VfGH G393/2016

VfGHG393/20168.6.2017

Zurückweisung eines Parteiantrags auf Aufhebung des Anerbengesetzes mangels Darlegung der Bedenken im Einzelnen sowie der Eventualanträge auf Aufhebung einzelner Bestimmungen des Gesetzes als zu eng gefasst bzw mangels Präjudizialität

Normen

B-VG Art140 Abs1 Z1 litd
AnerbenG §2 Abs1, §10 Abs2, §18 Abs1
VfGG §62 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2017:G393.2016

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG gestützten Antrag begehren die Antragsteller, der Verfassungsgerichtshof möge

"1.) das bekämpfte AnerebenG vom 21. Mai 1958 in der Fassung vom BGBl Nr 106/1958;

 

in eventu folgende Gesetzesbestimmungen des AnerbenG

 

2.) den bekämpften §2 Abs1 AnerbenG vom 21. Mai 1958 in der Fassung vom BGBl Nr 106/1958 zur Gänze;

 

3.) in eventu die Wortfolge 'aller Miterben' vom §10 Abs2 2. Satz AnerbenG vom 21. Mai 1958 in der Fassung vom BGBl Nr 106/1958, sodass dieser lautet:

'Das Verlassenschaftsgericht kann jedoch auf Antrag eine anderweitige Befriedigung genehmigen, durch Zuweisung einzelner Grundstücke oder von Zubehör des Erbhofs aber nur, soweit hierdurch die Erbhofeigenschaft nicht beeinträchtigt wird; auch ist einer letztwilligen Verfügung des Erblassers in dieser Hinsicht unter dem gleichen Vorbehalt Rechnung zu tragen.'

 

4.) In eventu die Wortfolge 'binnen zehn Jahren' des §18 Ansatz 1 , 1. Satz AnerbenG vom 20. Mai 1958 in der Fassung vom BGBl Nr 659/1989, sodass dieser lautet:

 

'Überträgt der Anerbe nach dem Tod des Erblassers oder, falls er minderjährig ist, nach Eintritt der Volljährigkeit das Eigentum am ganzen Erbhof oder an dessen Teilen durch ein oder mehrere Rechtsgeschäfte unter Lebenden auf einen anderen, so hat er jenen Betrag herauszugeben, um den der bei einem Verkauf des Erbhofs oder seiner Teile erzielbare Erlös den inneren Wert des seinerzeitigen Übernahmepreises (§11) übersteigt.'"

 

als verfassungswidrig aufheben.

 

II. Rechtslage

Die Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 21. Mai 1958 über besondere Vorschriften für die bäuerliche Erbteilung (Anerbengesetz – AnerbenG), BGBl 106/1958, idF BGBl I 87/2015, lauten auszugsweise wie folgt (die in den Eventualanträgen angefochtenen Gesetzesbestimmungen sind hervorgehoben):

"1. Abschnitt.

Der Erbhof.

Begriff.

§1. (1) Erbhöfe sind mit einer Hofstelle versehene land- und forstwirtschaftliche Betriebe, die im Eigentum einer natürlichen Person, von Ehegatten oder eines Elternteils und eines Kindes (§42 ABGB) stehen und mindestens einen zur angemessenen Erhaltung von zwei erwachsenen Personen ausreichenden, jedoch das Zwanzigfache dieses Ausmaßes nicht übersteigenden Durchschnittsertrag haben.

(2) Zu land- und forstwirtschaftlichen Betrieben im Sinne des Abs1 zählen auch solche, die ausschließlich oder vorwiegend dem Wein-, Obst- oder Gemüsebau dienen. Ausschließlich forstwirtschaftlich genutzte Besitzungen sind keine land- und forstwirtschaftlichen Betriebe im Sinne des Abs1.

(3) Ob die Erhaltung von zwei erwachsenen Personen im Sinn des Abs1 angemessen ist, ist nach den örtlichen Verhältnissen zu beurteilen.

