und in dem nach diesen Vorschriften das Errichten und Betreiben bzw. Ändern der Anlage zulässig ist. Gleichzeitig wurde durch Abs7 leg.cit. dem Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten aufgetragen, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie und dem Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales durch Verordnung jene Arten von Betriebsanlagen zu bezeichnen, die aus Gründen des vorsorgenden Umweltschutzes jedenfalls nicht dem vereinfachten Genehmigungsverfahren zu unterziehen sind, auch wenn im Einzelfall eine derartige Anlage die Voraussetzungen für die Anwendung des vereinfachten Genehmigungsverfahrens erfüllt. Eine solche Verordnung ist mit BGBl. II 265/1998 erlassen worden (siehe Punkt I.2).

2.3. Der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis VfSlg. 12.384/1990 gegen die Regelung des §15 Z1 GewO 1973 (der zufolge eine gewerbliche Tätigkeit an einem Standort nicht ausgeübt werden durfte, 'in dem die Ausübung dieser Tätigkeit im Zeitpunkt der Gewerbeanmeldung oder der Entscheidung über das Konzessionsansuchen durch Rechtsvorschriften verboten' war) keine verfassungsrechtlichen Bedenken geäußert. Er hat weder eine unzulässige dynamische Verweisung noch einen Widerspruch zum Legalitätsprinzip angenommen.

Die nunmehr in Prüfung zu ziehende Vorschrift untersagt jedoch nicht die Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit an bestimmten Standorten (die durch außer-gewerberechtliche Vorschriften bestimmt werden), sondern erlaubt es der Bewilligungsbehörde ein Verfahren ohne Parteistellung der Nachbarn durchzuführen, wenn für den Standort der geplanten Anlage eine bestimmte Widmung gegeben ist.

Der Verfassungsgerichtshof kann es im vorliegenden Zusammenhang dahingestellt sein lassen, ob es sachlich gerechtfertigt ist, bei Anlagen, die offensichtlich nicht mehr den Charakter von Bagatellanlagen haben bzw. bei denen nicht davon ausgegangen werden kann, daß sie im Regelfall als genehmigungsfähig anzusehen sind, den Nachbarn die im ordentlichen Genehmigungsverfahren eingeräumten Parteirechte vorzuenthalten. Der Gerichtshof kann es ebenso dahingestellt sein lassen, ob die vom Gesetzgeber in §359b Abs4 GewO 1994 gewählte Formulierung im Hinblick auf die verwiesenen (raumordnungsrechtlichen) Vorschriften hinreichend bestimmt ist. Der Gerichtshof hat nämlich (bereits) das Bedenken, daß der Gesetzgeber in §359b Abs4 Z2 GewO 1994 jene Kriterien, die die Voraussetzung für die Anwendung des vereinfachten Verfahrens bilden, in unsachlicher und damit dem Gleichheitssatz widersprechender Weise formuliert hat und diese Kriterien auch einer verfassungskonformen Interpretation nicht zugänglich sind:

2.4. Selbst wenn es nämlich möglich sein sollte, an Hand der maßgebenden Rechtsvorschriften mit der nach Art18 B-VG erforderlichen Bestimmtheit Widmungskategorien zu identifizieren, nach denen das fragliche Gebiet 'überwiegend oder ausschließlich gewerblichen Tätigkeiten dient', hat der Gerichtshof vorläufig das Bedenken, daß damit der Anwendungsbereich des vereinfachten Betriebsanlagegenehmigungsverfahrens von dem des ordentlichen Verfahrens in unsachlicher Weise abgegrenzt wird. Es erscheint dem Gerichtshof nämlich vorderhand nicht einsichtig, warum der Umstand, daß eine Anlage ihren Standort in einem solchen Gebiet hat, die Aberkennung von Nachbarrechten rechtfertigen könnte, die einzuräumen wären, hätte die Anlage ihren Standort außerhalb eines solchen Gebietes. Zwar dürfte es dem Gesetzgeber bei der Abgrenzung zwischen den verschiedenen Genehmigungsverfahren unbenommen sein, darauf Rücksicht zu nehmen, daß eine Anlage nur jene Emissionen verursacht, die auch von den umliegenden (benachbarten) Gewerbebetrieben ausgehen, weil es - zumindest vorläufig - plausibel erscheint, den Nachbarn Parteirechte zu versagen, wenn die vom zu genehmigenden Betrieb ausgehenden Emissionen qualitativ und quantitativ etwa gleicher Art sind, wie sie die benachbarten Betriebe verursachen.

