VfGH G642/2015

VfGHG642/201518.2.2016

Zurückweisung eines Parteiantrags auf Aufhebung von Bestimmungen des GleichbehandlungsG mangels Darlegung von verfassungsrechtlichen Bedenken

Normen

B-VG Art140 Abs1 Z1 litd
GleichbehandlungsG §26 Abs1
VfGG §62 Abs1
B-VG Art140 Abs1 Z1 litd
GleichbehandlungsG §26 Abs1
VfGG §62 Abs1

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Antrag

1. Mit einer am 28. April 2015 beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht eingebrachten und am 2. Juli 2015 modifizierten Klage begehrte die Antragstellerin von der erstbeklagten Partei Schadenersatz in Höhe von € 2.000,- samt Anhang sowie von der zweitbeklagten Partei Schadenersatz in Höhe von € 1.500,- samt Anhang. Mit Urteil vom 12. Oktober 2015 gab das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz dem Klagebegehren teilweise statt und verurteilte die erst- und zweitbeklagte Partei jeweils zur Zahlung von Schadenersatz in Höhe von € 500,- samt Anhang, das darüber hinaus gehende Mehrbegehren wies das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz ab. Gegen dieses Urteil erhob die Antragstellerin hinsichtlich der Abweisung des Mehrbegehrens fristgerecht am 30. November 2015 das zulässige Rechtsmittel der Berufung an das Oberlandesgericht Graz.

2. Am selben Tag stellte die Antragstellerin beim Verfassungsgerichtshof einen auf Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG gestützten Antrag, in dem sie die Aufhebung der Wortfolge "bis 500 Euro" in §26 Abs1 Z2 des Bundesgesetzes über die Gleichbehandlung (Gleichbehandlungsgesetz ‑ GlBG), BGBl I 66/2004, als verfassungswidrig beantragt.

2.1. Im Antrag wird unter der Überschrift "Vorbemerkungen und Zulässigkeit der Antragstellung" ausgeführt, dass die angefochtene Bestimmung nicht richtlinienkonform umgesetzt worden sei. Durch die richtlinienwidrige Umsetzung der Richtlinie 2006/54/EG zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (im Folgenden: GleichbehandlungsRL), ABl. 2006 L 204, 23, werde die Antragstellerin "in ihrem Recht auf tatsächlichen und wirksamen Rechtsschutz, im Sinne eines der Höhe nach angemessenen Schadenersatzes mit tatsächlich abschreckender Wirkung gegenüber dem diskriminierenden Arbeitgeber (i[n] Zusammenhang mit de[m] Tragen eines Kopftuches aus religiösen Gründen) sowie in Relation zum erlittenen Schaden stehenden Schadenersatzes, verletzt."

2.2. Daran anschließend legt die Antragstellerin nach Wiedergabe der Bestimmung des Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG dar, dass sie klagende Partei im Verfahren vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen gewesen sei, das erstinstanzliche Verfahren entschieden sei und sich das Erstgericht hinsichtlich der teilweisen Abweisung des Mehrbegehrens auf die angefochtene Norm des §26 Abs1 Z2 GlBG gestützt habe. Die Antragstellerin habe fristgerecht Berufung erhoben und den Antrag auf Normenkontrolle gleichzeitig gestellt, weshalb dieser als zulässig zu erachten sei.

2.3. Die Antragstellerin schildert den Sachverhalt, erläutert das erstinstanzliche Urteil und führt zur Präjudizialität aus, dass die angefochtene Bestimmung im arbeitsgerichtlichen Verfahren angewendet worden sei und sich unmittelbar auf die Höhe des der Antragstellerin zugesprochenen Schadenersatzbetrags ausgewirkt habe. Zwar gehe die GleichbehandlungsRL dem GlBG und somit auch der Regelung des §26 Abs1 Z2 GlBG vor, die angefochtene Bestimmung verstoße jedoch nicht offenkundig gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht und sei daher denkmöglich angewendet worden. Zudem handle es sich bei Richtlinien um kein unmittelbar anwendbares Unionsrecht, sodass §26 Abs1 Z2 GlBG jedenfalls präjudiziell sei.