§2. (1) Der Erbhof besteht aus den dem Eigentümer des Erbhofs gehörenden Grundstücken, die den Zwecken der Landwirtschaft (§1) dienen und eine wirtschaftliche Einheit bilden, samt den auf diesen Grundstücken befindlichen Wohn- und Wirtschaftsgebäuden.

(2) Bewegliche körperliche Sachen gehören insoweit zum Erbhof, als sie dem Eigentümer des Erbhofs gehören und zur Führung eines ordentlichen Wirtschaftsbetriebs erforderlich sind.

(3) Zum Erbhof gehören ferner die damit verbundenen Nutzungsrechte sowie Anteilsrechte an agrargemeinschaftlichen Grundstücken, die Rechte des Eigentümers des Erbhofs aus der Mitgliedschaft zu land- und forstwirtschaftlichen Betrieb Genossenschaften und die auf dem Erbhof betriebenen Unternehmen des Eigentümers, sofern diese nicht die Hauptsache bilden und vom land- und forstwirtschaftlichen Betrieb nicht getrennt werden können oder ihre Trennung unwirtschaftlich wäre.

§3. – §9. […]

III. Abschnitt.

Erbteilung.

Zuweisung des Erbhofs; Abfindungsansprüche.

§10. (1) Hat nach den Bestimmungen des Abschnitts II der Anerbe unter mehreren Miterben den Erbhof zu übernehmen, so hat das Verlassenschaftsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor der Einantwortung von Amts wegen eine Erbteilung vorzunehmen. Hiebei ist vorerst der Erbhof dem Anerben zuzuweisen. Dieser wird mit dem Übernahmspreis (§11) Schuldner der Verlassenschaft. In die Erbteilung selbst ist der Übernahmspreis des Erbhofs als Forderung der Verlassenschaft einzubeziehen; der Erbhof als solcher scheidet aus.

(2) Stehen den übrigen Miterben gegen den Anerben aus der Erbteilung im Zusammenhang mit der Zuweisung des Erbhofs Ansprüche zu (Abfindungsansprüche), so sind diese in der Regel als Geldforderungen zu behandeln. Das Verlassenschaftsgericht kann jedoch auf Antrag aller Miterben eine anderweitige Befriedigung genehmigen, durch Zuweisung einzelner Grundstücke oder von Zubehör des Erbhofs aber nur, soweit hiedurch die Erbhofeigenschaft nicht beeinträchtigt wird; auch ist einer letztwilligen Verfügung des Verstorbenen in dieser Hinsicht unter dem gleichen Vorbehalt Rechnung zu tragen.

(3) Diejenigen übrigen Miterben, die auf dem Erbhof mitgearbeitet haben, haben Anspruch auf angemessene Abgeltung ihrer in den letzten drei Jahren vor dem Tod des Verstorbenen geleisteten Dienste; dabei ist insbesondere auf Art, Umfang und Dauer der Mitarbeit und auf die örtlichen Verhältnisse Bedacht zu nehmen. Können sich die Miterben nicht einigen, so hat das Verlassenschaftsgericht die Mitarbeit bei der Bestimmung der Abfindungsansprüche nach billigem Ermessen zu berücksichtigen.

(4) Das Verlassenschaftsgericht hat in der Einantwortungsurkunde die grundbücherliche Eintragung des Eigentumsrechts des Anerben am Erbhof und allfälliger Eigentumsrechte der übrigen Miterben an einzelnen Grundstücken des Erbhofs (Abs2) anzuordnen.

 

Übernahmspreis

 

§11. (1) Der Übernahmspreis ist, sofern er nicht von den Miterben im Vergleichsweg bestimmt wird, durch das Verlassenschaftsgericht unter Berücksichtigung aller auf dem Erbhof haftenden Lasten nach billigem Ermessen auf Grund des Gutachtens zweier bäuerlicher Sachverständiger so zu bestimmen, daß der Anerbe wohl bestehen kann. Hiebei ist auf die Interessen der übrigen Miterben gebührend Bedacht zu nehmen. An die Bewertung in einem eidesstättigen Vermögensbekenntnis ist das Verlassenschaftsgericht nicht gebunden.

