VfGH G193/2023, V40/2023

VfGHG193/2023, V40/202313.12.2023

Verfassungswidrigkeit von Übergangsbestimmungen des TierschutzG betreffend das Verbot unstrukturierter Vollspaltenbuchten ohne Funktionsbereich in der Schweinehaltung; überschießend lange Übergangsfrist auf Grund des Inkrafttretens der 2022 beschlossenen Gesetzesänderung für bestehende landwirtschaftliche Betriebe wegen Investitionsschutzes erst im Jahr 2040, für neue Anlagen jedoch bereits ab Jänner 2023; zu lang andauernde Ungleichheit des Wettbewerbs zwischen Betreibern von neuen — mit höheren Standard und Kosten verbundenen — Anlagen und bereits bestehenden Betrieben

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art139 Abs1 Z5
B-VG Art140 Abs1 Z2
BVG Nachhaltigkeit
StGG Art2
TierschutzG §13, §16, §18 Abs2a, §24, §44 Abs29, §44 Abs30, §44 Abs31, §44 Abs32
1. TierhaltungsV BGBl II 296/2022 Anlage 5
VfGG §7 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2023:G193.2023

 

Spruch:

I. 1. §44 Abs29, 30, 31 und 32 des Bundesgesetzes über den Schutz der Tiere (Tierschutzgesetz – TSchG), BGBl I Nr 118/2004, idF BGBl I Nr 130/2022 wird als verfassungswidrig aufgehoben.

2. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. Mai 2025 in Kraft.

3. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.

4. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.

II. Hinsichtlich §18 Abs2a des Bundesgesetzes über den Schutz der Tiere (Tierschutzgesetz – TSchG), BGBl I Nr 118/2004, idF BGBl I Nr 130/2022 wird der Antrag zurückgewiesen.

III. Im Übrigen wird der Antrag hinsichtlich der angefochtenen Punkte der Anlage 5 der Verordnung der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen über die Mindestanforderungen für die Haltung von Pferden und Pferdeartigen, Schweinen, Rindern, Schafen, Ziegen, Schalenwild, Lamas, Kaninchen, Hausgeflügel, Straußen und Nutzfischen (1. Tierhaltungsverordnung), BGBl II Nr 485/2004, zuletzt idF BGBl II Nr 296/2022 zurückgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z2 und Art139 Abs1 Z5 B‑VG gestützten Antrag begehrt die Burgenländische Landesregierung,

"§18 Abs2a iVm §44 Abs29, 30, 31 und 32 des Bundesgesetzes über den Tierschutz (Tierschutzgesetz – TSchG), BGBl I Nr 118/2014, in der Fassung BGBl I Nr 130/2022"

und

"[d]ie Punkte 2.2.2., 5.2., 5.2a. und 9. der Anlage 5 der Verordnung der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen über die Mindestanforderungen für die Haltung von Pferden und Pferdeartigen, Schweinen, Rindern, Schafen, Ziegen, Schalenwild, Lamas, Kaninchen, Hausgeflügel, Straußen und Nutzfischen (1. Tierhaltungsverordnung), BGBl II Nr 485/2004, in der Fassung BGBl II Nr 296/2022"

in eventu

"§18 Abs2a iVm §44 Abs29 des Bundesgesetzes über den Tierschutz (Tierschutzgesetz – TSchG), BGBl I Nr 118/2014, in der Fassung BGBl I Nr 130/2022"

und

"[d]ie Punkte 2.1., 2.2.2., 5.2., 5.2a. und 9. der Anlage 5 der Verordnung der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen über die Mindestanforderungen für die Haltung von Pferden und Pferdeartigen, Schweinen, Rindern, Schafen, Ziegen, Schalenwild, Lamas, Kaninchen, Hausgeflügel, Straußen und Nutzfischen (1. Tierhaltungsverordnung), BGBl II Nr 485/2004, in der Fassung BGBl II Nr 296/2022"

als verfassungs- bzw gesetzwidrig aufzuheben.

II. Rechtslage

1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über den Schutz der Tiere (Tierschutzgesetz – TSchG), BGBl I 118/2004, zuletzt idF BGBl I 130/2022 lauten auszugsweise wie folgt (die im Hauptantrag angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

"Grundsätze der Tierhaltung

§13. (1) Tiere dürfen nur gehalten werden, wenn auf Grund ihres Genotyps und Phänotyps und nach Maßgabe der folgenden Grundsätze davon ausgegangen werden kann, dass die Haltung nach dem anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse ihr Wohlbefinden nicht beeinträchtigt.

(2) Wer ein Tier hält, hat dafür zu sorgen, dass das Platzangebot, die Bewegungsfreiheit, die Bodenbeschaffenheit, die bauliche Ausstattung der Unterkünfte und Haltungsvorrichtungen, das Klima, insbesondere Licht und Temperatur, die Betreuung und Ernährung sowie die Möglichkeit zu Sozialkontakt unter Berücksichtigung der Art, des Alters und des Grades der Entwicklung, Anpassung und Domestikation der Tiere ihren physiologischen und ethologischen Bedürfnissen angemessen sind.

(3) Tiere sind so zu halten, dass ihre Körperfunktionen und ihr Verhalten nicht gestört werden und ihre Anpassungsfähigkeit nicht überfordert wird.

[…]

Bewegungsfreiheit

§16. (1) Die Bewegungsfreiheit eines Tieres darf nicht so eingeschränkt sein, dass dem Tier Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt werden oder es in schwere Angst versetzt wird.

(2) Das Tier muss über einen Platz verfügen, der seinen physiologischen und ethologischen Bedürfnissen angemessen ist.

(3) Die dauernde Anbindehaltung ist verboten.

[…]

[…]

Bauliche Ausstattung und Haltungsvorrichtungen

§18. (1) Das für die bauliche Ausstattung der Unterkünfte und die Haltungsvorrichtungen verwendete Material, mit dem die Tiere in Berührung kommen können, muss für die Tiere ungefährlich sein und sich angemessen reinigen lassen.

(2) Die Unterkünfte sowie die Vorrichtungen, mit denen die Tiere angebunden oder räumlich umschlossen werden, sind so auszuführen und zu warten, dass die Tiere keine Verletzungen insbesondere durch scharfe Kanten oder Unebenheiten erleiden können.

(2a) Die Haltung von Absetzferkeln, Zuchtläufern und Mastschweinen in unstrukturierten Vollspaltenbuchten ohne Funktionsbereich ist verboten.

[…]

[…]

2. Abschnitt

Besondere Bestimmungen

Tierhaltungsverordnung

§24. (1) Unter Berücksichtigung der Zielsetzung und der sonstigen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sowie unter Bedachtnahme auf den anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse und die ökonomischen Auswirkungen hat die Bundesministerin/der Bundesminister für Gesundheit und Frauen, in Bezug auf Tiere gemäß Z1 im Einvernehmen mit der Bundesministerin/dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, für die Haltung

1. von Pferden und Pferdeartigen, Schweinen, Rindern, Schafen, Ziegen, Schalenwild, Lamas und Alpakas, Kaninchen, Hausgeflügel, Straußen und Nutzfischen sowie

2. anderer Wirbeltiere

durch Verordnung die Mindestanforderungen für die in §13 Abs2 genannten Haltungsbedingungen und erforderlichenfalls Bestimmungen hinsichtlich zulässiger Eingriffe sowie sonstiger zusätzlicher Haltungsanforderungen zu erlassen.

(2) Für Tierarten, deren Haltung einer Bewilligung bedarf, jedoch nicht durch Verordnung geregelt ist, hat die Behörde aus Anlass eines Antrages (§23 Z1) eine Stellungnahme des Tierschutzrates (§42) über die nach dem anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse einzuhaltenden Mindestanforderungen einzuholen. Die Bundesministerin/der Bundesminister für Gesundheit und Frauen hat die Stellungnahme des Tierschutzrates nach Anhörung des Vollzugsbeirates (§42a) in den Amtlichen Veterinärnachrichten (AVN) zu verlautbaren. Liegt eine solche Verlautbarung vor, so hat die Behörde keine Stellungnahme des Tierschutzrates einzuholen.

(3) Durch Verordnung kann die Bundesministerin/der Bundesminister für Gesundheit und Frauen – unter Berücksichtigung der Zielsetzungen und der sonstigen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sowie unter Bedachtnahme auf den anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse – nähere Bestimmungen über die Ausbildung und das Verhaltenstraining von Hunden festlegen.

[…]

 

In-Kraft-Treten und Übergangsbestimmungen

§44. […]

(29) §18 Abs2a tritt mit dem 1. Jänner 2023 für alle ab diesem Datum baurechtlich bewilligten neu gebauten oder umgebauten Anlagen in Kraft. Für alle sonstigen, den bis dahin geltenden tierschutzrechtlichen Bestimmungen entsprechenden bestehenden Haltungseinrichtungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des BGBl I Nr 130/2022 bestehen, tritt §18 Abs2a mit 1.1.2040 in Kraft.

(30) Bis zum 31.12.2026 ist vom Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz und vom Bundesminister für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus ein Projekt hinsichtlich der Evaluierung der Haltungssysteme im Bereich der Buchten und Bodengestaltung bei der Haltung von Schweinen durchzuführen. Dieses Projekt hat die Anforderungen zur Strukturierung und Ausgestaltung der Buchten, sowie der Böden als Alternative zu den bestehenden Vollspaltenbuchten im Sinne des Tierwohls zu entwickeln. Insbesonders ist die Beschaffenheit des Bodens (perforiert/geschlossen/planbefestigt) sowie die Perforationsdichte, der Einsatz von Beschäftigungsmaterial und die Strukturierung der Buchten durch Funktionsbereiche zu untersuchen. Zusätzlich sind an Hand der angeführten Parameter auch Haltungssysteme von, an bestehenden Qualitätspro-grammen teilnehmenden, Schweinemastbetrieben zu evaluieren. Darüber hinaus sind die ökonomischen, arbeitstechnischen und ökologischen Auswirkungen dieser Haltungssysteme unter Berücksichtigung des Verbots des routinemäßigen Schwanzkupierens und des Erfordernisses eines physisch und temperaturmäßig angenehmen Liegebereichs zu bewerten. Die auf Grund des Projekts als geeignet anzusehenden Anforderungen an Buchten, Böden und deren Ausgestaltung sind von den Auftraggebern des Projekts der gemäß §18 Abs6 eingerichteten Fach-stelle vorzulegen und von dieser bis zum 31.12.2027 zu begutachten. Die Ergebnisse des Projekts und das Gutachten der Fachstelle sind jedenfalls als Grundlage für die Festsetzung des neuen rechtlichen Mindeststandards gemäß §24 Abs1 Z1, dem alle Schweinehaltungen ab dem 1.1.2040 jedenfalls zu entsprechen haben, heranzuziehen.

(31) Anlagen zur Schweinehaltung, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Anpassung der Bestimmungen in der Verordnung gemäß §24 Abs1 Z1 gemäß Abs30 letzter Satz dem ab 1. Jänner 2023 geltenden Standard entsprechen, können abweichend von dem in Abs29 festgelegten Ende der Anpassungsfrist (1. Jänner 2040) bis zum Ende der Nutzungsdauer von 23 Jahren ab erstmaliger Inbetriebnahme der Haltungseinrichtung weiter betrieben werden.

(32) Mit Inkrafttreten der Verordnung gemäß §24 Abs.1 Z1 entsprechend Abs30 haben alle ab diesem Datum in baulicher Hinsicht neu gebauten oder umgebauten Anlagen dem neuen Mindeststandard zu entsprechen.

(33) Im Bericht gemäß §9 Landwirtschaftsgesetz 1992 (Grüner Bericht), BGBl Nr 375/1992, ist in einem gesonderten Kapitel über den Fortschritt hinsichtlich der Weiterentwicklung der Stallbausysteme und der Fördermaßnahmen im Schweinebereich mit den Schwerpunkten Tierwohl, Wirtschaftlichkeit, Nationale Selbstversorgung sowie einem Vergleich zu anderen europäischen Standards alle zwei Jahre darzustellen. Mit diesem Kapitel soll die soziale, ökologische und wirtschaftliche Auswirkung des langfristigen Ausstiegs aus der Haltung von Mastschweinen in unstrukturierten Buchten mit Beton-Vollspaltenböden transparent gemacht werden.

(34) Das Inhaltsverzeichnis, §1a samt Überschrift, §3a samt Überschrift, §5 Abs2 Z1, §7 Abs1, §8 samt Überschrift, §8a Abs2, §12 Abs1, §13 Abs2, §14 Abs1a, §16 Abs5, §18 Abs2b, §24a Abs1 Z1, §24 Abs8, §25 Abs1, §27 Abs3, der 3. Abschnitt des 2. Hauptstückes samt Überschrift, §32a samt Über-schrift, §32b samt Überschrift, §32c samt Überschrift, §32d samt Überschrift, §35 Abs2 und 3, §37 Abs2a, §38 Abs1, 3 4, 5a und 6, §39 Abs1 und 3, §40 Abs1, §41 Abs4 und 5, §48 Z3, die Anlage sowie der Entfall des §38 Abs8 in der Fassung BGBl I Nr 130/2022 treten mit 1. September 2022 in Kraft. Gleichzeitig tritt das Bundesgesetz zur Durchführung unmittelbar anwendbarer unions-rechtlicher Bestimmungen auf dem Gebiet des Tierschutzes, BGBl I Nr 47/2013, idF BGBl I Nr 37/2018, außer Kraft. §6 Abs2a bis 2c in der Fassung BGBl I Nr 130/2022 tritt mit 1. Jänner 2023 in Kraft.

[…]

[…]"

2. Die maßgeblichen Bestimmungen der Anlage 5 der Verordnung der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen über die Mindestanforderungen für die Haltung von Pferden und Pferdeartigen, Schweinen, Rindern, Schafen, Ziegen, Schalenwild, Lamas, Kaninchen, Hausgeflügel, Straußen und Nutzfischen (1. Tierhaltungsverordnung), BGBl II 485/2004, zuletzt idF BGBl II 296/2022 lauten auszugsweise wie folgt (die im Hauptantrag angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

"MINDESTANFORDERUNGEN FÜR DIE HALTUNG VON SCHWEINEN

[…]

2.

ALLGEMEINE HALTUNGSVORSCHRIFTEN FÜR ALLE SCHWEINE

2.1.

GRUNDLEGENDE ANFORDERUNGEN AN SCHWEINESTÄLLE

 

Buchten müssen so gebaut sein, dass die Schweine

– Zugang zu einem physisch und temperaturmäßig angenehmen Liegebereich haben, der mit einem angemessenen Ableitungssystem ausgestattet und sauber ist und so viel Platz bietet, dass alle Schweine gleichzeitig liegen können,

– normal aufstehen und abliegen können, sowie

– bei Einzelhaltung andere Schweine sehen können.

2.2.

BODENBESCHAFFENHEIT

2.2.1.

Grundlegende Anforderungen

 

Die Böden müssen rutschfest sein und dürfen keine wesentlichen Unebenheiten aufweisen. Sie müssen so gestaltet und unterhalten werden, dass die Schweine keine Verletzungen oder Schmerzen erleiden. Sie müssen für die Größe und das Gewicht der Schweine geeignet sein und – wenn keine Einstreu zur Verfügung gestellt wird – eine starre, ebene und stabile Oberfläche aufweisen. Weisen geschlossene Böden im Liegebereich der Tiere keine Beläge auf, die ihren Ansprüchen auf Wärmedämmung ausreichend genügen, so sind sie ausreichend mit Stroh oder ähnlich strukturiertem Material einzustreuen.

2.2.2.

Besondere Anforderungen an perforierte Böden

 

Bei Verwendung von Betonspaltenböden dürfen folgende Spaltenbreiten nicht überschritten und folgende Auftrittsbreiten nicht unterschritten werden:

 

 

Tierkategorie

Maximale Spaltenbreite

Minimale Auftrittsbreite

 

Saugferkel

10 mm

50 mm

 

Absetzferkel

13 mm

50 mm

 

Mastschweine, Zuchtläufer

18 mm

80 mm

 

Jungsauen, Sauen und Eber

20 mm

80 mm

 

 

 

 

 

Spaltenböden aus Beton müssen aus Flächenelementen hergestellt sein, die keine durchgehenden Längsspalten in den Elementen aufweisen. Die Auftrittsfläche muss eben und gratfrei, die Kanten müssen gebrochen sein.

Kunststoff- und Metallroste dürfen bei Saugferkeln eine Spaltenbreite von 10 mm und bei Absetzferkeln eine Spaltenbreite von 12 mm nicht überschreiten. Bei Gussrosten gilt ein fertigungsbedingter Abweichungsspielraum von +/- 0,5 mm.

    

[…]

5.

 

BESONDERE HALTUNGSVORSCHRIFTEN FÜR ABSETZFERKEL, MASTSCHWEINE UND ZUCHTLÄUFER

  

[…]

 

5.2.

PLATZBEDARF BEI GRUPPENHALTUNG

 

Absetzferkel, Mastschweine und Zuchtläufer sind in Gruppen zu halten.

 

Dabei muss jedem Tier mindestens folgende uneingeschränkt benutzbare Bodenfläche zur Verfügung stehen:

 

 

 

Tiergewicht1

Mindestfläche2,3

 

bis 20 kg

0,20 m2/Tier

 

bis 30 kg

0,30 m2/Tier

 

bis 50 kg

0,40 m2/Tier

 

bis 85 kg

0,55 m2/Tier

 

bis 110 kg

0,70 m2/Tier

 

über 110 kg

1,00 m2/Tier

 

1 im Durchschnitt der Gruppe

 

 

2 Buchten ohne durchgehend perforierte Böden müssen jedenfalls eine trockene und ausreichend dimensionierte Liegefläche aufweisen

 

3 Bei hohen Stalltemperaturen, an die die Tiere sich nicht anpassen können, ist diese Besatzdichte zu verringern oder für andere geeignete Abkühlungsmöglichkeiten zu sorgen

 

5.2a.

GRUPPENHALTUNG NEU

 

Für ab dem 1.1.2023 neu gebaute, umgebaute oder erstmals in Betrieb genommene Gruppenhaltungen von Absetzferkeln, Mastschweinen und Zuchtläufern gilt:

1. Die Haltung in unstrukturierten Vollspaltenbuchten ist verboten.

2. Die Buchten müssen über einen planbefestigten Liegebereich im Ausmaß von einem Drittel verfügen, der entweder geschlossen und eingestreut ist oder einen maximalen Perforationsanteil von 10% aufweist. In der Ferkelaufzucht können im Liegebereich Kunststoffböden mit einem höheren Perforationsanteil verwendet werden.

3. In Buchten ohne eingestreuten Liegebereich sind mindestens zwei verschiedene Beschäftigungsmaterialien anzubieten. Ein organisches Beschäftigungsmaterial muss ständig verfügbar sein.

4. Die Mindestbuchtenfläche hat 10m² für Absetzferkel und 20m² für Mastschweine zu betragen. Unterschreiten Buchten diese Werte, so muss der Liegebereich jedenfalls geschlossen und eingestreut sein und die Mindestfläche je Tier gemäß Ziffer 5 ist bis zu einem Tiergewicht von 110 kg um 10% zu erhöhen.

5. Jedem Tier muss mindestens folgende uneingeschränkt benutzbare Bodenfläche zur Verfügung stehen:

 

Tiergewicht1

Mindestfläche

 

bis 20 kg

0,25 m2/Tier

 

bis 30 kg

0,40 m2/Tier

 

bis 50 kg

0,50 m2/Tier

 

bis 85 kg

0,65 m2/Tier

 

bis 110 kg

0,80 m2/Tier

 

über 110 kg

1,20 m2/Tier

   

 

1 im Durchschnitt der Gruppe

 

   

6. Geschlossene Warmställe müssen für die Haltung von Aufzuchtferkeln über Einrichtungen zur Schaffung von Temperarturzonen oder eine geeignete Kühlmöglichkeit und für die Haltung von Mastschweinen über eine geeignete Kühlmöglichkeit verfügen.

[…]

9.

 

ÜBERGANGSBESTIMMUNGEN

 

Die Bestimmungen der Punkte 3.1.1., 3.2. und 3.3.1. in der Fassung BGBl II Nr 61/2012 gelten ab 1.1.2013 für alle neugebauten, umgebauten oder erstmals in Betrieb genommenen Anlagen und Haltungseinrichtungen, sowie für solche bestehenden Anlagen und Haltungseinrichtungen, bei denen die Anforderungen ohne bauliche Maßnahmen erfüllt werden können. Ab 1.1.2033 gelten die Bestimmungen der Punkte 3.1.1. und 3.2. in der Fassung BGBl II Nr 61/2012 für alle Betriebe.