2.5. Der Anwendungsbereich der in Prüfung gezogenen Vorschrift dürfte aber weit über diese Fallgruppe hinausreichen:

Zum einen erfaßt die Vorschrift anscheinend auch Fälle, in denen die von der zu genehmigenden Anlage ausgehenden Emissionen qualitativ und quantitativ anderer Art sind als diejenigen, die von den bereits bestehenden Betrieben ausgehen. Zum anderen aber dürfte mit der in Prüfung gezogenen Vorschrift das vereinfachte Genehmigungsverfahren auch für jene Anlagen zugelassen werden, die direkt an der Grenze zu Gebieten liegen bzw. von Gebieten umgeben sind, die nach den raumordnungsrechtlichen Vorschriften nicht (überwiegend) gewerblichen Tätigkeiten dienen, in denen solche vielleicht sogar überhaupt nicht zulässig wären. Selbst unter Berücksichtigung des raumordnungsrechtlichen Prinzips der Vermeidung konfligierender Widmungen ist es dem Gerichtshof vorderhand nicht einsichtig, warum allein der Umstand, daß für ein bestimmtes Gebiet eine Widmung ausgesprochen wird, die gewerbliche Tätigkeiten bestimmten Umfanges zuläßt, es rechtfertigen kann, den Nachbarn die andernfalls eingeräumten Parteirechte zu entziehen, stehen doch die in diesem Zusammenhang wahrzunehmenden individuellen Schutzinteressen mit der raumordnungsrechtlichen Widmung anscheinend in keinem direkten Zusammenhang.

2.6. Diese vorläufig angenommene Unsachlichkeit bei der Umschreibung der für das vereinfachte Genehmigungsverfahren nach §359b Abs4 GewO 1994 maßgebenden Kriterien wird anscheinend auch weder durch den letzten Halbsatz dieser Bestimmung noch durch Abs7 leg.cit., noch durch §79a iVm §79 GewO 1994 beseitigt.

2.6.1. Wenn §359b Abs4 Z2 leg.cit. nicht nur auf die Widmung abstellt, sondern zusätzlich darauf, daß in dem Gebiet nach den raumordnungsrechtlichen Vorschriften das Errichten und Betreiben der Anlage zulässig ist, so mag dem das Bestreben des Gesetzgebers zugrunde liegen, den Anwendungsbereich des vereinfachten Betriebsanlagegenehmigungsverfahrens in Übereinstimmung mit der in den Raumordnungsgesetzen bei den Widmungskategorien 'Industrie- und Gewerbegebiet' regelmäßig getroffenen Abstufung zu bringen (vgl. etwa §23 Abs5 litd bis e1 des Stmk. ROG). Dem Gerichtshof scheint es aber zumindest vorläufig bedenklich, den notwendigerweise auf die individuellen Verhältnisse abstellenden Schutz von Nachbarinteressen mit der notwendigerweise abstrakt und generalisierend formulierten raumordnungsrechtlichen Widmung zu verknüpfen, die offenbar auf Betriebstypen und nicht auf konkrete Betriebe abstellen (vgl. z.B. §23 Abs5 lite leg.cit., wonach zum Industrie- und Gewerbegebiet II Flächen gehören, die für solche Betriebe und Anlagen bestimmt sind, 'die keine unzumutbaren Belästigungen oder gesundheitsgefährdenden Immissionen verursachen'; zur Maßgeblichkeit von Betriebstypen vgl. z. B. VfSlg. 14.866/1997; VwGH 29. April 1997, Zl. 96/05/0210). Der Umstand, daß eine Anlage ihren Standort in einem Gebiet hat, in dem nach raumordnungsrechtlichen Kriterien das Errichten dieser Anlage zulässig ist, dürfte nämlich nicht hinreichend sichern, daß jene (individuellen) Interessen, die von den Nachbarn im ordentlichen Genehmigungsverfahren artikuliert, vertreten und allenfalls durchgesetzt werden können, auch nur typischerweise als berücksichtigt angesehen werden können.

2.6.2. Ebensowenig dürften die Bedenken gegen die mit Abs4 getroffene Abgrenzung durch die Vorschrift des §359b Abs7 GewO 1994 entkräftet werden können. Wenn in dieser Vorschrift der (nunmehrige) Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit verpflichtet wird, durch Verordnung jene Arten von Betriebsanlagen zu bezeichnen, die aus Gründen des vorsorgenden Umweltschutzes jedenfalls nicht dem vereinfachten Genehmigungsverfahren zu unterziehen sind, dann mag dies in manchen Fällen dazu führen, daß Anlagen, für die an sich die Voraussetzungen des Abs4 zutreffen, einem ordentlichen Genehmigungsverfahren unterworfen werden müssen und demnach auch den betroffenen Nachbarn Parteirechte eingeräumt werden. Die in Abs7 vorgesehene "Negativliste" dürfte aber angesichts der gesetzlichen Verordnungsermächtigung eine Zielrichtung haben, die mit den Nachbarrechten nichts oder nur entfernt zu tun hat. Der Verordnungsgeber hat sich nämlich bei der Erstellung der Liste an dem Gesichtspunkt des vorsorgenden Umweltschutzes (und nur an diesem) zu orientieren. Der Gerichtshof geht zumindest vorläufig davon aus, daß damit die Auswirkung von Betriebsanlagen auf die Allgemeinheit und damit das generelle Ziel des Umweltschutzes angesprochen wird, nicht aber die spezielle Situation der konkreten Nachbarn. Die Vorschrift (und die auf sie gestützte Verordnung) kann anscheinend nicht verhindern, daß Betriebsanlagen, die erhebliche Auswirkungen auf die benachbarten Grundstücke haben, dem vereinfachten Genehmigungsverfahren unterworfen werden (weil keine Gesichtspunkte des vorsorgenden Umweltschutzes erkennbar sind, die ihre Aufnahme in die Negativliste rechtfertigen könnten).