(2) Auf dem Erbhof betriebene Unternehmen des Verstorbenen, die nach §2 Abs3 zum Erbhof gehören und wirtschaftlich nicht unbedeutend sind, sind selbständig zu schätzen und nach dem Verkehrswert zu berücksichtigen.

Auszahlung und Sicherstellung der Abfindungsansprüche.

§12. (1) Mangels Einigung des Anerben mit den übrigen Miterben über die Frist der Auszahlung sowie über die Verzinsung der in Geldforderungen bestehenden Abfindungsansprüche der übrigen Miterben (§10 Abs2) kann das Verlassenschaftsgericht, vorbehaltlich der Bestimmung des §13 Abs3, auf Antrag des Anerben die Auszahlung dieser Abfindungsansprüche auf einmal oder in Teilbeträgen bis zu einer Frist von höchstens fünf Jahren vom Todestag des Verstorbenen hinausschieben und gleichzeitig eine angemessene Verzinsung festlegen, wenn die sofortige Auszahlung die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Erbhofs erheblich beeinträchtigen würde; hiebei ist auf eine Auszahlung nach dem inneren Werte Bedacht zu nehmen. Auf Verlangen des Anerben muß das Verlassenschaftsgericht die Auszahlungsfrist ohne Rücksicht auf die Leistungsfähigkeit des Erbhofs mit wenigstens drei Jahren bestimmen. Veräußert der Anerbe den Erbhof oder dessen wesentliche Teile vor Ablauf der Frist durch Rechtsgeschäft unter Lebenden an eine andere Person als seinen Ehegatten oder seine Abkömmlinge, so sind die übrigen Miterben berechtigt, ihre Forderungen sofort geltend zu machen.

(2) Wird eine Auszahlungsfrist von den Miterben vereinbart oder vom Verlassenschaftsgericht bestimmt (Abs1), so hat dieses in der Einantwortungsurkunde anzuordnen, daß mit dem Eigentumsrecht für den Anerben gleichzeitig das Pfandrecht zur Sicherstellung der Abfindungsansprüche der übrigen Miterben, und zwar im Range hinter allfälligen Versorgungsrechten (§15) grundbücherlich eingetragen werden muß. Diese Anordnung entfällt nur, wenn sich der anspruchsberechtigte Miterbe gegen die Sicherstellung seines Abfindungsanspruchs ausspricht. Die Möglichkeit einer früheren Fälligstellung der Ansprüche im Sinne des Abs1 letzter Satz ist in die Verbücherungsanordnung der Einantwortungsurkunde aufzunehmen.

§13. – §16. […]

Ansprüche der Pflichtteilsberechtigten

§17. Der Berechnung der Pflichtteilsansprüche ist der Übernahmspreis zugrundzulegen. Die §§10 bis 15 gelten für Pflichtteilsberechtigte sinngemäß.

Nachtragserbteilung

§18. (1) Überträgt der Anerbe binnen zehn Jahren nach dem Tod des Verstorbenen oder, falls er minderjährig ist, nach dem Eintritt der Volljährigkeit das Eigentum am ganzen Erbhof oder an dessen Teilen durch ein oder mehrere Rechtsgeschäfte unter Lebenden auf einen anderen, so hat er jenen Betrag herauszugeben, um den der bei einem Verkauf des Erbhofs oder seiner Teile erzielbare Erlös den inneren Wert des seinerzeitigen Übernahmspreises (§11) übersteigt. Dieser Mehrbetrag ist auf Antrag als nachträglich hervorgekommenes Verlassenschaftsvermögen zu behandeln, über das eine Nachtragserbteilung einzuleiten ist. Ein Mehrbetrag liegt erst vor, wenn und soweit sich nach Hinzurechnung des Wertes allfälliger vom Anerben bewirkter Verbesserungen zum Übernahmspreis etwas erübrigt. Der Ersatz für Teile des Hofes ist auf Grund des Verhältnisses ihres Übernahmspreises zum Übernahmspreis des ganzen Hofes zu berechnen.