Mit Ablauf des 31.12.2032 treten die Bestimmungen des Punktes 3.3.1. in der Fassung BGBl II Nr 61/2012 außer Kraft.

Die Bestimmungen des Punktes 3.3.2. in der Fassung BGBl II Nr 296/2022 gelten ab 1.1.2023 für alle neugebauten, umgebauten oder erstmals in Betrieb genommenen Anlagen und Haltungseinrichtungen.

Ab 1.1.2033 gelten die Bestimmungen des Punktes 3.3.2. in der Fassung BGBl II Nr 296/2022 auch im Falle notwendiger baulicher Maßnahmen für alle Anlagen und Haltungsbetriebe.

Die Bestimmungen des Punktes 5.2a. in der Fassung BGBl II Nr 296/2022 gelten ab 1.1.2023 für alle neugebauten, umgebauten oder erstmals in Betrieb genommenen Anlagen und Haltungseinrichtungen.

Für Anlagen die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Bestimmungen gemäß der Fassung BGBl II Nr 296/2022, bestehen, gelten die Bestimmungen des Punktes 5.2. weiter."

 

 

   

III.  Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Die antragstellende Landesregierung bringt im Wesentlichen vor, dass die mit BGBl I 130/2022 bzw BGBl II 296/2022 geänderten rechtlichen Rahmenbedingungen betreffend das Verbot von Vollspaltenböden (im Folgenden: unstrukturierte Vollspaltenbuchten ohne Funktionsbereich) in der Schweinehaltung nicht ausreichen würden, um die Bedenken ob der Verfassungs- bzw Gesetzmäßigkeit einzelner Bestimmungen des Gesetzes über den Schutz der Tiere (im Folgenden: TSchG) und der Anlage 5 der Verordnung der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen über die Mindestanforderungen für die Haltung von Pferden und Pferdeartigen, Schweinen, Rindern, Schafen, Ziegen, Schalenwild, Lamas, Kaninchen, Hausgeflügel, Straußen und Nutzfischen (im Folgenden: 1. Tierhaltungsverordnung) auszuräumen. Das durch die Verankerung des Verbotes von unstrukturierten Vollspaltenbuchten ohne Funktionsbereich verfolgte Ziel des Tierschutzes werde durch überschießend lange Übergangsfristen unterlaufen. Aus näher bezeichneten Bestimmungen der 1. Tierhaltungsverordnung lasse sich die Zulässigkeit perforierter Böden und zu geringer Mindestgrößen der zur Verfügung zu stellenden Bodenfläche ableiten.

Aus diesen Gründen stehen nach Ansicht der Burgenländischen Landesregierung §18 Abs2a iVm §44 Abs29, 30, 31 und 32 TSchG sowohl im Widerspruch zu §2 des Bundesverfassungsgesetzes über die Nachhaltigkeit, den Tierschutz, den umfassenden Umweltschutz, die Sicherstellung der Wasser- und Lebensmittelversorgung und die Forschung, BGBl I 111/2013, (im Folgenden: BVG Nachhaltigkeit) als auch zu Art7 B‑VG. Darüber hinaus bestünden Bedenken ob der Verfassungs- und Gesetzmäßigkeit sowie der Unionsrechtskonformität der Punkte 2.2.2., 5.2., 5.2a. und 9. der Anlage 5 der 1. Tierhaltungsverordnung. Die antragstellende Landesregierung begründet ihren Antrag zusammengefasst wie folgt (ohne die Hervorhebungen im Original):

"[…] Zu den Bedenken bezüglich der Verfassungskonformität der angefochtenen Bestimmungen des Bundesgesetzes über den Schutz der Tiere (Tierschutzgesetz – TSchG), BGBl I Nr 118/2004, in der Fassung BGBl I Nr 130/2022

[…] Zum Verstoß gegen das Bundesverfassungsgesetz über die Nachhaltigkeit, den Tierschutz, den umfassenden Umweltschutz, die Sicherstellung der Wasser- und Lebensmittelversorgung und die Forschung

[…] §2 des Bundesverfassungsgesetzes über die Nachhaltigkeit, den Tierschutz, den umfassenden Umweltschutz, die Sicherstellung der Wasser- und Lebensmittelversorgung und die Forschung, BGBl I Nr 111/2013, in der Fassung BGBl I Nr 82/2019 (im Folgenden: BVG Nachhaltigkeit) legt fest, dass sich die Republik Österreich (Bund, Länder und Gemeinden) zum Tierschutz bekennt. Die Intention des historischen Gesetzgebers war es mit dieser Norm einer Entschließung vom Juni 2004 zu entsprechen, und Tierschutz als Staatsziel in der Verfassung zu verankern, um dem Gebot eines sittlich verantworteten Umgangs des Menschen mit dem Tier als fühlendes Wesen Rechnung zu tragen (ErläutIA 2316 BlgNR 24. GP 3). Des Weiteren wird in den parlamentarischen Materialien darauf hingewiesen, dass weitergehende Bestimmungen nicht nötig sind, zumal in §1 des Tierschutzgesetzes, BGBl I Nr 118/2004, bereits das Ziel verankert ist, das Leben und das Wohlbefinden der Tiere aus der besonderen Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf zu schützen. Darüber hinaus verweist §285a ABGB darauf, dass Tiere keine Sachen sind und durch besondere Gesetze geschützt werden (siehe ErläutIA 2316 BlgNR 24. GP , 3).

[…] Der in den erläuternden Bemerkungen zu §2 enthaltene Hinweis, dass auf eine weitergehende Präzisierung des Bekenntnisses zum Tierschutz auf Grund des bereits in §1 des Tierschutzgesetzes verankerten Zieles, das Leben und das Wohlbefinden der Tiere aus der besonderen Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf zu schützen, verzichtet wird (ErläutIA 2316 BlgNR 24. GP 3), bringt aus Perspektive der Burgenländischen Landesregierung klar zum Ausdruck, dass mit dem Bekenntnis zum Tierschutz nicht nur eine deklaratorische Willensbekundung verbunden ist, sondern dass damit zugleich eine Schutzverpflichtung des Menschen gegenüber dem Leben auf der einen Seite, auf der anderen Seite aber auch gegenüber dem Wohlbefinden der Tiere aus der besonderen Verantwortung für das Tier als Mitgeschöpf abzuleiten ist.

[…] Aus der Verankerung des Tierschutzes als Staatszielbestimmung im Verfassungsrang mit BGBl I Nr 111/2013 und dem in den parlamentarischen Materialien klar zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers einerseits dem Gebot eines sittlich verantworteten Umgangs des Menschen mit dem Tier als fühlendes Wesen Rechnung zu tragen (ErläutIA 2316 BlgNR 24. GP  3), wie auch andererseits das Ziel, das Leben und das Wohlbefinden der Tiere aus der besonderen Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf zu schützen (ErläutIA 2316 BlgNR 24. GP  3) ergibt sich nach Auffassung der Burgenländischen Landesregierung eine klare Verpflichtung der Gesetzgebung und Vollziehung (vgl VfSlg 17.807/2006, 19.084/2010), den auf die Erkenntnisse der Tierschutzforschung gestützten Interessen des Tierschutzes bei der Festlegung von Mindestanforderungen ein höheres Gewicht beizumessen.

[…]

[…] Sowohl aus der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl VfSlg 17.807/2006, 19.804/2010) als auch aus der Literatur ist […] abzuleiten, dass sich aus Staatszielbestimmungen insbesondere im Rahmen der Gesetzgebung zu berücksichtigende Verpflichtungen ergeben.

[…] Die Burgenländische Landesregierung hegt gegen §18 Abs2a iVm §44 Abs29 Tierschutzgesetz insbesondere auf Grund der sich aus diesen Bestimmungen ergebenden Zulässigkeit von perforierten Böden für bereits bestehende Haltungseinrichtungen bis 1.1.2040 entsprechend der sich aus §2 BVG Nachhaltigkeit jedenfalls ergebenden Verpflichtung zur Beachtung zentraler Tierschutzgesichtspunkte und unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes folgende Bedenken ob der Verfassungskonformität der betreffenden Bestimmungen:

[…] Die Burgenländische Landesregierung verkennt nicht, dass dem Gesetzgeber auch bei der Berücksichtigung und Umsetzung von Staatszielbestimmungen – und so auch bezüglich des in §2 BVG Nachhaltigkeit verankerten Bekenntnisses zum Tierschutz – ein rechtspolitischer Gestaltungsspielraum zukommt und dass die Auswahl und Gewichtung der gesetzlichen Maßnahmen die Abwägung mit anderen verfassungsrechtlichen und einfachgesetzlichen Interessen ebenso wie die Festlegung der Mittel seinem Ermessen überlassen ist (vgl Budischowsky, Staatsziel Tierschutz, RdU 2013, 192). Dieser Spielraum ist aber nach Auffassung der Burgenländischen Landesregierung – unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg 11.990/1989) – jedenfalls erschöpft, wenn ein Gesetz, das Bezüge zu Tieren aufweist, zentrale Tierschutzgesichtspunkte außer Acht lässt und die Übergangsfrist für ein Verbot von Vollspaltenböden mit knapp 17 Jahren bemessen wird.

[…] Zur Veranschaulichung der unangemessen langen Dauer der Übergangsregelung sei angemerkt, dass ein Schwein im Normalfall bis zur Schlachtung eine Lebensdauer von fünf Monaten hat. Demnach werden bis 1.1.2040 ca 40 Schweinegenerationen mit Billigung des Gesetzgebers unter – wie zu zeigen sein wird – nicht artgerechten Bedingungen gehalten werden. Dass freilich der Gesetzgeber selbst die Haltung von Schweinen auf durchgehend perforierten Böden als nicht artgerecht und mit dem Staatsziel des Tierschutzes bzw mit dem Tierwohl unvereinbar hält, erhellt aus der Tatsache, dass er die jüngsten gesetzlichen Änderungen, insbesondere das Verbot von Vollspaltenböden vorgenommen hat.

[…] Zum Verstoß gegen das Bundes-Verfassungsgesetz (B‑VG) Art7 Gleichbehandlungsgebot im Zusammenhang mit einer überschießend langen Übergangsbestimmung

[…] §18 Abs2a iVm §44. Abs29 Tierschutzgesetz verstößt darüber hinaus aus Sicht der Burgenländischen Landesregierung gegen das in Art7 B‑VG verankerte Gleichbehandlungsgebot. […] Übergangsfristen können […], gemessen an dem mit dem Grundrechtseingriff verfolgten Ziel (Verbot von Vollspaltenböden und damit einhergehender Umbau- bzw Adaptierungsmaßnahmen zum Zweck des Tierschutzes und Tierwohls), als überschießend lang und in weiterer Folge als verfassungswidrig qualifiziert werden. Das durch die Verankerung eines entsprechenden Verbots in §18 Abs2a TSchG verfolgte Ziel des Tierschutzes wird durch eine in §44 Abs29 TSchG festgelegte Übergangsfrist bis 1.1.2040 aus Sicht der Burgenländischen Landesregierung unterlaufen. Eine derart überschießend lange Übergangsregelung ist sachlich unter Bedachtnahme auf die Intensität des Eingriffs, nämlich die vorzunehmenden Umbauten/Adaptierungen von Böden bei Schweinehaltungsanlagen, auch im Lichte der […] Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs aus Sicht der Burgenländischen Landesregierung nicht gerechtfertigt. Durch die entstandene Differenz in den zulässigen Haltungsbedingungen für einen Zeitraum von knapp 17 Jahren kommt es aus Sicht der Antragstellerin zu einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung.

[…] Im Fall des Verbotes von Vollspaltenböden ist eine Übergangsfrist von knapp 17 Jahren gemessen an der Zielsetzung der Regelung (Verhinderung von massivem Tierleid und haltungsbedingten Erkrankungen sowie das Erfüllen des als Staatsziel verankerten Tierschutzes) und unter Bedachtnahme auf den durch das Verbot von Vollspaltenböden bewirkten Eingriff (Umbauarbeiten der Böden in Haltungsanlagen für Schweine) aus Sicht der Burgenländischen Landesregierung überschießend lang. Die wie bereits dargelegte Verpflichtung des Gesetzgebers zur Beachtung von Staatszielbestimmungen (Tierschutz) wiegt im vorliegenden Fall aus Sicht der Antragstellerin deutlich mehr, als ein Vertrauensschutz auf eine weiterhin zulässige Verwendung von Vollspaltenböden. Darüber hinaus ist der Eingriff in seiner Intensität als mäßig einzustufen, da Haltungsanlagen nicht zur Gänze, sondern lediglich deren Böden adaptiert werden müssten.

[…] Dass die Zumutbarkeit von Umbauarbeiten im Lichte der zu schützenden Rechtsgüter gänzlich anders bewertet werden kann, zeigt das Erkenntnis vom 18. Juni 2019 (G150/2018 ua) betreffend vorzunehmende Umbaumaßnahmen hinsichtlich des in Österreich eingeführten absoluten Rauchverbotes in Lokalen. Darin erkannte der Verfassungsgerichtshof, dass das bloße Vertrauen auf den unveränderten Fortbestand der gegebenen Rechtslage als solches keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz genießt. Es bleibt vielmehr dem Gesetzgeber auf Grund des ihm zukommenden rechtspolitischen Gestaltungsspielraum grundsätzlich unbenommen, die Rechtslage auch zu Lasten des Betroffenen zu verändern. Darüber hinaus hält der VfGH fest, dass es zwar nicht auszuschließen ist, dass Gastronomiebetrieber bereits Investitionen im Hinblick auf Umbauarbeiten für die räumliche Gestaltung von Gastronomiebetrieben vorgenommen haben, um einem beschränkten Rauchverbot gerecht zu werden, dies im Hinblick auf die geänderte Rechtslage und unter dem Aspekt des Arbeitnehmerschutzes jedoch keine Auswirkungen hat. Darüber hinaus wird auf den Umstand verwiesen, dass unternehmerische Entscheidungen stets unter Bedachtnahme auf die geltende Rechtslage getroffen und durch Gesetzesänderungen in ihren Auswirkungen mitunter nachteilig beeinflussst werden können, wobei dies noch keine Verletzung des Vertrauensgrundsatzes bedeutet. Im vorliegenden Fall hat der Gesetzgeber seinen rechtspolitischen Gestaltungsspielraum jedoch aus Sicht der Antragstellerin massiv überschritten, da die Dauer der Übergangsregelung gemessen an der Zielsetzung unverhältnismäßig lange gewählt wurde.

[...] §44 Abs30 und 31 TSchG sehen darüber hinaus vor, dass die Festlegung von neuen Mindeststandards für die Schweinehaltung (aufbauend auf den Ergebnissen eines Projektes gemäß §44 Abs30 TSchG) erst ab dem 1. Jänner 2040 für alle Schweinehaltungen gelten soll. Demnach können gemäß Abs31 Anlagen zur Schweinehaltung, die dem ab 1. Jänner 2023 geltenden Standard entsprechen, bis zum Ende einer Nutzungsdauer von 23 Jahren ab erstmaliger Inbetriebnahme weiter betrieben werden. Daraus ergibt sich, dass ein Schweinehaltungsbetrieb - trotz etwaig geänderter Mindeststandards für die Schweinehaltung basierend auf den Projektergebnissen – 23 Jahre lang weiterhin seinen Betrieb nach den ab 1. Jänner 2023 zulässigen Standards führen darf. Aus Sicht der Antragstellerin ist auch diese Übergangsfrist insbesondere im Hinblick auf das Tierwohl keineswegs gerechtfertigt und überschießend lang.

[…] Im vorliegenden Fall kann aus Sicht der Antragstellerin keine sachliche Rechtfertigung für einen Weiterbetrieb von bestehenden Haltungsanlagen für knapp 17 zusätzliche Jahre gefunden werden. Die de facto unterschiedlich geltenden Haltungsvorschriften – ausgelöst durch die 17‑jährige Übergangsbestimmung – stellen eine Ungleichbehandlung dar von einerseits jenen Haltungsanlagenbetreibern für Schweine, die einen Betrieb ab 1. Jänner 2023 neu errichtet/umgebaut haben und andererseits jenen Haltungsanlagenbetreibern, die eine Anlage bereits vor 1. Jänner 2023 betrieben haben, wobei nicht ersichtlich ist, weshalb eine derart lange Übergangsfrist für die Umsetzung eines Verbotes von Vollspaltenböden notwendig ist, zumal die Adaptierungsmaßnahmen nicht Haltungsanlagen zur Gänze sondern 'lediglich' gemäß §18 Abs2a TSchG die Böden betreffen würden. Darüber hinaus könnte durch die Verwendung von Einstreu (beispielsweise Stroh) dem Aspekt des Tierschutzes und einer artgerechten Haltung von Schweinen nachgekommen werden.

[…] Zu den Bedenken bezüglich der Verfassungs- und Gesetzeskonformität der angefochtenen Bestimmungen der Anlage 5 der Verordnung der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen über die Mindestanforderungen für die Haltung von Pferden und Pferdeartigen, Schweinen, Rindern, Schafen, Ziegen, Schalenwild, Lamas, Kaninchen, Hausgeflügel, Straußen und Nutzfischen (1. Tierhaltungsverordnung), BGBl II Nr 485/2004, in der Fassung BGBl II Nr 296/2022

[…] Zum Verstoß gegen das Bundesverfassungsgesetz über die Nachhaltigkeit, den Tierschutz, den umfassenden Umweltschutz, die Sicherstellung der Wasser- und Lebensmittelversorgung und die Forschung (BVG Nachhaltigkeit)

[…] Nach Auffassung der Bu[r]genländischen Landesregierung liegt eine Verfassungs- wie auch Gesetzwidrigkeit der Punkte 2.2.2., 5.2., 5.2a. sowie 9 der Anlage 5 der 1. Tierhaltungsverordnung, BGBl II Nr 485/2004, in der Fassung BGBl II Nr 296/2022, im Hinblick auf §2 BVG Nachhaltigkeit vor. […]

[…] Ebenso wie in dem Fall in dem vom Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 1. März 1989, VfSlg 11.990/1989, die Gesetzwidrigkeit einer Verordnung auf Grund der Missachtung zentraler Umweltschutzaspekte trotz Vorliegens eines diesbezüglichen Bekenntnisses der Republik und damit einhergehend einem entsprechenden Verfassungsauftrag festgestellt wurde, liegt nach Auffassung der Burgenländischen Landesregierung eine Verfassungs- wie auch Gesetzwidrigkeit der genannten Punkte der Anlage 5 der 1. Tierhaltungsverordnung vor. Dies vor allem auf Grund der sich aus diesen Bestimmungen ergebenden Zulässigkeit von perforierten Böden (Punkt 2.2.2.) und damit einhergehend der fehlenden Verpflichtung der Einstreu bei perforierten Böden wie auch aus der fehlenden Verpflichtung des Vorhandenseins einer ergänzenden, trockenen und ausreichend dimensionierten Liegefläche (Punkt 5.2. FN 2, wonach lediglich Buchten ohne perforierte Böden eine trockene und ausreichend dimensionierte Liegefläche aufweisen müssen) sowie der zu geringen uneingeschränkt benutzbar zur Verfügung zu stellenden Bodenfläche pro Tier (Punkt 5.2a.) und der Weitergeltung des Punktes 5.2. für bereits bestehende Anlagen (Punkt 9.). Gerade daraus resultieren tierschädliche Konsequenzen, wie nicht den physiologischen wie auch ethologischen Bedürfnissen der Schweine entsprechende Haltungsbedingungen, was wiederum aus Perspektive der Burgenländischen Landesregierung zu einem gänzlichen Außerachtlassen zentraler Tierschutzgesichtspunkte führt. Gerade zur Beachtung zentraler Tierschutzgesichtspunkte, wäre der einfache Gesetzgeber in Anbetracht der Vorgaben des §2 BVG Nachhaltigkeit und unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sowie der herrschenden Lehre verpflichtet gewesen.