2.6.3. Daß die auf 'Nachbesserung' gerichtete Antragsmöglichkeit der Nachbarn nach §79a iVm §79 GewO 1994 anscheinend nicht geeignet ist, die fehlende Parteistellung der Nachbarn im Bewilligungsverfahren zu ersetzen, wurde schon oben dargelegt (1.2.2.). Umso weniger dürfte diese Antragsmöglichkeit dann aber geeignet sein, die Bedenken ob der Sachlichkeit der in §359b Abs4 GewO 1994 aufgestellten Kriterien für ein vereinfachtes Bewilligungsverfahren zu zerstreuen.

3. Da die Z2 des §359b Abs4 GewO 1994 mit dem Einleitungssatz sowie der Z1 des §359b Abs4 GewO 1994 eine untrennbare Einheit bildet, ist der gesamte Abs4 des §359b GewO 1994 in Prüfung zu ziehen."

3. Die Bundesregierung erstattete im Gesetzesprüfungsverfahren auf Grund ihres Beschlusses vom 12. September 2000 eine Äußerung, in der sie den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes entgegentritt und beantragt, die in Prüfung gezogene Bestimmung nicht als verfassungswidrig aufzuheben. Für den Fall der Aufhebung stellt die Bundesregierung den Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge gemäß Art140 Abs5 B-VG für das Außerkrafttreten eine Frist von einem Jahr bestimmen, um legistische Vorkehrungen treffen zu können.

3.1. Die Bundesregierung legt in ihrer Äußerung dar, warum sie der (vorläufigen) Ansicht des Verfassungsgerichtshofes, §359b Abs4 GewO 1994, idF BGBl. I 63/1997, sei gleichheits- und damit verfassungswidrig, nicht zu folgen vermag und führt wörtlich folgendes aus:

"1.1. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes besteht keine Verfassungsnorm, abgesehen von Einzelfällen wie Art119a B-VG, die Parteirechte in einem Verfahren überhaupt oder in einem bestimmten Umfang garantiert. Den Umfang der Parteirechte in einem Verwaltungsverfahren bestimmt der einfache Gesetzgeber. Das die Parteirechte bestimmende Gesetz könnte allerdings aus dem Grund mangelnder Determinierung oder wegen Verstoßes gegen das Gleichheitsgebot verfassungswidrig sein (s. etwa mwH VfSlg. 15.274/1998)."

Im Lichte dieser Rechtsprechung - so die Bundesregierung weiter - vermöge jedoch schon die "Ausgangslage" des Verfassungsgerichtshofes nicht zu überzeugen, wonach - bei gebotener verfassungskonformer Auslegung - §359b Abs1 GewO 1994 "den Nachbarn beschränkte Parteistellung insoweit einräume, als diese die Möglichkeit haben müssten, 'überprüfen zu lassen, ob die Behörde zu Recht davon ausgegangen ist, dass die Voraussetzungen für diese Verfahrensvariante vorliegen.' Denn das vom Verfassungsgerichtshof nunmehr herangezogene rechtsstaatliche Prinzip könnte nur dann allenfalls zum Tragen kommen, sollte §359b Abs1 GewO 1994 tatsächlich Zweifel an der Parteistellung der Nachbarn aufwerfen (s. Stolzlechner in FS Walter, Wien 1991, 665 ff. (671 f.))." Davon könne jedoch im vorliegenden Fall keine Rede sein, sei doch hier ausdrücklich nicht nur normiert, "dass die Nachbarn ... von ihrem Anhörungsrecht Gebrauch machen können", sondern es werde auch die "Bedachtnahme auf die eingelangten Äußerungen der Nachbarn" vorgesehen, während in den übrigen anlagenrechtlichen Bestimmungen jeweils ausdrücklich die Parteistellung angesprochen werde. Auch die Erläuterungen zu §359b GewO 1994 (RV 575 BlgNR 20. GP) sprächen von der Anhörung der Nachbarn. Nicht zuletzt würde bei der Annahme einer eingeschränkten Parteistellung der Nachbarn das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel der Verfahrensbeschleunigung nicht unbeträchtlich unterlaufen.