(2) Abs1 gilt sinngemäß für die Veräußerung im Fall der Zwangsversteigerung. Hiebei ist ein den inneren Wert des seinerzeitigen Übernahmspreises übersteigender Teil des Meistbots auf Antrag insoweit der Nachtragserbteilung zu unterziehen, als er dem Verpflichteten aus der Verteilungsmasse zugewiesen wird. Für die Frist von zehn Jahren ist der Zeitpunkt des Zuschlags maßgebend.

(3) Eine Nachtragserbteilung unterbleibt insoweit, als der Anerbe

1. den Mehrbetrag (Teil des Restes der Verteilungsmasse) innerhalb von zwei Jahren nach Erhalt für den Erwerb des Eigentums an gleichwertigen Grundstücken oder zur Erhaltung oder Steigerung der Leistungsfähigkeit des Erbhofs verwendet oder

2. durch Tausch das Eigentum an gleichwertigen Grundstücken erwirbt; hiebei ist eine zur Übertragung des Eigentums tretende Mehrleistung des Anerben bei einer späteren Nachtragserbteilung als vom Anerben bewirkte Verbesserung (Abs1) anzusehen.

(4) Eine Nachtragserbteilung können nur die übrigen Miterben, die Pflichtteilsberechtigten sowie die gesetzlichen Erben dieser Miterben und Pflichtteilsberechtigten beantragen. Dieses Recht erlischt drei Jahre nach der Einverleibung des Eigentumsrechts des Erwerbers.

(5) Die Abs1 bis 4 gelten nicht für den Erwerb des Eigentums am Erbhof oder an dessen Teilen durch den Ehegatten, einen Elternteil oder ein Kind des Anerben, wohl aber für die Übertragung des von diesen erworbenen Eigentums auf einen anderen.

§19. – §20. […]

Ausnahmen vom Geltungsbereich.

§21. Dieses Bundesgesetz gilt nicht in den Ländern Kärnten und Tirol.

§22. – §23. […]"

III. Sachverhalt, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Die Antragsteller sind Miterben einer Liegenschaft, über deren Erbhofeigenschaft am Bezirksgericht Mödling ein Feststellungsverfahren anhängig ist. Für den Fall, dass die Erbhofeigenschaft des landwirtschaftlichen Betriebes des Erblassers festgestellt werden sollte, einigten sich alle Erben auf einen bestimmten Erben als Anerben.

2. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Mödling vom 18. Oktober 2016, GZ 7 A 444/12y-63 stellte das Gericht die Erbhofeigenschaft, den Anerben und den Übernahmspreis fest.

3. Die Antragsteller erhoben mit Schriftsatz vom 8. November 2016 Rekurs und sie stellten mit Schriftsatz vom selben Tag den vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG gestützten Antrag.

4. Die Antragsteller behaupten die Verletzung des Gleichheitssatzes gem. Art7 B‑VG und Art2 StGG, sowie Verstöße gegen das Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums gem. Art5 StGG und Art1 1. ZPEMRK mit der Begründung, dass die Antragsteller als Miterben auf Grund der Immobilienpreisentwicklung in der Nähe von Ortschaften ungerechtfertigt gegenüber dem Anerben benachteiligt würden. Durch Nichtberücksichtigung des tatsächlichen Verkehrswertes (von als Bauland gewidmeten Grundstücken im Agglomerationsgürtel von Wien) im Übernahmepreis komme es zu einer ungerechtfertigten Bereicherung des Anerben.

5. Die Bundesregierung beantragt die Zurückweisung des Antrags, in eventu dessen Ablehnung bzw. Abweisung.

6. Der im Beschluss bestimmte Anerbe (beteiligte Partei) beantragt die Zurückweisung des Antrags bzw. unter Verweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Dezember 2015 (VfSlg 20.032/2015) die Abweisung.

7. Das Bezirksgericht Mödling legte den Verlassenschaftsakt vor und teilte mit, dass der Rekurs rechtzeitig und zulässig ist.

IV. Erwägungen

1. Der Antrag ist unzulässig.

2. Gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, aus Anlass eines gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittels.