[…] Punkt 2.2.2. der in der Anlage 5 der 1. Tierhaltungsverordnung verankerten Mindestanforderungen für die Haltung von Schweinen, normiert besondere Anforderungen an perforierte Böden. Betreffende Norm sieht dabei vor, dass bei der Verwendung von Betonspaltenböden bestimmte Spaltenbreiten nicht überschritten und bestimmte Auftrittsbreiten nicht unterschritten werden dürfen. Zudem müssen Spaltenböden aus Beton aus Flächenelementen hergestellt sein, die keine durchgehenden Längsspalten in den Elementen aufweisen. Die Auftrittsfläche muss eben und gratfrei sein, die Kanten müssen gebrochen sein. Kunststoff- und Metallroste dürfen bei Saugferkeln eine Spaltenbreite von 10 mm und bei Absetzferkeln eine Spaltenbreite von 12 mm nicht überschreiten. Bei Gussrosten gilt ein fertigungsbedingter Abweichungsspielraum von +/- 0,5 mm.

[…] Die Burgenländische Landesregierung verkennt nicht, dass mit betreffender Bestimmung den wissenschaftlichen Erkenntnissen bezüglich der einzuhaltenden Spaltenbreiten Rechnung getragen wird. Wesentlich ist jedoch, dass in den normierten Anforderungen an perforierte Böden – auch als Vollspaltenböden bezeichnet – von dem Erfordernis einer Einstreu (etwa von Stroh) Abstand genommen wird. Gerade durch das Fehlen einer Verpflichtung zur Einstreu auf perforierten Böden, wird Punkt 2.2.2. der Anlage 5 der 1. Tierhaltungsverordnung dem in §2 BVG Nachhaltigkeit verankerten, verfassungsrechtlichen Gebot des Tierschutzes nicht gerecht, sondern lässt zentrale Tierschutzaspekte außer Betracht.

[…] Dies insbesondere auch unter Berücksichtigung und in Kombination mit der in Punkt 5.2a. der Anlage 5 der 1. Tierhaltungsverordnung aus tierschutzrechtlicher Perspektive zu geringen Platzgrößen insbesondere für Schweine bis 50 kg, 85 kg und 110 kg. Die neu eingefügten Platzvorgaben in Punkt 5.2a. entsprechen beispielsweise bei einem Schwein von bis zu 85 kg Körpergewicht 0,65 m2 (im Vergleich: bis zur Novelle BGBl II. Nr 296/2022 waren es 0,55 m2). So erlaubt Punkt 5.2a. der Anlage 5 der 1. Tierhaltungsverordnung für Schweine bis 50 kg einen Platz von lediglich 0,5 m2 pro Schwein (vormals: 0,4 m2) oder für Schweine bis 110 kg einen Platz von lediglich 0,8 m2 pro Schwein (vormals: 0,7 m2). Darüber hinaus sieht der weiterhin in Geltung stehende Punkt 5.2. (vlg. Punkt 9. der Anlage 5 der 1. Tierhaltungsverordnung) für bereits bestehende Anlagen lediglich für Buchten ohne perforierte Böden eine Verpflichtung des Vorhandenseins einer trockenen und ausreichend dimensionierten Liegefläche vor.

[…] Es ist wissenschaftlich mehrfach belegt […], dass die Haltung von Schweinen auf perforierten Böden bei fehlender Einstreu (in bestehenden Haltungsanlagen) weder den ethologischen Bedürfnissen der Schweine hinreichend Rechnung trägt, noch geeignet ist, die Tiere vor haltungsbedingten Verhaltensstörungen und vor einer Überforderung ihrer Anpassungsfähigkeit zu schützen, wodurch nach Auffassung der Burgenländischen Landesregierung zentrale Tierschutzaspekte außer Acht gelassen werden. Diese Folge wird genauso durch zwar ein größeres jedoch nicht ausreichendes Mindestplatzangebot in Punkt 5.2a. sowie der fehlenden Verpflichtung zu eingestreuten Liegebereichen (für neu gebaute oder erstmals in Betrieb genommene Anlagen) ausgelöst.

[…] Unter Einhaltung der genannten, derzeit in der 1. Tierhaltungsverordnung verankerten, Mindestanforderungen an die Schweinehaltung herrscht auf Vollspaltenböden (Punkt 5.2.) sowie auf anderen Buchten (5.2a.) Platzmangel. Unter diesen Bedingungen (zu geringer Platz in Entsprechung der Vorgaben der Anlage 5 der 1. Tierhaltungsverordnung kombiniert mit einstreulosen Böden) können Schweine ihren Lebensbereich nicht in Liege- und Kotplatz trennen. Die Überfüllung bewirkt zusammen mit der fehlenden Beschäftigung Stress und die Tiere verlieren ihre Widerstandskraft gegen Infektionen, sind pessimistischer eingestellt und entwickeln Magengeschwüre.

[…] Zudem liegen Schweine in Tierfabriken 80% der Zeit. Entsprechend wichtig ist eine angenehme Beschaffenheit des Bodens. Auf Vollspaltenböden entwickeln 92% der Tiere eine schmerzhafte Schleimbeutelentzündung der Gelenke und fast alle Hautschwielen. Ohne Einstreu können sich Schweine nicht ausreichend mit etwas beschäftigen. Dadurch ist ihnen langweilig, sie werden gestresst und aggressiv. Die Folge ist Ohren- und Schwanzbeißen, was zu schweren Verletzungen führt. Als Maßnahme dagegen werden den Tieren routinemäßig die Schwänze und Zähne kupiert. Darüber hinaus sind Tiere die auf Stroh leben welches ausreichend gewechselt wird weniger gefährdet Entzündungen aufgrund der Ausdünstungen ihres Kotes an Augen und Lunge zu erleiden. […]

Die Mortalität in der Schweinehaltung auf Vollspaltenböden (dh einer den konventionellen Mindestanforderungen des Punktes 2.2.2. und Punktes 5.2. der Anlage 5 der 1. Tierhaltungsverordnung entsprechenden Haltung) ist dreimal so hoch wie auf Stroh. Diese Umstände und der daraus resultierende Widerspruch zu wesentlichen Grundsätzen im Umgang mit Tieren sind wissenschaftlich umfassend belegt[…]

[…]

[…] Es wird darauf hingewiesen, dass Punkt 5.2a. zwar ein Verbot von unstrukturierten Vollspaltenbuchten vorsieht, jedoch darüber hinaus lediglich einen Liegebereich im Ausmaß von einem Drittel der Gesamtfläche vorsieht, welcher nicht verpflichtet eingestreut werden muss. […]

[…] [Es] zeigt sich, dass konventionelle Schweinehaltung unter den vorgegebenen minimalen Platzanforderungen und der fehlenden Einstreu im Liegebereich einerseits multifaktorelle, primär aber haltungsbedingte Verhaltensstörungen bedingt. So ist etwa das gerade auch bei der Haltung auf Vollspaltenböden – die bis 1.1.2040 zulässig ist – gehäuft auftretende Schwanzbeißen nicht nur Symptom einer Verhaltensstörung, sondern zugleich ein Indikator für unzulängliche Haltungsbedingungen bzw für die Überforderung der Anpassungsfähigkeit der Tiere (siehe etwa Winkler/Binder, Gutachterliche Stellungnahme zur Problematik des Schwanzkupierens bei Schweinen, TiRuP 2020/B 61ff). Die geltenden Mindestanforderungen der Schweinehaltung und die Möglichkeit der Haltung auf Böden ohne Einstreu unter Platzmangel tragen weder den ethologischen Bedürfnissen der Schweine hinreichend Rechnung, noch sind sie geeignet, die Tiere vor haltungsbedingten Verhaltensstörungen noch vor einer Überforderung ihrer Anpassungsfähigkeit zu schützen.

[…]

[…] Die Burgenländische Landesregierung verkennt nicht, dass der Gesetzgeber beim Treffen seiner Regelungen auch bestehende, verfassungsrechtlich verankerte öffentliche Interessen gegeneinander abwägen muss und dass etwa mit der Verpflichtung zur Einstreu unter Umständen anderweitige öffentliche Interessen berührt sein könnten, wie etwa das Grundrecht auf Eigentum oder die Erwerbsfreiheit. Die mit einer verpflichtenden Einstreu verbundenen Kosten sind aber nach den der Burgenländischen Landesregierung vorliegenden Studien derart gering, dass nach Auffassung der Burgenländischen Landesregierung lediglich ein geringfügiger, angemessener und verhältnismäßiger Eingriff in die Eigentumsfreiheit zur Erreichung des im öffentlichen Interesse gelegenen Zieles des Tierschutzes vorliegt (vgl Kirner/Stürmer/Gerner, Was mehr Tierwohl zusätzlich kostet, top agrar Österreich 3/2021, wie auch Kirner/Stürmer, Mehrkosten von und Erfahrungen mit höheren Tierwohlstandards in der österreichischen Schweinemast, Zeitschrift für Agrarpolitik und Landwirtschaft Band 99 Ausgabe 1). […]

[…]

[…] Die Burgenländische Landesregierung ist unter Berücksichtigung der obigen Darlegungen daher der Auffassung, dass die in Punkt 2.2.2. der Anlage 5 der 1. Tierhaltungsverordnung verankerte Zulässigkeit von perforierten Böden – insbesondere ohne dem zeitgleichen Erfordernis einer hinreichenden Einstreu von Stroh und bezüglich der im Falle der Gruppenhaltung verbundenen zu geringen Platzvorgaben nach Punkt 5.2a. der Anlage 5 der 1. Tierhaltungsverordnung wie auch der in Punkt 5.2. lediglich für Buchten ohne durchgehend perforierten Böden normierten Verpflichtung des Vorhandenseins einer trockenen und ausreichend dimensionierten Liegefläche auf Grund des damit verbundenen Außerachtlassens zentraler Tierschutzaspekte in Widerspruch zu dem in §2 BVG Nachhaltigkeit verankerten Bekenntnis der Republik (Bund, Länder, Gemeinden) zum Tierschutz steht und aus diesem Grund mit Verfassungswidrigkeit behaftet ist.

[…] Die Burgenländische Landesregierung verkennt dabei insbesondere nicht, dass bezüglich des Punktes 2.2.2. der Anlage 5 der 1. Tierhaltungsverordnung bereits durch ergänzende legistische Vorkehrungen, wie die verpflichtende Einstreu von Stroh, maßgeblich zum Tierschutz und zum Wohl der Tiere beigetragen werden könnte. Zugleich ist aber die derzeit in Geltung stehende Rechtslage – insbesondere auch auf Grund des Fehlens einer Verpflichtung zur Einstreu von Stroh – auch keiner verfassungskonformen Interpretation zugänglich. Dies gilt auch bezüglich der definierten Mindestanforderungen an die den Tieren im Falle der Gruppenhaltung zur Verfügung zu stellende Bodenfläche nach Punkt 5.2a. der Anlage 5 der 1. Tierhaltungsverordnung.

[…]

Eine Beseitigung der derzeitigen verfassungswidrigen Verordnungslage und die Herstellung einer verfassungskonformen Rechtslage ist nach Auffassung der Burgenländischen Landesregierung daher nur bei gänzlicher Behebung des Punktes 2.2.2. der Anlage 5 der 1. Tierhaltungsverordnung, wie des Punktes 5.2. der Anlage 5 der 1. Tierhaltungsverordnung sowie der Ziffer 5 des Punktes 5.2a. der Anlage 5 der 1. Tierhaltungsverordnung und des Punktes 9 der Anlage 5 der 1. Tierhaltungsverordnung möglich. Bezüglich Punkt 2.2.2. der Anlage 5 der 1. Tierhaltungsverordnung einerseits deshalb, weil nur damit diese tierschädliche Haltungsform beseitigt wird, und andererseits weil die tragbare Variante der Einstreu etwa mit Stroh, die Linderung von Leid und zu einer Verbesserung der Situation führen würde.

[…]

[…] Zum Verstoß gegen den Gleichheitssatz gemäß Art7 Abs1 B‑VG

[…]

[…] Aus Perspektive der Burgenländischen Landesregierung hat sich gerade auch im Bereich des Tierschutzes in den vergangenen Jahre ein Wertewandel vollzogen, dem Punkt 2.2.2., Punkt 5.2., Ziffer 5 des Punktes 5.2a. sowie Punkt 9 der Anlage 5 der 1. Tierhaltungsverordnung nicht gerecht werden, weshalb selbige Normen nach Auffassung der Burgenländischen Landesregierung insbesondere unter Berücksichtigung der […] Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes wegen eines Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz verfassungswidrig sind.

[…]

[…] Aus […] diesem auch in der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes anerkannten bedeutsamen öffentlichen Interesses des Tierschutzes und des in den vergangenen Jahrzehnten vollzogenen Wertewandels, ergibt sich nach Auffassung der Burgenländischen Landesregierung die Unsachlichkeit und damit Gleichheitswidrigkeit der Zulässigkeit der Schweinehaltung auf perforierten Böden (bis 1. Jänner 2040) ohne der zeitgleichen Verpflichtung zur Setzung von Maßnahmen, wie etwa die Einstreu von Stroh, wie auch der zu geringen Mindestgröße der einem Tier uneingeschränkt zur Verfügung zu stellenden benutzbaren Bodenfläche (Punkt 2.2.2., Punkt 5.2., Punkt 5.2a. und Punkt 9 der Anlage 5 der 1. Tierhaltungsverordnung) die für adäquatere Haltungsbedingungen in der Schweinehaltung sorgen würden.

[…] Die Burgenländische Landesregierung verkennt nicht, dass Tierschutz in der Vergangenheit und insbesondere vor seiner Verankerung als Staatsziel ein vernachlässigter Aspekt im Wertekanon der Rechtsordnung gewesen sein mag. Wie aber auch der Verfassungsgerichtshof festgehalten hat, ist in den letzten Jahrzehnten insoweit ein Wandel eingetreten, als sich nach heutiger Auffassung im Tierschutz ein weithin anerkanntes und bedeutsames öffentliches Interesse verkörpert (VfSlg 15.394/1998):

[…] Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 1. Dezember 2011, VfSlg 19.568/2011, seine Rechtsprechung, wonach nach heutiger Auffassung im Tierschutz ein weithin anerkanntes und bedeutsames öffentliches Interesse verkörpert wird, bekräftigt[…]

[…]

Aus eben diesem auch in der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes anerkannten bedeutsamen öffentlichen Interesses des Tierschutzes und des in den vergangenen Jahrzehnten vollzogenen Wertewandels, ergibt sich nach Auffassung der Burgenländischen Landesregierung die Unsachlichkeit und damit Gleichheitswidrigkeit der Zulässigkeit der Schweinehaltung auf perforierten Böden (bis 1. Jänner 2040) ohne der zeitgleichen Verpflichtung zur Setzung von Maßnahmen, wie etwa die Einstreu von Stroh, wie auch der zu geringen Mindestgröße der einem Tier uneingeschränkt zur Verfügung zu stellenden benutzbaren Bodenfläche (Punkt 2.2.2., Punkt 5.2., Punkt 5.2a. und Punkt 9 der Anlage 5 der 1. Tierhaltungsverordnung) die für adäquatere Haltungsbedingungen in der Schweinehaltung sorgen würden.

[…] In diesem Zusammenhang darf auf die bereits dargelegten, umfassenden wissenschaftlichen Erkenntnisse der deutlichen Nachteile der einstreulosen Haltung und der zu kleinen zur Verfügung gestellten Bodenfläche in Bezug auf das Wohlbefinden und die Tiergesundheit verwiesen werden. Daraus ergibt sich, insbesondere unter Berücksichtigung des vollzogenen Wertewandels, klar die Gleichheitswidrigkeit der seitens der Burgenländischen Landesregierung angefochtenen Bestimmungen.

[…] Die Burgenländische Landesregierung ist unter Berücksichtigung der obigen Darlegungen daher der Auffassung, dass die in Punkt 2.2.2. der Anlage 5 der 1. Tierhaltungsverordnung verankerte Zulässigkeit von perforierten Böden – insbesondere ohne dem zeitgleichen Erfordernis einer hinreichenden Einstreu von Stroh, die in Punkt 5.2. der Anlage 5 der 1. Tierhaltungsverordnung fehlende Verpflichtung zum Vorhandensein einer trockenen, ausreichend dimensionierten Liegefläche für Buchten mit durchgehend perforierten Böden sowie die in Z5 Punkt 5.2a. viel zu gering vorgesehenen Mindestflächen/Schwein und die in Punkt 9. vorgesehene weiterhin geltende Zulässigkeit von Punkt 5.2. für bereits bestehende Anlagen insbesondere auch unter Berücksichtigung des gesellschaftlich vollzogenen Wertewandels in Widerspruch zum Gleichheitssatz steht und aus diesem Grund mit Verfassungswidrigkeit behaftet ist. […]

[…]

[…] Zu den Bedenken bezüglich der Gesetzeskonformität der angefochtenen Bestimmungen der Anlage 5 der 1. Tierhaltungsverordnung

[…]

[…] [D]as in relevantem Umfang auftretende Schwanzbeißen [ist] vorwiegend mit der konventionellen, den Mindestanforderungen des Punktes 2.2.2. und 5.2. der Anlage 5 der 1. Tierhaltungsverordnung entsprechenden Schweinehaltung assoziiert […] und zwar als multifaktorelle, primär aber haltungsbedingte Verhaltensstörung. Daraus erschließt sich, dass die in der Anlage 5 der 1. Tierhaltungsverordnung festgelegten Mindestanforderungen den durch §13 TSchG definierten Rahmenbestimmungen nicht hinreichend entsprechen (vgl Winkelmayer/Binder, Gutachterliche Stellungnahme zur Problematik des Schwanzkupierens bei Schweinen, TiRuP 2020/B 61). Das Schwanzbeißen ist dabei nicht nur das Symptom einer Verhaltensstörung, sondern ein Indikator für unzulängliche Haltungsbedingungen bzw für die Überforderung der Anpassungsfähigkeit der Tiere. Die geltenden Mindestanforderungen tragen weder den ethologischen Bedürfnissen der Schweine hinreichend Rechnung, noch sind sie geeignet, die Tiere vor haltungsbedingten Verhaltensstörungen und vor einer Überforderung ihrer Anpassungsfähigkeit zu schützen. Daher stehen die derzeitig in der Verordnung verankerte Möglichkeit der einstreulosen Haltung in klarem Widerspruch insbesondere zu der in §13 Abs2 TSchG verankerten Vorgabe, dass die Haltungsbedingungen und gerade auch die Bodenbeschaffenheit den physiologischen und ethologischen Bedürfnissen der Tiere angemessen sein müssen.

[…]

[…] Auch hieraus resultiert nach Auffassung der Burgenländischen Landesregierung unzweifelhaft, dass die genannten Bestimmungen der Anlage 5 der 1. Tierhaltungsverordnung in Widerspruch zu der Anforderung der den physiologischen und ethologischen Bedürfnissen der Tiere angemessenen Bodenbeschaffenheit, dem den physiologischen und ethologischen Bedürfnissen der Tiere angemessenen Platzangebot wie auch der Bewegungsfreiheit steht. Insbesondere darf die Bewegungsfreiheit eines Tieres nach §16 Abs1 TSchG nicht so eingeschränkt werden, dass dem Tier Schmerzen, Leid oder Schäden zugefügt werden. Eben dies wird aber durch die zu geringen Mindestvorgaben bezüglich des zur Verfügung zu stellenden Platzes gemäß Ziffer 5 des Punktes 5.2a. der Anlage 5 der 1. Tierhaltungsverordnung bedingt.

[…]

[…] Ebenso ist die Burgenländische Landesregierung der Auffassung, dass die in der Anlage 5 der 1. Tierhaltungsverordnung in Punkt 2.2.2. normierte Zulässigkeit der Haltung von Schweinen auf Vollspaltenböden ohne Einstreu wie auch die in Punkt 5.2. normierten weitergeltenden Vorgaben bezüglich der Gruppenhaltung von Schweinen gemäß Punkt 9. sowie die in Punkt 5.2a. definierten Platzvorgaben in Widerspruch zur gesetzlichen Vorgabe des §24 Abs1 TSchG steht, wonach die Mindestanforderungen der Haltungsbedingungen auf dem anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse zu beruhen haben. […]

[…]"

Schließlich bestehe ein Verstoß im Hinblick auf Vorgaben der Richtlinie 2008/120/EG über die Mindestanforderungen für den Schutz von Schweinen, ABl. 2009 L 47, 5, berichtigt durch ABl. 2016 L 39, 63, idF der Verordnung 2017/625 über amtliche Kontrollen und andere amtliche Tätigkeiten zur Gewährleistung der Anwendung des Lebens- und Futtermittelrechts und der Vorschriften über Tiergesundheit und Tierschutz, Pflanzengesundheit und Pflanzenschutzmittel, ABl. 2017 L 95, 1, berichtigt durch ABl. 2017 L 137, 40 (im Folgenden: Richtlinie 2008/120/EG ), wobei angeregt werde, diesbezüglich den Gerichtshof der Europäischen Union im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens zu befassen.

2. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie zur Zulässigkeit des Hauptantrages Folgendes ausführt (ohne die Hervorhebungen im Original):

"[…] Die antragstellende Landesregierung beantragt sowohl im Hauptantrag als auch im Eventualantrag auch die Aufhebung des §18 Abs2a TSchG, der die Haltung von Absatzferkeln, Zuchtläufern und Mastschweinen in unstrukturierten Vollspaltenbuchten ohne Funktionsbereich verbietet. Die Bedenken der antragstellenden Landesregierung beziehen sich allerdings nicht auf das in §18 Abs2a TSchG normierte Verbot, sondern auf die in §40 Abs29 leg cit geregelte Übergangsfrist, die bestehende Betriebe von diesem Verbot dispensiert. Auch der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 2. Dezember 2022, V137/2022, ausgeführt, dass sich die behauptete Verfassungswidrigkeit nunmehr (auch) aus §44 Abs29 TSchG ergebe. Mit der Aufhebung des §18 Abs2a TSchG würde damit mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden, als zur Beseitigung der behaupteten Verfassungswidrigkeit erforderlich ist.

Die Bundesregierung übersieht dabei nicht, dass nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes in jenen Fällen, in denen sich die Bedenken bei einer Norm, die aus einer Regel und Ausnahmen besteht und die daher gemeinsam zu lesen ist, nicht gegen die Regel, aber gegen die Ausnahme richtet, auf Grund des untrennbaren Zusammenhangs zwischen Regel und Ausnahme die gesamte Norm einschließlich der verfassungsrechtlich bedenklichen Ausnahme in den Blick zu nehmen und die Verfassungsmäßigkeit der Norm gegebenenfalls durch Aufhebung der als verfassungswidrig anerkannten Ausnahme herzustellen ist (vgl VfSlg 14.805/1997, 16.203/2001 mwN). Die Bundesregierung stellt jedoch zur Erwägung, ob diese Rechtsprechung auf das Verhältnis einer Übergangsbestimmung zu einer (Verbots‑)Norm übertragen werden kann. Sofern der Verfassungsgerichtshof den Antrag für zulässig erachtet, wäre dieser hinsichtlich des §18 Abs2a TSchG abzuweisen.

[…]"

Den im Antrag erhobenen Bedenken tritt die Bundesregierung wie folgt entgegen (ohne die Hervorhebungen im Original):

"[…] Zu den Bedenken im Hinblick auf §2 des Bundesverfassungsgesetzes über die Nachhaltigkeit, den Tierschutz, den umfassenden Umweltschutz, die Sicherstellung der Wasser- und Lebensmittelversorgung und die Forschung, BGBl I Nr 111/2013, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 82/2019:

[…] Die antragstellende Landesregierung hegt in Bezug auf §18a Abs2a iVm. §44 Abs29 TSchG das Bedenken, dass die Zulässigkeit von unstrukturierten Vollspaltenbuchten ohne Funktionsbereich für bestehende Haltungseinrichtungen bis zum 1. Jänner 2040 gegen §2 des Bundesverfassungsgesetzes über die Nachhaltigkeit, den Tierschutz, den umfassenden Umweltschutz, die Sicherstellung der Wasser- und Lebensmittelversorgung und die Forschung (im Folgenden 'BVG Staatsziele') verstoße.

[…] Gemäß §2 BVG Staatsziele bekennt sich die Republik Österreich (Bund, Länder und Gemeinden) zum Tierschutz. Diese Staatszielbestimmung ist normativ verbindlich und verpflichtet zuvorderst die Gesetzgebung. Darüber hinaus ist diese jedoch gleichsam von allen Gebietskörperschaften bei ihren Entscheidungen sowohl im Rahmen der Hoheits- als auch der Privatwirtschaftsverwaltung zu beachten. Wenngleich dieser Staatszielbestimmung damit ein objektiv-rechtlicher Gehalt innewohnt, gewährt sie – im Unterschied zu verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten – kein subjektives Recht. Daher kann daraus kein individuell einklagbarer Anspruch abgeleitet werden (Berka, Verfassungsrecht8, 2021, Rz 206).

[…] Der Verfassungsgerichtshof hat bereits festgehalten, dass Tierschutz ein weithin anerkanntes und bedeutsames öffentliches Interesse verkörpert (vgl VfSlg 15.394/1998, 19.568/2011; mit Verweis auf §2 BVG Staatsziele auch VfSlg 20.191/2017). Mit dem BVG Staatsziele hat die Verfassungsgesetzgebung zum Ausdruck gebracht, dass ein qualifiziertes öffentliches Interesse an der Wahrung der dort genannten Belange besteht (vgl zum Bundesverfassungsgesetz über den umfassenden Umweltschutz, BGBl Nr 491/1984, aufgehoben durch das Bundesgesetz BGBl I Nr 111/2013, VfSlg 20.185/2017 mwN; Gutknecht, BVG Umwelt, in Korinek/Holoubek [Hrsg.], Österreichisches Bundesverfassungsrecht. Kommentar, 1. Lfg. 1999, Rz 35). Das Verbot der Vollspaltböden gemäß §18 Abs2a TSchG verfolgt zweifelsfrei das – im öffentlichen Interesse gelegene – Ziel des Schutzes von Tieren (vgl zu §2 BVG Staatsziele auch VfSlg 20.191/2017).

[…] Der Verfassungsgerichtshof zieht in ständiger Rechtsprechung Staatszielbestimmungen bei Auslegungs- und Abwägungsentscheidungen im Hinblick auf das öffentliche Interesse in seiner Prüfung von Gesetzen auf ihre Verfassungsmäßigkeit und von Verordnungen auf ihre Gesetzmäßigkeit heran (vgl etwa VfSlg 11.990/1989, 12.009/1989, 12.485/1990, 12.486/1990, 13.102/1992, 13.718/1994, 14.551/1996, 16.242/2001, 19.584/2011, 20.185/2017 Rz. 3.6 bis 3.8; weiterführend vgl Berka, Verfassungsrecht8 Rz 207). Allerdings hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg 20.185/2017 – betreffend die Errichtung einer Piste für einen Flughafen – in Bezug auf das Staatsziel des Umweltschutzes klargestellt, dass sich aus dem BVG Staatsziele kein absoluter Vorrang von Umweltschutzinteressen gegenüber anderen Entscheidungsdeterminanten ableiten lässt.

[…] Aus dem Vorstehenden folgt, dass Staatszielbestimmungen durchaus bei der Rechtfertigung eines Eingriffs in ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht (zB Eingriff in das Recht auf Eigentum gemäß Art5 StGG, Art1 [1.] ZPEMRK durch erforderliche bauliche Maßnahmen sowie Eingriff in die Erwerbs[ausübungs]freiheit gemäß Art6 StGG durch Beschränkung der Schweinehaltung auf Anlagen ohne unstrukturierte Vollspaltenbuchten) herangezogen werden können (so auch Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht13, 2022, Rz 101). Bei der Prüfung der Verfassungskonformität eines Verbots von Vollspaltenbuchten ist nach Auffassung der Bundesregierung daher (auch) das Staatsziel des Tierschutzes entsprechend zu berücksichtigen.

[…] Daraus folgt aber nicht, dass aus dem Staatsziel des Tierschutzes ein absoluter Vorrang von Tierschutzinteressen (vgl mutatis mutandis hinsichtlich des Umweltschutzes VfSlg 20.185/2017) resultiert, sodass nur ein Verbot der Vollspaltenbodenhaltung verfassungskonform wäre. Der Gesetzgebung kommt bei der Berücksichtigung und Realisierung von Staatszielen vielmehr ein erheblicher politischer Spielraum zu. Auswahl und Gewichtung der konkreten gesetzlichen Maßnahmen und deren Abwägung mit anderen öffentlichen Interessen – seien sie verfassungsrechtlich oder einfachgesetzlich verankert – sowie die Festlegung der Mittel sind  – freilich unter der nachprüfenden Kontrolle des Verfassungsgerichtshofes – dem Ermessen der Gesetzgebung überlassen (vgl Gutknecht, BVG Umwelt, in Korinek/Holoubek [Hrsg.], Österreichisches Bundesverfassungsrecht. Kommentar, 1. Lfg. 1999, Rz 28; Berka, Verfassungsrecht8 Rz 205; Mayer/Kucsko-Stadlmayer/Stöger, Bundesverfassungsrecht11, 2015, Rz 1333). Dieser weite Ermessensspielraum schließt auch die Entscheidung mit ein, in welchem Zeithorizont Maßnahmen zur Realisierung des Staatszieles ergriffen werden. Nach Auffassung der Bundesregierung wird dieser weite Ermessenspielraum bei einem Verbot von unstrukturierten Vollspaltenbuchten ohne Funktionsbereich mit einer Übergangsfrist bis zum 1. Jänner 2040 für bereits bestehende Haltungseinrichtungen nicht überschritten.

[…] In diesem Zusammenhang ist auch auf §40 Abs30 TSchG hinzuweisen, wonach vom Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz und vom Bundesminister für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus bis zum 31. Dezember 2026 ein Projekt hinsichtlich der Evaluierung der Haltungssysteme im Bereich der Buchten und Bodengestaltung bei der Haltung von Schweinen durchzuführen ist. Im Rahmen dieses Projekts sollen Anforderungen zur Strukturierung und Ausgestaltung der Buchten sowie der Böden als Alternative zu den bestehenden Vollspaltenbuchten im Sinne des Tierwohls entwickelt werden, die als Grundlage für die Festsetzung von neuen rechtlichen Mindeststandards gemäß §24 Abs1 Z1 TSchG heranzuziehen sind. Flankierend zu diesen gesetzlichen Maßnahmen werden in einem laufenden Projekt ('IBeST') auch Lösungen für ausgewählte, bereits bestehende Betriebe entwickelt, die bei ihrem (freiwilligen) Umstieg auf den ab 1. Jänner 2023 geltenden Standard unterstützt werden (vgl Erläut zu AA‑261 27. GP 13 f). All diese Maßnahmen verfolgen das Ziel des Tierschutzes im Sinne des §2 BVG Staatsziele.

[…] Vor diesem Hintergrund vertritt die Bundesregierung die Auffassung, dass der behauptete Verstoß gegen §2 BVG Staatsziele nicht vorliegt.

[…] Zu den Bedenken im Hinblick auf den Gleichheitssatz (Art7 B‑VG, Art2 StGG):

[…] Die antragstellende Landesregierung hegt im Wesentlichen zusammengefasst das Bedenken, dass die in §44 Abs29 TSchG vorgesehene Übergangsfrist von 17 Jahren iZm. dem Verbot der unstrukturierten Vollspaltenbuchten ohne Funktionsbereich für bereits vor dem 1. Jänner 2023 bestehende Haltungseinrichtungen gegen das in Art7 B‑VG verankerte Gleichbehandlungsgebot verstoße. Auch die in §44 Abs31 iVm. Abs30 TSchG in Bezug auf neue, mittels Verordnung festzulegenden Mindeststandards für die Schweinehaltung vorgesehene Übergangsfrist von bis zu 23 Jahren (ab erstmaliger Inbetriebnahme) hinsichtlich jener Anlagen, die dem ab 1. Jänner 2023 geltenden Standard entsprechen, sei im Hinblick auf das Tierwohl überschießend lang und nicht gerechtfertigt.

[…]

[…] Der Verfassungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass das bloße Vertrauen auf den unveränderten Fortbestand der gegebenen Rechtslage als solches keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz genießt (vgl VfSlg 16.687/2002 mwN; 19.933/2014). Vielmehr bleibt es der Gesetzgebung auf Grund des ihr zukommenden rechtspolitischen Gestaltungsspielraums unbenommen, die Rechtslage auch zu Lasten des Betroffenen zu verändern (zB VfSlg 18.010/2006 mwN).

Nur unter besonderen Umständen setzt der Vertrauensschutz der Gesetzgebung verfassungsrechtliche Grenzen, so insbesondere wenn dem Betroffenen zur Vermeidung unsachlicher Ergebnisse die Gelegenheit gegeben werden muss, sich rechtzeitig auf die neue Rechtslage einzustellen (vgl VfSlg 13.657/1993, 15.373/1998, 16.754/2002 mwN). Vertrauensschutz begründende Umstände können nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darin liegen, dass rückwirkend an in der Vergangenheit liegende Sachverhalte geänderte (für die Normunterworfenen nachteilige) Rechtsfolgen geknüpft werden (vgl VfSlg 13.020/1992, 16.850/2003) oder dass die Gesetzgebung in Rechtsansprüche, auf die sich die Normunterworfenen nach ihrer Zweckbestimmung rechtens einstellen durften (wie auf Pensionsleistungen bestimmter Höhe), plötzlich und intensiv nachteilig eingreift (vgl VfSlg 11.288/1987, 16.764/2002, 17.254/2004) oder dass die Gesetzgebung, die Normunterworfene zu Dispositionen veranlasst hat, durch eine spätere Maßnahme diese im Vertrauen auf die Rechtslage vorgenommenen Dispositionen frustriert bzw ihrer Wirkung beraubt (vgl VfSlg 12.944/1991, 13.655/1993, 16.452/2002).

Nicht der bloße Anreiz zu Dispositionen vermag ein vertrauensbildendes Moment zu sein, sondern erst der Anreiz zu konkreten Investitionen wie etwa die Anschaffung lärmarmer LKW (VfSlg 12.944/1991) oder die Bildung von Rücklagen (VfSlg 13.655/1993).

[…] Ein (zumindest) vergleichbarer Anreiz wurde nach Auffassung der Bundesregierung auch im vorliegenden Fall geschaffen, der bei Beurteilung der Gleichheitskonformität der Übergangsfrist berücksichtigt werden kann (wenngleich daraus nicht folgt, dass kürzere Übergangsfristen auf Grund eines besonderen Vertrauensschutzes unzulässig wären):

[…] Mit der Erlassung des Tierschutzgesetzes BGBl I Nr 118/2004 hat die Gesetzgebung nicht bloß einen Anreiz zur Anpassung der betrieblichen Infrastruktur an die durch die 1. Tierhaltungsverordnung BGBl II Nr 485/2004 angeordneten Voraussetzungen gesetzt, sondern all jene Betreiber von Anlagen zur Schweinhaltung zu Investitionen verpflichtet, die ihren Betrieb ab dem 1. Jänner 2013 bzw – soweit diese Anlagen und Haltungseinrichtungen zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Tierschutzgesetzes BGBl I Nr 118/2004 den Anforderungen der Vereinbarung über den Schutz von Nutztieren in der Landwirtschaft oder den landesrechtlichen Anforderungen entsprachen – ab 1. Jänner 2020 weiterführen wollten.

Vor diesem Hintergrund sieht §44 Abs29 TSchG für jene Betriebe, die im Vertrauen auf die vor der Novelle BGBl I Nr 130/2022 geltende Rechtslage Dispositionen getätigt haben, eine entsprechende Übergangsfrist zur Anpassung der bestehenden Haltungseinrichtungen an die neuen tierschutzrechtlichen Anforderungen des §18 Abs2a TSchG vor.

[…] Auch die Novelle BGBl I Nr 130/2022 schafft Anreize zu konkreten Investitionen. Zum einen gilt das Verbot der unstrukturierten Vollspaltenbuchten ohne Funktionsbereich gemäß §44 Abs29 erster Satz TSchG für alle ab dem 1. Jänner 2023 baurechtlich neu gebauten oder umgebauten Anlagen. Zum anderen werden auch alle bereits bestehenden Haltungseinrichtungen zur Umsetzung dieses tierschutzrechtlichen Standards bis spätestens 1. Jänner 2040 verpflichtet.

Im Rahmen der gemäß §40 Abs30 TSchG vorgesehenen Projektdurchführung zur Evaluierung der Haltungssysteme im Bereich der Buchten und Bodengestaltung bei der Haltung von Schweinen sind die Anforderungen zur Strukturierung und Ausgestaltung der Buchten sowie der Böden als Alternative zu den bestehenden Vollspaltenbuchten im Sinne des Tierwohls zu entwickeln. Die Ergebnisse des Projekts und das Gutachten der Fachstelle sind als Grundlage für die Festsetzung des neuen rechtlichen Mindeststandards gemäß §24 Abs1 Z1 TSchG, dem alle Schweinehaltungen ab dem 1. Jänner 2040 jedenfalls zu entsprechen haben, heranzuziehen. Abhängig von den Ergebnissen des Projekts und des Gutachtens der Fachstelle ist zu erwarten, dass die neuen rechtlichen Mindeststandards weitere Investitionen erforderlich machen. Vor diesem Hintergrund sieht §40 Abs31 TSchG eine Übergangsfrist bis zum Ende der Nutzungsdauer von 23 Jahren ab erstmaliger Inbetriebnahme für jene Anlagen zur Schweinehaltung vor, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Anpassung der Bestimmungen in der Verordnung gemäß §24 Abs1 Z1 TSchG dem ab 1. Jänner 2023 geltenden Standard entsprechen.

[…] Vor diesem Hintergrund ist daher die Festlegung einer Übergangsfrist für bestehende Betriebe sowohl im Hinblick auf das in §18 Abs2a TSchG vorgesehene Verbot der unstrukturierten Vollspaltenbuchten ohne Funktionsbereich als auch im Hinblick auf die in §40 Abs30 iVm. §24 Abs1 TSchG vorgesehenen neuen rechtlichen Mindeststandards gerechtfertigt (wenngleich verfassungsrechtlich nicht geboten).

[…] Die Übergangsfristen können aber auch aus einem weiteren Grund gerechtfertigt werden: Ein Verbot der unstrukturierten Vollspaltenbuchten ohne Funktionsbereich für bereits errichtete Anlagen zur Schweinehaltung bewirkt einen Eingriff in das Recht auf Eigentum (Art5 StGG, Art1 [1.] ZPEMRK), da für die Umsetzung dieses Verbots bauliche Maßnahmen erforderlich sind. Entgegen den Ausführungen der antragstellenden Landesregierung können die erforderlichen Umbauten auch nicht durch eine Einstreu von Stroh auf bestehende Vollspaltböden vermieden werden, da dies zu einer Verstopfung der perforierten Böden und damit zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Abflusssystems führen würde. Der durch die Verstopfung bedingte Reinigungsbedarf würde zu einem erhöhten Arbeits- und Kostenaufwand führen. Diese Maßnahme scheint auch im Lichte des Tierschutzes nicht geeignet, da die damit einhergehenden Verunreinigungen dem Wohl der Tiere abträglich sind. Eine Einstreu von Stroh setzt daher jedenfalls einen Umbaubedarf von bestehenden Vollspaltbuchten voraus.

[…] Die mit einer Einstreu verbundenen Mehrkosten können – entgegen den Ausführungen der antragstellenden Landesregierung – auch nicht als gering eingestuft werden. Bei der Berechnung der Kosten ist auf den quantitativen Strohanteil in den Buchten abzustellen, der sich je nach verfolgtem Zweck erheblich unterscheidet. Soll Stroh ausschließlich als Beschäftigungsmaterial eingesetzt werden, gestaltet sich der Strohbedarf erheblich geringer (ca 7 kg Einstreu pro Mastschwein) als bei einer Tiefstreu‑Aufstallung (ca 46 kg Einstreu pro Mastschwein), auf den die antragstellende Landesregierung in ihrem Antrag abzielt (vgl Kirner/Stürmer, Mehrkosten von und Erfahrungen mit höheren Tierwohlstandards in der österreichischen Schweinemast, Zeitschrift für Agrarpolitik und Landwirtschaft Band 99 Ausgabe 1). […]

Die von der antragstellenden Landesregierung als Beleg für die mit einer verpflichtenden Einstreu verbundenen geringen Kosten zitierte Studie (Kirner/Stürmer, Mehrkosten von und Erfahrungen mit höheren Tierwohlstandards in der österreichischen Schweinemast, Zeitschrift für Agrarpolitik und Landwirtschaft Band 99 Ausgabe 1; […]) geht hingegen von einem Neubau von Stallungen – und damit von einem anderen Sachverhalt – aus und berücksichtigt sowohl die dafür gewährten Investitionsförderungen im Rahmen des Programms Ländliche Entwicklung als auch die laufende Förderung im Rahmen der Maßnahme 'Tierwohl Stallhaltung Schwein' im Rahmen des Österreichischen Programmes zur Förderung einer umweltgerechten, extensiven und den natürlichen Lebensraum schützenden Landwirtschaft ('ÖPUL').