Es dürfte in diesem Zusammenhang auch nicht von Belang sein, "ob die Einräumung von Parteirechten in Form von 'Schreiparteien' oder im nunmehr vom AVG-Gesetzgeber gewählten Weg erfolgt". Die Bundesregierung weist überdies darauf hin, daß auch im Verfahren, das dem hg. Erkenntnis VfSlg. 14.512/1996 zugrundegelegen war, Nachbarn Schutzinteressen bloß ex post hätten geltend machen können, ohne daß dies der Verfassungsgerichtshof "extrapoliert" hätte.

3.2. Zur in Prüfung genommenen Bestimmung des §359b Abs4 GewO 1994 führt die Bundesregierung sodann wörtlich aus, daß

"diese nicht nur - wie es die Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes vermuten ließen - ein Kriterium enthält, sondern im Grunde die folgenden fünf Kriterien: Die geplante Betriebsanlage darf nicht bereits vom 'Abs1 Z1 oder 2' oder von 'einer Verordnung gemäß Abs2 oder 3' erfasst sein, sie darf weiters nicht gefahrengeneigt sein, muss ihren Standort in einem Gebiet haben, das nach den für die Widmung der Liegenschaften maßgebenden Rechtsvorschriften überwiegend oder ausschließlich gewerblichen Tätigkeiten dient, muss ihren Standort in einem Gebiet haben, in dem nach den für die Widmung der Liegenschaften maßgebenden Rechtsvorschriften das Errichten und Betreiben bzw. Ändern der Anlage zulässig ist, und darf schließlich nicht in einer Verordnung gemäß §359b Abs7 GewO 1994 bezeichnet sein (siehe hiezu die Verordnung BGBl. II Nr. 265/1998, mit der jene Arten von Betriebsanlagen bezeichnet werden, die keinesfalls dem vereinfachten Genehmigungsverfahren zu unterziehen sind)."

Weiters sei festzuhalten, daß auch in jenen Fällen, "die dem §359b Abs4 GewO 1994 unterliegen, selbstverständlich davon auszugehen ist, dass auch diese Gesetzesstelle - bloß - genehmigungsfähige Betriebsanlagen anspricht". Angesichts der zahlreichen Kriterien des §359b Abs4 GewO 1994 sei vielmehr geradezu davon auszugehen, daß auch Betriebsanlagen, für die das vereinfachte Genehmigungsverfahren in Betracht käme, genehmigungsfähig seien.

Die Bundesregierung weist auch daraufhin, daß nicht nur in den Fällen des §359b Abs2 GewO 1994, sondern auch in den Fällen des §359b Abs4 leg.cit. durch den Verweis auf Abs1 sichergestellt sei, daß erforderlichenfalls Aufträge zum Schutz der gemäß §74 Abs2 GewO 1994 sowie der gemäß §77 Abs3 und 4 GewO 1994 wahrzunehmenden Interessen erteilt würden. Ebenso wie in den Fällen des §359b Abs2 leg.cit. sei daher auch in den Fällen des §359b Abs4 leg.cit. die Genehmigungsfähigkeit im Einzelfall "widerlegungsfähig".

"Außerdem wurde mit Abs4 die seit dem Jahre 1988 kontinuierlich betriebene Ausweitung der 'Bagatellfälle' mit einem Konzept ergänzt, dessen Determinanten sich aus den oben (Pkt. 2.1 erster Absatz) dargestellten Kriterien ergeben."

Es sei zuzugeben - so die Bundesregierung -, "dass §359b Abs4 GewO 1994 in seiner Z2 als eine Voraussetzung festlegt, dass sich das Ansuchen auf eine Anlage bezieht, die ihren 'Standort in einem Gebiet hat, das nach den für die Widmung der Liegenschaften maßgebenden Rechtsvorschriften überwiegend oder ausschließlich gewerblichen Tätigkeiten dient ...'." Dennoch könne darin kein gravierender Unterschied zur Regelung des §15 Z1 GewO 1973 erblickt werden, der an den betreffenden Flächenwidmungsplan anknüpfte. Wenngleich der Normsetzer von Flächenwidmungsplänen andere Ziele und Interessen verfolge als ein Genehmigungsverfahren für Betriebsanlagen, so könne doch schon unter Bedachtnahme auf das Berücksichtigungsgebot nicht schlechthin angenommen werden, daß die anlagenrechtlichen Bestimmungen der GewO 1994 allein schon deswegen "verfassungsrechtliche Bedenken aufwerfen, weil sie auch auf die Interessen der Raumordnung Bedacht nehmen". Selbst wenn §359b GewO 1994 nicht auf den Flächenwidmungsplan abstelle, dürfte angesichts des Kumulationsprinzips für den Anlagenwerber nichts gewonnen sein.

Es liege im Wesen von Grenzziehungen, daß sie immer eine gewisse Unschärfe mit sich brächten; "im vorliegenden Fall wird dieser Unschärfe im Hinblick auf die zu wahrenden betriebsanlagenrechtlichen Schutzinteressen insofern begegnet, als der vom Verfassungsgerichtshof angesprochenen 'Grenzlage' von Grundstücken erforderlichenfalls durch Aufträge gemäß §359b Abs1 GewO 1994 Rechnung getragen werden müsste".