2.4. Schließlich führt die Antragstellerin unter der Überschrift "Zur Verfassungswidrigkeit der Bestimmung des §26 Abs1 Z2 GlBG" aus, dass §26 Abs14 GlBG – in Umsetzung der GleichbehandlungsRL, insbesondere deren Art18 – den Grundsatz normiere, dass der durch ein diskriminierendes Verhalten zugefügte Schaden – unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls – tatsächlich und wirksam ausgeglichen werde sowie die Entschädigung abschreckend und dem erlittenen Schaden angemessen sein müsse. Die Beschränkung des Ersatzanspruchs in §26 Abs1 Z2 GlBG auf € 500,- widerspreche hingegen Art18 der GleichbehandlungsRL, weil eine derartige Entschädigung nur in jenen Fällen durch eine im Voraus festgelegte Höchstgrenze begrenzt werden dürfe, in denen der Arbeitgeber nachweise, dass der einem Bewerber durch die Diskriminierung entstandene Schaden allein in der Verweigerung der Bewerbung bestehe. Es handle sich somit nicht um eine richtlinienkonforme Umsetzung des Art18 der GleichbehandlungsRL, weil diese keinesfalls geeignet sei, künftige Diskriminierungen wirksam und effektiv zu verhindern.

3. Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz legte den Gerichtsakt vor und teilte mit, dass die klagende Partei fristgerecht Berufung erhoben hat.

II. Erwägungen

1. Der Antrag ist unzulässig.

2. Gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen "auf Antrag einer Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, aus Anlass eines gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittels". Dabei hat der Antrag den Vorgaben der §§15, 62 und 62a Abs3 und Abs4 VfGG zu entsprechen.

2.1. Gemäß §62 Abs1 Satz 2 VfGG hat der Antrag, ein Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben, die gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes sprechenden Bedenken im Einzelnen darzulegen. Dieses Erfordernis ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nur dann erfüllt, wenn die Gründe der behaupteten Verfassungswidrigkeit ‑ in überprüfbarer Art‑ präzise ausgebreitet werden, mithin dem Antrag mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen ist, mit welcher Verfassungsbestimmung die bekämpfte Gesetzesstelle in Widerspruch stehen soll und welche Gründe für diese Annahme sprechen (vgl. im Allgemeinen z.B. VfSlg 11.150/1986, 11.888/1988, 13.851/1994, 14.802/1997, 17.651/2005; spezifisch zum Parteiantrag auf Normenkontrolle VfGH 2.7.2015, G16/2015; 2.7.2015, G145/2015).

2.2. Der vorliegende Antrag entspricht diesem Erfordernis nicht. Die Antragstellerin unterlässt jegliche Behauptung einer Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Bestimmung. Weder führt sie eine Verfassungsbestimmung an, gegen die die angefochtene Bestimmung verstieße, noch legt sie konkret dar, warum die bekämpfte Regelung im Einzelnen verfassungswidrig sei.

2.3. Bezüglich einer behaupteten Rechtswidrigkeit finden sich im Antrag ausschließlich Ausführungen zu einer behaupteten Richtlinienwidrigkeit des angefochtenen §26 Abs1 Z2 GlBG. Die Vereinbarkeit von Gesetzen und Verordnungen mit dem Recht der Europäischen Union ist jedoch als solche nicht Gegenstand der verfassungsgerichtlichen Prüfung (VfSlg 15.753/2000, 18.266/2007 mwN; vgl. zum Parteiantrag auf Normenkontrolle VfGH 24.2.2015, G13/2015). Lediglich die von der Charta der Grundrechte der Europäischen Union garantierten Rechte, die in ihrer Formulierung und Bestimmtheit verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten der österreichischen Bundesverfassung gleichen, können im Anwendungsbereich der Charta einen Prüfungsmaßstab in Verfahren der generellen Normenkontrolle, insbesondere nach Art139 und Art140 B‑VG, bilden (VfSlg 19.632/2012). Der vorliegende Antrag behauptet jedoch auch keinen Verstoß gegen Rechte der Charta der Grundrechte der Europäischen Union.

3. Das Fehlen der durch §62 Abs1 zweiter Satz VfGG geforderten Darlegung der gegen die Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen Bestimmung sprechenden verfassungsrechtlichen Bedenken ist kein behebbares Formgebrechen, sondern ein Prozesshindernis (vgl. VfSlg 15.342/1998 mwN; VfGH 2.7.2015, G16/2015; 2.7.2015, G145/2015). Der somit an einem inhaltlichen, keiner Verbesserung zugänglichen Mangel leidende Antrag ist daher – schon aus diesem Grund – als unzulässig zurückzuweisen (vgl. VfSlg 17.553/2005, VfGH 2.7.2015, G16/2015).

III. Ergebnis

1. Der Antrag ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne weiteres Verfahren und ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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