[…] Die mit einem Umbau verbundenen Mehraufwendungen können nur bedingt an Konsumenten weitergegeben werden. Eine im Auftrag der *** GesmbH von *** im Mai 2022 durchgeführte Online‑Umfrage ergab, dass Aspekte des Tierwohls beim Einkauf von Fleisch zwar einen wichtigen Faktor darstellen, 22,5 % der befragten Personen sich aber Produkte mit höheren Tierwohlstandards nicht leisten können und weitere 16 % die Produkte für zu teuer erachten […]. Knapp 40 % der Befragten würden daher aus Preisgründen auf einen Kauf von Produkten mit höheren Tierschutzstandards verzichten. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass die mit höheren Tierschutzstandards verbundenen höheren Kosten kurzfristig über den Preis abgegolten werden können.

[…] Ein Verbot der Vollspaltbodenhaltung bewirkt zudem einen Eingriff in die Erwerbs(ausübungs)freiheit (Art6 StGG), indem sie die Haltung von Schweinen auf Anlagen ohne unstrukturierte Vollspaltenbuchten beschränken (vgl VfSlg 20.191/2017 zu Ausübungsbeschränkungen beim Betrieb des Fiakergewerbes).

[…] Die Einführung eines Verbots von unstrukturierten Vollspaltenbuchten ohne Funktionsbereich bzw strengerer rechtlicher Mindeststandards stellt in Bezug auf bestehende Haltungseinrichtungen – die von der Gesetzgebung veranlasst wurden und durch eine spätere Änderung der Rechtslage zum Großteil oder uU zur Gänze entwertet würden – sowie die mit einem Umbau verbundenen erheblichen Kosten einen Eingriff in die Erwerbs(ausübungs)freiheit dar, der nach Auffassung der Bundesregierung auch eine lange Übergangsfrist rechtfertigt (wenngleich verfassungsrechtlich nicht gebietet).

[…] Auch das von der antragstellenden Landesregierung ins Treffen geführte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg 20.334/2019 betreffend die Beibehaltung von Ausnahmeregelungen vom Rauchverbot für Gastronomiebetriebe […] vermag eine Überschreitung des rechtspolitischen Gestaltungsspielraums im vorliegenden Fall nicht aufzuzeigen. Der dem zitierten Erkenntnis zugrundeliegende Anlassfall ist mit dem vorliegenden Ausgangsfall nicht vergleichbar. Durch das Bundesgesetz BGBl I Nr 101/2015, das (zunächst) ein absolutes Rauchverbot in der Gastronomie vorsah, wurde kein gezielter Anreiz für konkrete Investitionen geschaffen (vgl VfSlg 20.334/2019, Rz. 2.3.1., auch wenn nicht ausgeschlossen werden konnte, dass sich Gastronomiebetreiber durch das Bundesgesetz BGBl I Nr 101/2015 veranlasst sahen, diese Rechtslage bei Entscheidungen etwa zur (räumlichen) Gestaltung des Geschäftslokals miteinzubeziehen). Gastronomiebetreiber konnten ihren Betrieb ungeachtet eines allfälligen absoluten Rauchverbots auch ohne bauliche Maßnahmen jedenfalls – wenn auch als Nichtraucherlokal – weiterbetreiben. Im Gegensatz dazu bewirken die Bestimmungen des Tierschutzgesetzes einen Anreiz zu konkreten Investitionen in Form von baulichen Maßnahmen. Diese Investitionen sind zudem alternativlos, da die nicht rechtzeitige Ergreifung dieser Investitionen zu einer Einstellung des Betriebs führen würde.

[…] Nach Auffassung der Bundesregierung ist auch der von der antragstellenden Landesregierung angestellte Vergleich zwischen neu gebauten oder umgebauten Anlagen einerseits und bestehenden Anlagen andererseits nicht geeignet, eine Gleichheitswidrigkeit aufzuzeigen […]. Diese Gegenüberstellung übersieht, dass mit einem Umbau von bestehenden Anlagen wesentlich höhere Kosten einhergehen als bei einem Neubau einer Anlage, bei der neue gesetzliche Mindeststandards bereits bei der Planung des Baus berücksichtigt werden können. Ein erforderlicher Umbau einer bestehenden und in Betrieb befindlichen Anlage setzt – im Gegensatz zu einem Neubau – darüber hinaus in der Regel auch eine Unterbrechung des laufenden Betriebs voraus, die wiederum zu einem erheblichen Kostenaufwand führen kann. Die mit einer Umstellung auf neue gesetzliche Mindeststandards des Tierschutzes einhergehende unterschiedliche finanzielle Belastung rechtfertigt nach Auffassung der Bundesregierung eine unterschiedliche Behandlung von bestehenden Anlagen im Vergleich zu Neubauten und Umbauten.

[…] Die in §40 Abs29 und 30 TSchG geregelten Übergangsfristen sind daher nach Auffassung der Bundesregierung sachlich gerechtfertigt.

[…] Zusammenfassend wird daher festgehalten, dass die angefochtenen Bestimmungen nach Ansicht der Bundesregierung nicht verfassungswidrig sind."

3. Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz hat als verordnungserlassende Behörde die Akten betreffend das Zustandekommen der angefochtenen Verordnung vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der die Zulässigkeit des Antrages wie folgt bestritten wird (ohne die Hervorhebungen im Original):

"[…] Seitens der Antragstellerin werden hinsichtlich der Zulässigkeit perforierter Böden in der Schweinehaltung – insbesondere ohne Einstreu von Stroh […] – lediglich die Punkte 2.1., 2.2.2., 5.2, 5.2a. und 9. der Anlage 5 der 1. Tierhaltungsverordnung aufgegriffen. Damit verkennt die Antragstellerin, dass durch Aufhebung dieser beiden Bestimmungen kein 'Verbot' des Spaltenbodens einhergeht, da auch in den Punkten 3.1.2., 3.3.1. und 3.3.2. der Anlage 5 der 1. Tierhaltungsverordnung Angaben zum Perforierungsgrad gegeben sind. Es sind somit nicht alle im Zusammenhang mit der Haltung von Schweinen auf perforierten Böden im Zusammenhang stehenden Bestimmungen erfasst. Es würden durch die Aufhebung der angefochtenen Bestimmungen zwar die Mindeststandards für die Ausgestaltung perforierter Böden wegfallen, entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin würde jedoch die Haltung auf durchgehend perforierten Betonböden ('Vollspaltenböden') an sich nach wie vor zulässig sein. Daher würde mit der begehrten Aufhebung keine Rechtslage hergestellt, auf die die von der Antragstellerin vorgebrachten Bedenken nicht mehr zuträfen. Vielmehr würde der Entfall von Mindestanforderungen sogar zu einer rechtlichen Verschlechterung der Haltungsbedingungen in der Schweinehaltung führen […]. Mit der seitens der Antragstellerin begehrten Aufhebung des mit der Novelle BGBl II Nr 2096/2022 neu eingefügten Punkt 5.2a. würde das Verbot der Haltung auf unstrukturierten Vollspaltenbuchten ersatzlos wegfallen […].

Sowohl der Hauptantrag als auch der Eventualantrag sind daher nach Ansicht des BMSGPK zurückzuweisen […].

Den Bedenken der antragstellenden Landesregierung tritt der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wie folgt entgegen (ohne die Hervorhebungen im Original):

"[…] Zu §2 BVG Nachhaltigkeit:

[…]

[B]ei der Prüfung der Verfassungskonformität eines Verbots von Vollspaltenböden [könnte] (auch) das Staatsziel des Tierschutzes berücksichtigt werden. Daraus folgt aber nicht, dass sich aus dem Staatsziel des Tierschutzes ein absoluter Vorrang von Tierschutzinteressen (vgl mutatis mutandis hinsichtlich des Umweltschutzes VfSlg 20.185/2017) ergibt, sodass nur ein Verbot der Vollspaltenbodenhaltung verfassungskonform wäre.

[…] In Bezug auf den Wertewandel in der Gesellschaft und damit verbundener neuerer Studien- und Erkenntnislage kommt dem Gesetzgeber aufgrund des BVG Nachhaltigkeit kein Gebot der Nachbesserung innerhalb eines bestimmten Zeitraumes zu.

Der seitens der Antragstellerin eingeworfenen Aspekt, dass insbesondere durch die fehlende Einstreu auf perforierten Böden zentrale Tierschutzaspekte außer Acht gelassen werden […], stellt aus Sicht des BMSGPK keinen Verstoß gegen §2 BVG Nachhaltigkeit dar. Würde man auf bestehende perforierte Böden Einstreu auftragen, wie dies seitens der Antragstellerin angeführt wird, könnte das bestehende Stallsystem – entgegen der Ausführungen der Antragstellerin – nicht ohne Umbauten betrieben werden. Praktisch würden die perforierten Böden verstopfen und auch das Abflusssystem wäre erheblich beeinträchtigt. Folge davon wäre aufgrund der damit einhergehenden Verunreinigungen ein vermindertes Wohlergehen der Tiere. Es würde somit entgegen den Ausführungen der Antragstellerin zu einem Eingriff in die Erwerbs- sowie in die Eigentumsfreiheit führen, der nicht als geringfügiger, angemessener und verhältnismäßiger Eingriff zu qualifizieren ist, da es hier nicht um die verhältnismäßig geringen Kosten für die Einstreu […], sondern um die erheblichen Kosten für einen Umbau des gesamten Haltungssystems geht (wobei hier auch die steuerliche Abschreibung der Kosten von zumindest 15 Jahren zu berücksichtigen ist).[…]

[…] [Z]u §7 Abs1 B‑VG:

[…]

Dem Argument, dass insbesondere eine zeitliche Komponente mit dem Gleichheitssatz verbunden sei und der Gesetzgeber den gesellschaftlichen Wertewandel in seinen Bestimmungen abzubilden hätte, darf [entgegengehalten werden, dass] eben gerade kein 'Gebot der Nachbesserung' bestehender Bestimmungen verankert ist.

Dennoch hat der Verordnungsgeber dem gesellschaftlichen Wertewandel iZm neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen mit der Novelle BGBl II Nr 296/2022 Rechnung getragen und Verbesserungen in Bezug auf die Mindestanforderungen bei der Haltung von Schweinen normiert.

[…]

[…] Zur behaupteten Gesetzwidrigkeit:

[…] Da die auf §24 Abs1 TSchG gestützte Anlage 5 der 1. THV […] im Wesentlichen gleichzeitig mit dem TSchG mit 1.1.2005 in Kraft trat, kann hier von keinem Verstoß gegen die §§13 und 16 TSchG ausgegangen werden, da die in den Anlagen zur 1. THV getroffenen Vorgaben gerade die Mindestanforderungen an die Haltung der entsprechenden Tierkategorie vorgeben; diese somit die gesetzlichen Bestimmungen näher determinieren. Mit der Novelle BGBl II Nr 296/2022 wurden ein höherer Standard bei den Mindestanforderungen festgelegt, weshalb hier umsoweniger ein Verstoß gegen die §§13 und 16 TSchG verortet werden kann.

Der mit der Novelle BGBl II Nr 296/2022 neu eingefügte Punkt 5.2a. sowie der geänderte Punkt 9 tragen den neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen Rechnung. […]

[…] Da es bis zum Inkrafttreten des bundeseinheitlichen Tierschutzgesetzes neun Landestierschutzgesetze – mit naturgemäß unterschiedlichen Anforderungen – gab, waren insbesondere bei Inkrafttreten der 1. Tierhaltungsverordnung Übergangsbestimmungen für bestehende, den landesgesetzlichen Vorschriften entsprechende, Haltungseinrichtungen erforderlich. So wurde zB in Punkt 8 der Anlage 5 der 1. Tierhaltungsverordnung vorgesehen, dass die Bestimmungen des nunmehr angefochtenen Punktes 2.2.2. in Bezug auf die maximalen Spaltenbreiten, sofern diese bei Saugferkeln max. 11 mm und bei Absatzferkeln max. 14 mm betrugen, mussten diese erst mit 1.1.2020 den Bestimmungen der 1. Tierhaltungsverordnung in der Fassung BGBl II Nr 485/2004 entsprechen. Gerade im antragstellenden Bundesland war dies auf Grund der bis 2005 geltenden Reglung der Fall. Die Frist von 15 Jahren ergibt sich […] aus der Abschreibungsdauer für Stallbauten.

[…] Zu den europarechtlichen Bedenken:

[…]

Die Antragstellerin verortet einen potentiellen Widerspruch einstreuloser Vollspaltenböden zu Anhang I Kapitel I Nr 5 der RL 2008/120/EG […]. Diesem Einwand kann nicht gefolgt werden. In der RL ist lediglich im Bereich der Abferkelbuchten im Zeitraum eine Woche vor dem Absetzen von der Zurverfügungstellung geeigneter Nesteinstreu in ausreichenden Mengen festgelegt, wobei hier eine Ausnahme für den Fall, dass dies im Rahmen des Güllesystems des Betriebes technisch unmöglich ist, verankert wurde. Die Vorgaben an perforierte Böden der Anlage 5 der 1. Tierhaltungsverordnung entsprechen den Vorgaben der RL 2008/120/EG .

Hinsichtlich der von der Antragstellerin gehegten Bedenken, dass Punkt 5.2. der Anlage 5 der 1. in der Richtlinie 2008/120/EG über Mindestanforderungen für den Schutz von Schweinen getroffenen Mindestanforderungen entspricht, kann nicht beigepflichtet werden. Bei der uneingeschränkt benutzbaren Bodenfläche, die zur Verfügung stehen muss, entsprechen die Vorgaben des Punktes 5.2. der Anlage 5 der 1. THV den Mindestanforderungen des Art3 Abs1 lita der RL 2008/120/EG […].

[…] Die unterste zulässige Grenze betreffend das Tierwohl wurde auf Basis wissenschaftlicher Grundlagen nach dem regulären Gesetzgebungsverfahren auf europäischer Ebene in der RL 2008/120/EG festgelegt, wobei die Mindestanforderungen an das Platzangebot aus der Richtlinie 91/630 /EWR übernommen und unter anderem um die Vorgaben der Spaltenweite und Auftrittsbreiten ergänzt wurden. In Art5 der RL 2008/120/EG ist geregelt, dass diese Vorschriften geändert werden können, um dem wissenschaftlichen Fortschritt Rechnung zu tragen, wovon in Österreich mit der Novelle BGBl II Nr 296/2022 Gebrauch gemacht wurde."

4. Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft hat eine Äußerung erstattet, in der er die Zulässigkeit des Antrages im Wesentlichen mit den gleichen Argumenten wie der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz bestreitet (s Pkt. 3) und den Bedenken des Antrages auf das Wesentliche zusammengefasst wie folgt entgegentritt:

"[…] Verstoß gegen das BVG über die Nachhaltigkeit, den Tierschutz, den umfassenden Umweltschutz, die Sicherstellung der Wasser- und Lebensmittelversorgung und die Forschung

[…]

[…] Bei der Prüfung der Verfassungskonformität eines Verbots von Vollspaltenböden könnte somit auch das Staatsziel des Tierschutzes berücksichtigt werden. Dies bedeutet aber nicht, dass sich aus dem Staatsziel des Tierschutzes ein absoluter Vorrang von Tierschutzinteressen ergibt (vgl mutatis mutandis hinsichtlich des Umweltschutzes VfSlg 20.185/2017), sodass nur ein Verbot der Vollspaltenbodenhaltung verfassungskonform wäre.

Auch der von der Antragstellerin zitierte Artikel zum Staatsziel Tierschutz (Budischowsky, Staatsziel Tierschutz, RdU 2013, 191) hält fest, dass dem Gesetzgeber ein großer Gestaltungsspielraum zukommt und die Auswahl und Gewichtung der gesetzlichen Maßnahmen und die Abwägung mit anderen verfassungsrechtlichen und einfachgesetzlichen Interessen ebenso dem Ermessen des Gesetzgebers überlassen sind wie die Festlegung der Mittel. Ein Gebot zu einer Verbesserung und einem Ausbau des Erreichten, etwa aufgrund des Wertewandels in der Gesellschaft und damit verbundener neuerer Studien- und Erkenntnislage, besteht hingegen nicht.

[…] Zur behaupteten Geringfügigkeit der mit einer verpflichtenden Einstreu verbundenen Kosten:

Die Antragstellerin sieht im Fehlen einer Verpflichtung zur Einstreu auf perforierten Böden zentrale Tierschutzaspekte außer Acht gelassen, weshalb Punkt 2.2.2. der Anlage 5 der 1. Tierhaltungsverordnung gegen das in §2 BVG Nachhaltigkeit verankerte verfassungsrechtliche Tierschutzgebot verstoße.

[…] Stroh kann die Verbreitung von Krankheiten und Parasiten begünstigen. Konventionelle Schweinehaltungssysteme ohne Stroh hingegen sind leichter zu reinigen und zu desinfizieren, was sich auf die hygienischen Bedingungen der Schweinehaltung positiv auswirkt.

[…] Die Antragstellerin räumt zwar auch selbst ein, dass Stroh höhere Managementkosten bedingt, hält aber gleichzeitig fest, dass nach ihr vorliegenden Studien die mit einer verpflichtenden Einstreu verbundenen Kosten aber derart gering seien, dass lediglich ein geringfügiger, angemessener und verhältnismäßiger Eingriff in die Eigentumsfreiheit zur Erreichung des im öffentlichen Interesse gelegenen Zieles des Tierschutzes vorliege.

[…] [D]ieser Studie (Kirner/Stürmer, Mehrkosten von und Erfahrungen mit höheren Tierwohlstandards in der österreichischen Schweinemast, Zeitschrift für Agrarpolitik und Landwirtschaft Band 99 Ausgabe 1) [liegt] ein anderer Sachverhalt zugrunde (Neubau von Stallungen) und es werden sowohl die für den Neubau von Stallungen gewährten Investitionsförderungen im Rahmen des Programmes Ländliche Entwicklung als auch die laufende Förderung im Rahmen der Maßnahme Tierwohl Stallhaltung Schwein im Rahmen des ÖPUL berücksichtigt. Eine Einstreuverpflichtung als gesetzlicher Mindeststandard schließt aber eine Förderung der zusätzlichen Einstreu- und Arbeitskosten aus, da Förderungen für die Umsetzung eines höheren Tierhaltungsstandards nur gewährt werden können, wenn dieser Standard über dem gesetzlichen Mindeststandard liegt.

Die Einstreu wäre zudem für bestehende Betriebe nicht ohne bauliche Maßnahmen möglich, da Einstreu auf bestehenden Spaltenböden in kürzester Zeit durch die Spalten gedrückt und die darunterliegenden Güllekanäle verstopfen würde. So wäre nicht nur kein positiver Effekt gegeben, sondern es müsste auch ständig der Abfluss mit hohem Arbeitsaufwand freigemacht werden.

Entgegen den Ausführungen der Antragstellerin würde die verpflichtende Einstreu zu einem Eingriff in die Erwerbs- sowie in die Eigentumsfreiheit (Art5 StGG) führen, der nicht als geringfügiger, angemessener und verhältnismäßiger Eingriff zu qualifizieren ist, da eben nicht nur die - nach Ansicht der Antragstellerin – verhältnismäßig geringen Kosten für die Einstreu […], sondern auch die erheblichen Kosten für einen Umbau des gesamten Haltungssystems miteinzubeziehen sind (wobei hier auch eine Abschreibung der Kosten von 15 Jahren zu berücksichtigen ist).

[…] [D]ie baulichen Anpassungen [sind] bei den vorhandenen Vollspaltenböden nicht mit verhältnismäßigem Aufwand umzusetzen. […]

[…]

[…] Der von der Antragstellerin aufgeworfene Aspekt, wonach insbesondere durch die fehlende Einstreu auf perforierten Böden zentrale Tierschutzaspekte außer Acht gelassen werden […], stellt aus Sicht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft daher keinen Verstoß gegen §2 BVG Nachhaltigkeit dar.