3.3. Was schließlich §359b Abs7 GewO 1994 anbelange, sei darauf hinzuweisen, daß es im §359b Abs4 GewO 1994 (allein) (noch) nicht um den Schutz von Nachbarinteressen gehe, sondern vielmehr um fünf Voraussetzungen, die erfüllt sein müßten, damit ein bestimmtes Anlagenprojekt dem vereinfachten Genehmigungsverfahren zu unterziehen sei. Dies, und gegebenenfalls wie die Schutzinteressen zu wahren seien, ergebe sich durch den im §359b Abs4 GewO 1994 enthaltenen Verweis auf Absl leg.cit.

§359b Abs7 GewO 1994 sei im Rahmen der Gewerberechtsnovelle BGBl. I 63/1997 geschaffen worden, um einen sachlich nicht gerechtfertigt weiten Anwendungsbereich des vereinfachten Genehmigungsverfahrens zu verhindern. Die enge Verbindung zwischen

§359b Abs7 leg.cit. und §359b Abs4 leg.cit. zeige sich auch aus den Inkrafttretensregelungen des ArtIII Abs1 des 2. Abschnitts des Bundesgesetzes BGBl. I 63/1997, die aufeinander abgestimmt seien.

"Die vom Verfassungsgerichtshof vertretene Auffassung, dass Angelegenheiten des vorsorgenden Umweltschutzes 'nichts oder nur entfernt' mit Nachbarrechten zu tun haben, wird im Hinblick auf jene Schutzinteressen des §74 Abs2 GewO 1994, die Nachbarn betreffen, nicht geteilt. Was die 'Auswirkungen von Betriebsanlagen auf die Allgemeinheit' betrifft, so zählen zur 'Allgemeinheit' wohl zunächst die der Betriebsanlage unmittelbar benachbarten Liegenschaften und die darauf befindlichen Personen."

3.4. Zu §79 GewO 1994 merkt die Bundesregierung an, daß dieser dann zur Anwendung gelange, wenn sich nach Genehmigung der Anlage ergebe, daß die gemäß §74 Abs2 leg.cit. wahrzunehmenden Interessen trotz Einhaltung der im Genehmigungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen nicht hinreichend geschützt seien. Diese Regelung (allenfalls in Verbindung mit §79a leg.cit.) sei keinesfalls geschaffen worden, um mangelnde Parteistellungen zu kompensieren, sondern komme vielmehr für jede Art genehmigter gewerblicher Betriebsanlagen in Betracht.

4. Die im Anlaßverfahren beteiligte Partei hat im Gesetzesprüfungsverfahren ebenfalls Äußerungen erstattet, in der sie die Parteistellung der Nachbarn hinsichtlich der Frage, ob die Voraussetzungen des vereinfachten Genehmigungsverfahrens vorliegen, bejaht, im übrigen aber die Auffassung vertritt, §359b Abs4 GewO 1994 sei im vorliegenden Verfahren gar nicht präjudiziell.

5. Die im Anlaßverfahren beschwerdeführenden Parteien erstatteten mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2000 ebenfalls eine Äußerung; in dieser treten sie mit ins Einzelne gehender Begründung den Ausführungen der beteiligten Partei entgegen und den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes gegen die in Prüfung genommene Regelung bei.

III. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zur Zulässigkeit des Gesetzesprüfungsverfahrens:

1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist - wie bereits dargelegt - in seinem Prüfungsbeschluß (mit ausführlicher Begründung) vorläufig davon ausgegangen, daß die belangte Behörde in der Entscheidung über die Berufung darüber abzusprechen gehabt hätte, ob die Voraussetzungen des §359b GewO 1994 im vorliegenden Genehmigungsverfahren überhaupt vorgelegen wären, und daß er selbst daher bei Prüfung des Bescheides §359b Abs4 GewO 1994 anzuwenden hätte.

1.2. Diese Annahme hat sich bestätigt. Die Äußerung der Bundesregierung ist nicht geeignet, sie zu entkräften.

Wenn die Bundesregierung in diesem Zusammenhang meint, das vom Gerichtshof zur Begründung einer (beschränkten) Parteistellung herangezogene rechtsstaatliche Prinzip könne nur ("allenfalls") zum Tragen kommen, sollte §359b Abs1 GewO 1994 tatsächlich Zweifel an der Parteistellung der Nachbarn aufwerfen (was jedoch nicht der Fall sei), so ist ihr folgendes zu entgegnen:

Der Verfassungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung - so auch in dem von der Bundesregierung zitierten Erkenntnis VfSlg. 15.274/1998 (mit zahlreichen weiteren Hinweisen) - die Auffassung, daß grundsätzlich keine Verfassungsnorm besteht, die Parteirechte in einem Verfahren überhaupt oder in einem bestimmten Umfang garantiert. Den Umfang der Parteirechte in einem Verwaltungsverfahren bestimmt der einfache Gesetzgeber. Das die Parteirechte bestimmende Gesetz könnte allerdings aus dem Grunde mangelnder Determinierung oder wegen Verstoßes gegen das Gleichheitsgebot verfassungswidrig sein.