2.1. Voraussetzung eines Parteiantrages auf Normenkontrolle ist sohin – entsprechend der Formulierung des Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG – die Einbringung eines Rechtsmittels in einer "in erster Instanz entschiedenen Rechtssache", also eines Rechtsmittels gegen eine die Rechtssache erledigende Entscheidung erster Instanz. Außerdem muss der Parteiantrag gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG "aus Anlass" der Erhebung eines Rechtsmittels gestellt werden.

2.2. Mit dem Rekurs, aus dessen Anlass der Antrag nach Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG erhoben wurde, wenden sich die Antragsteller gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Mödling vom 18. Oktober 2016. Mit diesem (im Verfahren außer Streitsachen ergangenen) Beschluss liegt eine in erster Instanz entschiedene Rechtssache iSd Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG vor.

2.3. Dem Erfordernis der Einbringung aus Anlass eines Rechtsmittels haben die Antragsteller jedenfalls dadurch Rechnung getragen, dass sie den Parteiantrag und den Rekurs gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Mödling am selben Tag und innerhalb der Rechtsmittelfrist erhoben und eingebracht haben (vgl. VfGH 3.7.2015, G46/2015; 8.10.2015, G264/2015; 26.11.2015, G197/2015).

2.4. Der Verfassungsgerichtshof geht auf Grund der Mitteilung des Bezirksgerichtes Mödling vom 5. Dezember 2016 davon aus, dass der Rekurs der Antragsteller gegen den genannten Beschluss rechtzeitig und zulässig ist.

3. Gemäß §62 Abs1 VfGG muss der Antrag begehren, "dass entweder das Gesetz seinem ganzen Inhalt nach oder dass bestimmte Stellen des Gesetzes als verfassungswidrig aufgehoben werden. Der Antrag hat die gegen die Verfas-sungsmäßigkeit des Gesetzes sprechenden Bedenken im Einzelnen darzulegen."

3.1. Dieses Erfordernis ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nur dann erfüllt, wenn die Gründe der behaupteten Verfassungswidrigkeit – in überprüfbarer Art – präzise ausgebreitet werden, mithin dem Antrag mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen ist, mit welcher Rechtsvorschrift die zur Aufhebung beantragte Norm in Widerspruch stehen soll und welche Gründe für diese Annahme sprechen (vgl. zB VfSlg 14.802/1997, 17.752/2006; spezifisch zum Parteiantrag VfGH 2.7.2015, G16/2015; 2.7.2015, G145/2015; 18.2.2016, G642/2015). Es ist nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes, pauschal vorgetragene Bedenken einzelnen Bestimmungen zuzuordnen und – gleichsam stellvertretend – das Vorbringen für den Antragsteller zu präzisieren (VfSlg 17.099/2003, 17.102/2003, 19.825/2013, 19.832/2013, 19.870/2014, 19.938/2014).

3.2. Ein Antrag, der sich gegen den ganzen Inhalt eines Gesetzes richtet, muss die Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit aller Bestimmungen des Gesetzes "im Einzelnen" darlegen. Anträge, die diesem Erfordernis nicht entsprechen, sind nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfSlg 14.320/1995, 14.526/1996, 15.977/2000, 18.235/2007; VfGH 2.3.2015, G140/2014; 2.7.2016, G53/2016; 14.3.2017, G14/2016) nicht (im Sinne des §18 VfGG) verbesserungsfähig, sondern als unzulässig zurückzuweisen.

3.3. Diesem Erfordernis entspricht der Hauptantrag nicht: Die Antragsteller haben ihre Bedenken lediglich in Bezug auf die in den Eventualanträgen angefochtenen Bestimmungen dargelegt, nicht jedoch hinsichtlich aller Bestimmungen des Anerbengesetzes. Soweit die Antragsteller pauschal behaupten, das Anerbengesetz entspreche nicht mehr den Zielsetzungen des Gesetzes zum Erlassungszeitpunkt im Jahr 1958 legen sie damit keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit aller Bestimmungen des Gesetzes dar. Der Antrag erweist sich daher schon aus diesem Grund als unzulässig.

4. Sodann ist in der Reihenfolge der gestellten Eventualanträge zunächst die Zulässigkeit der (alleinigen) Anfechtung des §2 Abs1 Anerbengesetz im ersten Eventualantrag zu prüfen.

4.1. Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes kommt Legaldefinitionen in der Regel keine eigenständige normative Bedeutung zu, eine solche wird vielmehr grundsätzlich erst im Zusammenhang mit anderen Regelungen, die diesen Begriff verwenden, bewirkt (vgl. VfSlg 17.340/2004 [512], 18.087/2007, VfGH 12.12.2016, G105/2016).

4.2. In §1 Anerbengesetz werden bestimmte land- und forstwirtschaftliche Betriebe als Erbhöfe qualifiziert. Durch §2 Anerbengesetz wird der "Umfang" des Erbhofes bestimmt. Die angefochtene Vorschrift des §2 Abs1 Anerbengesetz erhält ihre Bedeutung erst in Verbindung mit anderen Vorschriften des Gesetzes, etwa durch die Zuweisung des Erbhofes an einen Anerben (§10 Abs1 Anerbengesetz) oder die Bestimmung des Übernahmspreises (§11 Anerbengesetz). Die Antragsteller fechten §2 Abs1 Anerbengesetz im Eventualantrag jedoch isoliert an. Im Fall der Aufhebung des angefochtenen Absatzes hätte das Gericht den Umfang des Erbhofes bei der Zuweisung an den Anerben und der Festlegung des Übernahmspreises auch ohne die angefochtene Bestimmung festzulegen.

4.3. Der erste Eventualantrag ist daher zu eng gefasst und ebenfalls unzulässig.

5. Die in den weiteren Eventualanträgen angefochtenen Wortfolgen der §§10 Abs2 2. Satz und 18 Abs1 1. Satz Anerbengesetz sind – wie die Bundesregierung zu Recht dartut – nicht präjudiziell.

5.1. Der Antrag auf Aufhebung eines Gesetzes kann nur dann gestellt werden, wenn das Gesetz vom Gericht in der anhängigen Rechtssache unmittelbar anzuwenden oder wenn die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes eine Vorfrage für die Entscheidung der beim Gericht anhängigen Rechtssache ist oder nach Ansicht des Antragstellers wäre (§62 Abs2 VfGG). In diesem Sinn ist der Antrag einer Partei gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG wegen Präjudizialität zurückzuweisen, wenn das angefochtene Gesetz keine Voraussetzung der Entscheidung des Gerichtes im Anlassfall bildet (VfGH 13.10.2016, G47/2016; 14.03.2017, G260/2016).

5.2. Mit dem dem Antrag zu Grunde liegenden Beschluss des Bezirksgerichtes Mödling wird eine bestimmte Liegenschaft als Erbhof qualifiziert, einem Anerben zugewiesen und der Übernahmspreis festgelegt. Eine Entscheidung über die Abfindungsansprüche, insbesondere über die Befriedigung (§10 Abs2 Anerbengesetz) oder Auszahlung und Sicherstellung (§12 Anerbengesetz) der Miterben, ist damit jedoch nicht erfolgt. Dem Anlassfall liegt gerade keine Entscheidung des Verlassenschaftsgerichts über eine anderweitige Befriedigung der Miterben zu Grunde. Ebensowenig ist im jetzigen Verfahrensstadium die Vorschrift über die Nachtragserbteilung bei Eigentumsübertragung durch den Anerben an einen Dritten binnen zehn Jahren nach dem Tod des Verstorbenen gem. §18 Abs1 Anerbengesetz eine Voraussetzung für die Entscheidung im Anlassfall. Die bloße Zitierung dieser Bestimmungen durch das Gericht im angefochtenen Beschluss ändert nichts daran, dass sie im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof nicht präjudiziell sind.

5.3. Der Antrag ist daher auch in seinen weiteren Eventualanträgen unzulässig.

V. Ergebnis

1. Der Antrag ist zur Gänze als unzulässig zurückzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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