[…] Verstoß gegen den Gleichheitssatz gem. Art7 Abs1 B‑VG im Zusammenhang mit sich ändernder Wertvorstellungen (Befürwortung einer deutlichen Verbesserung der Schweinehaltung durch die Bevölkerung)

[…]

[…] Zur Zulässigkeit einer Übergangsfrist:

[…]

[…] Mit der Erlassung des Tierschutzgesetzes BGBl I Nr 118/2004 wurde nicht bloß ein gezielter Anreiz zur Anpassung der betrieblichen Infrastruktur an die durch die 1. Tierhaltungsverordnung BGBl II Nr 485/2004 angeordneten Voraussetzungen gesetzt, sondern all jene Betreiber von Anlagen zur Schweinehaltung zu Investitionen verpflichtet, die ihren Betrieb ab dem 1. Jänner 2013 bzw – soweit diese Anlagen und Haltungseinrichtungen zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Tierschutzgesetzes BGBl I Nr 118/2004 den Anforderungen der Vereinbarung über den Schutz von Nutztieren in der Landwirtschaft oder den landesrechtlichen Anforderungen entsprachen – ab 1. Jänner 2020 weiterführen wollten.

Auch die Novelle der 1. Tierhaltungsverordnung, BGBl II Nr 296/2022, schafft Anreize zu konkreten Investitionen. Zum einen gilt das Verbot der unstrukturierten Vollspaltenbuchten gemäß Punkt 9 der Anlage 5 der 1. Tierhaltungsverordnung ab 1.1.2023 für alle neugebauten, umgebauten oder erstmals in Betrieb genommenen Anlagen und Haltungseinrichtungen. Zum anderen werden auch alle bereits bestehenden Haltungseinrichtungen zur Umsetzung dieses tierschutzrechtlichen Standards bis spätestens 1. Jänner 2040 verpflichtet.

Vor diesem Hintergrund ist daher die Festlegung einer Übergangsfrist für bestehende Betriebe im Hinblick auf das in Punkt 5.2a. der Anlage 5 der 1. Tierhaltungsverordnung vorgesehene Verbot der unstrukturierten Vollspaltenbuchten nach Ansicht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft gerechtfertigt und sogar geboten.

[…] Zur Verpflichtung zur Einstreu:

[…] [F]ür bestehende Betriebe [ist] die Einstreu ohne bauliche Maßnahmen nicht möglich, da Einstreu auf bestehenden Spaltenböden in kürzester Zeit durch die Spalten gedrückt und die darunterliegenden Güllekanäle verstopfen würde. So wäre nicht nur kein positiver Effekt gegeben, sondern es müsste auch ständig der Abfluss mit hohem Arbeitsaufwand freigemacht werden.

Zudem wäre die Einstreu mit nicht bloß geringfügigen Kosten […] verbunden, sodass die verpflichtende Einstreu zu einem Eingriff in die Erwerbs- sowie in die Eigentumsfreiheit führen würde, der, […] nicht als geringfügiger, angemessener und verhältnismäßiger Eingriff zu qualifizieren wäre.

Nach Ansicht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft ist die Übergangsfristen daher auch aus diesem Grund gerechtfertigt.

[…] Zum behaupteten Wertewandel in der Gesellschaft:

Die Antragstellerin sieht in Punkt 2.2.2., Punkt 5.2., Ziffer 5 des Punktes 5.2a. sowie Punkt 9 der Anlage 5 der 1. Tierhaltungsverordnung einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz gemäß Art7 Abs1 B‑VG. Sie stützt dies auf einen Wertewandel der Gesellschaft, der sich in den vergangenen Jahren vollzogen habe, sodass sich der Maßstab für die Sachbezogenheit der genannten Regelungen der 1. Tierhaltungsverordnung geändert habe […].

[…]

Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft ist […] der Ansicht, dass sich der Maßstab für die Sachbezogenheit der Regelungen in Punkt 2.2.2., Punkt 5.2., Ziffer 5 des Punktes 5.2a. sowie Punkt 9 der Anlage 5 der 1. Tierhaltungsverordnung nicht so geändert hat, dass deren Sachlichkeit nicht mehr gegeben wäre.

[…] Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Verordnungsbestimmungen

[…]

[…] Zur Nichteinhaltung der in §§13 und 16 TSchG:

Die angefochtenen Bestimmungen, nämlich die Punkte 2.1., 2.2.2. und 5.2. der Anlage 5 der 1.Tierhaltungsverordnung traten zeitgleich mit dem Tierschutzgesetz (TSchG), BGBl I Nr 118/2004, in Kraft. Diese Bestimmungen wurden unter Beiziehung von Experten auf dem Gebiet des Tierschutzes zeitgleich mit dem bundeseinheitlichen Tierschutzgesetz ausgearbeitet. Die angefochtenen Punkte 5.2a. und 9. der Anlage 5 der 1. Tierhaltungsverordnung, welche mit der Novelle BGBl II Nr 296/2022 verankert wurden, traten mit 1. Jänner 2023 in Kraft.

Aufgrund der zum Zeitpunkt der Erlassung des TSchG und der 1. Tierhaltungsverordnung vorliegenden einschlägigen Artikel und Publikationen war davon auszugehen, dass die Haltung auf Spaltenböden den Mindestanforderungen an das Tierwohl entsprechen (vgl zB Hesse/Gollnisch, Böden in der Mastschweinehaltung – Rechtliche Vorgaben und Praxiserfahrung, Landtechnik 3/2001. S. 162f; Zaludik, Bewertung praxisüblicher Mastschweinehaltungen in Nordrhein‑Westfalen hinsichtlich der Tiergerechtheit, Dissertation an der Universität Hohenheim, 2002). Es ließ sich auch der Schluss ziehen, dass sich die Haltung auf Vollspaltenböden im Hinblick auf die Wärmeregulierung und die Belastung der Atemwege vorteilhaft auf das Tierwohl auswirkt.

Mit der Novelle BGBl II Nr 296/2022 wird durch den neu eingefügten Punkt 5.2a. sowie den geänderten Punkt 9 den neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen Rechnung getragen. Zudem wurde in §40 Abs30 TSchG festgelegt, dass vom Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz und vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft bis zum 31. Dezember 2026 ein Projekt hinsichtlich der Evaluierung der Haltungssysteme im Bereich der Buchten und Bodengestaltung bei der Haltung von Schweinen durchzuführen ist. Im Rahmen dieses Projekts sollen Anforderungen zur Strukturierung und Ausgestaltung der Buchten sowie der Böden als Alternative zu den bestehenden Vollspaltenbuchten im Sinne des Tierwohls entwickelt werden, die als Grundlage für die Festsetzung von neuen rechtlichen Mindeststandards gemäß §24 Abs1 Z1 TSchG heranzuziehen sind. Flankierend zu diesen gesetzlichen Maßnahmen werden in einem laufenden Projekt ('IBeST') auch Lösungen für ausgewählte, bereits bestehende Betriebe entwickelt, die bei ihrem (freiwilligen) Umstieg auf den ab 1. Jänner 2023 geltenden Standard unterstützt werden (vgl AA‑261 27. GP 13 f). All diese Maßnahmen verfolgen das Ziel des Tierschutzes im Sinne des §2 BVG Staatsziele.

[…]

[…] Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft geht daher davon aus, dass die Punkt 2.2.2., Punkt 5.2, 5.2a und 6 der Anlage 5 der 1. Tierhaltungsverordnung mit den §§13 und 16 TSchG in Einklang stehen.

[…]

[…] Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft sieht […] keine EU-Rechtswidrigkeit der Anlage 5 der 1. Tierhaltungsverordnung."

IV. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit des Antrages

1.1. Gemäß Art140 Abs1 Z2 und Art139 Abs1 Z5 B‑VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über Verfassungswidrigkeit von Bundesgesetzen und über Gesetzwidrigkeit von Verordnungen einer Bundesbehörde auch auf Antrag einer Landesregierung.

1.2. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin zu prüfenden Gesetzesbestimmung bzw einer auf ihre Gesetzmäßigkeit hin zu prüfenden Verordnungsbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Normenprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzes- bzw Verordnungsteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzes- bzw Verordnungsstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.

1.2.1. Dieser Grundposition folgend hat der Gerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Normenprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl zB VfSlg 8155/1977, 12.235/1989, 13.915/1994, 14.131/1995, 14.498/1996, 14.890/1997, 16.212/2001, 20.000/2015). Der Antragsteller hat all jene Normen anzufechten, welche für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des Antragstellers teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.972/2015).

Unzulässig ist der Antrag etwa dann, wenn der im Falle der Aufhebung im begehrten Umfang verbleibende Rest einer Gesetzes- bzw Verordnungsstelle als sprachlich unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar wäre (VfSlg 16.279/2001, 19.413/2011; VfGH 19.6.2015, G211/2014; 7.10.2015, G444/2015; VfSlg 20.082/2016), der Umfang der zur Aufhebung beantragten Bestimmungen so abgesteckt ist, dass die angenommene Verfassungs- bzw Gesetzwidrigkeit durch die Aufhebung gar nicht beseitigt würde (vgl zB VfSlg 18.891/2009, 19.933/2014), oder durch die Aufhebung bloßer Teile einer Gesetzesvorschrift bzw Verordnung dieser ein völlig veränderter, dem Gesetz- bzw Verordnungsgeber überhaupt nicht mehr zusinnbarer Inhalt gegeben würde (VfSlg 18.839/2009, 19.841/2014, 19.972/2015, 20.102/2016).

Unter dem Aspekt einer nicht trennbaren Einheit in Prüfung zu ziehender Vorschriften ergibt sich ferner, dass ein Prozesshindernis auch dann vorliegt, wenn es auf Grund der Bindung an den gestellten Antrag zu einer in der Weise isolierten Aufhebung einer Bestimmung käme, dass Schwierigkeiten bezüglich der Anwendbarkeit der im Rechtsbestand verbleibenden Vorschriften entstünden, und zwar in der Weise, dass der Wegfall der angefochtenen (Teile einer) Bestimmung den verbleibenden Rest unverständlich oder auch unanwendbar werden ließe. Letzteres liegt dann vor, wenn nicht mehr mit Bestimmtheit beurteilt werden könnte, ob ein der verbliebenen Vorschrift zu unterstellender Fall vorliegt (VfSlg 16.869/2003 mwN).

1.2.2. Hingegen macht eine zu weite Fassung des Antrages diesen nicht in jedem Fall unzulässig (vgl VfSlg 20.000/2015, 20.092/2016). Soweit ein Antrag auf abstrakte Normenkontrolle die Aufhebung von Bestimmungen begehrt, gegen die im Einzelnen konkrete Bedenken in schlüssiger und überprüfbarer Weise dargelegt werden (VfSlg 14.802/1997, 17.102/2004; vgl auch VfSlg 11.888/1988, 12.223/1989; VfGH 11.6.2012, G120/11; VfSlg 19.938/2014 – die Zuordnung pauschal vorgetragener Bedenken zu einzelnen angefochtenen Bestimmungen ist demgegenüber nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes, siehe nur VfSlg 17.102/2004, weiters etwa VfSlg 13.123/1992, 17.099/2003), oder mit solchen untrennbar zusammenhängende Bestimmungen erfasst, ist der Antrag daher, wenn auch die übrigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, zulässig. Umfasst ein solcher Antrag darüber hinaus noch weitere Bestimmungen, führt dies, wenn die angefochtenen Bestimmungen insoweit trennbar sind, zur partiellen Zurückweisung des Antrages (vgl bereits VfSlg 14.802/1997).

1.3. Die Burgenländische Landesregierung ficht in ihrem Antrag §18 Abs2a iVm §44 Abs29, 30, 31 und 32 TSchG sowie die Punkte 2.2.2., 5.2., 5.2a. und 9. (in eventu zusätzlich Punkt 2.1.) der Anlage 5 der 1. Tierhaltungsverordnung an und hegt im Wesentlichen einerseits das Bedenken, dass die Zulässigkeit perforierter Böden, insbesondere ohne das gleichzeitige Erfordernis einer hinreichenden Einstreu für bestehende Haltungseinrichtungen in der Schweinehaltung bis 1. Jänner 2040 gegen §2 BVG Nachhaltigkeit und Art7 B‑VG sowie gegen näher bezeichnete Bestimmungen des TSchG verstoße. Andererseits äußert die antragstellende Landesregierung Bedenken hinsichtlich der zu geringen Mindestgröße der einem Tier uneingeschränkt zur Verfügung zu stellenden benutzbaren Bodenfläche, dies insbesondere vor dem Hintergrund der fehlenden Einstreu im Liegebereich.

1.4. §18 Abs2a TSchG regelt, dass die Haltung von Absetzferkeln, Zuchtläufern und Mastschweinen in unstrukturierten Vollspaltenbuchten ohne Funktionsbereich verboten ist. §44 Abs29 leg cit legt fest, dass dieses Verbot mit 1. Jänner 2023 für alle baurechtlich bewilligten neu gebauten oder umgebauten Anlagen in Kraft tritt. Für alle – zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des BGBl I 130/2022 – bestehenden Haltungseinrichtungen tritt §18 Abs2a TSchG mit 1. Jänner 2040 in Kraft. Gemäß §44 Abs30 TSchG soll zum Zweck der Festsetzung neuer rechtlicher Mindeststandards gemäß §24 Abs1 Z1 leg cit in der 1. Tierhaltungsverordnung eine erneute Evaluierung der Haltungssysteme von Schweinen im Bereich der Buchten und Bodengestaltung stattfinden; diesen Mindeststandards haben alle Schweinehaltungen ab 1. Jänner 2040 (sowie gemäß §44 Abs32 leg cit alle ab Inkrafttreten der Verordnung gemäß §24 Abs1 Z1 leg cit neu gebauten oder umgebauten Anlagen) zu entsprechen. Ausnahmen bestehen gemäß §44 Abs31 TSchG für Anlagen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens den ab 1. Jänner 2023 geltenden, neuen Mindeststandards entsprechen. Für solche Betriebe endet die Anpassungsfrist erst nach Ablauf einer Nutzungsdauer von 23 Jahren ab erstmaliger Inbetriebnahme der Haltungseinrichtung.

1.5. Die Bundesregierung weist in ihrer Äußerung zu Recht darauf hin, dass die Burgenländische Landesregierung auch §18 Abs2a TSchG – das Verbot der Haltung in unstrukturierten Vollspaltenbuchten ohne Funktionsbereich – anficht, aber gegen die angefochtene Bestimmung keine Bedenken vorgebracht werden. Da die genannte Vorschrift von den anderen angefochtenen Bestimmungen des TSchG trennbar ist und weil gegen §18 Abs2a TSchG – vor dem Hintergrund der vorliegenden speziellen Konstellation, in der eine Aufhebung des §18 Abs2a leg cit dem von der antragstellenden Landesregierung angestrebten Ergebnis widerstreiten würde – auch keine konkreten Bedenken vorgebracht werden, ist der Antrag, soweit er sich auf diese Bestimmung bezieht, als unzulässig zurückzuweisen (vgl VfSlg 20.361/2019; VfGH 5.10.2023, G215/2022).

1.6. Im Übrigen richten sich die von der antragstellenden Landesregierung vorgebrachten Bedenken gegen die mit dem Antrag angefochtenen Bestimmungen bzw stehen die angefochtenen Bestimmungen in einem – nicht von vornherein (offenkundig) trennbaren – Regelungszusammenhang (vgl VfGH 5.10.2022, G141/2022; 5.10.2023, G215/2022).

1.7. Anlage 5 der 1. Tierhaltungsverordnung legt Mindestanforderungen für die Haltung von Schweinen fest. Punkt 2.2.2. dieser Anlage enthält besondere Anforderungen an perforierte Böden betreffend die maximale Spaltenbreite und minimale Auftrittsbreite. Punkt 5.2. regelt den Platzbedarf bei Gruppenhaltung, ordnet an, dass Absetzferkel, Mastschweine und Zuchtläufer in Gruppen zu halten sind, bestimmt ua die mindestens zur Verfügung zu stellende Bodenfläche abhängig vom Gewicht des Tieres und legt fest, dass Buchten ohne durchgehend perforierte Böden jedenfalls eine trockene und ausreichend dimensionierte Liegefläche aufweisen müssen. Der mit BGBl II 296/2022 neu eingefügte Punkt 5.2a. der Anlage 5 der 1. Tierhaltungsverordnung, welcher für ab 1. Jänner 2023 neu gebaute, umgebaute oder erstmals in Betrieb genommene Gruppenhaltungen von Absetzferkeln, Mastschweinen und Zuchtläufern gilt, enthält – ebenso wie §18 Abs2a TSchG – ein Verbot der Haltung in unstrukturierten Vollspaltenbuchten. Darüber hinaus enthält Punkt 5.2a. der Anlage 5 nähere Bestimmungen betreffend die bauliche Struktur und Ausstattung der Buchten und legt in Z5 neue – und im Vergleich zu Punkt 5.2. größere – Mindestflächen fest, die jedem Tier, abhängig vom Gewicht, zur Verfügung stehen müssen. Punkt 9. der Anlage 5 der 1. Tierhaltungsverordnung regelt ua, dass Punkt 5.2. für bereits – zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Novelle BGBl II 296/2022 – bestehende Anlagen weitergilt.

1.8. Die Burgenländische Landesregierung wendet sich in ihrem Antrag bezüglich der behaupteten Verfassungs- und Gesetzwidrigkeit gegen einzelne Bestimmungen der 1. Tierhaltungsverordnung mit der Behauptung, dass die durch die bekämpften Rechtsvorschriften für die Schweinehaltung bewirkten negativen Auswirkungen "in ihrer Kombination" verfassungswidrig seien bzw gegen näher bezeichnete Bestimmungen des TSchG verstießen.

Die Bedenken der antragstellenden Landesregierung richten sich im Hinblick auf die Anlage 5 der 1. Tierhaltungsverordnung somit gegen die in deren Punkt 2.2.2. verankerte Zulässigkeit von perforierten Böden, die fehlende Verpflichtung zum Vorhandensein einer trockenen ausreichend dimensionierten Liegefläche für Buchten mit durchgehend perforierten Böden und die Weitergeltung dieser Vorgaben für bestehende Anlagen (Punkt 5.2. und Punkt 9.) sowie gegen die in Punkt 5.2a. Z5 vorgesehenen Platzvorgaben – kombiniert jeweils mit dem Fehlen einer hinreichenden Einstreu von Stroh. Eine Beseitigung der derzeitigen verfassungswidrigen Rechtslage sei nach Auffassung der Burgenländischen Landesregierung "nur bei gänzlicher Behebung" der angefochtenen Bestimmungen der 1. Tierhaltungsverordnung möglich, wobei bezüglich Punkt 2.2.2. der Anlage 5 der 1. Tierhaltungsverordnung ausgeführt wird, dass dessen Beseitigung beantragt werde, weil nur dadurch diese "tierschädliche Haltungsform" beseitigt werde.

1.9. Aus dem Antrag der Burgenländischen Landesregierung geht nun nicht mit hinreichender Deutlichkeit hervor, ob sie sich hinsichtlich des Punktes 2.2.2. gegen die Haltung auf Vollspaltenböden wendet oder ob die antragstellende Landesregierung generell die Verwendung perforierter Böden für bedenklich erachtet. Die Ausführungen unter Punkt IV.A. des Antrages zum TSchG legen die Annahme nahe, dass in der Haltung auf Vollspaltenböden eine Verfassungs- und Gesetzwidrigkeit gesehen wird; dies gilt auch für einige Passagen unter Punkt IV.B. Zudem geht die Antragstellerin offenbar davon aus, dass die in Punkt 2.2.2. geregelten perforierten Böden mit Vollspaltenböden gleichzusetzen sind (arg.: "auch als Vollspaltenböden bezeichnet" in Punkt IV.B.I.1.3. des Antrages). Andererseits finden sich im Antrag mehrfach Aussagen, aus denen sich ergibt, dass eine Problematik auch in der grundsätzlichen Zulässigkeit von perforierten Böden gesehen wird (siehe insb. Punkte IV.B.I.1.13., IV.B.I.1.16., IV.B.I.1.18., IV.B.II.2.6., IV.B.II.2.7., IV.B.III.5. und IV.B.III.8. des Antrages).

1.10. Es ist darauf hinzuweisen, dass abgesehen von den im Antrag angefochtenen Vorschriften noch weiteren Bestimmungen der 1. Tierhaltungsverordnung die grundsätzliche Zulässigkeit perforierter Böden zugrunde liegt (vgl Punkt 3.1.2., 3.3.1. und 3.3.2. der Anlage 5 der 1. Tierhaltungsverordnung). Insoweit der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz sowie der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft die Auffassung vertreten, dass der Antrag – vor dem Hintergrund seiner Ausführungen – nicht alle im Zusammenhang mit der Haltung von Schweinen auf perforierten Böden stehenden Bestimmungen erfasst, weil in den Punkten 3.1.2., 3.3.1. und 3.3.2. der Anlage 5 der 1. Tierhaltungsverordnung auch Angaben zum Perforierungsgrad der Böden gegeben seien, sind sie damit im Recht.