Der Gerichtshof bezweifelt nicht, daß nach dem Konzept des §359b Abs1 GewO 1994 bei Vorliegen der Voraussetzungen für ein vereinfachtes Betriebsanlagengenehmigungsverfahren den Nachbarn keine Parteistellung, sondern prinzipiell nur Anhörungsrechte zukommen sollen (die erwähnte Ergänzung des Abs1 durch die Novelle BGBl. I 88/2000 hat dies nunmehr ausdrücklich klargestellt). Andernfalls wäre in der Tat die mit dieser Variante des Genehmigungsverfahrens intendierte Verfahrensbeschleunigung von vornherein nicht zu erreichen. Der Gerichtshof ist jedoch in seinem Prüfungsbeschluß - mit ausführlicher, oben bereits wiedergegebener Begründung - (vorläufig) davon ausgegangen, daß es verfassungsrechtlich bedenklich sei, den Nachbarn Parteistellung auch bei Beurteilung der Frage zu versagen, ob die Voraussetzungen für ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren überhaupt vorliegen, und diese Beurteilung allein der Behörde zu überlassen. Diese Bedenken, die sich letztlich gegen eine unsachliche Ungleichbehandlung gleicher Fälle richten (nämlich jener Nachbarn, die im Rahmen eines ordentlichen Genehmigungsverfahrens Parteistellung besitzen, einerseits und jener, die diese Parteistellung nur deswegen nicht besitzen, weil die Behörde zu Unrecht die Voraussetzungen eines vereinfachten Verfahrens angenommen oder behauptet hat, andererseits) sind im Verfahren nicht zerstreut worden; die Bundesregierung hat ihnen nichts entgegengehalten. Nun läßt der Text des §359b Abs1 GewO 1994 es durchaus zu, den Nachbarn eine auf diese Frage beschränkte Parteistellung zuzugestehen. Wenn nämlich dort angeordnet ist, daß die Behörde unter Bedachtnahme auf die eingelangten Äußerungen der Nachbarn die die Anwendung des vereinfachten Verfahrens begründende Beschaffenheit der Anlage mit Bescheid festzustellen hat, so wird damit eine bescheidmäßige Reaktion der Behörde auf das Vorbringen der Nachbarn angeordnet, die unverständlich wäre, wenn sie einer weiteren Überprüfung im Rechtswege nicht zugänglich wäre. Eine solche Anordnung kann daher jedenfalls auch so verstanden werden, daß damit den Nachbarn ein rechtliches Interesse an einer Überprüfung der Voraussetzungen des vereinfachten Verfahrens - und damit eine auf diese Frage beschränkte Parteistellung - zugebilligt wird (der Ausschluß der Parteistellung sich somit auf die Durchführung des vereinfachten Verfahrens selbst bezieht). Läßt §359b Abs1 GewO 1994 eine solche Auslegung zu und hätte die gegenteilige Auslegung ein verfassungswidriges Ergebnis zur Folge, weil dann die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen für das vereinfachte Bewilligungsverfahren in unsachlicher Weise allein der Behörde obläge, so ist eine verfassungskonforme Interpretation im dargelegten Sinn nicht nur zulässig, sondern geboten.

Der Verfassungsgerichtshof verkennt dabei nicht, daß damit das Ziel der Verfahrensbeschleunigung beeinträchtigt werden kann; er übersieht auch nicht die Gefahr mißbräuchlicher Inanspruchnahme von umfassend ausgestalteten Nachbarrechten (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom 1. Oktober 1999, G73/99, zur Tiroler Bauordnung). Es ist jedoch zu bedenken, daß einerseits die Frage, ob die Voraussetzungen für das vereinfachte Bewilligungsverfahren vorliegen, in der Regel ohne aufwendige Ermittlungen beantwortet werden kann und daß andererseits im Fall einer vereinfachten Betriebsanlagengenehmigung, deren Voraussetzungen von der Behörde zu Unrecht angenommen wurden, den Nachbarn Parteirechte vollkommen entzogen werden.

Wenn die Bundesregierung (der Sache nach) darauf verweist, der Verfassungsgerichtshof habe im hg. Erkenntnis VfSlg. 14.512/1996 die fehlende Parteistellung der Nachbarn im vereinfachten Genehmigungsverfahren nicht beanstandet, so trifft dies wohl zu. Der Verfassungsgerichtshof hatte sich damals aber mit dem vom Verwaltungsgerichtshof vorgebrachten Bedenken auseinanderzusetzen, der Ausschluß der Parteistellung des Nachbarn im vereinfachten Verfahren nach §359b Abs1 GewO 1994 widerspreche dem Gleichheitssatz. Er hat dieses Bedenken deswegen nicht geteilt, weil es sich bei den betroffenen Anlagen um Bagatellfälle handelte, die im Regelfall als genehmigungsfähig anzusehen waren. Im nunmehr zu beurteilenden Fall geht es hingegen (bloß) um die Frage, ob den Nachbarn die Parteistellung in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise auch hinsichtlich der Frage vorenthalten werden kann, ob die Voraussetzungen für das vereinfachte Verfahren überhaupt vorliegen. Diese Frage ist vor dem Hintergrund einer Rechtslage zu prüfen, die - wie die Bundesregierung selbst ausführt - durch eine seit dem Jahre 1988 kontinuierlich betriebene Ausweitung der Bagatellfälle gekennzeichnet ist. Auf die Frage, ob den Nachbarn im vereinfachten Verfahren aus verfassungsrechtlichen Gründen eine beschränkte Parteistellung eingeräumt werden müsse, war aus der Sicht des damaligen Falles mangels eines entsprechenden Vorbringens des Verwaltungsgerichtshofes nicht einzugehen, hat sich der Verfassungsgerichtshof doch in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B-VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken (VfSlg. 13.704/1994 mwN).

Der Gerichtshof bleibt daher bei der im Prüfungsbeschluß (vorläufig) geäußerten Meinung, daß die belangte Behörde den Beschwerdeführern des Anlaßverfahrens zu Unrecht eine Sachentscheidung vorenthalten hat und daß er daher bei Überprüfung des bekämpften Bescheides die Vorschrift des §359b Abs4 GewO 1994 anzuwenden hat.

2. In der Sache:

2.1. Auch die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes gegen die in Prüfung gezogene Norm haben sich als zutreffend erwiesen und konnten von den Argumenten der Bundesregierung nicht zerstreut werden:

Der Verfassungsgerichtshof übersieht nicht, daß ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren nach §359b Abs4 GewO 1994 nur bei Vorliegen mehrerer Voraussetzungen zulässig ist. Wenn die Bundesregierung daraus freilich den Schluß zieht, es sei angesichts der zahlreichen Kriterien des §359b Abs4 GewO 1994 "geradezu davon auszugehen, dass auch Betriebsanlagen, für die das vereinfachte Genehmigungsverfahren in Betracht kommt, genehmigungsfähig sind" (und damit offenbar die rechtlichen Erwägungen im Erkenntnis VfSlg. 14.512/1996 aufgreift), so vermag der Gerichtshof dem nicht zu folgen.

Daß ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren nach §359b Abs4 GewO 1994 nicht in Betracht kommt, wenn ein solches bereits nach Abs1 Z1 oder 2 oder auf Grund einer Verordnung nach Abs2 oder 3 dieser Bestimmung durchzuführen ist, ist kein zusätzliches "Kriterium" für das Verfahren nach Abs4, sondern bedeutet nur, daß jene Fälle, für die bereits die Voraussetzungen nach den genannten Vorschriften vorliegen (nach der historischen Entwicklung der Norm handelte es sich dabei wenigstens ursprünglich tatsächlich um Bagatellfälle), gar nicht unter Abs4 fallen. Es ist offenkundig, daß damit keineswegs gesichert ist, daß dem Abs4 typischerweise nur genehmigungsfähige Anlagen unterworfen sind. Geht man im Sinne des hg. Erkenntnisses VfSlg. 14.512/1996 davon aus, daß Abs1 des §359b GewO 1994 sowie die nach Abs2 oder 3 dieser Bestimmung erlassenen Verordnungen weiterhin die prinzipiell genehmigungsfähigen Bagatellfälle abdecken (was - wie schon angedeutet - im Hinblick auf die in der Zwischenzeit wesentlich gelockerten Voraussetzungen keineswegs mehr sicher ist), so liegt gerade der gegenteilige Schluß nahe: daß nämlich Abs4 Fälle umfaßt, bei denen es sich nicht um (normalerweise ohnehin genehmigungsfähige) Bagatellfälle handelt.

Von der Möglichkeit des vereinfachten Verfahrens nach §359b Abs4 GewO 1994, idF BGBl. I 63/1997, sind aber lediglich jene Anlagen ausgenommen, die gefahrengeneigt (im Sinn des §82a Abs1 GewO 1994) sind, sowie jene, für die in einer Verordnung nach §359b Abs7 GewO 1994 festgestellt wird, daß sie aus Gründen des vorsorgenden Umweltschutzes jedenfalls nicht dem vereinfachten Genehmigungsverfahren zu unterziehen sind. Es bedarf nun keiner weiteren Ausführung, daß es sachlich keinesfalls begründbar wäre, lediglich gefahrengeneigte Anlagen (vgl. hiezu die Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über die Bezeichnung gefahrengeneigter Anlagen und über die den Inhaber einer solchen Anlage in bezug auf Störfälle treffenden Verpflichtungen, Störfallverordnung, BGBl. 593/1991) dem "ordentlichen" Genehmigungsverfahren zu unterwerfen.