1.11. Darüber hinaus beziehen sich die Bedenken der antragstellenden Landesregierung – wie oben ausgeführt – auf die fehlende Einstreu, die in Kombination mit perforierten Böden und der in Punkt 5.2a. Z5 der Anlage 5 der 1. Tierhaltungsverordnung zu geringen Platzgrößen die behauptete Verfassungs- bzw Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Bestimmungen der 1. Tierhaltungsverordnung bedingen soll. Insbesondere hinsichtlich Punkt 2.2.2. der Anlage 5 der 1. Tierhaltungsverordnung sieht die Burgenländische Landesregierung das fehlende Erfordernis einer hinreichenden Einstreu von Stroh als bedenklich an. In diesem Zusammenhang übersieht sie allerdings, dass Punkt 2.2.1. grundlegende Anforderungen an die Bodenbeschaffenheit an Schweineställe enthält und dabei Anordnungen trifft, "wenn keine Einstreu zur Verfügung gestellt wird". Vor dem Hintergrund der vorgebrachten Bedenken steht Punkt 2.2.2. mit Punkt 2.2.1. der Anlage 5 der 1. Tierhaltungsverordnung in einem untrennbaren Zusammenhang. Die Burgenländische Landesregierung hätte daher zumindest die oben genannte Bestimmung mitanfechten müssen; insofern grenzt der Antrag die angefochtenen Bestimmungen zu eng ab. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass auch Punkt 5.2a. von der Zulässigkeit von nicht eingestreuten Liegebereichen ausgeht (vgl Punkt 5.2a. Z2, 3 und 4).

1.12. Insgesamt erweist sich – da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind – der Antrag der Burgenländischen Landesregierung in Bezug auf die Anfechtung des §44 Abs29, 30, 31 und 32 TSchG als zulässig. Hinsichtlich §18 Abs2a leg cit ist der Antrag als unzulässig zurückzuweisen. Im Übrigen, also hinsichtlich der angefochtenen Bestimmungen der 1. Tierhaltungsverordnung, ist der Antrag zur Gänze als unzulässig zurückzuweisen.

2. In der Sache

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B‑VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.674/2002, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtenen Bestimmungen aus den im Antrag dargelegten Gründen verfassungswidrig sind (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).

2.2. Die maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

2.2.1. Das 2. Hauptstück des TSchG regelt die Tierhaltung und gliedert sich in "Allgemeine Bestimmungen" (1. Abschnitt) und "Besondere Bestimmungen" (2. Abschnitt). Der 1. Abschnitt legt in §13 TSchG die allgemeinen Grundsätze der Tierhaltung fest. "Durch diese Grundsätze sollen im öffentlichen Interesse Mindeststandards einer tiergerechten (nicht bloß artgerechten) Haltung sichergestellt werden" (Herbrüggen/Wessely, Österreichisches Tierschutzrecht, Bd. 1³, 2020, §13 TSchG, Rz 1; vgl RV 446 BlgNR 22. GP , 18). Tiere dürfen nur dann gehalten werden, wenn auf Grund ihrer Eigenschaften und nach Maßgabe der in Abs2 und 3 normierten Grundsätze davon ausgegangen werden kann, dass die Haltung nach dem anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse ihr Wohlbefinden nicht beeinträchtigt (§13 Abs1 leg cit). Gemäß §13 Abs3 TSchG sind Tiere so zu halten, dass ihre Körperfunktionen und ihr Verhalten nicht gestört werden und ihre Anpassungsfähigkeit nicht überfordert wird. §13 Abs2 leg cit enthält Vorgaben für die Haltungsumwelt, die den Halter dazu verpflichten, das Platzangebot, die Bewegungsfreiheit, die Bodenbeschaffenheit, die bauliche Ausstattung der Unterkünfte und Haltungsvorrichtungen, das Klima, insbesondere Licht und Temperatur, die Betreuung und die Ernährung sowie die Möglichkeit zu Sozialkontakt unter Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse der Tiere angemessen im Sinne einer tiergerechten Haltung auszugestalten (Binder, Das österreichische Tierschutzrecht4, 2019, §13 TSchG, zu Abs2). Nähere Bestimmungen zu den einzelnen in Abs2 genannten Grundsätzen enthalten die §§15 ff TSchG sowie die 1. und 2. Tierhaltungsverordnung, die entsprechende Mindestanforderungen je Tierart statuieren (Herbrüggen/Wessely, aaO, §13 TSchG, Rz 5).

2.2.2. §16 TSchG legt ua Allgemeines zur Bewegungsfreiheit fest (Abs1) und regelt Näheres zum Platzangebot (Abs2; vgl §13 Abs2 leg cit). Gemäß §16 Abs1 TSchG darf die Bewegungsfreiheit eines Tieres nicht so weit eingeschränkt werden, dass dem Tier Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt werden oder es in schwere Angst versetzt wird (s §5 Abs2 Z10 leg cit). Jedes Tier hat über eine uneingeschränkt zur Verfügung stehende Fläche (Platzangebot) zu verfügen, die seinen physiologischen und ethologischen Bedürfnissen angemessen ist. Eine besonders wichtige Anforderung ist das Erfordernis des (gleichzeitigen) ungehinderten Aufstehens und Hinlegens der Tiere (vgl RV 446 BlgNR 22. GP , 19). Bewegungsfreiheit umfasst dabei grundsätzlich auch die Möglichkeit, sich frei im Raum bewegen zu können (vgl Binder, aaO, §16 TSchG, zu Abs1 und Abs2).

2.2.3. §18 TSchG enthält Regelungen betreffend die bauliche Ausstattung der Unterkünfte und der Haltungsvorrichtungen sowie Mindeststandards für die Haltung von Tieren in Unterkünften und Haltungseinrichtungen im Hinblick auf Licht (Abs4) und Klima (Abs5). §18 Abs2 leg cit sieht vor, dass die Unterkünfte und Haltungsvorrichtungen so auszuführen sind, dass keine Verletzungsgefahr für die Tiere, insbesondere durch scharfe Kanten oder Unebenheiten, besteht. Diese Anforderung gilt auch für die Bodenbeschaffenheit (Binder, aaO, §18 TSchG, zu Abs2).

2.2.4. §18 Abs2a TSchG regelt, dass die Haltung von Absetzferkeln, Zuchtläufern und Mastschweinen in unstrukturierten Vollspaltenbuchten ohne Funktionsbereich verboten ist. Dieses Verbot tritt mit 1. Jänner 2023 für alle ab diesem Zeitpunkt baurechtlich bewilligten, neu gebauten oder umgebauten Anlagen in Kraft (§44 Abs29 TSchG). Für – bis dahin geltenden tierschutzrechtlichen Bestimmungen entsprechende – Haltungseinrichtungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des BG BGBl I 130/2022 bestehen, tritt §18 Abs2a leg cit mit 1. Jänner 2040 in Kraft (§44 Abs29 TSchG).

2.2.5. Gemäß §44 Abs30 TSchG ist bis zum 31. Dezember 2026 vom Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz sowie vom Bundesminister für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus (nun: Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft) zum Zweck der Festsetzung neuer rechtlicher Mindeststandards gemäß §24 Abs1 Z1 leg cit (hiezu sogleich) ein Projekt hinsichtlich der Evaluierung der Haltungssysteme im Bereich der Buchten und der Bodengestaltung bei der Haltung von Schweinen durchzuführen. Ziel dieses Projekts ist es, Anforderungen an die Ausgestaltung der Buchten und der Böden als Alternative zu den bestehenden Vollspaltenbuchten im Sinne des Tierwohls zu entwickeln, wobei insbesondere die Beschaffenheit des Bodens (perforiert, geschlossen, planbefestigt) sowie die Perforationsdichte, der Einsatz von Beschäftigungsmaterial und die Strukturierung der Buchten durch Funktionsbereiche zu untersuchen ist. Auch bestehende Haltungssysteme in Schweinemastbetrieben sind anhand der angeführten Parameter zu evaluieren. Schließlich sind die ökonomischen, arbeitstechnischen und ökologischen Auswirkungen dieser Haltungssysteme unter Berücksichtigung des Verbotes des routinemäßigen Schwanzkupierens und des Erfordernisses eines physisch und temperaturmäßig angenehmen Liegeplatzes zu bewerten. Die Ergebnisse dieses Projekts dienen als Grundlage für die Festsetzung der neuen Mindeststandards gemäß §24 Abs1 TSchG; diesen neuen Mindeststandards haben alle Anlagen zur Schweinehaltung ab 1. Jänner 2040 zu entsprechen (§44 Abs31 TSchG). Ausnahmen bestehen für Haltungseinrichtungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Mindeststandards am 1. Jänner 2023 dem geltenden Standard entsprechen (§44 Abs31 leg cit). Für solche Betriebe endet die Anpassungsfrist gemäß §44 Abs31 TSchG erst nach Ablauf einer Nutzungsdauer von 23 Jahren ab erstmaliger Inbetriebnahme der Haltungseinrichtung. §44 Abs32 leg cit legt fest, dass die neuen Mindeststandards iSd §44 Abs30 TSchG mit Inkrafttreten der Verordnung gemäß §24 Abs1 Z1 TSchG für alle ab diesem Datum in baulicher Hinsicht neu gebauten oder umgebauten Anlagen gelten.

2.2.6. Während das TSchG die Grundsätze und die allgemeinen Anforderungen für die Haltung und den Umgang mit Tieren regelt, sollen die (Mindest‑)Detailanforderungen für die Haltung einzelner Tierarten im Rahmen von Verordnungen geregelt werden (so die Erläut zur RV 446 BlgNR 22. GP , 22). §24 Abs1 Z1 TSchG enthält die entsprechende Verordnungsermächtigung, auf die sich die 1. Tierhaltungsverordnung stützt. Durch Verordnung sind die Mindestanforderungen für die in §13 Abs2 leg cit genannten Haltungsbedingungen (s Pkt. IV.2.2.1.) festzulegen und erforderlichenfalls Bestimmungen hinsichtlich zulässiger Eingriffe sowie sonstiger zusätzlicher Haltungsanforderungen zu erlassen. Dabei hat der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft die Zielsetzung (§1 TSchG) und die sonstigen Bestimmungen des TSchG – insbesondere die allgemeinen Haltungsbestimmungen (§§12 ff leg cit) – zu berücksichtigen und auf den anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse und die ökonomischen Auswirkungen Bedacht zu nehmen (vgl Irresberger/Obenaus/Eberhard, Tierschutzgesetz, 2005, §24 TSchG, Rz 1). Bei den Haltungsanforderungen handelt es sich überwiegend "um verrechtlichte fachwissenschaftliche Erkenntnisse bzw um technische Normen" (RV 446 BlgNR 22. GP , 22). Diese Regelungstechnik ermöglicht einfache und rasche Anpassungen an Veränderungen im Rahmen der Tierhaltungstechnik, europäischer Vorgaben und betreffend den Fortschritt der wissenschaftlichen Erkenntnisse der Tierschutzforschung (RV 446 BlgNR 22. GP , 22). Wesentliche Änderungen in diesen Bereichen verpflichten den Verordnungsgeber zu Anpassungen (vgl Herbrüggen/Wessely, aaO, §24 TSchG, Rz 3).

2.3. Die antragstellende Landesregierung hegt im Wesentlichen folgende Bedenken in Bezug auf die (zulässigerweise) angefochtenen Bestimmungen des TSchG:

2.3.1. §2 BVG Nachhaltigkeit bringe klar zum Ausdruck, dass mit dem Bekenntnis zum Tierschutz eine Schutzverpflichtung des Menschen gegenüber dem Leben aber auch gegenüber dem Wohlbefinden der Tiere aus der besonderen Verantwortung für das Tier als Mitgeschöpf abzuleiten sei. Es ergebe sich eine klare Verpflichtung der Gesetzgebung und Vollziehung, den auf die Erkenntnisse der Tierschutzforschung gestützten Interessen des Tierschutzes bei der Festlegung von Mindestanforderungen ein höheres Gewicht beizumessen.

§18 Abs2a iVm §44 Abs29 TSchG widerspreche der sich aus §2 BVG Nachhaltigkeit ergebenden Verpflichtung zur Beachtung zentraler Tierschutzaspekte, weil sich aus diesen Bestimmungen die Zulässigkeit von perforierten Böden in der Schweinehaltung für bereits bestehende Haltungseinrichtungen bis 1. Jänner 2040 ableite. Es werde zwar nicht verkannt, dass dem Gesetzgeber bei der Berücksichtigung und Umsetzung von Staatszielbestimmungen ein rechtspolitischer Gestaltungsspielraum zukomme. Dieser Spielraum sei aber jedenfalls erschöpft, wenn ein Gesetz, das Bezüge zu Tieren aufweise, zentrale Tierschutzgesichtspunkte außer Acht lasse und die Übergangsfrist für ein Verbot von unstrukturierten Vollspaltenbuchten ohne Funktionsbereich mit knapp 17 Jahren bemessen werde. Dass der Gesetzgeber selbst die Haltung von Schweinen auf durchgehend perforierten Böden als nicht artgerecht und mit dem Staatsziel des Tierschutzes bzw mit dem Tierwohl unvereinbar halte, erhelle sich aus der Tatsache, dass er die gesetzlichen Änderungen, insbesondere das Verbot von unstrukturierten Vollspaltenbuchten ohne Funktionsbereich, vorgenommen habe.

2.3.2. §18 Abs2a iVm §44 Abs29 TSchG verstoße auch gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art7 B‑VG). Das durch die Verankerung eines entsprechenden Verbotes in §18 Abs2a leg cit verfolgte Ziel des Tierschutzes werde durch eine in §44 Abs29 TSchG festgelegte Übergangsfrist bis 1. Jänner 2040 unterlaufen. Im Fall des Verbotes von unstrukturierten Vollspaltenbuchten ohne Funktionsbereich sei eine Übergangsfrist von knapp 17 Jahren gemessen an der Zielsetzung der Regelung (Verhinderung von massivem Tierleid und haltungsbedingten Erkrankungen sowie das Erfüllen des als Staatsziel verankerten Tierschutzes) und unter Bedachtnahme auf den durch das Verbot von unstrukturierten Vollspaltenbuchten ohne Funktionsbereich bewirkten Eingriff (vorzunehmende Adaptierungen bzw Umbauarbeiten der Böden in Haltungsanlagen für Schweine) überschießend lang. Eine derart lange Übergangsregelung sei sachlich – unter Bedachtnahme auf die Intensität des Eingriffes – nicht gerechtfertigt. Durch die Differenz in den zulässigen Haltungsbedingungen für einen Zeitraum von knapp 17 Jahren komme es zu einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung.

Die Verpflichtung des Gesetzgebers zur Beachtung von Staatszielbestimmungen (Tierschutz) wiege im vorliegenden Fall deutlich mehr als ein Vertrauensschutz auf eine weiterhin zulässige Verwendung von unstrukturierten Vollspaltenbuchten ohne Funktionsbereich. Darüber hinaus sei der Eingriff in seiner Intensität als mäßig einzustufen, weil Haltungsanlagen nicht zur Gänze, sondern lediglich deren Böden adaptiert werden müssten und dem Aspekt des Tierschutzes und einer artgerechten Haltung von Schweinen durch die Verwendung von Einstreu Rechnung getragen werden könnte. Im Hinblick auf die Zumutbarkeit von Umbauarbeiten im Lichte der zu schützenden Rechtsgüter sei auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes betreffend vorzunehmende Umbaumaßnahmen hinsichtlich des in Österreich eingeführten absoluten Rauchverbotes in Lokalen zu verweisen (VfSlg 20.334/2019).

§44 Abs30 und 31 TSchG regle, dass die Festlegung von neuen Mindeststandards für die Schweinehaltung (aufbauend auf den Ergebnissen eines Projekts gemäß §44 Abs30 leg cit) erst ab 1. Jänner 2040 für alle Schweinehaltungen gelte. Gemäß §44 Abs31 TSchG sei es möglich, Anlagen zur Schweinehaltung, die dem ab 1. Jänner 2023 geltenden Standard entsprächen, bis zum Ende einer Nutzungsdauer von 23 Jahren ab erstmaliger Inbetriebnahme weiter zu betreiben. Auch diese Übergangsfrist sei insbesondere im Hinblick auf das Tierwohl keineswegs gerechtfertigt und überschießend lang.

2.4. Die Bundesregierung hält diesen Bedenken der antragstellenden Landesregierung zusammengefasst Folgendes entgegen:

2.4.1. Die antragstellende Landesregierung hege in Bezug auf §18 Abs2a iVm §44 Abs29 TSchG das Bedenken, dass die Zulässigkeit von unstrukturierten Vollspaltenbuchten ohne Funktionsbereich für bestehende Haltungseinrichtungen bis zum 1. Jänner 2040 gegen §2 BVG Nachhaltigkeit verstoße. Wenngleich dieser Staatszielbestimmung ein objektiv-rechtlicher Gehalt innewohne, gewähre sie kein subjektives Recht. Daher könne daraus kein individuell einklagbarer Anspruch abgeleitet werden. Tierschutz verkörpere ein weithin anerkanntes und bedeutsames öffentliches Interesse. Das Verbot von unstrukturierten Vollspaltenbuchten ohne Funktionsbereich gemäß §18 Abs2a TSchG verfolge zweifelsfrei das – im öffentlichen Interesse gelegene – Ziel des Schutzes von Tieren. Bei der Prüfung der Verfassungskonformität eines Verbotes von unstrukturierten Vollspaltenbuchten ohne Funktionsbereich sei daher (auch) das Staatsziel des Tierschutzes entsprechend zu berücksichtigen. Daraus folge aber nicht, dass aus dem Staatsziel des Tierschutzes ein absoluter Vorrang von Tierschutzinteressen resultiere, sodass nur ein Verbot von unstrukturierten Vollspaltenbuchten ohne Funktionsbereich verfassungskonform wäre. Der Gesetzgebung komme bei der Berücksichtigung und Realisierung von Staatszielen vielmehr ein erheblicher rechtspolitischer Gestaltungsspielraum zu. Dieser weite Ermessenspielraum werde bei einem Verbot von unstrukturierten Vollspaltenbuchten ohne Funktionsbereich mit einer Übergangsfrist bis zum 1. Jänner 2040 für bereits bestehende Haltungseinrichtungen nicht überschritten.

In diesem Zusammenhang sei auch auf §44 Abs30 TSchG hinzuweisen, wonach vom Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz sowie vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft bis zum 31. Dezember 2026 ein Projekt hinsichtlich der Evaluierung der Haltungssysteme im Bereich der Buchten und Bodengestaltung bei der Haltung von Schweinen durchzuführen sei. In einem laufenden Projekt ("IBeST") würden auch Lösungen für ausgewählte, bereits bestehende Betriebe entwickelt, die bei ihrem (freiwilligen) Umstieg auf den ab 1. Jänner 2023 geltenden Standard unterstützt würden. All diese Maßnahmen würden das Ziel des Tierschutzes im Sinne des §2 BVG Nachhaltigkeit verfolgen.

2.4.2. Die antragstellende Landesregierung hege im Wesentlichen zusammengefasst das Bedenken, dass die in §44 Abs29 TSchG vorgesehene Übergangsfrist von 17 Jahren im Zusammenhang mit dem Verbot von unstrukturierten Vollspaltenbuchten ohne Funktionsbereich für bereits vor dem 1. Jänner 2023 bestehende Haltungseinrichtungen gegen das in Art7 B‑VG verankerte Gleichbehandlungsgebot verstoße. Auch die in §44 Abs31 iVm Abs30 TSchG in Bezug auf neue, mittels Verordnung festzulegende Mindeststandards für die Schweinehaltung vorgesehene Übergangsfrist von bis zu 23 Jahren (ab erstmaliger Inbetriebnahme) hinsichtlich jener Anlagen, die dem ab 1. Jänner 2023 geltenden Standard entsprächen, sei im Hinblick auf das Tierwohl überschießend lang und nicht gerechtfertigt.