2.2. Was hingegen die Negativliste in der nach §359b Abs7 GewO 1994 zu erlassenden Verordnung angeht, so hat der Gerichtshof schon im Prüfungsbeschluß vorläufig die Meinung geäußert, daß der nach dieser Norm maßgebende Gesichtspunkt des vorsorgenden Umweltschutzes eine andere Zielrichtung hat als den Schutz der Interessen der Nachbarn. Der Gerichtshof stimmt der Bundesregierung zu, daß der Umstand, daß eine Anlage in diese Negativliste aufgenommen und damit dem vereinfachten Bewilligungsverfahren entzogen ist, auch den Interessen der unmittelbaren Nachbarn dient. Das ändert jedoch nichts daran, daß der in §359b Abs7 GewO 1994 tragende Gesichtspunkt des vorsorgenden Umweltschutzes nicht geeignet erscheint, den Umfang der nach §359b Abs4 GewO 1994 genehmigungsfähigen Anlagen so weit einzuschränken, daß lediglich Anlagen übrigbleiben, die typischerweise genehmigungsfähig sind. Wäre dies so, dann wäre der gesamte Aufbau des §359b GewO 1994 unverständlich. Es wäre dann nämlich nahegelegen, für alle (nicht gefahrengeneigten) Betriebsanlagen ein vereinfachtes Bewilligungsverfahren vorzusehen und davon nur jene Anlagen auszunehmen, für die aus Gründen des vorsorgenden Umweltschutzes etwas anderes gelten soll (und die daher in eine auf Grund des nunmehrigen Abs7 des §359b GewO 1994 erlassene Verordnung aufgenommen werden).

2.3. Damit bleibt es aber dabei, daß in einer nicht zu vernachlässigenden Anzahl von Fällen die Frage, ob für die Genehmigung einer Betriebsanlage das ordentliche oder das vereinfachte Verfahren zur Anwendung kommt, allein von dem Umstand abhängt, ob sie ihren Standort in einem Gebiet hat, das nach den raumordnungsrechtlichen Vorschriften überwiegend oder ausschließlich gewerblichen Tätigkeiten dient und in dem nach diesen Vorschriften das Errichten und Betreiben bzw. Ändern der Anlage zulässig ist. Wenn die Bundesregierung in diesem Zusammenhang meint, die anlagerechtlichen Bestimmungen der GewO 1994 könnten nicht schon deswegen verfassungsrechtliche Bedenken aufwerfen, weil sie auch auf die Interessen der Raumordnung Bedacht nehmen, so verkennt sie die Bedenken des Gerichtshofes. Diese gingen dahin, daß es ihm (vorläufig) unsachlich erschien, warum der Umstand, daß eine Anlage ihren Standort in einem derart definierten Gebiet hat, die Aberkennung von Nachbarrechten rechtfertigen könne, die einzuräumen wären, hätte die Anlage ihren Standort außerhalb eines solchen Gebietes. Der - von der Bundesregierung vorgebrachte - Umstand, daß die Behörde nach §359b Abs1 GewO 1994 erforderlichenfalls Aufträge zum Schutz der (u.a.) gemäß §74 Abs2 GewO 1994 geschützten Interessen zu erteilen hat, ist dabei nicht geeignet, diese Bedenken zu entkräften. Derartige Aufträge sind in jedem vereinfachten Genehmigungsverfahren von der Behörde zu erteilen, während sie im ordentlichen Genehmigungsverfahren von den Nachbarn gefordert werden können. Die Bedenken des Gerichtshofes gehen aber gerade dahin, daß nach §359b Abs4 GewO 1994 ausschließlich die raumordnungsrechtliche Widmung darüber entscheidet, ob die Nachbarn ihre Schutzinteressen selbst artikulieren und wahrnehmen können oder ob sie darauf angewiesen sind, daß die Behörde entsprechende Aufträge erteilt.

3. Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes haben sich daher als zutreffend erwiesen. Da §359b Abs4 GewO 1994 durch die Novelle BGBl. I 88/2000 mit Wirkung vom 1. September 2000 eine neue Fassung erhalten hat, hatte sich der Verfassungsgerichtshof auf die Feststellung zu beschränken, daß §359b Abs4 GewO 1994, idF BGBl. I 63/1997, verfassungswidrig war.

Im Hinblick darauf war auch die Setzung einer Frist im Sinne des Art140 Abs5 B-VG entbehrlich.

4. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruchs im Bundesgesetzblatt I erfließt aus Art140 Abs5 B-VG und §§64 f. VerfGG iVm §2 Abs1 Z4 BGBlG, BGBl. 660/1996.

IV. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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