Mit Erlassung des TSchG habe die Gesetzgebung nicht bloß einen Anreiz zur Anpassung der betrieblichen Infrastruktur an die durch die 1. Tierhaltungsverordnung angeordneten Voraussetzungen gesetzt, sondern all jene Betreiber von Anlagen zur Schweinhaltung zu Investitionen verpflichtet, die ihren Betrieb ab 1. Jänner 2013 bzw ab 1. Jänner 2020 weiterführen hätten wollen. Vor diesem Hintergrund sehe §44 Abs29 TSchG für jene Betriebe, die im Vertrauen auf die vor der Novelle BGBl I 130/2022 geltende Rechtslage Dispositionen getätigt haben, eine entsprechende Übergangsfrist zur Anpassung der bestehenden Haltungseinrichtungen an die neuen tierschutzrechtlichen Anforderungen des §18 Abs2a TSchG vor. Auch die Novelle BGBl I 130/2022 schaffe Anreize zu konkreten Investitionen. Vor diesem Hintergrund sei daher die Festlegung einer Übergangsfrist für bestehende Betriebe sowohl im Hinblick auf das in §18 Abs2a TSchG vorgesehene Verbot von unstrukturierten Vollspaltenbuchten ohne Funktionsbereich als auch im Hinblick auf die in §44 Abs30 iVm §24 Abs1 TSchG vorgesehenen neuen rechtlichen Mindeststandards – wenngleich verfassungsrechtlich nicht geboten – gerechtfertigt.

Die Übergangsfristen seien auch aus einem weiteren Grund gerechtfertigt: Ein Verbot von unstrukturierten Vollspaltenbuchten ohne Funktionsbereich für bereits errichtete Anlagen zur Schweinehaltung bewirke einen Eingriff in das Recht auf Eigentum, weil für die Umsetzung dieses Verbotes bauliche Maßnahmen erforderlich seien. Entgegen den Ausführungen der antragstellenden Landesregierung könnten die erforderlichen Umbauten auch nicht durch eine Einstreu von Stroh auf bestehenden unstrukturierten Vollspaltenbuchten ohne Funktionsbereich vermieden werden, weil dies zu einer Verstopfung der perforierten Böden und damit zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Abflusssystems führen würde. Der durch die Verstopfung bedingte Reinigungsbedarf würde zu einem erhöhten Arbeits- und Kostenaufwand führen. Diese Maßnahme scheine auch im Lichte des Tierschutzes nicht geeignet, weil die damit einhergehenden Verunreinigungen dem Wohl der Tiere abträglich seien. Eine Einstreu von Stroh setze daher jedenfalls einen Umbaubedarf von bestehenden Vollspaltenbuchten voraus. Die mit einer Einstreu verbundenen Mehrkosten könnten – entgegen den Ausführungen der antragstellenden Landesregierung – auch nicht als gering eingestuft werden. Weitere Kostenfaktoren, wie etwa der Umbau, die Wirtschaftsdüngerentsorgung sowie der Arbeitseinsatz, seien bei der Kostenkalkulation ebenfalls zu berücksichtigen, was den Deckungsbeitrag entsprechend weiter reduziere.

Die Einführung eines Verbotes von unstrukturierten Vollspaltenbuchten ohne Funktionsbereich bzw strengerer rechtlicher Mindeststandards in Bezug auf bestehende Haltungseinrichtungen – die vom Gesetzgeber veranlasst worden seien und durch eine spätere Änderung der Rechtslage zum Großteil oder unter Umständen zur Gänze entwertet würden – sowie die mit einem Umbau verbundenen erheblichen Kosten stellten einen Eingriff in die Erwerbs(ausübungs)freiheit dar, der – wenngleich verfassungsrechtlich nicht geboten – auch eine lange Übergangsfrist rechtfertige. Auch das von der antragstellenden Landesregierung ins Treffen geführte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg 20.334/2019) betreffend die Beibehaltung von Ausnahmeregelungen vom Rauchverbot für Gastronomiebetriebe vermöge eine Überschreitung des rechtspolitischen Gestaltungsspielraums im vorliegenden Fall nicht aufzuzeigen, weil der dem Erkenntnis zugrunde liegende Anlassfall mit dem vorliegenden Ausgangsfall nicht vergleichbar sei.

Auch der von der antragstellenden Landesregierung angestellte Vergleich zwischen neu gebauten oder umgebauten Anlagen einerseits und bestehenden Anlagen andererseits sei nicht geeignet, eine Gleichheitswidrigkeit aufzuzeigen. Diese Gegenüberstellung übersehe, dass mit einem Umbau von bestehenden Anlagen wesentlich höhere Kosten einhergingen als bei einem Neubau einer Anlage, bei der neue gesetzliche Mindeststandards bereits bei der Planung des Baus berücksichtigt werden könnten. Ein erforderlicher Umbau einer bestehenden und in Betrieb befindlichen Anlage setze – im Gegensatz zu einem Neubau – darüber hinaus in der Regel auch eine Unterbrechung des laufenden Betriebs voraus, die wiederum zu einem erheblichen Kostenaufwand führen könne. Die mit einer Umstellung auf neue gesetzliche Mindeststandards des TSchG einhergehende unterschiedliche finanzielle Belastung rechtfertige eine unterschiedliche Behandlung von bestehenden Anlagen im Vergleich zu Neubauten und Umbauten.

2.5. Zu den Bedenken der antragstellenden Landesregierung betreffend die Übergangsbestimmungen im TSchG:

2.5.1. §18 Abs2a iVm §44 Abs29 TSchG idF BGBl I 130/2022 ordnet ein Verbot der Haltung von Schweinen in unstrukturierten Vollspaltenbuchten ohne Funktionsbereich mit langen Übergangsfristen an. Die Novelle geht auf einen gesamtändernden Abänderungsantrag (AA-261 27. GP ) zum Initiativantrag 2856/A 27. GP im Plenum zurück. Im Allgemeinen Teil der Erläuterungen wird Folgendes ausgeführt:

"Die Haltung von landwirtschaftlichen Nutztieren auf Vollspaltenböden ist umstritten und wird seitens des Volksanwalts und diverser NGOs kritisiert. Ein Verbot für Vollspaltenböden im Rahmen der Haltung von Absetzferkeln, Mastschweinen und Zuchtläufern wird ab 1.1.2040 festgelegt. Die wissenschaftlichen und praktischen Inhalte von Systemfragen der Schweinehaltung sollen in einem Projekt bis 2026 entwickelt und bis 2027 durch die Fachstelle geprüft werden. Die Ergebnisse sind die Grundlage für die Weiterentwicklung des rechtlichen Mindeststandards, welcher in der 1. Tierhaltungsverordnung festzulegen ist" (Erläut zu AA-261 27. GP , 11).

Betreffend die Übergangsbestimmung wird Folgendes festgehalten:

"Das Verbot der unstrukturierten Vollspaltenbuchten ohne Funktionsbereich gilt für alle ab dem 1. Jänner 2023 baurechtlich bewilligten neu gebauten oder umgebauten Anlagen und Haltungseinrichtungen.[…] Eine entsprechende Übergangsfrist für nicht diesen Anforderungen entsprechenden Anlagen wurde eingefügt, wobei insbesondere auch der Investitionsschutz für solche Haltungen, die nach Inkrafttreten des §18 Abs2a und vor Inkrafttreten der neuen Mindeststandards im Sinne des Abs30 in Betrieb genommen wurden, Berücksichtigung findet" (Erläut zu AA-261 27. GP , 14).

2.5.2. In der Debatte im Plenum wurde darauf hingewiesen, dass den Änderungen ein umfassender Entschließungsantrag vom 15. Dezember 2021, 215/E BlgNR 27. GP – der mit großer Mehrheit im Nationalrat beschlossen wurde – zugrunde lag, für den das Tierschutzvolksbegehren 771 BlgNR 27. GP ausschlaggebend war (StenProtNR 27. GP, 168. Sitzung, 105 f.). In dem erwähnten Volksbegehren wird ausgeführt, dass die Haltung auf unstrukturierten Vollspaltenbuchten ohne Funktionsbereich nicht vereinbar mit den Grundbedürfnissen von Tieren sei. In der Entschließung des Nationalrates wird die Bundesregierung ersucht, "Maßnahmen zur schrittweisen Umsetzung der Forderungen des Tierschutzvolksbegehrens zu setzen. Hierbei soll in allen Bereichen Planungssicherheit für betroffene Betriebe, positive wirtschaftliche Zukunftsaussichten durch ausreichend Marktanreize, sowie finanzielle Unterstützung gewährleistet werden".

2.5.3. Bei der Interpretation der angefochtenen Bestimmungen ist das öffentliche Interesse am Tierschutz maßgeblich, wobei bei den beschlossenen Maßnahmen sowohl dieses öffentliche Interesse als auch die Planungssicherheit und der Investitionsschutz der betroffenen landwirtschaftlichen Betriebe in die Abwägung miteinzubeziehen sind. Einem verfassungsrechtlich gebotenen Interessenausgleich kann dabei auch durch eine Übergangsbestimmung Rechnung getragen werden.

2.5.4. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits mehrfach festgehalten hat, ist in den letzten Jahrzehnten insoweit ein Wertewandel eingetreten, als sich nach heutiger Auffassung im Tierschutz ein weithin anerkanntes und bedeutsames öffentliches Interesse verkörpert (VfSlg 15.394/1998, 19.568/2011). In diesem Sinne legt §1 TSchG den Schutz des Lebens und des Wohlbefindens der Tiere aus der besonderen Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf als Zielsetzung fest (vgl VfSlg 17.731/2005, 18.150/2007).

2.5.5. Wie auch die Bundesregierung darlegt, verfolgt das in §18 Abs2a TSchG normierte Verbot der Haltung von Absetzferkeln, Zuchtläufern und Mastschweinen in unstrukturierten Vollspaltenbuchten ohne Funktionsbereich das – im öffentlichen Interesse gelegene – Ziel des Schutzes von Schweinen vor Nachteilen, die aus der Haltung auf unstrukturierten Vollspaltenbuchten ohne Funktionsbereich resultieren (vgl §2 BVG Nachhaltigkeit; VfSlg 20.191/2017).

2.5.6. Insoweit die Bundesregierung ausführt, aus dem Staatsziel des Tierschutzes sei nicht ableitbar, dass nur ein Verbot von unstrukturierten Vollspaltenbuchten ohne Funktionsbereich verfassungskonform wäre, so ist im vorliegenden Zusammenhang anzumerken, dass aus Anlass des Antrages der Burgenländischen Landesregierung nicht zu prüfen ist, ob das Verbot der Haltung in unstrukturierten Vollspaltenbuchten ohne Funktionsbereich aus verfassungsrechtlicher Sicht geboten ist. Vielmehr hat – worauf auch die antragstellende Landesregierung hinweist – der Gesetzgeber eine Wertung darüber getroffen, dass die Haltung von Schweinen in unstrukturierten Vollspaltenbuchten ohne Funktionsbereich vor dem Hintergrund der Zielsetzung des Tierschutzes (und der neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse) verboten sein soll (vgl Erläut zu AA-261 27. GP , 11).

2.5.7. Das in §18 Abs2a TSchG nunmehr verankerte Verbot der Haltung in unstrukturierten Vollspaltenbuchten ohne Funktionsbereich erfährt nun durch §44 Abs29 bis 32 TSchG eine Relativierung, indem bestehenden Betrieben eine 17‑jährige Umsetzungsfrist eingeräumt wird. Diese Übergangsfrist ist – im Hinblick auf die obenstehenden Ausführungen – sowohl als Ausfluss der Planungssicherheit als auch des Investitionsschutzes für Landwirte zu werten.

2.5.8. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes genießt das bloße Vertrauen auf den unveränderten Fortbestand der gegebenen Rechtslage als solches keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz (vgl etwa VfSlg 16.687/2002, 20.226/2017, 20.334/2019 mwN). Unter besonderen Umständen setzt der Vertrauensschutz dem Gesetzgeber verfassungsrechtliche Grenzen. §44 Abs29 TSchG soll dem vorübergehenden Schutz von bestehenden Betrieben in der Schweinehaltung dienen, die im Vertrauen auf den Bestand der Rechtslage disponiert haben und ihre Absetzferkel, Zuchtläufer und Mastschweine in unstrukturierten Vollspaltenbuchten ohne Funktionsbereich halten.

2.5.9. Der Verfassungsgerichtshof hält es dem Grunde nach für verfassungsrechtlich zulässig und unter Umständen auch geboten, dass der Gesetzgeber ein den Umständen angemessenes Übergangsrecht bereitstellt (vgl zuletzt VfGH 28.9.2023, G89/2022 ua). Grundsätzlich bestehen daher keine Bedenken, wenn der Gesetzgeber zum Schutz einer durch die Neureglung in ihrem Vertrauen auf die Rechtslage enttäuschten Gruppe (jene Anlagenbetreiber, die im Vertrauen auf die geltende Rechtlage unstrukturierte Vollspaltenbuchten ohne Funktionsbereich verwenden) Übergangsbestimmungen vorsieht. Die vom Gesetzgeber vorgesehene Übergangsbestimmung darf allerdings nicht zu unsachlichen Unterscheidungen führen und muss insbesondere auch bezogen auf ihre Dauer sachlich gerechtfertigt sein (vgl VfSlg 16.038/2000, 19.667/2012).

2.5.10. Die Bedenken der antragstellenden Landesregierung sind vor diesem Hintergrund insoweit berechtigt, als sie sich gegen §44 Abs29 TSchG richten:

2.5.10.1. Der Gleichheitsgrundsatz bindet auch den Gesetzgeber (s etwa VfSlg 13.327/1993, 16.407/2001). Er setzt ihm insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen (vgl zB VfSlg 14.039/1995, 16.407/2001) sowie keine sachlich nicht begründbaren Differenzierungen vornehmen darf (vgl zB VfSlg 17.315/2004, 17.500/2005, 20.244/2018, 20.270/2018). Innerhalb dieser Schranken ist es dem Gesetzgeber jedoch von Verfassungs wegen durch den Gleichheitsgrundsatz nicht verwehrt, seine rechtspolitischen Zielvorstellungen auf die ihm geeignet erscheinende Art zu verfolgen (s etwa VfSlg 16.176/2001, 16.504/2002).

2.5.10.2. Wie bei Pkt. IV.2.5.6. ausgeführt, hat der Gesetzgeber eine Wertung darüber getroffen, dass die Haltung von Schweinen in unstrukturierten Vollspaltenbuchten ohne Funktionsbereich verboten sein soll. Indem der Gesetzgeber selbst diese Wertung im Hinblick auf das Ziel des Tierschutzes getroffen hat, ist es sachlich nicht gerechtfertigt, wenn er mit der Festlegung einer 17‑jährigen Übergangsfrist einseitig auf den Investitionsschutz abstellt und bei der Abwägung den Tierschutz nicht adäquat berücksichtigt.

2.5.10.3. Die Burgenländische Landesregierung behauptet in ihrem Antrag auch, es könne aus ihrer Sicht keine sachliche Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung der Betreiber von Haltungsanlagen gefunden werden. Die de facto unterschiedlich geltenden Haltungsvorschriften – ausgelöst durch die 17‑jährige Übergangsfrist – stellen eine Ungleichbehandlung von einerseits jenen Haltungsanlagenbetreibern für Schweine, die einen Betrieb ab 1. Jänner 2023 neu errichtet/umgebaut haben, und andererseits jenen Haltungsanlagenbetreibern dar, die eine Anlage bereits vor diesem Datum betrieben haben, wobei nicht ersichtlich sei, weshalb der Gesetzgeber mit §44 Abs29 TSchG eine derart lange Übergangsfrist für die Umsetzung eines Verbotes von unstrukturierten Vollspaltenbuchten ohne Funktionsbereich vorsehe, zumal die Adaptierungsmaßnahmen nicht die Haltungseinrichtungen zur Gänze, sondern "lediglich" die Böden betreffen würden. Darüber hinaus könnte durch die Verwendung von Einstreu – etwa Stroh – dem Aspekt des Tierschutzes nachgekommen werden.

2.5.10.4. Die Bundesregierung hält dem in Bezug auf die Einstreu entgegen, dass die damit verbundenen Mehrkosten nicht als geringfügig eingestuft werden könnten und die erforderlichen Umbauten auch nicht durch eine Einstreu von Stroh auf bestehende unstrukturierte Vollspaltenbuchten ohne Funktionsbereich vermieden werden könnten. Zur Behauptung der überschießend langen Übergangsfrist vertritt die Bundesregierung im Wesentlichen die Auffassung, dass mit einer Einstreu Mehrkosten sowie weitere Kostenfaktoren verbunden seien, wie etwa der Umbau, die Wirtschaftsdüngerentsorgung sowie der Arbeitseinsatz, was den Deckungsbeitrag entsprechend weiter reduziere.

2.5.10.5. Die antragstellende Landesregierung ist mit ihrem Vorbringen im Recht, dass die bekämpfte Bestimmung eine sachlich nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung zwischen den Betreibern einer neuen Haltungsanlage und jenen einer bestehenden Haltungsanlage für einen übermäßig langen Zeitraum geschaffen hat:

Es wird auch von der Antragstellerin im Kern nicht bestritten, dass das in §18 Abs2a TSchG festgelegte Verbot von unstrukturierten Vollspaltenbuchten ohne Funktionsbereich Maßnahmen erforderlich macht, wodurch – in Verbindung mit den damit verbundenen höheren laufenden Betriebskosten – höhere Markteintrittskosten für Betreiber neuer Haltungsvorrichtungen bewirkt werden. Der von der Bundesregierung ins Treffen geführte Investitionsschutz vermag jedoch keine derart lange Übergangsfrist zu rechtfertigen, zumal der Gesetzgeber mit §44 Abs29 TSchG eine undifferenzierte Übergangsbestimmung geschaffen hat und pauschal eine 17‑jährige Übergangsfrist festgelegt, ohne etwa auf den Zeitpunkt der Inbetriebnahme der bestehenden Anlagen abzustellen. Im Übrigen ist auch hervorzuheben, dass die Bundesregierung selbst ausführt, dass bestehenden Betrieben die Möglichkeit eröffnet wird, Förderungen in Anspruch zu nehmen.

2.5.10.6. Mit der vorgesehenen Differenzierung zwischen bestehenden Haltungsanlagenbetreibern für Schweine, die einen Betrieb am 1. Jänner 2023 neu errichten bzw umbauen, und jenen, die vor diesem Stichtag bereits eine Anlage betrieben haben, hat der Gesetzgeber somit eine sachlich nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung geschaffen, indem neuen Betreibern höhere Markteintrittskosten auferlegt werden und die bewirkte Ungleichheit in Bezug auf den Wettbewerb für 17 Jahre aufrechterhalten wird.

2.5.10.7. Der Verfassungsgerichtshof ist daher der Auffassung, dass die Dauer der Übergangsregelung überschießend lang und sachlich nicht gerechtfertigt ist, weshalb sich §44 Abs29 TSchG als verfassungswidrig erweist (vgl zu überschießend langen Übergangsregelungen VfSlg 16.038/2000, 19.667/2012).

2.5.10.8. Mit §44 Abs29 TSchG stehen die Abs30, 31 und 32 leg cit in einem untrennbaren Zusammenhang, weil der vom Gesetzgeber vorgesehene Zeitplan für die Umsetzung der einzelnen Maßnahmen (§44 Abs30 bis 32 TSchG) auf der Übergangsbestimmung des §44 Abs29 TSchG aufbaut.

2.6. Im Übrigen bildet die Richtlinie 2008/120/EG keinen Prüfungsmaßstab im Gesetzesprüfungsverfahren nach Art140 B‑VG (vgl VfSlg  16.771/2002, 18.266/2007, 19.496/2011, 20.088/2016).

V. Ergebnis

1. §44 Abs29 TSchG, BGBl I 118/2004, idF BGBl I 130/2022 ist daher wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz als verfassungswidrig aufzuheben. §44 Abs30, 31 und 32 leg cit stehen mit §44 Abs29 TSchG in einem untrennbaren Zusammenhang und sind daher ebenfalls als verfassungswidrig aufzuheben.

2. Die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Gesetzesstelle gründet sich auf Art140 Abs5 dritter und vierter Satz B‑VG.

3. Der Ausspruch, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten, beruht auf Art140 Abs6 erster Satz B‑VG.

4. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung und der damit im Zusammenhang stehenden sonstigen Aussprüche erfließt aus Art140 Abs5 erster Satz B‑VG und §64 Abs2 VfGG iVm §3 Z3 BGBlG.

5. Hinsichtlich §18 Abs2a TSchG ist der Antrag zurückzuweisen.

6. Im Übrigen ist der Antrag hinsichtlich der angefochtenen Punkte der Anlage 5 der 1. Tierhaltungsverordnung zur Gänze zurückzuweisen.

7. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte