Normen
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 Z1 litc
EMRK 1. ZP Art1
StGG Art2
StGG Art5
2. COVID-19-Justiz-BegleitG §2 Abs6
EpidemieG 1950
BankwesenG §1
VfGG §7 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2022:G174.2022
Spruch:
I. Der Antrag auf Aufhebung des §2 Abs6 zweiter Satz des 2. Bundesgesetzes betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 in der Justiz (2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz – 2. COVID-19-JuBG), BGBl I Nr 24/2020, idF BGBl I Nr 113/2020 wird abgewiesen.
II. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Antrag
Gestützt auf Art140 Abs1 Z1 litc B‑VG, begehren die antragstellenden Parteien
"der Verfassungsgerichtshof möge gemäß Art140 Abs1 Z1 litc B‑VG
a) §2 Abs6 Satz 2 des mit Bundesgesetz BGBl I 24/2020 erlassenen 2. COVID‑19‑JuBG als verfassungswidrig aufheben;
b) in eventu (i) aussprechen, dass §2 Abs6 Satz 2 des mit Bundesgesetz BGBl I 24/2020 erlassenen 2. COVID-19-JuBG verfassungswidrig war, (ii) darüber hinaus aussprechen, dass §2 Abs6 Satz 2 dieses 2. COVID-19-JuBG idF BGBl I 58/2020 verfassungswidrig war und (iii) darüber hinaus §2 Abs6 Satz 2 dieses 2. COVID‑19-JuBG idF BGBl I 113/2020 als verfassungswidrig aufheben;
c) bei den Aussprüchen gemäß a) bzw b) jeweils von der dem Verfassungsgerichtshof gemäß Art140 Abs7 Satz 2 B‑VG erteilten Ermächtigung Gebrauch machen und aussprechen, dass die aufgehobenen Bestimmungen – und im Fall eines Ausspruchs gemäß b) auch jene Bestimmungen, die gemäß dem Ausspruch des Verfassungsgerichtshofes verfassungswidrig waren – auch auf vor der Aufhebung bzw dem Ausspruch ihrer Verfassungswidrigkeit verwirklichte Tatbestände nicht mehr anzuwenden sind, und dem Erkenntnis damit Rückwirkung per 1.4.2020 verleihen;
d) dem Bund den Ersatz der regelmäßig anfallenden Verfahrenskosten iSd §27 iVm §65a VfGG zzgl USt und Gebühren auferlegen, wobei ein Streitgenossenzuschlag gemäß §15 RATG in der Höhe von 50% der Verdienstsumme einschließlich des Einheitssatzes […] beantragt wird."
II. Rechtslage
1. §2 des 2. Bundesgesetzes betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 in der Justiz (2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz – 2. COVID-19-JuBG), BGBl I 24/2020, lautete:
"Verschiebung der Fälligkeit von Zahlungen bei Kreditverträgen
§2. (1) Für Verbraucherkreditverträge, die vor dem 15. März 2020 abgeschlossen wurden, gilt, dass Ansprüche des Kreditgebers auf Rückzahlung, Zins- oder Tilgungsleistungen, die zwischen 1. April 2020 und 30. Juni 2020 fällig werden, mit Eintritt der Fälligkeit für die Dauer von drei Monaten gestundet werden, wenn der Verbraucher aufgrund der durch die Ausbreitung der COVID-19-Pandemie hervorgerufenen außergewöhnlichen Verhältnisse Einkommensausfälle hat, die dazu führen, dass ihm die Erbringung der geschuldeten Leistung nicht zumutbar ist. Nicht zumutbar ist dem Kreditnehmer die Erbringung der Leistung insbesondere dann, wenn sein angemessener Lebensunterhalt oder der angemessene Lebensunterhalt seiner Unterhaltsberechtigten gefährdet ist. Für die Dauer der Stundung befindet sich der Kreditnehmer mit der Zahlung dieser Leistungen nicht in Verzug; während dieser Zeit fallen daher keine Verzugszinsen an. Eine Frist, nach deren Ablauf für die gestundete Forderung bestellte Sicherheiten nicht mehr in Anspruch genommen werden können, wird durch die Stundung so verlängert, dass dem Kreditgeber für die Inanspruchnahme der Sicherheit nach der letzten Fälligkeit einer besicherten Forderung dieselbe Zeit zur Verfügung steht wie nach den Vereinbarungen, die vor der Stundung gegolten haben.
(2) Der Kreditnehmer hat das Recht, in dem in Abs1 genannten Zeitraum seine vertraglichen Zahlungen zu den ursprünglich vereinbarten Leistungsterminen weiter zu erbringen. Soweit der Kreditnehmer die Zahlungen vertragsgemäß weiter leistet, gilt die Stundung gemäß Abs1 als nicht erfolgt.
(3) Die Vertragsparteien können von den Regelungen des Abs1 abweichende Vereinbarungen treffen, insbesondere über mögliche Teilleistungen, Zins- und Tilgungsanpassungen oder Umschuldungen.
(4) Kündigungen des Kreditgebers wegen Zahlungsverzugs oder wesentlicher Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Verbrauchers sind im Fall des Abs1 bis zum Ablauf der Stundung ausgeschlossen. Davon darf nicht zu Lasten des Verbrauchers abgewichen werden.
(5) Der Kreditgeber soll dem Verbraucher ein Gespräch über die Möglichkeit einer einvernehmlichen Regelung und über mögliche Unterstützungsmaßnahmen anbieten. Für dieses können auch Fernkommunikationsmittel genutzt werden.
(6) Kommt eine einvernehmliche Regelung für den Zeitraum nach dem 30. Juni 2020 nicht zustande, so verlängert sich die Vertragslaufzeit um drei Monate. Die jeweilige Fälligkeit der vertraglichen Leistungen wird um diese Frist hinausgeschoben. Der Kreditgeber hat dem Verbraucher eine Ausfertigung des Vertrags zur Verfügung zu stellen, in der die vereinbarten Vertragsänderungen oder die sich aus dem ersten Satz sowie aus Abs1 erster Satz ergebenden Vertragsänderungen berücksichtigt sind.
(7) Die vorstehenden Absätze gelten auch für Kleinstunternehmen im Sinn von Art2 Abs3 des Anhangs der Empfehlung 2003/361/EG der Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen, ABl. L 124 vom 20.5.2003, S. 36, als Kreditnehmer, sofern der Kreditvertrag vor dem 15. März 2020 geschlossen wurde und das Unternehmen infolge von Umständen, die auf die COVID-19-Pandemie zurückzuführen sind, die Leistungen nicht erbringen kann oder dem Unternehmen die Erbringung der Leistungen ohne Gefährdung der wirtschaftlichen Grundlagen seines Erwerbsbetriebs nicht möglich wäre."
2. §2 des 2. COVID-19-JuBG, BGBl I 24/2020, idF BGBl I 58/2020 lautete:
"Verschiebung der Fälligkeit von Zahlungen bei Kreditverträgen
§2. (1) Für Verbraucherkreditverträge, die vor dem 15. März 2020 abgeschlossen wurden, gilt, dass Ansprüche des Kreditgebers auf Rückzahlung, Zins- oder Tilgungsleistungen, die zwischen 1. April 2020 und 31. Oktober 2020 fällig werden, mit Eintritt der Fälligkeit für die Dauer von sieben Monaten gestundet werden, wenn der Verbraucher aufgrund der durch die Ausbreitung der COVID-19-Pandemie hervorgerufenen außergewöhnlichen Verhältnisse Einkommensausfälle hat, die dazu führen, dass ihm die Erbringung der geschuldeten Leistung nicht zumutbar ist. Nicht zumutbar ist dem Kreditnehmer die Erbringung der Leistung insbesondere dann, wenn sein angemessener Lebensunterhalt oder der angemessene Lebensunterhalt seiner Unterhaltsberechtigten gefährdet ist. Für die Dauer der Stundung befindet sich der Kreditnehmer mit der Zahlung dieser Leistungen nicht in Verzug; während dieser Zeit fallen daher keine Verzugszinsen an. Eine Frist, nach deren Ablauf für die gestundete Forderung bestellte Sicherheiten nicht mehr in Anspruch genommen werden können, wird durch die Stundung so verlängert, dass dem Kreditgeber für die Inanspruchnahme der Sicherheit nach der letzten Fälligkeit einer besicherten Forderung dieselbe Zeit zur Verfügung steht wie nach den Vereinbarungen, die vor der Stundung gegolten haben.
(2) Der Kreditnehmer hat das Recht, in dem in Abs1 genannten Zeitraum seine vertraglichen Zahlungen zu den ursprünglich vereinbarten Leistungsterminen weiter zu erbringen. Soweit der Kreditnehmer die Zahlungen vertragsgemäß weiter leistet, gilt die Stundung gemäß Abs1 als nicht erfolgt.
(3) Die Vertragsparteien können von den Regelungen des Abs1 abweichende Vereinbarungen treffen, insbesondere über mögliche Teilleistungen, Zins- und Tilgungsanpassungen oder Umschuldungen.
(4) Kündigungen des Kreditgebers wegen Zahlungsverzugs oder wesentlicher Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Verbrauchers sind im Fall des Abs1 bis zum Ablauf der Stundung ausgeschlossen. Davon darf nicht zu Lasten des Verbrauchers abgewichen werden.
(5) Der Kreditgeber soll dem Verbraucher ein Gespräch über die Möglichkeit einer einvernehmlichen Regelung und über mögliche Unterstützungsmaßnahmen anbieten. Für dieses können auch Fernkommunikationsmittel genutzt werden.
(6) Kommt eine einvernehmliche Regelung für den Zeitraum nach dem 31. Oktober 2020 nicht zustande, so verlängert sich die Vertragslaufzeit um sieben Monate. Die jeweilige Fälligkeit der vertraglichen Leistungen wird um diese Frist hinausgeschoben. Der Kreditgeber hat dem Verbraucher eine Ausfertigung des Vertrags zur Verfügung zu stellen, in der die vereinbarten Vertragsänderungen oder die sich aus dem ersten Satz sowie aus Abs1 erster Satz ergebenden Vertragsänderungen berücksichtigt sind.
(7) Die vorstehenden Absätze gelten auch für Kleinstunternehmen im Sinn von Art2 Abs3 des Anhangs der Empfehlung 2003/361/EG der Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen, ABl. L 124 vom 20.5.2003, S. 36, als Kreditnehmer, sofern der Kreditvertrag vor dem 15. März 2020 geschlossen wurde und das Unternehmen infolge von Umständen, die auf die COVID-19-Pandemie zurückzuführen sind, die Leistungen nicht erbringen kann oder dem Unternehmen die Erbringung der Leistungen ohne Gefährdung der wirtschaftlichen Grundlagen seines Erwerbsbetriebs nicht möglich wäre."
3. §2 2. COVID-19-JuBG lautet in der nunmehr geltenden Fassung BGBl I 113/2020 (der mit dem Eventualantrag angefochtene Satz ist hervorgehoben):
"Verschiebung der Fälligkeit von Zahlungen bei Kreditverträgen
§2. (1) Für Verbraucherkreditverträge, die vor dem 15. März 2020 abgeschlossen wurden, gilt, dass Ansprüche des Kreditgebers auf Rückzahlung, Zins- oder Tilgungsleistungen, die zwischen 1. April 2020 und 31. Jänner 2021 fällig werden, mit Eintritt der Fälligkeit für die Dauer von zehn Monaten gestundet werden, wenn der Verbraucher aufgrund der durch die Ausbreitung der COVID-19-Pandemie hervorgerufenen außergewöhnlichen Verhältnisse Einkommensausfälle hat, die dazu führen, dass ihm die Erbringung der geschuldeten Leistung nicht zumutbar ist. Nicht zumutbar ist dem Kreditnehmer die Erbringung der Leistung insbesondere dann, wenn sein angemessener Lebensunterhalt oder der angemessene Lebensunterhalt seiner Unterhaltsberechtigten gefährdet ist. Für die Dauer der Stundung befindet sich der Kreditnehmer mit der Zahlung dieser Leistungen nicht in Verzug; während dieser Zeit fallen daher keine Verzugszinsen an. Eine Frist, nach deren Ablauf für die gestundete Forderung bestellte Sicherheiten nicht mehr in Anspruch genommen werden können, wird durch die Stundung so verlängert, dass dem Kreditgeber für die Inanspruchnahme der Sicherheit nach der letzten Fälligkeit einer besicherten Forderung dieselbe Zeit zur Verfügung steht wie nach den Vereinbarungen, die vor der Stundung gegolten haben.
(2) Der Kreditnehmer hat das Recht, in dem in Abs1 genannten Zeitraum seine vertraglichen Zahlungen zu den ursprünglich vereinbarten Leistungsterminen weiter zu erbringen. Soweit der Kreditnehmer die Zahlungen vertragsgemäß weiter leistet, gilt die Stundung gemäß Abs1 als nicht erfolgt.
(3) Die Vertragsparteien können von den Regelungen des Abs1 abweichende Vereinbarungen treffen, insbesondere über mögliche Teilleistungen, Zins- und Tilgungsanpassungen oder Umschuldungen.
(4) Kündigungen des Kreditgebers wegen Zahlungsverzugs oder wesentlicher Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Verbrauchers sind im Fall des Abs1 bis zum Ablauf der Stundung ausgeschlossen. Davon darf nicht zu Lasten des Verbrauchers abgewichen werden.
(5) Der Kreditgeber soll dem Verbraucher ein Gespräch über die Möglichkeit einer einvernehmlichen Regelung und über mögliche Unterstützungsmaßnahmen anbieten. Für dieses können auch Fernkommunikationsmittel genutzt werden.
(6) Kommt eine einvernehmliche Regelung für den Zeitraum nach dem 31. Jänner 2021 nicht zustande, so verlängert sich die Vertragslaufzeit um zehn Monate. Die jeweilige Fälligkeit der vertraglichen Leistungen wird um diese Frist hinausgeschoben. Der Kreditgeber hat dem Verbraucher eine Ausfertigung des Vertrags zur Verfügung zu stellen, in der die vereinbarten Vertragsänderungen oder die sich aus dem ersten Satz sowie aus Abs1 erster Satz ergebenden Vertragsänderungen berücksichtigt sind.
(7) Die vorstehenden Absätze gelten auch für Kleinstunternehmen im Sinn von Art2 Abs3 des Anhangs der Empfehlung 2003/361/EG der Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen, ABl. L 124 vom 20.5.2003, S. 36, als Kreditnehmer, sofern der Kreditvertrag vor dem 15. März 2020 geschlossen wurde und das Unternehmen infolge von Umständen, die auf die COVID-19-Pandemie zurückzuführen sind, die Leistungen nicht erbringen kann oder dem Unternehmen die Erbringung der Leistungen ohne Gefährdung der wirtschaftlichen Grundlagen seines Erwerbsbetriebs nicht möglich wäre."
III. Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Die antragstellenden Parteien legen ihre verfassungsrechtlichen Bedenken wie folgt dar (ohne die Hervorhebungen und Randziffern im Original):
"1. ÜBERBLICK
a) Das 2. COVID-19-JuBG
Die COVID-19-Pandemie hatte und hat naturgemäß auch vielfältige Auswirkungen auf Vertragsverhältnisse. Wie der Gesetzgeber konzediert hat, […] können diese Fragen weitgehend mit dem Instrumentarium des geltenden Zivilrechts gelöst werden. In manchen Bereichen hielt der Gesetzgeber jedoch ein punktuelles Eingreifen für erforderlich, um 'sozial und wirtschaftlich verträgliche Lösungen' zu schaffen. Neben allgemeinen Fragen des pandemiebedingten Verzugs betrifft dies vor allem zwei Vertragstypen: Wohnungsmietverträge einerseits und Verbraucher- und Kleinstunternehmerkreditverträge andererseits. Dazu wurden – großteils temporäre – Sonderregelungen im 2. COVID-19-JuBG getroffen.
Die betreffenden gesetzlichen Eingriffe dienen dem Schuldnerschutz. Konkret soll das Gesetz Schuldner schützen, deren wirtschaftliche Leistungsfähigkeit durch die COVID-19-Pandemie erheblich beeinträchtigt wurde, sei es, dass sie selbst erkrankt sind, sei es, dass sie in ihrer Erwerbsmöglichkeit beeinträchtigt wurden. […]
b) Die Eingriffe in Vertragsverhältnisse im Allgemeinen
Dieser Grundintention entsprechend fielen die Eingriffe in Vertragsverhältnisse durch das 2. COVID-19-JuBG großteils moderat und vor allem bloß temporär aus:
Generell wurden für pandemiebedingten Zahlungsverzug im Zeitraum 1.4.2020 bis 30.6.2020 die Verzugszinsen auf 4 % pa beschränkt und der Ersatz außergerichtlicher Betreibungs- oder Einbringungskosten hiefür ausgeschlossen (§3 leg cit). Damit wurde primär Unternehmern in Zahlungsschwierigkeiten geholfen.
Für pandemiebedingten Leistungsverzug wurden Konventionalstrafen (nicht aber gesetzliche Schadenersatzansprüche) ausgeschlossen, obgleich es hier in den meisten Fällen ohnehin schon am Verschulden mangeln würde (§4 leg cit). Auch diese – wohl wenig bedeutsame – Regelung dürfte primär Unternehmern zugutegekommen sein.
Zugunsten von Verbrauchern wurden besondere Bestimmungen für Wohnungsmietverträge getroffen. Diese durften vom Vermieter wegen Zahlungsverzugs mit den von 1.4.2020 bis 30.6.2020 fällig gewordenen Mietzinszahlungen vorübergehend nicht gekündigt oder aufgelöst werden (§1 leg cit). Der Mieter musste aber alle offenen Mieten samt Verzugszinsen […] bis spätestens 31.3.2021 vollständig nachzahlen, sonst drohte ihm eine Zahlungsklage; mit Ablauf des 30.6.2022 kann der Vermieter wegen eines Verzugs mit diesen Zahlungen auch wieder kündigen bzw räumen (§17 Abs2 Satz 2 leg cit). […]
c) Die Eingriffe in Verbraucher- und Kleinstunternehmerkreditverträge
Im Unterschied dazu sind die gesetzlichen Eingriffe in Verbraucher- und Kleinstunternehmerkreditverträge (§2 leg cit) als einzige als Dauerrecht konzipiert (§17 Abs2 letzter Satz leg cit). Sie bestehen im Wesentlichen aus zwei Teilen:
Zunächst wurde für die zwischen 1.4.2020 und 31.1.2021 fällig werdenden Kreditraten eine gesetzliche Stundung angeordnet (§2 Abs1 leg cit). Die Kündigung des Kreditvertrages wegen Zahlungsverzugs war im Stundungszeitraum naturgemäß (schon mangels Zahlungsverzugs) ausgeschlossen; ausgeschlossen wurde aber auch die Kündigung wegen wesentlicher Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Kreditnehmers (§2 Abs4 leg cit). Weil es sich um eine echte Stundung gehandelt hat, musste/muss der Kreditnehmer – wenn er von dieser Option Gebrauch gemacht und die Zahlung seiner Kreditraten aufgeschoben hat, denn er konnte sich auch für die pünktliche Zahlung entscheiden (siehe §2 Abs2 leg cit) – im Unterschied zum Wohnungsmieter […] keine Verzugszinsen zahlen. […] Die vertraglich vereinbarten Kreditzinsen ('Sollzinsen') fielen auch während des Stundungszeitraums an, sie wurden aber gleichfalls gestundet. […]
Mit 31.1.2021 endete die gesetzliche Stundung. Für die Zeit danach bestand die Möglichkeit einer einvernehmlichen Regelung (§2 Abs6 leg cit). Die Kreditgeber wurden auch gesetzlich angehalten, den Kreditnehmern 'ein Gespräch über die Möglichkeit einer einvernehmlichen Regelung und über mögliche Unterstützungsmaßnahmen' anzubieten (§2 Abs5 leg cit). Sowohl das Zustandekommen eines solchen Gespräches als auch das Zustandekommen von Einvernehmen über eine Regelung für die Zeit nach der Stundung lassen sich freilich weder gesetzlich dekretieren, noch durch ein Anbot von Kreditgeberseite erzwingen. Schließlich bedarf es jeweils der freiwilligen Mitwirkung des Kreditnehmers. Wesentlich ist daher, welche Rechtsfolgen das Gesetz für den Fall des Nichtzustandekommens einer einvernehmlichen Regelung vorsieht. Diese Rechtsfolgen regelt §2 Abs6 leg cit. Sie sind durchaus weitreichend:
Erstens kommt es zu einer gesetzlichen Verlängerung der Kreditvertragslaufzeit um zehn Monate (Satz 1), also um die Dauer des Stundungszeitraums.
Zweitens wird die 'jeweilige Fälligkeit der vertraglichen Leistungen […] um diese Frist hinausgeschoben' (Satz 2). Es kommt somit zu einer Änderung des gesamten Tilgungsplans im Sinne einer Parallelverschiebung sämtlicher Zahlungen um zehn Monate. […]
Drittens wird der Kreditnehmer damit gleichzeitig auch rückwirkend von der Pflicht zur Zahlung von Sollzinsen für den (zehnmonatigen) Stundungszeitraum befreit. […] Das Kreditmoratorium gemäß §2 Abs1 leg cit wird solcherart rückwirkend zum zinsenlosen Moratorium. Der Kreditgeber, der den Kreditvertrag als entgeltliches Rechtsgeschäft abgeschlossen hat, verliert rückwirkend seinen Entgeltanspruch für einen Zeitraum von (mindestens) zehn Monaten. Für diesen Zehn-Monats-Zeitraum verwandelt das Gesetz den entgeltlichen Kreditvertrag also rückwirkend in einen unentgeltlichen – und das alles unter der alleinigen Tatbestandsvoraussetzung, dass zwischen den Parteien des Kreditvertrages keine einvernehmliche Regelung für den Zeitraum nach der Stundung zustande kommt, und obwohl dem Kreditnehmer seine Pflicht zur Rückzahlung der Kreditvaluta ohnedies schon um zehn Monate hinausgeschoben wird!
Die zuletzt genannte (rückwirkende) Anordnung der Zinsenlosigkeit des Moratoriums wird mit dem vorliegenden Individualantrag angefochten.
2. DARSTELLUNG DER RECHTSLAGE IM EINZELNEN
a) Fassungen der relevanten Bestimmungen des 2. COVID-19-JuBG
Die oben bereits überblicksmäßig geschilderte Rechtslage beruht zunächst auf dem 4. COVID-19-Gesetz, BGBl I 24/2020. Mit dessen Art37 wurde das 2. COVID‑19-JuBG erlassen. Es trat am 1.4.2020 in Kraft (§17 Abs2 leg cit). Die oben dargestellten vertragsrechtlichen Regelungen waren in dieser Stammfassung des 2. COVID-19-JuBG alle bereits enthalten. Bloß die Zeiträume, auf welche sich die Sonderregelungen für Wohnungsmietverträge (§1 leg cit) und Verbraucher- und Kleinstunternehmerkreditverträge (§2 leg cit) bezogen, waren darin noch kürzere:
So wie §1 leg cit bis heute bloß für in der Zeit vom 1.4.2020 bis 30.6.2020 fällig werdende Mietzinszahlungen gilt, galt §2 leg cit in der Stammfassung nur für in der Zeit von 1.4.2020 bis 30.6.2020 fällig werdende Kreditraten. Es ging also ursprünglich sowohl bei Wohnungsmietverträgen als auch bei Kreditverträgen jeweils bloß um einen Zeitraum von drei Monaten.
Dementsprechend bezog sich auch §2 Abs6 leg cit in der Stammfassung auf den Fall, dass keine einvernehmliche Regelung für den Zeitraum nach dem 30.6.2020 zustandekomme.
Die Klagbarkeit der betreffenden Mietzinsrückstände war in der Stammfassung des §1 leg cit bloß bis zum Ablauf des 31.12.2020 aufgeschoben.
Mit Bundesgesetz BGBl I 58/2020 wurde das Kreditmoratorium um vier Monate verlängert, also von drei auf sieben Monate (Art2). Erfasst waren somit nun die in der Zeit vom 1.4.2020 bis 31.10.2020 fällig werdenden Kreditraten (§2 Abs1 leg cit idF BGBl I 58/2020). Die Regelung des §2 Abs6 leg cit idF BGBl I 58/2020 bezog sich dementsprechend fortan gemäß ihrem Satz 1 auf den Fall, dass eine einvernehmliche Regelung für den Zeitraum nach dem 31.10.2020 nicht zustandekomme, und sah dort für diesen Fall dementsprechend eine Verlängerung der Kreditvertragslaufzeit um sieben Monate vor. Diese Novelle trat am 3.7.2020 in Kraft (§17 Abs4 leg cit idF BGBl I 58/2020).
Mit Bundesgesetz BGBl I 113/2020 wurde das Kreditmoratorium um weitere drei Monate auf einen Zeitraum von insgesamt zehn Monaten verlängert. Seither bezieht es sich auf alle in der Zeit vom 1.4.2020 bis 31.1.2021 fällig werdenden Kreditraten (§2 Abs1 leg cit idF BGBl I 113/2020). §2 Abs6 leg cit idF BGBl I 113/2020 gilt gemäß seinem ersten Satz seither folglich für den Fall, dass keine einvernehmliche Regelung für den Zeitraum nach dem 31.1.2021 zustande kommt, und ordnet dort für diesen Fall seither eine Verlängerung der Kreditlaufzeit um zehn Monate an. Diese Novelle trat am 15.10.2020 in Kraft (§17 Abs5 leg cit idF BGBl I 113/2020).
Warum der Gesetzgeber demgegenüber bei Wohnungsmietverträgen keine Ausdehnung der Regelung über den dreimonatigen Zeitraum von 1.4.2020 bis 30.6.2020 hinaus für erforderlich hielt, obwohl das Anhalten der Pandemiefolgen Wohnungsmieter und Kreditnehmer sicherlich gleichermaßen betraf, ist nicht bekannt. Mit Bundesgesetz BGBl I 157/2020 wurde allerdings die Klagbarkeit der drei Monatsmietzinse weiter hinausgeschoben, nämlich vom Ablauf des 31.12.2020 (wie in der Stammfassung vorgesehen) auf den Ablauf des 31.3.2021 (§1 leg cit idF BGBl I 157/2020). Diese Änderung ist mit 24.12.2020 in Kraft getreten (§17 Abs7 leg cit idF BGBl I 157/2020).
Seit der Stammfassung BGBl I 24/2020 in seinem Wortlaut unverändert ist der (hier angefochtene) zweite Satz des §2 Abs6 leg cit, wonach – als Folge des Nichtzustandekommens einer einvernehmlichen Regelung für den Zeitraum nach dem Stundungszeitraum – die 'jeweilige Fälligkeit der vertraglichen Leistungen … um diese Frist hinausgeschoben' wird. Freilich erfuhr diese Regelung durch die oben dargestellten Novellen BGBl I 58/2020 und BGBl I 113/2020 jeweils in zweifacher Hinsicht eine inhaltliche Änderung:
Das betrifft zum einen den im ersten Satz des §2 Abs6 leg cit formulierten Tatbestand, an welchen die im zweiten Satz normierte Rechtsfolge anknüpft; je nach Dauer des Stundungszeitraums bezieht sich dieser jeweils auf das Nichtzustandekommen einer einvernehmlichen Regelung für den Zeitraum nach dem Ende dieses Stundungszeitraums.
Zum anderen verweist auch die Rechtsfolgenanordnung des zweiten Satzes mit dem Hinausschieben der jeweiligen Fälligkeit der vertraglichen Leistungen 'um diese Frist' auf den ersten Satz des §2 Abs6 leg cit. Der Zeitraum, um den die Fälligkeit hinausgeschoben wird, korreliert also jeweils mit der im ersten Satz des §2 Abs6 leg cit – im Einklang mit §2 Abs1 leg cit – normierten Dauer des Stundungszeitraums von zunächst drei Monaten (BGBl I 24/2020, dann sieben Monaten (BGBl I 58/2020) und schließlich zehn Monaten (BGBl I 113/2020), um welche nach dem ersten Satz jeweils die Kreditvertragslaufzeit verlängert wird.
b) Regelungsinhalt des zweiten Satzes des §2 Abs6 leg cit
Es soll nicht verhehlt werden, dass der zweite Satz des §2 Abs6 leg cit zunächst vielfach noch anders verstanden wurde. Mit der überwiegenden Literatur […] war die Bankenbrache – wie übrigens auch die Arbeiterkammer – der Ansicht, dass die im Stundungszeitraum anfallenden (aber gestundeten) Sollzinsen […] im Fall der gesetzlichen Verlängerung der Kreditvertragslaufzeit gemäß §2 Abs6 leg cit verteilt über die auf den Stundungszeitraum folgende, restliche Kreditvertragsdauer abzutragen wären. Die im zweiten Satz der Bestimmung enthaltene Regelung über die Verschiebung der Fälligkeit 'der vertraglichen Leistungen' um die Dauer des Stundungszeitraums (und damit um die Dauer der Vertragsverlängerung) wurde also (bloß) auf die im §2 Abs1 leg cit erwähnten Zahlungen des Kreditnehmers ('Rückzahlung, Zins- oder Tilgungsleistungen'), sprich auf die Kreditraten, bezogen. Eine schlagartige Doppelbelastung des Kreditnehmers nach Ablauf des Stundungszeitraums wäre nach dieser Auslegung auch ohne 'Entfall' der Sollzinsen dadurch verhindert worden, dass die Kreditraten, die im Stundungszeitraum fällig geworden wären, parallel verschoben worden wären; die aus der längeren Bereitstellung des Kapitals resultierenden zusätzlichen Sollzinsen wären auf die parallel verschobenen Raten aufzuschlagen gewesen. […] Der zweite Satz des §2 Abs6 leg cit schien dem nicht entgegenzustehen. Darin ist zwar von einem Aufschub der Fälligkeit die Rede. Ein Aufschub der Fälligkeit ist aber schon in §2 Abs1 leg cit vorgesehen ('echte Stundung'), ohne dass dies dem Entstehen des Zinsenanspruchs des Kreditgebers entgegenstünde. […] Nach dieser Auslegung wäre dem zweiten Satz des §2 Abs6 leg cit somit gar keine Aussage zu einem rückwirkenden Entfall des (schon von der Stundung nach §2 Abs1 leg cit unberührt bleibenden) Anspruchs des Kreditgebers auf Verzinsung des bereitgestellten Kapitals zu entnehmen gewesen.
Mit der Entscheidung 3 Ob 189/21x hat der OGH aber nicht nur den gegenteiligen Standpunkt vertreten, also den zweiten Satz des §2 Abs6 leg cit dahingehend ausgelegt, dass er den Anspruch des Kreditgebers auf Verzinsung des bereitgestellten Kapitals für den Stundungszeitraum rückwirkend entfallen lässt. Er hat darüber hinaus auch ausgesprochen, dass einer abweichenden Auslegung – die selbst nach Ansicht des OGH sachliche Berechtigung hätte – der Wortlaut des §2 Abs6 leg cit entgegensteht. […] Der Wortlaut, welcher einer (sachlich gerechtfertigten) abweichenden Auslegung entgegensteht, ist nach dieser höchstgerichtlichen Judikatur jener des zweiten Satzes des §2 Abs6 leg cit. Darin bestimme 'das Gesetz dezidiert, dass die jeweilige Fälligkeit der vertraglichen Leistungen um diese Frist hinausgeschoben wird'. […] Mit verfassungsrechtlichen Erwägungen hat sich der OGH in dieser Entscheidung nicht (ersichtlich) auseinandergesetzt. Klar ist nach der Entscheidung aber, dass auch eine verfassungskonforme Interpretation des §2 Abs6 leg cit im Sinne des Unberührtbleibens des vertraglichen Verzinsungsanspruchs des Kreditgebers – wie sie die Antragstellerinnen aus den unten dargelegten Gründen für geboten hielten – nach der höchstgerichtlichen Judikatur ausscheidet, weil ihr schlicht der Gesetzeswortlaut entgegensteht.
3. PRÜFUNGSGEGENSTAND
a) Abgrenzung der Anfechtung der 'Zinsenlosigkeit' des Moratoriums gegenüber den übrigen Regelungen des Kreditmoratoriums
Nicht angefochten werden das Kreditmoratorium an sich, also die Stundung gemäß §2 Abs1 leg cit, und die damit im Zusammenhang stehenden Regelungen des §2 Abs2 bis 4 leg cit. Auch gegen diese Regelungen könnte man zwar manche gleichheitsrechtlichen Bedenken anmelden, insbesondere im Vergleich zur Regelung für Wohnungsmietverträge in §1 leg cit (Warum wurde der Zeitraum der betroffenen Kreditraten von drei auf zehn Monate verlängert, während nach wie vor nur Mietzinse im ursprünglich festgelegten Dreimonatszeitraum betroffen sind? […] Und warum erhalten Wohnungsvermieter für die eingetretene Zahlungsverzögerung Verzugszinsen, Kreditgeber hingegen nicht? […]). Von den Antragstellerinnen werden diese Regelungen aber – per se – akzeptiert.
Gleichfalls nicht angefochten wird die – aus Sicht der Antragstellerinnen unproblematische – Regelung des §2 Abs5 leg cit betreffend ein Gesprächsangebot des Kreditgebers über die Möglichkeit einer einvernehmlichen Regelung und über mögliche Unterstützungsmaßnahmen. Sie entsprach ohnehin weitgehend der Vorgangsweise der Kreditwirtschaft in der einmaligen [Krisensituation]. Die Kreditwirtschaft hatte lange vor der gesetzlichen Regelung Erwägungen zu einem vertraglichen Moratorium angestellt.
Akzeptiert wird auch die Anordnung des §2 Abs6 Satz 1 leg cit, die eine gesetzliche Verlängerung der Kreditvertragslaufzeit um den Stundungszeitraum für den Fall anordnet, dass zwischen den Parteien des Kreditvertrages eine einvernehmliche Regelung für den Zeitraum nach der Stundung nicht zustandekommt. Dabei handelt es sich zwar um einen durchaus weitreichenden Eingriff in bestehende Vertragsverhältnisse, der auch nicht in allen Fällen interessengerecht sein wird. Dieser Eingriff kann aber aus folgenden Gründen als gerechtfertigt angesehen werden:
Erstens ist einzuräumen, dass Kreditnehmer, die gemäß §2 Abs2 leg cit von der Möglichkeit der Stundung Gebrauch gemacht haben, nach Ablauf des Stundungszeitraumes oft Schwierigkeiten gehabt hätten, die über einen Zeitraum von zehn Monaten gestundeten Beträge nach Ablauf der Stundung zusätzlich zu den dann wieder fällig werdenden laufenden Kreditraten auf einmal nachzuzahlen. Insofern drohte durchaus ein gewisses Problem der 'Doppelbelastung' – selbst wenn man dem natürlich entgegenhalten kann, dass die Stundung eben nur gegen kurzfristige pandemiebedingte Zahlungsschwierigkeiten Abhilfe schaffen sollte und betroffene Wohnungsmieter gleichfalls schon frühzeitig mit der Nachzahlung der gestundeten Mieten beginnen mussten, um eine übermäßige Belastung am Ende der 'Schonfrist' zu vermeiden, eine analoge Behandlung der Kreditnehmer also wohl ebenfalls zumutbar gewesen wäre. Und für dauerhafte Überbelastung steht das Instrument des Insolvenzrechts als sachgerechte Lösung bereit, insbesondere die Entschuldung für Verbraucher ohne Mindestquote.
Weiters kann dem Gesetzgeber wohl nicht entgegengetreten werden, wenn er die vom Gesetz offengelassene – und durch §2 Abs5 leg cit sogar angestoßene – Möglichkeit einer einvernehmlichen Regelung dieses Problems durch die Parteien des Kreditvertrages nicht als ausreichende Lösung angesehen hat. Schließlich lässt sich Einvernehmen nicht erzwingen – weder vom Gesetz, noch von Seiten des Kreditgebers oder des Kreditnehmers: So wie ein konstruktives Verhalten des Kreditnehmers nicht erzwungen werden kann, konnte der Gesetzgeber also umgekehrt nicht ausschließen, dass einzelne Kreditgeber sich einer solchen einvernehmlichen Lösung verschließen würden. Zwar ist es in der Kreditwirtschaft im Allgemeinen durchaus üblich, mit unverschuldet und bloß krisenbedingt notleidend gewordenen Kreditnehmern konstruktiv nach für alle Seiten tragfähigen Lösungen zu suchen; für jeden Einzelfall wollte sich der Gesetzgeber darauf aber offenbar nicht verlassen.
Vor diesem Hintergrund kann die Anordnung einer entsprechenden Verlängerung der Kreditvertragslaufzeit zugunsten des Kreditnehmers – unter Aufrechterhaltung des vertraglich vereinbarten Entgeltanspruchs für die Bereitstellung des Kapitals – durchaus als geeignetes und nicht unverhältnismäßiges Mittel zur Lösung der Problemlage angesehen werden: Einerseits wird dem Kreditnehmer damit für den Fall des Nichtzustandekommens einer einvernehmlichen Regelung eine für ihn tragbare 'Notlösung' verschafft, die seine monatliche Belastung am Ende des Stundungszeitraums durch Streckung der Kreditraten verringert. Andererseits entsteht damit auch ein erheblicher Anreiz für Kreditgeber, mit den betroffenen Kreditnehmern eine einvernehmliche Lösung zu suchen; schließlich wird die ansonsten drohende gesetzliche Verlängerung der Kreditlaufzeit mit einem Kreditnehmer, dessen Ausfallsrisiko gestiegen ist, zu gleichbleibenden Konditionen und um das volle zeitliche Ausmaß des Stundungszeitraumes in den allermeisten Fällen nicht gerade die 'Wunschlösung' der Kreditgeber darstellen.
Angefochten wird daher ausschließlich §2 Abs6 Satz 2 leg cit. Diese Bestimmung ist – ausweislich der OGH-Entscheidung 3 Ob 189/21x – der Sitz der nach Ansicht der Antragstellerinnen verfassungswidrigen Anordnung des rückwirkenden Entfalls der Kreditzinsen für den in §2 Abs1 leg cit definierten Stundungszeitraum. […]
b) Eingrenzung des Anfechtungsumfanges auf §2 Abs6 Satz 2 des 2. COVID-19-JuBG
Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofs ist der Prüfungsumfang derart abzugrenzen, dass einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als zur Beseitigung der Verfassungswidrigkeit erforderlich ist, andererseits aber der verbleibende Teil keine Veränderung seiner Bedeutung erfährt. […] Dabei muss der Anfechtungsumfang weit genug sein, um die geltend gemachte Verfassungswidrigkeit zu beseitigen. […]
Verfassungswidrig ist nach Ansicht der Antragstellerinnen – aus den noch unten darzulegenden Gründen – die Anordnung, dass es nach dem Eintritt der Stundung bei Nichtzustandekommen einer einvernehmlichen Regelung für die Zeit nach der Stundung zusätzlich zu einer gesetzlichen Verlängerung der Kreditvertragslaufzeit um die Dauer des Stundungszeitraumes und einer entsprechenden Parallelverschiebung der Raten auch noch zum rückwirkenden Entfall des Zinsenanspruchs des Kreditgebers für den Stundungszeitraum kommt. Nach höchstgerichtlicher Judikatur ist diese Rechtsfolge unvermeidliche Folge des zweiten Satzes des §2 Abs6 leg cit 'Die jeweilige Fälligkeit der vertraglichen Leistungen wird um diese Frist hinausgeschoben'. […]
Ohne komplette Aufhebung des zweiten Satzes des §2 Abs6 leg cit lässt sich die geltend gemachte Verfassungswidrigkeit somit nicht beseitigen. Damit wird zwar auch die Parallelverschiebung der Fälligkeit der Kreditraten aus dem Rechtsbestand ausgeschieden (insoweit ist eine Aufhebung für die Kreditnehmer weniger günstig als die von der Bankenbranche ursprünglich befürwortete, nach der Rechtsprechung des OGH aber nicht mögliche verfassungskonforme Auslegung […]). Es besteht jedoch keine Möglichkeit, bloß einzelne Worte des §2 Abs6 Satz 2 leg cit aufzuheben, um diese Rechtsfolge zu vermeiden; denn wie gesagt leitet der OGH die eintretende 'Zinsenlosigkeit' des Stundungszeitraums gerade aus der Parallelverschiebung der Fälligkeitszeitpunkte ab.
Durch Aufhebung des §2 Abs6 Satz 2 leg cit erfährt der verbleibende Teil des Gesetzes auch keine Veränderung seiner Bedeutung. Das Kreditmoratorium an sich bleibt davon ebenso unberührt, wie die im ersten Satz des §2 Abs6 leg cit enthaltene Anordnung der gesetzlichen Verlängerung der Kreditvertragslaufzeit für den Fall des Nichtzustandekommens einer einvernehmlichen Regelung für den Zeitraum nach der Stundung.
Damit gibt es auch keine anderen Gesetzesbestimmungen, die mit dem zweiten Satz des §2 Abs6 leg cit in untrennbarem Zusammenhang stünden. Zwar knüpft der zweite Satz in zweifacher Hinsicht an den ersten an. […] Umgekehrt hängt der Bedeutungsgehalt des ersten Satzes jedoch in keiner Weise vom zweiten ab; letzterer normiert bloß eine zusätzliche Rechtsfolge zu ersterem. In gleicher Weise lässt eine Aufhebung des zweiten Satzes den dritten unberührt; dieser verweist bloß auf den ersten und nicht auf den zweiten Satz der Bestimmung.
Schließlich ist die Aufhebung weiterer Gesetzesstellen auch nicht erforderlich, um das Entstehen einer unklaren Rechtslage zu verhindern. Die Verlängerung der Kreditvertragslaufzeit (§2 Abs6 Satz 1 leg cit) als weitere derzeit vorgesehene Rechtsfolgen des Nichtzustandekommens einer einvernehmlichen Regelung für die Zeit nach der Stundung ist für sich genommen klar und – unabhängig vom zweiten Satz des §2 Abs6 leg cit – sowohl hinsichtlich der Art der angeordneten Rechtsfolge (Laufzeitverlängerung) als auch im Hinblick auf deren Ausmaß (zehn Monate) hinreichend bestimmt. Bei Abstattungskrediten ergibt sich eine entsprechende Streckung der Kreditraten aus den kreditvertraglichen Regelungen automatisch, da hier die Rückzahlung des Kapitals verteilt über die Laufzeit in gleich hohen Raten (Annuitäten) erfolgt; der entsprechend geänderte Tilgungsplan ist vom Kreditgeber nach dem (von der Aufhebung unberührt bleibenden) dritten Satz des §2 Abs6 leg cit zur Verfügung zu stellen. Bei endfälligen Darlehen verschiebt sich schlicht der Endfälligkeitszeitpunkt.
c) Angefochtene Fassungen des §2 Abs6 Satz 2 des 2. COVID-19-JuBG
Angefochten wird der zweite Satz des §2 Abs6 leg cit primär in der Stammfassung des Gesetzes BGBl I 24/2020. Wie gesagt ist er seit dieser Stammfassung in seinem Wortlaut unverändert aufrecht. Durch die nachfolgenden Novellen wurden nur der erste Satz des §2 Abs6 leg cit sowie §2 Abs1 leg cit geändert. […]
Da die Änderung des ersten Satzes des §2 Abs6 leg cit durch die Bundesgesetze BGBl I 58/2020 und BGBl I 113/2020 den zweiten Satz jeweils in seinem Bedeutungsgehalt geändert hat, […] wird aus Gründen anwaltlicher Vorsicht jedoch hilfsweise
die besagte Stammfassung des zweiten Satzes des §2 Abs6 leg cit dahingehend angefochten, dass gemäß Art140 Abs4 B‑VG der Ausspruch begehrt wird, dass er verfassungswidrig war;
zusätzlich der zweite Satz des §2 Abs6 leg cit idF BGBl I 58/2020 dahingehend angefochten, dass gemäß Art140 Abs4 B‑VG der Ausspruch begehrt wird, dass er verfassungswidrig war; und
zusätzlich der zweite Satz des §2 Abs6 leg cit idF BGBl I 113/2020 angefochten und dessen Aufhebung begehrt.
4. ANTRAGSLEGITIMATION
[…]
5. DARLEGUNG DER BEDENKEN
5.1 Verstoß gegen den Gleichheitssatz
Als juristische Personen mit Sitz im Inland haben die Antragstellerinnen ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz gemäß Art7 Abs1 B‑VG und Art2 StGG. […]
Aus der Bindung des Gesetzgebers an den Gleichheitssatz resultiert ein Verbot unsachlicher Differenzierung, aber auch ein allgemeines Gebot der Sachlichkeit von Gesetzen. […] Differenzierungen sind dem Gesetzgeber daher nur gestattet, wenn relevante Unterschiede im Tatsachenbereich existieren; […] diese Unterschiede im Tatsachenbereich müssen eine ausreichende sachliche Rechtfertigung für die betreffende Differenzierung bieten. […] Um dem Sachlichkeitsgebot zu entsprechen, muss die Rechtsfolgenanordnung des Gesetzes in Bezug auf den geregelten Sachverhalt einen vernünftigen Grund […] für sich haben und verhältnismäßig […] sein. Entscheidend für die Sachlichkeit einer Regelung bzw einer Differenzierung ist stets deren objektive Wirkung, auf die Motive des Gesetzgebers kommt es nicht an. […]
Die angefochtene Regelung verstößt sowohl gegen das Verbot unsachlicher Differenzierung als auch gegen das Sachlichkeitsgebot jeweils in mehrfacher Hinsicht:
Erstens schafft sie eine sachlich nicht gerechtfertigte Benachteiligung von Kreditgebern gegenüber Wohnungsvermietern: Jene verlieren zehn Monats-Entgelte (= die Sollzinsen für diesen Zeitraum), während diese sämtliche Monatsentgelte – sogar zzgl Verzugszinsen – nachbezahlt erhalten.
Zweitens werden auch Kreditnehmer untereinander ohne sachliche Rechtfertigung ungleich behandelt; nämlich jene, die um eine Lösung ihrer vorübergehenden Zahlungsprobleme bemüht sind und sich diesbezüglich mit ihrem Kreditgeber ins Einvernehmen setzen (oder die sogar trotz Zahlungsschwierigkeiten ihr Bestes geben und die Raten ohne Inanspruchnahme der Stundungsoption pünktlich und vollständig begleichen), gegenüber jenen, die auf die Gesprächsangebote ihrer Kreditgeber schlicht nicht reagieren bzw sich einer einvernehmlichen Lösung verweigern. Letztere werden gegenüber ersteren bevorzugt.
Drittens entbehrt es überhaupt jeden sachlichen Grundes, jemanden allein aufgrund einer solchen Gesprächsverweigerung bzw der Verweigerung einer einvernehmlichen Lösung gegenüber dem Vertragspartner, der das Gespräch sucht und ein Angebot zu einer einvernehmlichen Lösung unterbreitet, von der Pflicht zur Entgeltzahlung zu befreien.
Viertens gibt es keinen vernünftigen Grund, vorübergehenden Zahlungsengpässen mit einem endgültigen Zahlungserlass zu begegnen.
Und fünftens müsste der Staat, wenn er Derartiges trotzdem als im Interesse der Allgemeinheit gelegen ansehen sollte, ein solches sozialpolitisches Anliegen selbst finanzieren, statt es von einzelnen Kreditgebern finanzieren zu lassen.
Im Einzelnen:
a) Ungleichbehandlung von Kreditgebern und Wohnungsvermietern
Grundsätzlich wird man dem Gesetzgeber wohl nicht darin entgegentreten können, dass er vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie vorübergehende Schuldnerschutzmaßnahmen für erforderlich hielt. Dass sich der Gesetzgeber dabei auf zwei Vertragstypen besonders konzentriert hat, nämlich auf Wohnungsmietverträge einerseits und Verbraucher- und Kleinstunternehmerkreditverträge andererseits, erscheint vor dem Hintergrund, dass es sich dabei jeweils um Vertragsverhältnisse handelt, in denen Zahlungsschwierigkeiten besonders rasch zu besonders schwerwiegenden Konsequenzen führen können, gleichfalls nachvollziehbar. Das gilt grundsätzlich auch für die (weitgehende) Beschränkung der einschlägigen Schuldnerschutzmaßnahmen auf Verbraucher, denn die meisten Unternehmer wurden hinsichtlich ihrer Umsatzausfälle durch staatliche Beihilfen unterstützt, und in ihrer Eigenschaft als Geschäftsraummieter waren sie ohnehin durch §1104 ABGB geschützt. […]
Sachliche Gründe für eine Ungleichbehandlung von Wohnungsmietverträgen einerseits und Verbraucher- und Kleinstunternehmerkreditverträgen andererseits sind hingegen nicht ersichtlich. Die wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie trafen Wohnungsmieter und Kreditnehmer gleichermaßen. In beiden Fällen geht es dem Gesetz darum, dass der jeweilige Schuldner als Folge der COVID-19-Pandemie in seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt ist. […] Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Folgen eines Zahlungsausfalls bei Wohnungsmietverträgen im Vergleich zu Verbraucher- und Kleinstunternehmerkreditverträgen weniger weitreichende oder sozialpolitisch weniger bedenkliche Rechtsfolgen hätten. Im Gegenteil: Die Gefahr des Verlusts der eigenen Wohnung wird idR mindestens so schwer wiegen wie die Fälligstellung eines aufgenommenen Kredits.
Relevante Unterschiede im Tatsachenbereich, die eine Ungleichbehandlung zwischen diesen beiden Vertragstypen rechtfertigen würden, existieren somit nicht. Trotzdem sehen die §§1 und 2 leg cit eine Vielzahl von Ungleichbehandlungen zwischen Wohnungsmietverträgen und Verbraucher- und Kleinstunternehmerkreditverträgen vor, die – von einer völlig unwesentlichen Ausnahme abgesehen […] – allesamt den Kreditgeber gegenüber dem Wohnungsvermieter benachteiligen. Das beginnt schon mit einigen Benachteiligungen, die hier nicht unmittelbar anfechtungsgegenständlich sind, aber zum Verständnis der Ausgangslage, in welcher der Gesetzgeber die anfechtungsgegenständlichen Benachteiligungen geschaffen hat, nicht unerwähnt bleiben dürfen. Konkret handelt es sich dabei um folgende Benachteiligungen, die von den Antragstellerinnen an sich noch akzeptiert werden:
Lediglich in der Stammfassung BGBl I 24/2020 waren die von §§1 und 2 leg cit erfassten Entgeltperioden identisch (Drei-Monats-Zeitraum vom 1.4.2020 bis 30.6.2020). Während es bei Wohnungsmietverträgen bei diesem Zeitraum blieb, wurde das Kreditmoratorium schrittweise auf sieben (BGBl I 58/2020) und schließlich auf zehn Monate (BGBl I 113/2020) ausgedehnt. Im Unterschied zu bloß drei Monatsmieten sind seither bei den Kreditverträgen zehn Monatsraten erfasst.
Der Kreditgeber erhält die rückständigen Zahlungen auch viel später nachgezahlt als der Wohnungsvermieter, der mit Ablauf des 31.12.2020 (BGBl I 24/2020) bzw des 31.3.2021 (BGBl I 157/2020) sämtliche Rückstände einklagen konnte. Denn er sollte dem Kreditnehmer zunächst ein Gespräch über eine einvernehmliche Regelung für die Zeit nach der Stundung anbieten (§2 Abs5 leg cit), und mangels Einigung wurde die Laufzeit des Kreditvertrages um den gesamten Stundungszeitraum verlängert, bei gleichzeitiger Verschiebung des Tilgungsplans im selben Ausmaß (§2 Abs6 leg cit).
Dennoch erhält der Kreditgeber keine Verzugszinsen (echte Stundung gemäß §2 Abs1 leg cit), der Wohnungsvermieter sehr wohl. […]
Vor diesem Hintergrund kann es keinesfalls mehr als sachlich gerechtfertigt angesehen werden, wenn der Kreditgeber gemäß §2 Abs6 Satz 2 leg cit mangels Einigung mit dem Kreditnehmer zusätzlich zu den oben aufgelisteten Benachteiligungen auch noch seinen Anspruch auf Kreditzinsen für den gesamten Stundungszeitraum verliert. Dieser Ausschluss der Verzinsung betrifft nicht bloß die gestundeten Raten, sondern das gesamte Kapital. Der Kreditgeber wird damit gezwungen, sein Kapital mindestens […] zehn Monate lang unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. Ein von ihm abgeschlossener, entgeltlicher Vertrag wird für die Dauer von mindestens zehn Monaten per Gesetz in einen unentgeltlichen Vertrag umgewandelt. Das ist, als würde man den Vermieter einer Wohnung zwingen, diese zehn Monate lang unentgeltlich bereitzustellen. […] Das hat der Gesetzgeber den Vermietern von Wohnungen nicht einmal für den von §1 leg cit erfassten Zeitraum von drei Monaten zugemutet; umso weniger ist verständlich, warum Kreditgebern ihr Entgeltanspruch gleich für (mindestens) zehn Monate gestrichen wird. Während Wohnungsvermieter ihren Mietern vorübergehend entgegenkommen müssen, aber letzten Endes alles – sogar samt Verzugszinsen – nachbezahlt bekommen, sollen Kreditgeber als einzige Gläubiger ihre Entgeltansprüche endgültig verlieren. […]
Relevante Unterschiede im Tatsachenbereich, die diese Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten, existieren nicht:
Jedenfalls kein taugliches Argument für die Ungleichbehandlung stellt der Umstand dar, dass das Gesetz nur bei Verbraucher- und Kleinstunternehmerkrediten eine (mangels abweichender Vereinbarung ex lege eintretende) Vertragsverlängerung vorsieht (§2 Abs6 Satz 1 leg cit), für Wohnungsmietverträge hingegen nicht. Die gesetzliche Vertragsverlängerung bietet dem Kreditgeber schließlich keinerlei Vorteil, sie liegt allein im Interesse des Kreditnehmers, der das Kapital damit entsprechend später zurückzahlen muss. Zu einem derartigen Entgegenkommen würde sich jede normale Bank – von besonders gelagerten Einzelfällen abgesehen – nur unter der Voraussetzung bereitfinden, dass für den Verlängerungszeitraum ebenfalls entsprechende Kreditzinsen gezahlt werden […] – wobei das gestiegene Ausfallsrisiko durchaus auch gegen eine solche Verlängerung sprechen kann. Den Wohnungsvermietern wollte der Gesetzgeber nicht einmal eine solche Vertragsverlängerung zumuten. Umso weniger kann es gerechtfertigt sein, dem Kreditgeber zusätzlich für eine dem Verlängerungszeitraum entsprechende Dauer auch noch den vertraglichen Entgeltanspruch per Gesetz zu entziehen. Eine vergleichbare Regelung für Wohnungsmietverträge hätte so ausgesehen, dass der Mietvertrag per Gesetz um die Dauer der von §1 leg cit erfassten Mietzinsperioden – wenn nicht sogar um die gesamte Dauer der Uneinklagbarkeit der betreffenden Mietzinse – verlängert und für eine Dauer, die dem Verlängerungszeitraum entspricht, mietfrei gestellt worden wäre. Davon sind die Regelungen des §1 leg cit wie gesagt meilenweit entfernt.
Vorsorglich sei an dieser Stelle auch gleich dem eigentümlichen Argument des OGH entgegengetreten, wonach der Kreditnehmer aus der Verzögerung der Tilgung des Kredits um zehn Monate typischerweise keinen finanziellen Nutzen in dem Sinn ziehe, dass er das Geld länger 'für sich arbeiten lassen' könne, weil Verbraucherkredite üblicherweise zur 'Finanzierung größerer Anschaffungen (insbesondere Liegenschaften, Kraftfahrzeuge etc) aufgenommen' würden. […] Dieses Argument ist gleich in mehrfacher Hinsicht verfehlt:
Erstens ist es beim Kredit- wie beim Mietvertrag gar nicht relevant, ob der Kreditnehmer bzw Mieter aus der überlassenen Sache (subjektiv) einen Nutzen zieht. Der Anspruch auf Kreditzinsen resultiert wie jener auf Mietzins allein aus der Überlassung und der damit verschafften objektiven Nutzungsmöglichkeit. Beide Verträge sind Gebrauchsüberlassungsverträge. […]
Zweitens trifft es gar nicht zu, dass der Kreditnehmer aus der längeren Überlassung des Kapitals keinen finanziellen Nutzen zöge. Schon beim Verbraucherkreditnehmer ist das nicht zutreffend. […] Das zeigen gerade die vom OGH genannten Beispiele der Finanzierung einer Liegenschaft oder eines Kraftfahrzeuges: Die längere Bereitstellung des Kapitals ermöglicht es hier dem Verbraucher, die Liegenschaft bzw das Kraftfahrzeug (weiterhin) zu nutzen und zB ein Vermögen durch die Wertsteigerung seiner Liegenschaft aufzubauen. Fraglich ist daher schon, ob man wirklich sagen kann, dass der Nutzen beim Verbraucher nicht darin besteht, dass er das Geld 'für sich arbeiten' lässt. Falls das überhaupt zutrifft, ist es aber von vornherein nicht der Nutzen, auf den ein Verbraucherkreditvertrag abzielt: Schon in der vereinbarten Kreditlaufzeit lässt der Verbraucher das Geld nicht in diesem Sinne 'für sich arbeiten'. […] Warum die Verlängerung der Kreditlaufzeit für ihn nicht von Nutzen sein soll, weil er in der Verlängerungsphase das Geld nicht auf eine Weise 'für sich arbeiten' lässt, wie er es schon in der Grundlaufzeit nicht getan hat, ist daher schlicht nicht nachvollziehbar. Im Übrigen gilt das Kreditmoratorium auch für Kreditverträge von Kleinstunternehmen (§2 Abs7 leg cit). Diese werden aus der längeren Überlassung des Kapitals typischerweise sehr wohl einen finanziellen Nutzen in dem Sinn ziehen, dass sie das Geld länger 'für sich arbeiten lassen' können. […]
Drittens besteht auch hierin wieder gar kein Unterschied zu Wohnungsmietern. Diese nutzen die überlassene Sache in der Regel gleichfalls nicht unternehmerisch, indem sie sie für sich 'arbeiten […] lassen', um daraus Einnahmen zu erzielen, etwa durch Untervermietung. Dennoch wäre es – genauso wie bei Verbraucherkreditnehmern – offensichtlich verfehlt, deshalb zu sagen, sie würden aus einer längeren Überlassung der Sache keinen Nutzen ziehen.
Viertens betrifft der Großteil der vom Kreditmoratorium umfassten Kreditverträge die Finanzierung von Wohnimmobilien. Der Nutzen, den der Kreditnehmer aus der längeren Überlassung des Kapitals zieht, liegt hier eben in der Möglichkeit zur Nutzung der Wohnimmobilie. Es handelt sich also im Ergebnis um denselben Nutzen, den der Vermieter einer Wohnung seinem Mieter durch längere Überlassung der Wohnung verschafft. Umso unverständlicher ist es, dass ein Gläubiger (der Kreditgeber) für den verschafften Nutzen kein Entgelt erhält, der andere (der Vermieter) hingegen sehr wohl. Dieselbe unsachliche Ungleichbehandlung ergibt sich übrigens, wo es um die Finanzierung von Kraftfahrzeugen geht, im Verhältnis zwischen Kreditgeber und Leasinggeber. […]
Dementsprechend wäre es auch ein Denkfehler, zu glauben, eine 'bloße Parallelverschiebung' des Tilgungsplanes um einen zinsfrei gestellten Zeitraum würde keine der Parteien des Kreditvertrages besser- oder schlechterstellen, bloß weil der Gesamtbetrag der vom Kreditnehmer zu leistenden Zahlungen gleich bleibe und diese Zahlungen bloß später geleistet würden. […] Die Überlassung von Kapital ist genauso wie die Überlassung einer Wohnung eine wirtschaftlich werthaltige Leistung, für die am Markt ein Entgelt pro Zeiteinheit der Nutzungsmöglichkeit zu entrichten ist: Wer Wohnraum oder Geld länger nutzen will, muss dafür ein höheres Entgelt zahlen. Die angefochtene Regelung bewirkt also keineswegs eine 'bloße Verschiebung' von Zahlungen, sondern verpflichtet die Kreditgeber, ihr Kapital zehn Monate lang unentgeltlich bereitzustellen – statt es in diesem Zeitraum anderweitig gegen Zinsen verleihen zu können. Damit entgeht den Kreditgebern nicht nur ein anderweitiger Verdienst. Es trifft sie sogar ein Verlust, denn der Kapitalüberlassung stehen selbstverständlich auch im zinsfrei gestellten Zeitraum Refinanzierungskosten und weitere Kosten (zB regulatorische Kosten für Eigenmittelunterlegung, Risikokosten etc) gegenüber. Das gilt selbst in Zeiten niedriger Zinsen. Insbesondere sind die Banken nach der Judikatur des OGH selbst in einem Negativzinsumfeld gesetzlich verpflichtet, Verbrauchern für ihre Einlagen Zinsen zu zahlen, […] und österreichische Banken refinanzieren sich zu einem Gutteil über solche (mindest-)zinspflicht[ig]e Spareinlagen; die Kreditgeber erleiden daher zwangsläufig einen Verlust, wenn sie die aus diesen Einlagen zur Verfügung stehenden Beträge auf der anderen Seite unverzinst verleihen müssen. Konkret entgehen der österreichischen Kreditwirtschaft aufgrund der durch die angefochtene Regelung angeordneten Zinsenlosigkeit des Moratoriums schätzungsweise mehr als € 100 Mio an Zinseinnahmen; der unentgeltlichen Kapitalüberlassung in diesem Zeitraum stehen außerdem Refinanzierungs- und sonstige Kosten gegenüber.
Beweis: […]
Der Gedanke der Vermeidung einer Doppelbelastung des Kreditnehmers scheidet als sachliche Rechtfertigung für die Differenzierung gleichfalls aus. Die Doppelbelastung, mit Ende der Schonfrist nicht nur die laufenden Entgelte zahlen, sondern auch die rückständigen Entgelte nachzahlen zu müssen, traf nach dem Gesetz nämlich in erster Linie den Wohnungsmieter! Der Mieter musste nämlich den gesamten Mietzinsrückstand bis 31.12.2020 (BGBl I 24/2020) bzw 31.3.2021 (BGBl I 157/2020) nachgezahlt haben, noch dazu zuzüglich Verzugszinsen; da gab es auch keinerlei Diskussion, der Vermieter brauchte dem Mieter nicht einmal ein Gesprächsangebot zu unterbreiten. Die laufenden Mietzinse musste er selbstverständlich parallel entrichten. Dem Kreditnehmer sollte der Kreditgeber hingegen in jedem Einzelfall ein Gespräch über die Möglichkeit einer einvernehmlichen Regelung und über mögliche Unterstützungsmaßnahmen anbieten (§2 Abs5 leg cit). Das wurde von der österreichischen Kreditwirtschaft auch sehr kundenfreundlich praktiziert. […] Aber selbst im (zumindest theoretischen denkbaren) Fall, dass das Zustandekommen einer einvernehmlichen Regelung trotz kooperativer Haltung des Kreditnehmers allein am Kreditgeber gescheitert sein sollte, blieb der Kreditnehmer erstens von der Verpflichtung zur Zahlung von Verzugszinsen verschont; zweite[n]s kam ihm die aus der gesetzlichen Verlängerung der Kreditvertragslaufzeit resultierende Verzögerung seiner Pflicht zur Rückzahlung des Kapitals zugute; und drittens ordnet das Gesetz zugunsten des Kreditnehmers sogar eine Parallelverschiebung sämtlicher Raten an, um jegliche Doppelbelastung auszuschließen. Wieso beim Kreditnehmer zusätzlich noch eine (endgültige) Entgeltbefreiung erforderlich sein sollte, um eine Doppelbelastung auszuschließen, ist nicht nachvollziehbar; noch viel weniger aber ist nachvollziehbar, dass dies beim Wohnungsmieter nicht erforderlich sein sollte, obwohl diesen tatsächlich eine massive Doppelbelastung traf!
Eine sachliche Rechtfertigung der Ungleichbehandlung von Kreditgebern und Wohnungsvermietern besteht somit nicht. Vielmehr handelt es sich um ein gleichheitswidriges Sonderopfer der Kreditgeber. Ein solches liegt nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes bereits dann vor, wenn für gleichartige Eigentumsbeschränkungen in einem Fall eine Entschädigung vorgesehen ist, im anderen aber nicht. […] Umso mehr muss das gelten, wenn die entschädigungslose Eigentumsbeschränkung (der Kreditgeber) sogar noch weitreichender ist als diejenige, für die entschädigt wird (also jene der Wohnungsvermieter, die am Ende alles nachbezahlt erhalten). An dieser Stelle sei auch erwähnt, dass die Kreditinstitute keinerlei COVID-Hilfen des Staates erhalten haben – obwohl die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie, wie jede Wirtschaftskrise, naturgemäß gerade die Finanzwirtschaft stark getroffen haben. Ausgerechnet ein Wirtschaftssektor, der in der Krise trotz hoher Belastung keinerlei Unterstützung erhalten hat, wurde also mit dem gravierendsten Sonderopfer belastet.
b) Ungleichbehandlung der Kreditnehmer untereinander
Fast noch ärgerlicher als für die Kreditgeber stellt sich die Rechtslage für jene Kreditnehmer dar, die trotz pandemiebedingter Einkommensausfälle alles darangesetzt haben, die vereinbarten Zahlungstermine einzuhalten (§2 Abs2 leg cit), oder das Gesprächsangebot ihres Kreditgebers angenommen und sich mit diesem auf eine für beide Seiten tragbare einvernehmliche Regelung für die Zeit nach der Stundung geeinigt haben (§2 Abs5 und 6 leg cit). Diese Kreditnehmer stellen nämlich nun fest: Hätten sie kein Bemühen und keine Einigungsbereitschaft gezeigt, wären ihnen alle erdenklichen Vorteile in den Scho[ß] gefallen: Die Kreditrückzahlung wäre ganz einfach auf später verschoben worden, ohne dass sie dafür Verzugszinsen zu entrichten gehabt hätten. Und dafür, dass sie über das Geld länger verfügen dürften, müssten sie nicht einmal die vertraglich vereinbarten Kreditzinsen zahlen. Sie wären also finanziell deutlich bessergestellt gewesen als durch die pünktliche Einhaltung vereinbarten Zahlungstermine; und gewiss deutlich besser, als sie durch eine marktübliche einvernehmliche Regelung, welche die beiderseitigen Interessen der Vertragsparteien berücksichtigt, je gestellt werden hätten können.
Eine massive Ungleichbehandlung schafft das Gesetz also noch auf einer zweiten Ebene, nämlich im Verhältnis der Kreditnehmer untereinander. Den Vorteil der Verschiebung aller Zahlungspflichten um zehn Monate bei gleichzeitiger (rückwirkender) Befreiung von den im Stundungszeitraum angefallenen Sollzinsen gewährt das angefochtene Gesetz nämlich nicht allen von den Pandemiefolgen wirtschaftlich beeinträchtigten Kreditnehmern gleichermaßen. Voraussetzung für die Gewährung dieser Vergünstigungen ist vielmehr, dass der betreffende Kreditnehmer (a) von der Stundungsoption gemäß §2 Abs2 leg cit Gebrauch gemacht hat und (b) mit seinem Kreditgeber trotzdem keine einvernehmliche Regelung für die Zeit nach der Stundung getroffen hat (§2 Abs6 leg cit).
Nun mag es sicherlich zutreffen, dass einige der betroffenen Kreditnehmer mit so gravierenden Liquiditätsengpässen zu kämpfen hatten, dass sie gar keine andere Wahl hatten, als von der Stundungsoption §2 Abs2 leg cit Gebrauch zu machen. Das trifft aber sicherlich nicht auf alle Kreditnehmer zu. Schon der Gesetzgeber selbst hat mit §2 Abs2 leg cit zu erkennen gegeben, dass er damit gerechnet hat, dass ein erheblicher Teil der betroffenen Kreditnehmer trotz ihrer Einkommensausfälle die vereinbarten Zahlungstermine pünktlich einhalten würde können. Als 'homo oeconomicus' musste jeder dieser Kreditnehmer aufgrund der Rechtsfolgenanordnung des §2 Abs6 leg cit trotz Möglichkeit der Einhaltung der vereinbarten Zahlungstermine von der Stundung Gebrauch machen, um sich nicht um die oben erwähnten Vorteile zu bringen! Von der Option keinen Gebrauch machen konnten also nur Kreditnehmer, die von der Rechtsfolgenanordnung des §2 Abs6 leg cit entweder keine Kenntnis hatten, was sicherlich auf viele zutrifft, denn wie gesagt traf dies vor der OGH-Entscheidung 3 Ob 189/21x auch auf die überwiegende Literatur zu […] – oder die aus vertragsfremden (zB ethisch-moralischen) Erwägungen ihre vertragliche Zusage einhalten wollten. Einen sachlichen Grund dafür, jene Kreditnehmer, die trotz Möglichkeit der pünktlichen Zahlung auf die Rechtsfolgen des §2 Abs6 leg cit spekuliert haben, gegenüber jenen zu bevorzugen, die das aus Unkenntnis oder Geschäftsethos nicht getan haben, existiert nicht. Und wie gesagt kann man dem Gesetzgeber auch nicht zubilligen, in einer generalisierenden Betrachtungsweise unterstellt zu haben, dass die betroffenen Kreditnehmer allesamt gezwungen sein würden, von der Stundungsoption Gebrauch zu machen – denn ausweislich des §2 Abs2 leg cit hat der Gesetzgeber Derartiges gar nicht unterstellt.
Noch deutlicher wird die fehlende sachliche Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung anhand der zweiten Voraussetzung, die Kreditnehmer erfüllen mussten, um in den Genuss der Vergünstigungen des §2 Abs6 leg cit zu gelangen. Diese zweite Voraussetzung besteht darin, dass zwischen den Parteien des Kreditvertrages keine einvernehmliche Regelung für die Zeit nach der Stundung zustande gekommen sein darf. Für einen Kreditnehmer, der in Kenntnis der Rechtsfolgenanordnung des §2 Abs6 leg cit die betreffenden Vergünstigungen erlangen wollte, konnte das freilich kein Hindernis sein. Nichts lässt sich einfacher verhindern als Einvernehmen. Der Kreditnehmer brauchte bloß sich bloß passiv oder ablehnend verhalten. Bereits in abstracto kann es aber keinen sachlichen Grund dafür geben, die Verweigerung von Einvernehmen zur Grundlage für die Gewährung von Vergünstigungen zu machen, die jenen, die sich einem Einvernehmen nicht verschließen, nicht offenstehen (realistischerweise zumindest nicht in diesem Ausmaß).
Dass das Einvernehmen auch am Kreditgeber scheitern konnte, ändert daran nichts. Selbst wenn der Gesetzgeber unterstellt haben sollte, dass es Kreditgeber geben könnte, die sich einer für den Kreditnehmer tragbaren einvernehmlichen Lösung verweigern, würde das nämlich nichts daran ändern, dass das Gesetz auch bei solchen Kreditnehmern, die von ihrem Kreditgeber ein akzeptables Angebot für eine einvernehmliche Lösung erhalten haben, zwischen jenen unterscheidet, welche dieses Angebot angenommen haben, und jenen, dies es – ohne sachlichen Grund – ausgeschlagen haben, und nur den zuletzt Genannten die Vergünstigungen des §2 Abs6 leg cit gewährt. Voraussetzung für die Gewährung dieser Vergünstigungen ist also allein das Verweigern einer einvernehmlichen Lösung.
Das wiegt umso schwerer, als die vom Gesetzgeber durch §2 Abs5 leg cit an sich nahegelegte einvernehmliche Regelung für die Zeit nach der Stundung in der Praxis – wie für den Gesetzgeber leicht erkennbar war – seltener am Kreditgeber als am Kreditnehmer scheitern musste. Der Kreditgeber war wie gesagt schon gesetzlich dazu angehalten, auf den Kreditnehmer zuzugehen (§2 Abs5 leg cit). Es darf (und muss) wohl unterstellt werden, dass Kreditinstitute einer solchen gesetzlichen Aufforderung typischerweise nachkommen; tatsächlich sind sämtliche Antragsstellerinnen dieser gesetzlichen Aufforderung auf die eine oder andere Weise nachgekommen (bei manchen Antragstellerinnen ist dies sogleich in Form von individuellen Angeboten geschehen, bei größeren Instituten typischerweise zunächst mit einer Information über die gesetzlichen Folgen des Moratoriums, verbunden mit dem Hinweis, dass abweichende Regelungen auf Wunsch individuell getroffen werden können). Umgekehrt reagieren jedoch Kreditnehmer auf Informationen, Zusendungen und Gesprächsangebote ihres Kreditgebers oft überhaupt nicht. Der OGH geht in ständiger Rechtsprechung sogar vom Typus des 'passiven' Verbrauchers aus, also vom Erfahrungssatz, dass 'sich Verbraucher erfahrungsgemäß mit Änderungsangeboten nicht auseinandersetzen'. […] Es war daher von vorherein klar, dass eine einvernehmliche Vertragsänderung in vielen Fällen bereits am Desinteresse des 'passiven' Verbrauchers scheitern muss – der angesichts des §2 Abs6 leg cit noch dazu allen Grund hatte, an einer einvernehmlichen Regelung desinteressiert zu sein!
Beweis: […]
Es gibt somit keinen Unterschied im Tatsächlichen, der es rechtfertigen würde, bemühte bzw kooperative Kreditnehmer von den Vergünstigungen des §2 Abs6 leg cit auszuschließen und diese Vergünstigungen ausschließlich – dafür aber ohne weitere Differenzierung pauschal – all jenen Kreditnehmern zugutekommen zu lassen, die (a) von der Stundungsoption gemäß [§] 2 Abs2 leg cit Gebrauch machen und (b) für die Zeit nach der Stundung mit ihrem Kreditgeber keine einvernehmliche Regelung treffen.
c) Unsachlichkeit der Zahlungsbefreiung als Folge bloßer Zustimmungsverweigerung
Überhaupt gibt es keinen vernünftigen Grund, den Kreditnehmer einzig und allein deshalb von der Verpflichtung zur Zahlung der Sollzinsen für den Stundungszeitraum zu befreien, weil zwischen ihm und dem Kreditgeber keine einvernehmliche Regelung für die Zeit nach der Stundung zustande gekommen ist. Die angefochtene Regelung verstößt damit auch gegen das Sachlichkeitsgebot:
Einzuräumen ist zwar, dass das Gesetz eine einvernehmliche Regelung der Vertragsparteien selbstverständlich nicht erzwingen kann. Grundsätzlich ist daher nicht zu beanstanden, dass das Gesetz für den Fall des Nichtzustandekommens einer Einigung zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer dem Kreditnehmer selbst zu Hilfe eilt, um das Problem, dass er nach dem Ende der Stundung die gestundeten Kreditraten zusätzlich zu den laufenden Kreditraten bezahlen müsste, zu entschärfen. Das geschieht durch §2 Abs6 leg cit in dreifacher Weise:
Erstens wird die Kreditvertragslaufzeit ex lege um die Dauer des Stundungszeitraumes verlängert (Satz 1). Das Kapital muss daher entsprechend später zurückgeführt werden, beim Abstattungskredit verringern sich die laufenden Raten.
Zweitens kommt es – beim Abstattungskredit – zu einer Parallelverschiebung der Fälligkeiten (Satz 2). Damit wird jegliche Doppelbelastung am Ende des Stundungszeitraums vermieden, indem der Stundungszeitraum in einen tilgungsfreien Zeitraum umgewandelt wird und sich die Fälligkeit sämtlicher Raten um die Dauer des Stundungszeitraumes verschiebt.
Drittens wird dem Kreditnehmer zusätzlich auch noch für den gesamten Stundungszeitraum die Pflicht zur Zahlung der Kreditzinsen erlassen (Satz 2).
Damit bekommt der Kreditnehmer im Fall des Nichtzustandekommens einer einvernehmlichen Regelung aber das Maximum dessen, was er bei einer einvernehmlichen Regelung je erhalten könnte (von einer Schenkung der Kreditvaluta einmal abgesehen), und regelmäßig weit mehr, als ihm seine Bank realistischerweise je anbieten könnte. […]
Unsachlich ist dabei (zumindest) die dritte Konsequenz des fehlenden Einvernehmens, nämlich die Erlassung der Kreditzinsen. An ihr ist einerseits zu beanstanden, dass sie zur Erreichung des Regelungszweckes überhaupt nicht erforderlich ist. […] Davon unabhängig entbehrt es aber jeden sachlichen Grundes, einem Kreditnehmer allein deshalb, weil zwischen ihm und dem Kreditgeber keine einvernehmliche Regelung zustande gekommen ist, eine Vergünstigung zu gewähren, die ihm im Fall einer einvernehmlichen Reg[e]lung höchstens bei hundertprozentigem Entgegenkommen des Kreditgebers gewährt worden wäre und die im Rahmen einer üblichen, realistischen Einigung regelmäßig nicht zustande gekommen wäre. An einem sachlichen Grund für eine derartige Entgeltbefreiung allein aufgrund fehlender Einigung mit dem Kreditgeber mangelt es auf zwei Ebenen:
Erstens setzt das Gesetz damit nicht voraus, dass der Kreditnehmer eine derartige Vergünstigung überhaupt benötigt. Bemerkenswerterweise hat der Gesetzgeber die (weniger weitreichende) Rechtsfolge der Stundung in §2 Abs1 leg cit davon abhängig gemacht, dass der Kreditnehmer 'aufgrund der durch die Ausbreitung der COVID-19-Pandemie hervorgerufenen außergewöhnlichen Verhältnisse Einkommensausfälle hat, die dazu führen, dass ihm die Erbringung der geschuldeten Leistung nicht zumutbar ist'. Die (weitreichendere) Rechtsfolge der völligen Befreiung von allen Zinsen für den Stundungszeitraum ist nach dem Gesetz dagegen nicht an die Voraussetzung geknüpft, dass die Nachzahlung der Zinsen nach dem Ende des Stundungszeitraums dem Kreditnehmer aufgrund einer derartigen wirtschaftlichen Betroffenheit nicht zumutbar wäre. Die Rechtsfolgen des §2 Abs6 leg cit treten somit auch für Kreditnehmer ein, die im Stundungszeitraum kurzfristig arbeitslos waren, vor dessen Auslaufen aber schon wieder eine gut bezahlte oder sogar besser bezahlte Beschäftigung gefunden haben und nun gar keine weitere Unterstützung mehr benötigen. Schließlich knüpft §2 Abs6 leg cit ausschließlich an das Nichtzustandekommen einer Einigung an, unabhängig davon, wie sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kreditnehmers bis zu diesem Zeitpunkt entwickelt haben.
Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass der Gesetzgeber in einer Durchschnittsbetrachtung davon ausgehen hätte dürfen, dass sich die meisten betroffenen Kreditnehmer von den wirtschaftlichen Schwierigkeiten nicht so rasch erholen würden, und zwecks Verwaltungsvereinfachung bzw zur Schaffung einer einfach handhabbaren Regelung darauf verzichtet habe, die Gewährung der Zinsbefreiung von der Zumutbarkeit oder Unzumutbarkeit der Nachzahlung der Zinsen im Einzelfall abhängig zu machen. Ein solcher Einwand würde schon daran scheitern, dass eine derartige Durchschnittsbetrachtung nichts zur Verwaltungsvereinfachung oder zur Schaffung einer einfach handhabbaren Regelung beitragen würde. Das Kreditmoratorium setzt nämlich ohnehin tatbestandsmäßig den Nachweis entsprechender wirtschaftlicher Schwierigkeiten des Kreditnehmers voraus, nämlich in §2 Abs1 [leg cit] als Voraussetzung für den Eintritt der Stundung; es würde daher für die Handhabung der Regelung keinerlei (darüber hinausgehende) Komplikationen verursachen, einen entsprechenden Nachweis für den Zeitpunkt des Endes der Stundungsphase zur Voraussetzung für den Eintritt der weiteren Vergünstigungen des Abs6 zu machen, wie dies zur sachlichen Konsistenz der Regelung erforderlich wäre. Eine pauschalierende Durchschnittsbetrachtung würde schon von daher der Rechtfertigung entbehren. Darüber hinaus könnte es in den Turbulenzen der Pandemiezeit auch gar nicht als plausible Durchschnittsbetrachtung qualifiziert werden, ohne nähere Prüfung zu unterstellen, dass Kreditnehmer, die pandemiebedingt in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, etwa wegen des Verlustes ihres Arbeitsplatzes, sich zehn Monate später ebenfalls noch in solchen Schwierigkeiten befänden. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs sind Pauschalierungen aber nur zulässig, wenn sie gleichfalls dem Sachlichkeitsgebot entsprechen. […] Eine Regelung kann daher auch deshalb unsachlich sein, weil sie auf Umstände, die sachlicherweise berücksichtigt werden müssten, keine Rücksicht nimmt. […]
Zweitens konnte der Gesetzgeber zwar nicht ausschließen, dass das Zustandekommen einer einvernehmlichen Regelung für die Zeit nach der Stundung im Einzelfall auch am Kreditgeber scheitern könnte. Als Regelfall durfte der Gesetzgeber dies aber keinesfalls unterstellen. Dies umso weniger, als schon nach gängigen Erfahrungssätzen mit viel größerer Wahrscheinlichkeit angenommen werden musste, dass es der Kreditnehmer ist, an dem eine solche Regelung scheitert, insbesondere indem er auf entsprechende Informationen und Zuschriften des Kreditgebers schlicht nicht reagiert. Das liegt nicht nur an der bereits erwähnten 'Passivität' der meisten Verbraucher, […] sondern auch an deren Rationalität. Bei Kenntnis der Rechtsfolgen hatte schließlich kein Kunde einen Grund, auf Gesprächsangebote der Banken überhaupt zu reagieren!
Der Gedanke, der Gesetzgeber habe mit dieser Regelung Druck auf die Banken ausüben wollen, seiner Aufforderung gemäß §2 Abs5 leg cit nachzukommen, den Kreditnehmern Gespräche über die Möglichkeit einer einvernehmlichen Regelung und über mögliche Unterstützungsmaßnahmen anzubieten, und ihnen allenfalls auch – über §2 Abs5 leg cit hinausgehend – tatsächlich für sie zumutbare Lösungen anzubieten, kommt als 'vernünftiger Grund' für die vorliegende Regelung folglich gleichfalls nicht in Betracht. Schließlich gilt die Zinsbefreiung nach dem Gesetz unabhängig davon, aus welchen Gründen zwischen den Parteien kein Einvernehmen zustande gekommen ist. Sie gilt also auch dann, wenn der Kreditgeber ein entsprechendes Gesprächsangebot gemacht hat, und sogar dann, wenn er dem Kreditnehmer entgegenkommend eine für ihn zumutbare Lösung angeboten und dieser sie willkürlich ausgeschlagen hat. Zumindest in diesem Szenario muss die Regelung als unsachlich betrachtet werden.
Drittens konterkariert der Gesetzgeber durch eine solche Privilegierung unkooperativer Kreditnehmer sogar sein eigenes Regelungskonzept. Dieses besteht ja ersichtlich darin, dass die Parteien des Kreditvertrages für den Zeitraum nach der Stundung möglichst eine einvernehmliche Regelung treffen sollen. Aus diesem Grund wird der Kreditgeber angehalten, dem Verbraucher ein entsprechendes Gespräch anzubieten (§2 Abs5 leg cit). Diese Regelungen gehen aber völlig ins Leere, wenn von Seiten des Kreditnehmers ohnedies kein Interesse an einer einvernehmlichen Regelung bestehen kann, weil er ohne Einvernehmen automatisch die für ihn ideale 'Maximallösung' erhält (er muss das Kapital später zurückzahlen und wird auch noch von sämtlichen Zinsen für den Verzögerungszeitraum befreit). Ausgehend von solchen Rechtsfolgen hätte auch jeder Kreditgeber seinen Kreditnehmern von individuellen Vereinbarungen nur abraten können und ihnen die Inanspruchnahme der gesetzlichen Folgen des §2 Abs6 leg cit empfehlen müssen, um sie korrekt aufzuklären. Ein Druckmittel, eine einvernehmliche Regelung zu suchen, stellt ein solches Gesetz also gerade nicht dar, im Gegenteil!
Der OGH hat zwar in 3 Ob 189/21x – ohne nähere Begründung – gemeint, dieses Argument ließe sich 'genauso gut ins Gegenteil verkehren'; lege man die Bestimmung im Sinne des Bankenstandpunktes aus, wäre nämlich 'nicht ersichtlich, inwiefern die Bank Interesse daran haben könnte, den Kreditnehmern im Rahmen einer vertraglichen Vereinbarung in irgendeiner Form entgegenzukommen'. […] Diese Behauptung trifft jedoch schlicht nicht zu; sie übersieht, dass es ohne einvernehmliche Regelung ex lege zu einer Verlängerung der Laufzeit des Kreditvertrages um zehn Monate kommt, noch dazu mit einem Kreditnehmer, der oft in erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten ist, und das bei gleichzeitiger Verschiebung sämtlicher Raten um den gesamten Zeitraum der Verlängerung. Banken haben im Regelfall durchaus ein Interesse daran, eine solche – sehr weitreichende – Verschiebung der Rückzahlung und Laufzeitverlängerung zu vermeiden oder zumindest zu verkürzen oder mit dem Betroffenen irgendeine andere Lösung zu finden. Übliche Vereinbarungen in solchen Situationen sehen nämlich meist keine derart weitreichende Parallelverschiebung aller Zahlungen vor.
Beweis: […]
d) Unsachlichkeit endgültiger Zahlungsbefreiungen als Mittel zur Vermeidung vorübergehender Zahlungsschwierigkeiten
Die Sachlichkeit oder Unsachlichkeit einer gesetzlichen Regel ergibt sich stets aus der Relation der angeordneten Rechtsfolge zum geregelten Sachverhalt. Regelungsgegenstand des Kreditmoratoriums (§2 leg cit) sind pandemiebedingte Liquiditätsengpässe des Kreditnehmers. Vom bloß vorübergehenden Charakter dieser Liquiditätsengpässe ging auch der Gesetzgeber selbst aus. Das kommt in den Gesetzesmaterial[i]en zum 2. COVID-19-JuBG deutlich zum Ausdruck. Dort wird der Umstand, dass Wohnungsvermieter nach Ablauf der 'Schonfrist' gemäß §1 leg cit Mietzinsrückstände, die während dieser Frist angefallen sind, sehr wohl wieder geltend machen können, damit begründet, dass davon ausgegangen werden könne, 'dass spätestens nach zwei Jahren sämtliche wirtschaftlichen Folgen der nunmehrigen Pandemie wieder abgeklungen sind'. […]
Vorübergehenden Liquiditätsengpässen ist aber sachlicherweise nur mit vorübergehenden Zahlungserleichterungen zu begegnen. In diesem Sinne ist der Gesetzgeber dementsprechend auch in §1 leg cit bei Wohnungsmietverträgen vorgegangen. Für Kredite hat er in §2 leg cit eine Stundung – mit anschließender Verlängerung der Kreditvertragslaufzeit samt Verschiebung der Fälligkeiten, falls zwischen den Vertragsparteien nicht einvernehmlich eine andere Regelung zustande kommt – vorgesehen. Geht man davon aus, dass der Gesetzgeber mit den einschlägigen Regelungen des 2. COVID-19-JuBG bloß vorübergehenden (pandemiebedingten) Zahlungsschwierigkeiten Rechnung tragen wollte – und davon muss man sowohl angesichts der Gesetzessystematik als auch angesichts der soeben zitierten Materialien ausgehen –, gibt es aber schon auf Basis der eigenen Erwägungen des Gesetzgebers keinen vernünftigen Grund, darüber hinaus zu Lasten des jeweiligen Vertragspartners auch endgültige Zahlungsbefreiungen anzuordnen. […]
e) Unsachlichkeit der Finanzierung im Allgemeininteresse gelegener Anliegen durch Einzelne
Es wäre durchaus denkbar, dass der Gesetzgeber es als im Interesse der Allgemeinheit liegendes sozialpolitisches Ziel betrachtet, pandemiebedingt in wirtschaftliche Schwierigkeiten geratene Schuldner – über die bloße Gewährung vorübergehender Zahlungserleichterungen hinaus – durch finanzielle Zuwendungen zu unterstützen. Den Gesetzesmaterialien zum 2. COVID-19-JuBG ist eine derartige rechtspolitische Entscheidung des Gesetzgebers freilich nicht zu entnehmen; Hinweise auf die Erforderlichkeit endgültiger Zahlungsbefreiungen oder anderer finanzieller Zuwendungen enthalten die Gesetzesmaterialen nicht. […]
Darüber hinaus wäre es unter dem Blickwinkel des Gleichheitssatzes auch nicht einzusehen, warum eine derartige Unterstützung nur Kreditnehmern und nicht auch anderen Schuldnern zugutekommen sollte, etwa Leasingnehmern, die von §2 leg cit nicht erfasst sind […].
Davon abgesehen ist es nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes aber ohnedies als unsachlich anzusehen, wenn Anliegen, die im Interesse der Allgemeinheit liegen, von Einzelnen finanziert werden sollen. […] Tatsächlich hat der Gesetzgeber als Reaktion auf die wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie zahlreiche Unterstützungsmaßnahmen ins Leben gerufen, die aus öffentlichen Mitteln finanziert werden. Einen Teil dieser sozialpolitischen Aufgabe auf Einzelne (hier: Kreditgeber) abzuwälzen, wäre dagegen unsachlich und ein gleichheitswidriges Sonderopfer, besonders wenn andere Gläubiger keine derartigen Beiträge zum sozialpolitischen Anliegen des Gesetzgebers leisten müssen. […]
5.2 Verstoß gegen die Unverletzlichkeit des Eigentums
Der Schutz des Eigentums (Art5 StGG, Art1 1. ZP EMRK) gilt für In- und Ausländer, natürliche und juristische Personen gleichermaßen. […] Den Antragstellerinnen kommt daher ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums zu.
a) Eingriff in das Eigentum der Antragstellerinnen
Unter 'Eigentum' wird dabei jedes vermögenswerte Privatrecht verstanden; dies schließt vertragliche Forderungen mit ein. […] Die Änderung des Inhalts eines privatrechtlichen Vertrages durch Gesetz ist daher ein Eingriff in das Eigentumsrecht. […]
Das angefochtene Gesetz greift somit in das Eigentum der Antragstellerinnen ein: §2 Abs6 Satz 2 leg cit ändert den Inhalt der von den Antragstellerinnen abgeschlossenen Kreditverträge dahingehend, dass erstens die Fälligkeit sämtlicher Leistungen um die Dauer des Stundungszeitraumes gemäß §2 Abs1 leg cit verschoben wird und zweitens die Antragstellerinnen den im Stundungszeitraum bereits entstandenen Anspruch auf Zahlung von Kreditzinsen für diesen Zeitraum rückwirkend verlieren. […] Es wird daher nicht nur die Fälligkeit vertraglicher Forderungen der Antragstellerinnen geändert, sondern es werden ihnen bereits erworbene vertragliche Forderungen gänzlich entzogen.
b) Öffentliches Interesse und (Un-)Sachlichkeit der Regelung
Wie den Gesetzesmaterialien zum 2. COVID-19-JuBG zu entnehmen ist, hielt der Gesetzgeber die in diesem Gesetz normierten Schuldnerschutzmaßnahmen vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie aus sozial- und wirtschaftspolitischen Erwägungen für erforderlich. […] Auch die angefochtene Regelung verfolgt den Zweck, bestimmte Verkehrskreise (Verbraucher- und Kleinstunternehmerkreditnehmer) vor einer krisenbedingten Überschuldung zu bewahren. […] Prinzipiell könnte man darin sicherlich ein Anliegen des öffentlichen Interesses erblicken.
Um im öffentlichen Interesse zu liegen, muss die angeordnete Maßnahme aber auch sachlich sein. […] Unsachliche Maßnahmen können nicht im öffentlichen Interesse liegen. […] Wie schon oben dargelegt, ist die angefochtene Regelung aber gleich in mehrfacher Hinsicht unsachlich:
Die Regelung belohnt unkooperative Kreditnehmer und bestraft kooperative. Wer von seinem Kreditgeber ein Angebot für eine angemessene, für beide Seiten tragbare Regelung für die Zeit nach der Stundung erhalten hat, konnte nur – aber auch allein – dadurch in den Genuss der Regelung kommen, dass er das Angebot dennoch (ohne sachliche Rechtfertigung) ausschlug. Unter der Voraussetzung eines solchen unkooperativen Verhaltens verschafft die angefochtene Bestimmung dem Kreditnehmer mehr Vorteile, als ihm ein angemessener Kompromiss je verschafft hätte bzw je verschaffen hätte können. […]
Damit konterkariert das Gesetz gleichzeitig sein eigenes Regelungskonzept; denn die primär angestrebte einvernehmliche Regelung für die Zeit nach der Stundung kann natürlich nicht zustande kommen, wenn eine Seite ohne Einvernehmen automatisch die für sie ideale 'Maximallösung' erhält (spätere Rückzahlung des Kapitals bei gleichzeitiger Befreiung für die Zinsen im Verzögerungszeitraum). Welchen Grund sollte diese Seite dann haben, an einer einvernehmlichen Regelung teilzunehmen? Ein öffentliches Interesse daran, unkooperative gegenüber kooperativen Kreditnehmern zu privilegieren, kann aber – weder in wirtschafts- noch in sozialpolitischer Hinsicht – bestehen. Noch weniger kann ein öffentliches Interesse daran bestehen, dass das Gesetz sein eigenes Regelungsziel (das Zustandekommen einer einvernehmlichen Regelung für die Zeit nach der Stundung) torpediert.
Die Vergünstigungen des §2 Abs6 Satz 2 leg cit knüpfen ausschließlich an das Nichtzustandekommen von Einvernehmen an. Ob der Kreditnehmer diese Vergünstigungen am Ende des Stundungszeitraumes überhaupt noch benötigt, ist nach dem Gesetz irrelevant. […] Das ist bei einer Maßnahme, die zu einer sozial- und wirtschaftlich verträglichen Lösung führen soll, […] unsachlich und kann nicht im öffentlichen Interesse liegen.
c) Unverhältnismäßigkeit
Eingriffe in einen Vertrag sind unverhältnismäßig, wenn sie einseitig zu Lasten eines Vertragspartners gehen. […] Die angefochtene Bestimmung hält für den Fall des Nichtzustandekommens einer einvernehmlichen Regelung zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer für die Zeit nach der Stundung – auch im Vergleich zu jeder realistischen einvernehmlichen Regelung – ausschließlich Vorteile für den Kreditnehmer und ausschließlich Nachteile für den Kreditgeber bereit. Die gesetzliche 'Notlösung' für den Fall des Nichtzustandekommens einer Einigung zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer geht also völlig einseitig zu Lasten des Kreditgebers; für den Kreditnehmer ist sie keine 'Notlösung', sondern die 'Ideallösung'.
Darüber hinaus ist eine rückwirkende Befreiung des Kreditnehmers von den Kreditzinsen für den Stundungszeitraum auch nicht erforderlich. Dies gleich aus zwei Gründen:
Ein öffentliches Interesse an der angefochtenen Regelung kann wie gesagt nur insoweit bestehen, als sie eine pandemiebedingte Überschuldung von Kreditnehmern vermeiden möchte. Das Gesetz befreit aber auch solche Kreditnehmer von der Pflicht zur Zahlung von Kreditzinsen für den Stundungszeitraum, die zu diesem Zeitpunkt von den Pandemiefolgen gar nicht mehr betroffen sind. […] Eine weitere Unterstützung dieser Kreditnehmer durch rückwirkende Zinsbefreiung kann aber nicht mehr erforderlich sein.
Eine endgültige Zahlungsbefreiung ist aber auch deshalb nicht erforderlich, weil das Gesetz bloß vorübergehenden Liquiditätsengpässen entgegenwirken soll. […] Dafür wäre bereits die Stundung der Raten und Zinsen ausreichend, […] noch dazu wenn sie mit einer Verlängerung der Kreditvertragslaufzeit sowie einer Verschiebung sämtlicher Fälligkeitstermine um die Dauer der Verlängerung einhergeht.
Eine solche Maßnahme steht daher auch keinesfalls mehr in angemessener Relation zum verfolgten Ziel. Dafür müsste das verfolgte öffentliche Interesse das Interesse des Eigentümers überwiegen. […] Ein öffentliches Interesse an einer Zinsbefreiung ist hier wie gesagt ohnedies nicht ersichtlich. Aber selbst wenn man ein solches öffentliches Interesse bejahen wollte, wäre schwer zu sehen, wie es das Interesse des Kreditgebers, für eine zehn Monate lange Bereitstellung der Kreditvaluta das vertraglich vereinbarte Entgelt zu erhalten, überwiegen sollte.
Das angefochtene Gesetz verletzt die Antragstellerinnen somit auch in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums.
6. ANREGUNGEN
a) Notwendige Rückwirkung der Aufhebung
Das angefochtene Gesetz steht zwar nach wie vor in Geltung. […] Es ist jedoch ausschließlich auf Sachverhalte anwendbar, die sich bereits in der Vergangenheit ereignet haben; konkret auf Fälle, in denen der Stundungszeitraum gemäß §2 Abs1 leg cit abgelaufen ist, ohne dass zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer eine einvernehmliche Regelung für die Zeit danach zustandegekommen ist.
Gemäß Art140 Abs7 Satz 2 B‑VG liegt es im Ermessen des Verfassungsgerichtshofes, aus Anlass der Aufhebung eines Gesetzes wegen Verfassungswidrigkeit auszusprechen, dass das Gesetz – über den Anlassfall hinaus – auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände nicht mehr anzuwenden ist. Von dieser Möglichkeit ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes insbesondere Gebrauch zu machen, wenn die Aufhebung ansonsten ohne rechtliche Wirkung bliebe. […]
Eine Aufhebung des angefochtenen Gesetzes bliebe ohne Rückwirkungsanordnung ohne jegliche rechtliche Wirkung. Die Antragstellerinnen regen daher an, dass der Verfassungsgerichtshof von seiner Möglichkeit gemäß Art140 Abs7 Satz 2 B‑VG Gebrauch machen möge und die Rückwirkung der Aufhebung anordnen möge.
b) Zu einer allfälligen verfassungskonformen Interpretation
Nach Ansicht der Antragstellerinnen ist eine verfassungskonforme Interpretation des angefochtenen Gesetzes nicht möglich, weil ihr – wie der OGH in 3 Ob 189/21x ausgesprochen hat – der Gesetzeswortlaut entgegensteht. […]
Für den Fall, dass der Verfassungsgerichtshof dies anders sehen und eine verfassungskonforme Auslegung für möglich halten sollte, etwa aus den oben bei Rz 13 genannten Gründen, regen die Antragstellerinnen an, der Verfassungsgerichtshof möge in der Begründung seines Erkenntnisses ausführen, wie das angefochtene Gesetz konkret – verfassungskonform – auszulegen ist, insbesondere ob es nach dem angefochtenen Gesetz in Übereinstimmung mit der überwiegenden Literatur […] zwar zu einer Parallelverschiebung der Fälligkeiten der Kreditraten kommt, der davon unberührt bleibende vertragliche Anspruch des Kreditgebers auf Kreditzinsen (auch) für den Stundungszeitraum aber dergestalt zu erfüllen ist, dass die für den Stundungszeitraum angefallenen, aber zunächst gestundeten Sollzinsen mit Ende des Stundungszeitraums auf das Kapital aufzuschlagen waren und dementsprechend über die restliche Kreditvertragslaufzeit verteilt – als Aufschlag auf die dann fällig werdenden Raten – abzutragen sind."
2. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der den im Antrag erhobenen Bedenken wie folgt entgegengetreten wird (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):
"3. Die Rechtslage stellt sich wie folgt dar:
3.1. Zur Entwicklung der Rechtslage
3.1.1. §1 2. COVID-19-JuBG, BGBl I Nr 24/2020, regelt die Beschränkung der Rechtsfolgen von Mietzinsrückständen bei Wohnungsmietverträgen. Wenn der Mieter einer Wohnung eine Mietzinszahlung, die im Zeitraum vom 1. April 2020 bis zum 30. Juni 2020 fällig wird, nicht oder nicht vollständig entrichtet, weil er als Folge der COVID-19-Pandemie in seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt ist, kann der Vermieter allein wegen dieses Zahlungsrückstands den Mietvertrag weder kündigen noch dessen Aufhebung nach §1118 ABGB fordern. Der Vermieter kann den Zahlungsrückstand bis zum Ablauf des 31. Dezember 2020 nicht gerichtlich einfordern oder aus einer vom Mieter übergebenen Kaution abdecken. Der Zeitraum wurde in der Folge mit dem Bundesgesetz BGBl I Nr 157/2020 bis 31. März 2021 verlängert.
3.1.2. §2 2. COVID-19-JuBG, BGBl I Nr 24/2020, sieht ein gesetzliches Zahlungsmoratorium für Kreditverträge von Verbrauchern und Kleinstunternehmern vor. Im Bericht des Budgetausschusses wird zur Stammfassung Folgendes festgehalten (AB 116 BlgNR XXVII. GP 17 f.):
'Zu §2:
1. Diese Bestimmung sieht eine Erleichterung für Kreditnehmer vor, die vor dem 15. März 2020 einen Kredit aufgenommen haben und nun von der COVID-19-Pandemie unmittelbar betroffen sind. Die Regelung bezieht sich nicht nur auf Verbraucherkreditverträge, sondern auch auf Unternehmenskredite an Kleinstunternehmen im Sinn der Empfehlung der Europäischen Kommission 2003/361/EG . Erfasst werden aber nur Kreditverträge und nicht auch andere Formen der Kreditierungen (z. B. Kreditierung des Kaufpreises im Versandhandel).
2. Die Bestimmung lehnt sich weitgehend an die entsprechende Regelung zum deutschen Darlehensrecht in Art240 EGBGB an. Auch dabei geht es um den von der Corona-Krise besonders betroffenen Zeitraum von Anfang April bis Ende Juni 2020. Wenn der von der Corona-Pandemie in der beschriebenen Weise betroffene Kreditnehmer in diesem 'sensiblen' Zeitraum Zahlungen an den Kreditgeber leisten sollte (vor allem also Annuitäten, aber auch allfällige sonstige Zahlungen an Kreditrückführungen oder Zinsen), wird die Fälligkeit dieser Zahlungen jeweils um drei Monate nach dem vertraglich vorgesehenen Zahlungstag verschoben.
Sowohl im Fall der gesetzlichen Stundung als auch bei vereinbarten Vertragsänderungen hat der Kreditgeber dem Kreditnehmer eine Ausfertigung des Vertrags zur Verfügung zu stellen, in der die Vertragsänderungen berücksichtigt sind. Bei bloßen Stundungen ergeben sich aus dem Verbraucherkreditgesetz und dem Hypothekar- und Immobilienkreditgesetz keine zusätzlichen Informationspflichten. Das gilt auch für vertragliche Stundungen, soweit sie nicht entgeltlich sind.'
3.1.[3]. Während die erfassten Entgeltperioden (drei Monatsmieten) bei den Wohnungsmietverträgen gemäß §1 2. COVID-19-JuBG unverändert blieben, wurde der in §2 Abs1 2. COVID-19-JuBG für die erfassten Kreditverträge vorgesehene Stundungszeitraum von drei Monaten (1. April bis 30. Juni 2020) mit dem Bundesgesetz BGBl I Nr 58/2020 auf insgesamt sieben Monate, nämlich bis 31. Oktober 2020, verlängert. Die Gesetzesmaterialien enthalten zu dieser Bestimmung folgende Ausführungen (IA 619/A BlgNR XXVII. GP 4):
'Zu Art2 (Änderung des 2. COVID-19-JuBG):
Aufgrund der andauernden wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Krise ist es notwendig, in wirtschaftliche Schwierigkeiten geratene Kreditnehmer weiterhin zu entlasten. Der Fälligkeitstermin der betreffenden Leistungsverpflichtung hat nach geltender Fassung im Zeitraum zwischen 1. April 2020 bis 30. Juni 2020 zu liegen. Da die wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Krise noch andauern, ist es notwendig, den Anwendungszeitraum um vier Monate zu verlängern. Dadurch endet der Zeitraum, in dem der Fälligkeitstermin der betreffenden Ansprüche des Kreditgebers auf Rückzahlung, Zins- oder Tilgungsleistungen zu liegen hat, nicht mehr am 30. Juni 2020, sondern am 31. Oktober 2020.'
3.1.[4]. Mit dem Bundesgesetz BGBl I Nr 113/2020 wurde die Stundungsdauer in §2 2. COVID-19-JuBG erneut verlängert, nämlich auf insgesamt zehn Monate bis 31. Jänner 2021. Die Gesetzesmaterialien führen zu dieser Bestimmung Folgendes aus (IA 831/A BlgNR XXVII. GP 2):
'Aufgrund der andauernden wirtschaftlichen Folgen der COVID 19-Krise ist es notwendig, in wirtschaftliche Schwierigkeiten geratene Kreditnehmer weiterhin zu entlasten. Der Fälligkeitstermin der betreffenden Leistungsverpflichtung hat nach geltender Fassung im Zeitraum zwischen 1. April 2020 bis 31. Oktober 2020 zu liegen. Da die wirtschaftlichen Folgen der COVID 19-Krise noch andauern, ist es notwendig, den Anwendungszeitraum um weitere drei Monate zu verlängern. Dadurch endet der Zeitraum, in dem der Fälligkeitstermin der betreffenden Ansprüche des Kreditgebers auf Rückzahlung, Zins- oder Tilgungsleistungen zu liegen hat, nicht mehr am 31. Oktober 2020, sondern am 31. Jänner 2021.'
3.2. Zum Regelungsinhalt:
3.2.1. Zu §2 2. COVID-19-JuBG:
3.2.1.1. In den Anwendungsbereich des §2 Abs1 erster Satz 2. COVID-19-JuBG fallen vor dem 15. März 2020 abgeschlossene Kreditverträge von Verbrauchern und Kleinstunternehmern im Sinn des Art2 Abs3 der Empfehlung der Europäischen Kommission 2003/361/EG vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen (ABl. Nr L 124 vom 20.05.2003 S 36), dh Unternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten und einem Jahresumsatz von nicht mehr als zwei Millionen Euro im letzten Geschäftsjahr (zum Anwendungsbereich siehe ausführlich Kellner/Liebel, Das gesetzliche COVID-19-Kreditmoratorium, ÖJZ 2020, 629 [630 ff.]).
3.2.1.2. §2 2. COVID-19-JuBG sieht – in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 24/2020 – vor, dass Ansprüche des Kreditgebers auf Rückzahlung, Zins- oder Tilgungsleistungen, die zwischen 1.4.2020 und 30.6.2022 fällig werden, mit Eintritt der Fälligkeit für die Dauer von drei Monaten gestundet werden, wenn der Verbraucher aufgrund der durch die Ausbreitung der COVID-19-Pandemie hervorgerufenen außergewöhnlichen Verhältnisse Einkommensausfälle hat, die dazu führen, dass ihm die Erbringung der geschuldeten Leistung nicht zumutbar ist. In der Folge wurde sowohl der Zeitraum, auf den sich die Stundung bezieht, als auch die Dauer der Stundung zunächst auf sieben und schließlich auf zehn Monate verlängert. §2 2. COVID-19-JuBG soll sich nach dem Willen der Gesetzgebung weitgehend an Art240 des deutschen Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche – EGBGB anlehnen (vgl AB 116 BlgNR XXVII. GP 17); die Materialien zur deutschen Bestimmung (vgl BT-Drs 19/18110) sind daher auch iZm dem 2. COVID‑19-JuBG von Bedeutung (vgl Haghofer, COVID-19-Pandemie: Gesetzgeber schützt betroffene Kreditnehmer, VbR 2020/52, 84 ff.).
3.2.1.3. Die Entlastung der Kreditnehmer gemäß §2 2. COVID-19-JuBG enthält zwei Elemente. Zunächst ordnet §2 Abs1 – bei Vorliegen der näher genannten Einkommensausfälle – eine Stundung aller Zahlungen, die im Zeitraum 1. April bis 31. Jänner 2021 fällig werden, um jeweils zehn Monate an. Gleichzeitig wird dem Kreditgeber in §2 Abs4 2. COVID-19-JuBG untersagt, das Vertragsverhältnis bis zum Ablauf der Stundung wegen Zahlungsverzugs oder einer Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Kreditnehmers zu kündigen. Durch die Stundung und das Kündigungsverbot soll einerseits dem Kreditnehmer Zeit verschafft werden, um von staatlichen Hilfsangeboten Gebrauch zu machen; andererseits soll den Vertragsparteien ermöglicht werden, gemäß §2 Abs5 2. COVID-19-JuBG eine einvernehmliche Regelung zu finden, wie der Kredit nach dem Ende der gesetzlichen Stundung trotz der krisenbedingten Einkommensverluste des Kreditnehmers fortgesetzt und zurückgezahlt werden kann (vgl auch BT-Drs 19/18110, 39 f.).
3.2.2. Zu §2 Abs6 2. COVID-19-JuBG:
3.2.2.1. Sofern zwischen den Vertragsparteien bis zum 31. Jänner 2021 keine einvernehmliche Lösung im Sinne des §2 Abs5 2. COVID-19-JuBG zustande kam, trat gemäß §2 Abs6 erster Satz 2. COVID-19-JuBG eine automatische Verlängerung der Laufzeit des Kreditvertrags um zehn Monate ein. Durch diese gesetzliche Vertragsanpassung verschob sich gemäß §2 Abs6 zweiter Satz 2. COVID-19-JuBG die Fälligkeit aller vom Kreditnehmer geschuldeten Zahlungen um diese Frist nach hinten, sodass die jeweilige Fälligkeit der vertraglichen Leistungen um diese Frist hinausgeschoben wird (vgl OGH 22.12.2021, 3 Ob 189/21x).
3.2.2.2. Auf diese Weise sollte – wie auch den Materialien zur wortgleichen deutschen Regelung des Art230 §3 EGBGB zu entnehmen ist – vermieden werden, dass mit Ablauf des Moratoriumszeitraums die bis dahin gesetzlich gestundeten Ansprüche und die nach diesem Zeitpunkt wieder regulär fällig werdenden Ansprüche parallel zu erfüllen sind (vgl BT-Drs. 19/18110 37 ff.; siehe auch OGH 22.12.2021, 3 Ob 189/21x, Rz 15). Es soll also im Anschluss an die gesetzliche Stundung der Vertrag wie ursprünglich vereinbart fortgesetzt werden, nur wird die Fälligkeit jeder einzelnen Leistung für den gesamten Vertrag um zehn Monate verschoben (vgl Koch, Die Stundung von Zahlungen bei Kreditverträgen nach dem 2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz, ÖBA 2020, 330 [339] mwN), dh es kommt zu einer Änderung des Tilgungsplans (vgl Riss/Winner/Wolfbauer, Banken und Kreditmoratorium: zwischen Skylla und Charybdis, ZFR 2020/71, 161).
3.2.2.3. Die in §2 Abs6 2. COVID-19-JuBG angeordnete Vertragsanpassung samt dem (rückwirkenden) Entfall der Sollzinsen für den Stundungszeitraum ist als 'Notlösung' nur für den Fall vorgesehen, dass die Vertragsparteien für die Zeit nach dem 31. Jänner 2021 keine eigene vertragliche Lösung vereinbart hatten: Gemäß §2 Abs5 COVID-19-JuBG soll der Kreditgeber dem Verbraucher ein Gespräch über die Möglichkeit einer einvernehmlichen Lösung und über mögliche Unterstützungsmaßahmen anbieten, die sich, wie sich aus dem nachfolgenden §2 Abs6 erster Satz ergibt, insbesondere auch auf die Zeit nach dem 31. Jänner 2021 beziehen.
Nach der Intention der Gesetzgebung sollte der Kreditgeber daher nach Möglichkeit mit dem Verbraucher nach einer Lösung suchen, die dessen konkreter finanzieller Situation am besten entspricht und bei der deshalb die Wahrscheinlichkeit am höchsten ist, dass der Kredit vom Verbraucher trotz der Krise zurückgezahlt werden kann. Denkbar sind beispielsweise folgende von §2 Abs1 und 6 abweichende Vereinbarungen: ein anderer Ratenplan, eine Reduktion der Rate und eine Verlängerung der Laufzeit, eine Verlängerung der zehnmonatigen Stundungsfrist, eine Zinssenkung oder eine Umschuldung (vgl Haghofer, VbR 2020, 86; siehe auch BT-Drs 19/18110, 39 f.).
3.2.3. Zur Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (OGH):
Nach der Rechtsprechung des OGH kann aus §2 Abs6 zweiter Satz 2. COVID-19-JuBG kein Anspruch des Kreditgebers auf Zinsen für den Moratoriumszeitpunkt abgeleitet werden (OGH 22.12.2021, 3 Ob 189/21x). Der Wortlaut der angefochtenen Bestimmung stehe einer Auslegung entgegen, nach der auch für den Stundungszeitraum Sollzinsen geschuldet sind. Ein Anfallen von Zinsen im Stundungszeitraum hätte nach Meinung des OGH ausdrücklich angeordnet werden müssen (vgl OGH 3 Ob 189/21x, Rz 16; Koch, Sind während des Moratoriums nach §2 2. COVID-19-JuBG Zinsen angefallen?, ÖBA 2022, 179 [180]).
II. Zum Anlassverfahren und zur Zulässigkeit:
1. […]
2. Der Bundesregierung sind keine Anhaltspunkte erkennbar, die gegen die Zulässigkeit des Antrages und die Präjudizialität der angefochtenen Bestimmung sprächen.
III. In der Sache:
Die Bundesregierung verweist einleitend auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, wonach dieser in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B‑VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen beschränkt ist und ausschließlich beurteilt, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (vgl zB VfSlg 19.160/2010, 19.281/2010, 19.532/2011, 19.653/2012). Die Bundesregierung beschränkt sich daher im Folgenden auf die Erörterung der im Antrag dargelegten Bedenken.
1. Zu den Bedenken im Hinblick auf das Sachlichkeitsgebot (Art7 B‑VG; Art1 StGG):
1.1. Die Antragstellerinnen sind der Ansicht, dass die angefochtene Regelung das Sachlichkeitsgebot des Gleichheitssatzes verletze und unsachliche Differenzierungen vorsehe. Die derzeitige Systematik schaffe zunächst eine sachlich nicht gerechtfertigte Benachteiligung von Kreditgebern gegenüber Wohnungsvermietern. Darüber hinaus käme es zu einer Ungleichbehandlung der Kreditnehmer untereinander, es fehle eine sachliche Rechtfertigung dafür, eine Zahlungsbefreiung als Folge bloßer Zustimmungsverweigerung vorzusehen, es gäbe keinen vernünftigen Grund, vorübergehenden Zahlungsschwierigkeiten mit einem endgültigen Zahlungserlass zu begegnen und schließlich sei die Finanzierung im Allgemeininteresse gelegener Anliegen durch Einzelne unsachlich.
1.2. Die Bundesregierung tritt diesen Bedenken wie folgt entgegen:
1.2.1. Der Gleichheitssatz bindet auch die Gesetzgebung (vgl VfSlg 13.327/1993, 16.407/2001). Er setzt ihr insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, unsachliche, durch tatsächliche Unterschiede nicht begründbare Differenzierungen und eine unsachliche Gleichbehandlung von Ungleichem (vgl VfSlg 17.315/2004, 17.500/2005) sowie sachlich nicht begründbare Regelungen zu schaffen (vgl VfSlg 14.039/1995, 16.407/2001). Innerhalb dieser Schranken ist es der Gesetzgebung jedoch von Verfassung[s] wegen nicht verwehrt, ihre politischen Zielvorstellungen auf die ihr geeignet erscheinende Art zu verfolgen (vgl VfSlg 13.576/1993, 13.743/1994, 15.737/2000, 16.167/2001, 16.504/2002; 20.317/2019). Sie kann im Rahmen ihres rechtspolitischen Gestaltungsspielraums einfache und leicht handhabbare Regelungen treffen und darf bei der Normsetzung generalisierend von einer Durchschnittsbetrachtung ausgehen und auf den Regelfall abstellen (vgl VfSlg 13.497/1993, 15.850/2000, 16.048/2000, 17.315/2004 und 17.816/2006, 19.722/2012, jeweils mwN) sowie auch Härtefälle in Kauf nehmen (vgl VfSlg 16.771/2002 mwN). Ob eine Regelung zweckmäßig ist und das Ergebnis in allen Fällen als befriedigend empfunden wird, kann nicht mit dem Maß des Gleichheitssatzes gemessen werden (vgl VfSlg 20.343/2019; VfGH 23.6.2021, G32/2021 mwN).
1.2.2. Zur behaupteten Ungleichbehandlung von Kreditgebern und Wohnungsvermietern:
1.2.2.1. Den Antragstellerinnen ist zunächst zuzustimmen, dass sich die Bestimmungen in §1 2. COVID-19-JuBG für Wohnungsmietverträge wesentlich von denjenigen des §2 2. COVID-19-JuBG für Verbraucher- und Kleinstunternehmerkreditverträge unterscheiden. Nach Ansicht der Bundesregierung hat die Gesetzgebung mit den Rechtsinstituten des Wohnungsmietvertrags und des Kreditvertrags jedoch unterschiedliche Ordnungssysteme geschaffen. Es ist daher nicht angezeigt, die Rechtsfolgen, die an das jeweilige Rechtsverhältnis anknüpfen, untereinander zu vergleichen; vielmehr sollen diese Rechtsfolgen nur innerhalb des jeweiligen Ordnungssystems einer Gleichheitsprüfung zu unterziehen sein. Den Antragstellerinnen kann auch nicht zugestimmt werden, dass es keine relevanten Unterschiede im Tatsachenbereich gäbe, die diese unterschiedliche Behandlung von Mietern und Kreditnehmern sowie Vermietern und Kreditgebern sachlich rechtfertigten würden.
1.2.2.2. Wohnungsmietverträge unterscheiden sich bereits in ihren Wesenselementen von Verbraucherkreditverträgen (vgl etwa die unterschiedlichen Hauptleistungspflichten der Vertragsparteien, die unterschiedlichen rechtlichen Rahmenbedingungen und Schutzbestimmungen für Verbraucher etc.), weshalb differenzierende Regelungen – so diese überhaupt am Gleichheitssatz zu messen sind – sachgerecht sind und im Gestaltungsspielraum der Gesetzgebung liegen.
1.2.2.3. Ein Zahlungsverzug mit nur einer Kreditrate für die Dauer von mindestens sechs Wochen berechtigt den Kreditgeber regelmäßig, den Kreditvertrag zu kündigen und Terminsverlust geltend zu machen. Dadurch werden alle Kreditraten, die an sich erst während der restlichen (oft jahrzehntelangen) Laufzeit des Kredits fällig werden würden, sofort zur Rückzahlung fällig (siehe §14 Abs3 des Verbraucherkreditgesetzes – VKrG, BGBl I Nr 28/2010 idF des Bundesgesetzes BGBl I Nr 1/2021 und §18 Abs3 des Hypothekar- und Immobilienkreditgesetzes – HIKrG, BGBl I Nr 135/2015 idF des Bundesgesetzes BGBl I Nr 199/2021). Wenn der Verbraucher wegen seiner pandemiebedingten Einkommensverluste bereits Probleme hatte, die laufenden Kreditraten zu zahlen, würde eine Fälligstellung des gesamten noch offenen Kreditbetrags nahezu zwangsläufig zu seiner vollständigen finanziellen Überforderung und zu einer Überschuldung führen.
Demgegenüber kann der Vermieter stets nur die bereits fällig gewordenen Mieten einfordern und notfalls auch einklagen, weshalb das Risiko, dass Zahlungsschwierigkeiten bei Mietverträgen zu einer Überschuldung führen, von vornherein nicht mit dem (Überschuldungs-)Risiko bei Kreditverträgen vergleichbar ist. §1 2. COVID-19-JuBG beschränkt sich daher darauf, im 'geschützten Zeitraum' die Kündigung des Mietvertrags wegen Zahlungsverzugs zu verbieten sowie die gerichtliche Einforderung des Zahlungsrückstandes für einen bestimmten Zeitraum auszuschließen. Bei Kreditverträgen erschien es der Gesetzgebung angesichts des (Überschuldungs-)Risikos hingegen notwendig, den Verbraucher gemäß §2 Abs6 2. COVID-19-JuBG auch nach dem Ende der gesetzlichen Stundung vor einem Zahlungsverzug zu schützen: Zum einen wird der Kreditgeber gemäß §2 Abs5 2. COVID-19-JuBG angehalten, mit dem Verbraucher eine einvernehmliche Lösung zu suchen; zum anderen wird, sollte eine solche nicht zustande kommen, der Verbraucher zumindest von Sollzinsen für den Stundungszeitraum entlastet und dadurch ein Anwachsen der Kreditrate oder zusätzliche Zahlungen nach dem 31. Jänner 2021 verhindert.
1.2.2.4. Kredit- und Mietverträge unterscheiden sich auch hinsichtlich der Verzinsung: Bei Kreditverträgen werden die Zinsen vom gesamten Kapital (samt allfälligen kapitalisierten Zinsen) berechnet. Während des Stundungszeitraums anfallende (vorerst gestundete) Zinsen wären also vom gesamten noch aushaftenden Betrag zu errechnen. Der aushaftende Betrag würde sich dadurch im Laufe des Stundungszeitraums erhöhen. Der relevante Unterschied zu Mietverträgen besteht darin, dass bei Kreditverträgen regelmäßig eine quartalsmäßige Kapitalisierung der Zinsen vereinbart ist, wodurch wiederkehrend offene Zinsforderungen wie das aushaftende Kapital weiter verzinst werden. Dieser Effekt könnte bei fortdauernden Zahlungsschwierigkeiten des Kreditnehmers nach Ende des Stundungszeitraums dazu führen, dass sich die Verbindlichkeiten des Kreditnehmers durch laufende Kapitalisierung nicht getilgter Zinsen lawinenartig erhöhen. Würden während des gesamten Stundungszeitraums Zinsen anfallen, so wäre dieses Risiko deutlich verschärft. Dieser Effekt soll dadurch verhindert werden, dass während des Stundungszeitraums keine Zinsen anfallen, sodass sich der aushaftende Betrag nach dem Ende dieses Zeitraums nicht erhöht hat (vgl Koch, Die Stundung von Zahlungen bei Kreditverträgen nach dem 2. COVID-19-JuBG, ÖBA 2020, 330 [338]).
Demgegenüber kommt es bei Mietverträgen nicht zu dem beschriebenen Zinseszinseffekt, weil bei Mietverträgen keine Kapitalisierungsabreden getroffen werden. Vielmehr laufen (Verzugs-)[Z]insen linear von einzelnen offenen Mietforderungen. Eine lawinenartige Vergrößerung aushaftender Forderungen muss hier nicht befürchtet werden.
1.2.2.5. Die Antragstellerinnen bringen in Rz 46 des Antrags schließlich vor, dass es sich bei der Ungleichbehandlung von Kreditgebern und Wohnungsvermietern um ein 'gleichheitswidriges Sonderopfer der Kreditgeber' handelt. Die Bundesregierung weist darauf hin, dass der Verfassungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung davon ausgeht, dass der Gesetzgebung in der Frage der Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie ein weiter rechtspolitischer Gestaltungsspielraum zukommt (vgl VfSlg 20.397/2020). Wenn sich die Gesetzgebung daher dazu entscheidet, im Interesse des Verbraucherschutzes eine Regelung vorzusehen, die verhindern soll, dass Verbraucher aufgrund der Auswirkung der COVID-19-Pandemie in eine wirtschaftliche Notlage geraten, und zu diesem Zweck gemäß §2 Abs1 und 6 2. COVID-19-JuBG eine zehnmonatige (kostenlose) Stundung der Forderungen der Kreditgeber vorsieht, dabei aber den Anspruch auf alle im Kreditvertrag vereinbarten Zahlungspflichten des Verbrauchers ansonsten unberührt lässt, so kann darin kein gleichheitsrechtlich bedenkliches Sonderopfer erblickt werden (vgl auch Haghofer, VbR 2020/52, 84; OGH 22.12.2021, 3 Ob 189/21x Rz 19; siehe die Rechtsprechung zu zulässigen Eingriffen im Interesse des Verbraucherschutzes zB VfSlg 12.227/1989, 14.500/1996, 20.285/2018). Zudem hat die Gesetzgebung die gesetzliche Stundung gemäß §2 2. COVID-19-JuBG nicht als isolierte Maßnahme erlassen, sondern als Teil eines umfangreichen Maßnahmen- und Unterstützungspakets, das darauf abzielte, die Folgen der COVID-19-Pandemie insgesamt abzufedern (vgl VfSlg 20.397/2020, Rz 100).
1.3. Zur behaupteten Ungleichbehandlung der Kreditnehmer untereinander:
1.3.1. Soweit die Antragstellerinnen eine Ungleichbehandlung der Kreditnehmer untereinander sehen, wird zunächst darauf hingewiesen, dass die gesetzliche Regelung die Verhandlungsposition von Kreditnehmern verbessert, die eine einvernehmliche Lösung mit den Kreditgebern suchen. Nach Auffassung der Bundesregierung gehen die Bedenken der Antragstellerinnen insofern ins Leere, weil es allen Kreditnehmern unbenommen ist, die gesetzliche Regelung in Anspruch zu nehmen (siehe auch OGH 22.12.2021, 3 Ob 189/21x, Rz 21). Eine unsachliche Differenzierung kann schon deshalb nicht vorliegen, weil die Stundungsregelung des §2 2. COVID-19-JuBG alle – im Sinne des §2 Abs1 2. COVID-19-JuBG in Zahlungsschwierigkeiten geratene – Kreditnehmer gleichermaßen betrifft (vgl VfSlg 20.397/2020).
1.3.2. Die Antragstellerinnen führen ins Treffen, die angefochtene Regelung benachteilige Kreditnehmer, die von ihrem gesetzlichen Stundungsrecht nicht Gebrauch gemacht haben, unsachlich gegenüber Kreditnehmern, die die gesetzliche Stundung in Anspruch genommen haben, obwohl sie die Raten weiterhin zahlen hätten können.
1.3.3. Für eine gesetzliche Stundung müssen gemäß §2 Abs1 erster Satz 2. COVID-19-JuBG zwei Voraussetzungen vorliegen: Der Verbraucher muss Einkommensausfälle haben, die durch die außergewöhnlichen Verhältnisse verursacht sind, welche die Pandemie hervorgerufen hat, und diese Einkommensausfälle müssen dazu führen, dass ihm die Erbringung der geschuldeten Leistung nicht zumutbar ist. Beide Voraussetzungen sind nach allgemeinen Grundsätzen gegebenenfalls vom Verbraucher nachzuweisen (vgl BT-Drs 19/18110, 38 f; Leupold/Gelbmann, CuRe 2020/39; Schett, RdW_digitalOnly 2020/14).
Nicht zumutbar ist die Zahlung dem Verbraucher insbesondere dann, wenn durch sie sein angemessener Lebensunterhalt oder der seiner Unterhaltsberechtigten gefährdet ist (§2 Abs1 zweiter Satz 2. COVID-19-JuBG). Liegen die Voraussetzungen des §2 Abs1 2. COVID-19-JuBG vor, werden die im Zeitraum 1. April bis 31. Jänner 2021 fälligen Zahlungen ex lege gestundet. Allerdings bleiben die gestundeten Zahlungen erfüllbar und der Verbraucher kann daher auf sein Recht auf Stundung verzichten (ausführlich dazu Haghofer, VbR 2020, 85 f mwN).
1.3.4. Ein Verbraucher kann grundsätzlich immer darauf verzichten, von seinem Recht Gebrauch zu machen, nachdem es entstanden ist. Folgte man der Argumentation der Antragstellerinnen, läge in solchen Fällen stets eine verfassungswidrige Benachteiligung solcher Verbraucher gegenüber Verbrauchern vor, die ihre Rechte in Anspruch nehmen. Die Argumentation der Antragstellerinnen ist daher schon aus diesem Grund nicht richtig.
1.3.5. Soweit die Antragsstellerinnen behaupten, die angefochtene Bestimmung benachteilige 'bemühte bzw kooperative' Verbraucher, die zu einer einvernehmlichen Regelung für die Zeit nach dem 31. Jänner 2021 bereit waren, weist die Bundesregierung überdies darauf hin, dass die Antragstellerinnen dabei von der irrigen Annahme ausgehen, dass sich die Verbraucher im Jänner 2021 durchwegs in einer Situation befanden, in der sie alleine mit der in §2 Abs6 2. COVID-19-JuBG angeordneten Zahlungserleichterung das Auslangen finden konnten, und die Regelung des §2 Abs6 2. COVID-19-JuBG jedenfalls die für den Verbraucher günstigste Option darstellen würde.
Wegen der Entwicklung der Pandemie im Jänner/Februar 2021 lagen aber im Regelfall die Umstände, die im Jänner 2021 zu einer gesetzlichen Stundung geführt haben (nämlich Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit), auch noch im Februar 2021 vor. Ein Verbraucher, dem im Jänner 2021 die Bezahlung der Kreditrate wegen seiner pandemiebedingten Einkommensverluste nicht zumutbar war, hatte daher häufig das gleiche Problem auch im Februar 2021 und war insofern darauf angewiesen, dass seine Bank ihm die zuvor gesetzlich angeordnete Stundung vertraglich freiwillig verlängerte oder ihm zumindest eine Ratenreduktion zugestand. Aus diesem Grund hatten die österreichischen Banken im Jänner 2021 auch nach Auslaufen des gesetzlichen Kreditmoratoriums ein Entgegenkommen in Aussicht gestellt, um Verbraucher, die krisenbedingt Einkommensverluste erlitten haben und denen die Bezahlung der laufenden Kreditraten nicht mehr zumutbar war, zu unterstützen […].
Das Bundesministerium für Gesundheit, Soziales, Pflege und Konsumentenschutz fungierte dabei als Anlauf- und Beschwerdestelle für Konsumenten, die sich mit ihrer Bank nicht auf eine vertragliche Stundungsverlängerung oder Ratenreduktion einigen konnten […].
Das BMSGPK war im Frühjahr 2021 mit 50 bis 60 derartiger Beschwerden befasst, bei denen großteils eine einvernehmliche Lösung vermittelt werden konnte.
1.4. Zur behaupteten Unsachlichkeit der angefochtenen Bestimmung:
1.4.1. Die Antragstellerinnen bringen zunächst vor, die angefochtene Bestimmung würde Kreditnehmer 'als Folge bloßer Zustimmungsverweigerung' von ihrer Verpflichtung zur Zahlung der Sollzinsen für den Stundungszeitraum befreien.
Die Bundesregierung weist daraufhin, dass es im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum der Gesetzgebung liegt, eine Regelung lediglich für den Fall zu treffen, dass eine einvernehmliche Regelung zwischen den Vertragsparteien nicht zustande kommt; eine Unsachlichkeit kann darin bereits grundsätzlich nicht erblickt werden.
Soweit die Antragstellerinnen vorbringen, dass angesichts der 'Maximallösung' des §2 Abs6 zweiter Satz 2. COVID-19-JuBG seitens des Kreditnehmers ohnehin kein Interesse an einer einvernehmlichen Regelung bestehen kann, verweist die Bundesregierung auf ihre Ausführungen zu Punkt III.1.3.5. Wie bereits dargelegt, könnte die einvernehmliche Regelung gemäß §2 Abs5 2. COVID-19-JuBG – im Gegenzug für die Verrechnung von Sollzinsen für den Zeitraum der gesetzlichen Stundung – etwa eine freiwillige (weitere) Stundung oder Ratenreduktion für die Zeit nach dem 31. Jänner 2021 oder eine andere der Situation des betreffenden Verbrauchers angepasste Zahlungserleichterung enthalten. Entgegen den Ausführungen der Antragstellerinnen sollte daher durchaus ein Anreiz für die Kreditgeber geschaffen werden, entsprechend attraktive Gesprächsangebote zu machen. Warum eine Bank einem Verbraucher, bei dem im Jänner 2021 – etwa aufgrund anhaltender pandemiebedingter Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit – die Gefahr eines weitgehenden Zahlungsausfalles bestand, 'realistischerweise' kein derartiges abweichendes Angebot machen konnte, wie im Antrag behauptet wird, wird von den Antragstellerinnen nicht näher begründet.
1.4.2. Die Antragstellerinnen bringen überdies vor, es sei unsachlich, endgültige Zahlungsbefreiungen als Mittel zur Vermeidung vorübergehender Zahlungsschwierigkeiten vorzusehen.
Die Bundesregierung weist dazu zunächst darauf hin, dass aus der Sicht des Verbrauchers keine 'endgültigen Zahlungsbefreiungen' vorliegen, da der Verbraucher letztendlich – pandemiebedingt etwas zeitversetzt – alle im Tilgungsplan vorgesehenen Zahlungen in voller Höhe entrichten muss, sondern die angefochtene Bestimmung lediglich sicherstellt, dass sich die Zahlungspflichten des Verbrauchers zumindest nicht erhöhen, sofern es zu keiner einvernehmlichen Lösung mit dem Kreditgeber kommt.
Wenngleich den Antragstellerinnen zuzustimmen ist, dass die Gesetzgebung vom vorübergehenden Charakter der pandemiebedingten Liquiditätsengpässe ausging, bedeutet dies nicht, dass mit 31. Jänner 2022 tatsächlich keine pandemiebedingten Zahlungsschwierigkeiten mehr vorlagen; die Verbraucher sollten daher – für den Fall, dass keine einvernehmliche Lösung erzielt werden konnte – nicht mit zusätzlichen Kosten belastet werden.
1.4.3. Die Antragstellerinnen führen zuletzt ins Treffen, die angefochtene Bestimmung sei auch deshalb unsachlich, weil damit Anliegen, die im Interesse der Allgemeinheit liegen, von Einzelnen (nämlich den Kreditgebern) finanziert werden.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen liegt – wie bereits unter Punkt III.1.2.2.6. dargelegt – nach Ansicht der Bundesregierung kein 'gleichheitswidriges Sonderopfer' der Kreditgeber vor. Wenngleich Bestimmungen zum Schutz der Verbraucher im öffentlichen Interesse liegen, muss es letztlich auch im Interesse der Kreditgeber liegen, Zahlungsschwierigkeiten der Kreditnehmer nach dem Ende der gesetzlichen Stundung zu vermeiden. Wie bereits dargelegt, hat die Gesetzgebung darüber hinaus die gesetzliche Stundung gemäß §2 2. COVID-19-JuBG nicht als isolierte Maßnahme erlassen, sondern als Teil eines umfangreichen Maßnahmen- und Unterstützungspakets, das darauf abzielte, die Folgen der COVID-19-Pandemie insgesamt abzufedern. Die Gesetzgebung hat dabei nach Auffassung der Bundesregierung den ihr zustehenden weiten rechtspolitischen Gestaltungsspielraum nicht überschritten.
2. Zu den Bedenken im Hinblick auf die Unverletzlichkeit des Eigentums (Art5 StGG; Art1 [1.] ZP EMRK):
Schließlich behaupten die Antragstellerinnen, die angefochtene Regelung stelle eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Unverletzlichkeit des Eigentums dar, weil ein öffentliches Interesse an einer Zinsbefreiung nicht vorliege und es darüber hinaus an der Verhältnismäßigkeit fehle. Wie bereits dargelegt, liegt ein allfälliger Eigentumseingriff im öffentlichen Interesse und ist aus den oben unter Punkt III.1. angeführten Gründen sachlich gerechtfertigt und verhältnismäßig. Nach Ansicht der Bundesregierung erübrigt sich daher ein näheres Eingehen auf die diesbezüglichen Ausführungen.
3. Zusammenfassend wird daher festgehalten, dass die angefochtene Bestimmung nach Ansicht der Bundesregierung nicht verfassungswidrig ist."
3. In weiterer Folge erstatteten die antragstellenden Parteien eine Replik, in der sie der Äußerung der Bundesregierung mit näherer Begründung entgegentreten.
4. Der Verfassungsgerichtshof führte am 27. September 2022 eine mündliche Verhandlung durch, in welcher die Parteien Gelegenheit hatten, zu mehreren Rechtsfragen Stellung zu nehmen.
5. Danach brachten sowohl die antragstellenden Parteien als auch die Bundesregierung Schriftsätze ein, welche der Verfassungsgerichtshof diesen in der mündlichen Verhandlung aufgetragen hatte.
5.1. Die antragstellenden Parteien geben in ihrem Schriftsatz die im Zeitraum des Moratoriums üblichen Zinsen an und machen allgemein gehaltene Ausführungen zu den Refinanzierungswegen und Refinanzierungskosten. Nach den Angaben der antragstellenden Parteien betrugen die Rückstellungen für Zinszahlungen mehr als € 100 Millionen. Zu den tatsächlichen Verlusten (in einer Saldierung von wirtschaftlichen Vorteilen und Nachteilen) wurden hingegen – trotz einer entsprechenden Nachfrage in der mündlichen Verhandlung – keine Angaben gemacht.
Die antragstellenden Parteien nehmen ferner auf die "Guidelines on legislative and non-legislative moratoria on loan repayments applied in the light of the COVID-19 crisis" (in der Folge: Guidelines) der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) Bezug und weisen darauf hin, dass diese Guidelines keinen Ausgleich für den Entfall des Zinsenanspruchs gemäß den angefochtenen Bestimmungen vorsähen. Sie hätten lediglich bewirkt, dass das Moratorium nicht auch noch eine weitere Belastung der Kreditgeber mit zusätzlichen Eigenkapitalkosten auslöste. Nach den Guidelines sei aber diese Vermeidung zusätzlicher Eigenmittelkosten unter der ausdrücklichen Voraussetzung gestanden, dass für die unter das Moratorium fallenden Kredite weiterhin in ungeschmälertem Ausmaß Zinsen verrechnet würden.
Die in der mündlichen Verhandlung von der Bundesregierung genannten Refinanzierungsmittel der EZB, insbesondere die "Targeted longer-term refinancing operations (TLTROs)", hätten nichts mit dem Kreditmoratorium zu tun. Das Ziel dieser längerfristigen Refinanzierungsmittel liege in der Förderung der Realwirtschaft. Diese Kreditlinien der EZB dienten auch nicht dem Ausgleich von Verlusten, die den Kreditinstituten aus dem Moratorium und den gestundeten Krediten entstünden. Es werde vielmehr die Vergabe neuer Kredite gefördert. Das Programm der EZB ziele auf eine andere Kreditnehmergruppe ab als das gesetzliche Kreditmoratorium, das primär an Verbraucher ausgegebene Kredite umfasse.
5.2. Die Bundesregierung legt in ihrem aufgetragenen Schriftsatz unter anderem die bereits von den antragstellenden Parteien angeführten Guidelines der EBA und weitere Dokumente vor. Die Bundesregierung verweist – neben den regulatorischen Erleichterungen für die Kreditinstitute während der COVID-19-Pandemie – auf die geldpolitischen Maßnahmen der EZB. Demnach habe die EZB die Konditionen für die gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte III (TLTRO III) mit einer Laufzeit von jeweils drei Jahren nach Beginn der COVID-19-Pandemie wesentlich attraktiver als früher gestaltet. Diese Konditionen hätten während der Periode zwischen Juni 2020 und Juni 2022 eine Verzinsung von bis zu -1 % p.a. beinhaltet. Ziel sei es gewesen, die langfristige Versorgung der Kreditinstitute mit Liquidität sicherzustellen und so Anreize für die Kreditvergabe an Haushalte und Unternehmen zu bieten.
IV. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit
1.1. Gemäß Art140 Abs1 Z1 litc B‐VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.
Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art140 Abs1 Z1 litc B‑VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz – im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese – im Falle seiner Verfassungswidrigkeit – verletzt.
Es kommt aber nicht jedem Normadressaten die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 11.868/1988, 15.632/1999, 16.616/2002, 16.891/2003).
1.2. Die antragstellenden Parteien sind als Kreditinstitute im Sinne des §1 BWG, BGBl 532/1993, idF BGBl I 36/2022 durch die angefochtene Bestimmung aktuell und unmittelbar in ihren Rechten betroffen.
1.2.1. In ihrem Antrag bringen die antragstellenden Parteien vor, im Rahmen ihres Geschäftsbetriebes Kreditverträge mit Verbrauchern oder Kleinstunternehmen abgeschlossen zu haben, deren Abschlusszeitpunkt vor dem 15. März 2020 liege und die Zahlungen des Kreditnehmers in der Zeit ab 1. April 2020 vorsähen.
1.2.2. Gemäß §2 Abs1 2. COVID-19-JuBG gilt für Verbraucherkreditverträge (und gemäß §2 Abs7 2. COVID-19-JuBG auch für näher bestimmte Kreditverträge mit Kleinstunternehmen), die vor dem 15. März 2020 abgeschlossen wurden, dass Ansprüche des Kreditgebers auf Rückzahlung, Zins- oder Tilgungsleistungen, die zwischen 1. April 2020 und 31. Jänner 2021 fällig werden, mit Eintritt der Fälligkeit für die Dauer von zehn Monaten gestundet werden, wenn der Verbraucher aufgrund der durch die Ausbreitung der COVID-19-Pandemie hervorgerufenen außergewöhnlichen Verhältnisse Einkommensausfälle hat, die dazu führen, dass ihm die Erbringung der geschuldeten Leistung nicht zumutbar ist. Die Vertragsparteien können von den Regelungen des §2 Abs1 2. COVID-19-JuBG abweichende Vereinbarungen treffen, insbesondere über mögliche Teilleistungen, Zins- und Tilgungsanpassungen oder Umschuldungen (§2 Abs3 2. COVID-19-JuBG). Der Kreditgeber soll dem Kreditnehmer zudem ein Gespräch über die Möglichkeit einer einvernehmlichen Regelung und über mögliche Unterstützungsmaßnahmen anbieten (§2 Abs5 2. COVID-19-JuBG). Kommt eine einvernehmliche Regelung für den Zeitraum nach dem 31. Jänner 2021 nicht zustande, verlängert sich die Vertragslaufzeit gemäß §2 Abs6 erster Satz 2. COVID-19-JuBG um zehn Monate. Nach dem – mit dem vorliegenden Antrag angefochtenen – zweiten Satz dieser Bestimmung wird die jeweilige Fälligkeit der vertraglichen Leistungen um diese Frist hinausgeschoben.
1.2.3. Die von den antragstellenden Parteien vor dem 15. März 2020 abgeschlossenen Kreditverträge (vgl Punkt 1.2.1) unterliegen somit grundsätzlich dem Kreditmoratorium gemäß §2 2. COVID-19-JuBG. Die antragstellenden Parteien bringen zudem (unwidersprochen und glaubhaft) vor, Kunden zu haben, mit denen keine einvernehmliche Regelung für den Zeitraum nach dem Ende der Stundungsperiode gemäß §2 Abs6 2. COVID-19-JuBG zustande gekommen sei. Die antragstellenden Parteien sind dementsprechend von der angefochtenen Bestimmung aktuell und unmittelbar in ihren Rechten betroffen.
1.3. Den antragstellenden Parteien steht auch kein anderer zumutbarer Weg zur Verfügung, ihre Bedenken an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen. Es besteht nämlich insbesondere kein zumutbarer Weg darin, bewusst gegen die angefochtene Bestimmung zu verstoßen und Kreditnehmern die Sollzinsen für den Zeitraum des Moratoriums vorzuschreiben, um damit ein Zivilverfahren auf Grund der Klage eines Verbrauchers oder eines Verbraucherschutzverbandes nach §28a KSchG zu provozieren (vgl VfSlg 20.285/2018). Mit Rücksicht auf das Gewicht dieser Rechtsfolge im Verhältnis zur gewollten Wirkung ist es nicht zumutbar, deren Eintritt zu provozieren und die gerichtliche Entscheidung abzuwarten (VfSlg 17.574/2005, 20.285/2018). Die antragstellenden Parteien müssten bewusst gegen eine konsumentenschutzrechtliche Pflicht verstoßen. Ein solcher Verstoß ist aber selbst dann nicht zumutbar, wenn ein solches rechtlich verpöntes Verhalten keine Verwaltungsstrafsanktion zur Folge hat, das Zivilverfahren aber nur durch dieses Verhalten provoziert werden kann (VfSlg 12.379/1990, 13.659/1993, 20.285/2018; VfGH 9.10.2015, G164/2014).
1.4. Die antragstellenden Parteien fechten mit ihrem Hauptantrag den zweiten Satz des §2 Abs6 2. COVID-19-JuBG in der Stammfassung dieser Bestimmung (BGBl I 24/2020) an. Sie begründen dies damit, dass dieser Satz durch die nachfolgenden Novellen (BGBl I 58/2020 und BGBl I 113/2020) nicht geändert worden sei.
1.5. Es ist zwar zutreffend, dass sich der angefochtene zweite Satz des §2 Abs6 2. COVID-19-JuBG durch die angeführten Novellen nicht geändert hat. Vielmehr wurde der erste – nicht angefochtene – Satz dieser Bestimmung dahingehend novelliert, dass das darin angeordnete Kreditmoratorium von drei auf zunächst sieben (BGBl I 58/2020) und dann auf insgesamt zehn Monate (BGBl I 113/2020) verlängert worden ist. Da sich aber die unmittelbare rechtliche Betroffenheit der antragstellenden Parteien maßgeblich (auch) aus der Dauer des Kreditmoratoriums, die im ersten Satz des §2 Abs6 (iVm Abs1) 2. COVID-19-JuBG idF BGBl I 113/2020 geregelt ist, ergibt, erweist sich der Hauptantrag auf Aufhebung des zweiten Satzes der Bestimmung idF BGBl I 24/2020 als unzulässig. Zulässig ist demgegenüber der (Eventual-)Antrag, soweit die antragstellenden Parteien darin die Aufhebung des zweiten Satzes des §2 Abs6 2. COVID-19-JuBG idF BGBl I 113/2020 begehren.
1.6. Der Eventualantrag erweist sich aber als unzulässig, soweit die antragstellenden Parteien darin beantragen, der Verfassungsgerichtshof möge aussprechen, dass der zweite Satz des §2 Abs6 2. COVID-19-JuBG idF BGBl I 24/2020 und BGBl I 58/2020 verfassungswidrig gewesen sei. Da die Bestimmung in diesen Fassungen bereits außer Kraft getreten ist, sind die antragstellenden Parteien dadurch nicht mehr aktuell und unmittelbar in ihren Rechten betroffen. Die angefochtene Bestimmung ist überdies auch nicht Teil eines Regelungssystems, das eine rasche Abfolge von Bestehen und Änderung einzelner (Verordnungs-)Bestimmungen bewirkt, weswegen die diesbezügliche Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur ausnahmsweisen Zulässigkeit von Individualanträgen auf Aufhebung bereits außer Kraft getretener Bestimmungen (vgl zB VfSlg 20.399/2020) im vorliegenden Fall nicht zum Tragen kommt.
1.7. Im Ergebnis erweist sich (nur) der Eventualantrag auf Aufhebung des zweiten Satzes des §2 Abs6 2. COVID-19-JuBG idF BGBl I 113/2020 als zulässig. Im Übrigen ist der Antrag zurückzuweisen.
2. In der Sache
Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B‑VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den im Antrag dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).
Der Antrag ist nicht begründet.
2.1. Zum behaupteten Verstoß gegen das Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums gemäß Art5 StGG und Art1 1. ZPEMRK
2.1.1. Die antragstellenden Parteien legen ihre Bedenken, die sie zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bewogen haben, auf das Wesentliche zusammengefasst wie folgt dar:
Unter Eigentum im Sinne des Eigentumsgrundrechtes gemäß Art5 StGG und Art1 1. ZPEMRK sei jedes vermögenswerte Privatrecht zu verstehen. Dies schließe vertragliche Forderungen mit ein. Die Änderung des Inhaltes eines privatrechtlichen Vertrages durch ein Gesetz stelle daher einen Eingriff in das Eigentumsgrundrecht dar. Die angefochtene Bestimmung greife in das verfassungsgesetzlich geschützte Eigentum der antragstellenden Parteien ein, weil es den Inhalt der von ihnen abgeschlossenen Kreditverträge dahingehend ändere, dass erstens die Fälligkeit sämtlicher Leistungen um die Dauer des Stundungszeitraumes nach hinten verschoben werde und die antragstellenden Parteien zweitens – nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (vgl OGH 22.12.2021, 3 Ob 189/21x) – ihren Anspruch auf Zahlung von Kreditzinsen für diesen Zeitraum verlören. Die den antragstellenden Parteien vertraglich zustehenden Zinsforderungen würden ihnen nachträglich entzogen.
Der Gesetzgeber habe diesen Eingriff in das Eigentumsgrundrecht aus sozial- und wirtschaftspolitischen Erwägungen für erforderlich gehalten. Die angefochtene Regelung verfolge den Zweck, Verbraucher und Kleinstunternehmen vor einer krisenhaften Überschuldung zu bewahren. Darin könne zwar grundsätzlich ein schutzwürdiges öffentliches Interesse erblickt werden. Um verfassungskonform zu sein, müsse die Maßnahme jedoch auch sachlich sein, was auf die angefochtene Bestimmung nicht zutreffe. Diese belohne nämlich "unkooperative" Kreditnehmer. Wer von seinem Kreditgeber ein Angebot für eine angemessene, für beide Seiten tragbare Regelung erhalten habe, könne allein dadurch in den "Genuss" der Rechtsfolgen der angefochtenen Regelung kommen, dass er das Angebot ohne sachliche Rechtfertigung ausschlage.
Dieses "unkooperative" Verhalten verschaffe dem Kreditnehmer mehr Vorteile, nämlich den Entfall der Sollzinsen für den Stundungszeitraum, als dieser bei einem angemessenen Kompromiss mit dem Kreditgeber erzielen hätte können. Damit konterkariere der Gesetzgeber sein eigenes Regelungskonzept, weil der unkooperative Kreditnehmer jedenfalls die "Maximallösung" erhalte, nämlich die spätere Rückzahlung des Kapitals bei gleichzeitiger Befreiung von den Zinsen. Ein öffentliches Interesse an der Bevorzugung unkooperativer Kreditnehmer könne weder aus wirtschafts- noch aus sozialpolitischer Sicht bestehen.
Die Rechtsfolgen der angefochtenen Bestimmung knüpften zudem ausschließlich an das Nichtzustandekommen eines Einvernehmens zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer. Ob der Kreditnehmer die Vergünstigungen am Ende des Stundungszeitraumes überhaupt noch benötige, sei nach dem Gesetz irrelevant.
Darüber hinaus sei der Eingriff in laufende Verträge unverhältnismäßig, weil er einseitig zu Lasten eines Vertragspartners gehe. Die angefochtene Bestimmung halte für den Fall des Nichtzustandekommens einer einvernehmlichen Regelung zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer für die Zeit nach der Stundung ausschließlich Vorteile für den Kreditnehmer und ausschließlich Nachteile für den Kreditgeber bereit. Dies sei daher für den Kreditnehmer keine "Notlösung", sondern die "Ideallösung".
Die rückwirkende Befreiung des Kreditnehmers von den Kreditzinsen für den Stundungszeitraum sei zudem aus zwei Gründen nicht erforderlich. Einerseits befreie das Gesetz auch solche Kreditnehmer von der Pflicht zur Zahlung von Zinsen für den Stundungszeitraum, die zu diesem Zeitpunkt von den Pandemiefolgen gar nicht mehr betroffen seien. Andererseits sei eine endgültige Zahlungsbefreiung auch deshalb nicht erforderlich, weil das Gesetz bloß vorübergehenden Liquiditätsengpässen entgegenwirken solle. Dafür sei bereits die Stundung der Raten und Zinsen ausreichend, insbesondere wenn diese mit einer Verlängerung der Kreditvertragslaufzeit sowie einer Verschiebung sämtlicher Fälligkeitstermine um die Dauer der Verlängerung einhergehe.
2.1.2. Die Bundesregierung hält diesem Vorbringen der antragstellenden Parteien zunächst entgegen, die angefochtene Bestimmung liege im öffentlichen Interesse, sei sachlich gerechtfertigt und auch verhältnismäßig.
Zur behaupteten Ungleichbehandlung von Kreditgebern und Wohnungsvermietern sei zu bemerken, dass sich Wohnungsmietverträge bereits in ihren Wesenselementen von Verbraucherkreditverträgen unterschieden, weshalb differenzierende Regelungen – so diese überhaupt am Gleichheitsgrundsatz zu messen seien – sachgerecht seien und im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers lägen.
Hinsichtlich des Vorbringens der Antragsteller, dass es sich bei der Ungleichbehandlung von Kreditgebern und Wohnungsvermietern um ein gleichheitswidriges Sonderopfer der Kreditgeber handle, weist die Bundesregierung auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes hin, wonach der Gesetzgebung in der Frage der Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie ein weiter rechtspolitischer Gestaltungsspielraum zukomme (vgl VfSlg 20.397/2020). Wenn sich die Gesetzgebung daher dazu entscheide, im Interesse des Verbraucherschutzes eine Regelung vorzusehen, die verhindern soll, dass Verbraucher auf Grund der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie in eine wirtschaftliche Notlage geraten, und zu diesem Zweck gemäß §2 Abs1 und 6 2. COVID-19-JuBG eine zehnmonatige (kostenlose) Stundung der Forderungen der Kreditgeber vorsehe, dabei aber den Anspruch auf alle im Kreditvertrag vereinbarten Zahlungspflichten des Verbrauchers ansonsten unberührt lasse, könne darin kein gleichheitsrechtlich bedenkliches Sonderopfer erblickt werden (unter Verweis auf Haghofer, COVID-19-Pandemie: Gesetzgeber schützt betroffene Kreditnehmer, VbR 2020, 84; OGH 22.12.2021, 3 Ob 189/21x, Rz 19; VfSlg 12.227/1989, 14.500/1996, 20.285/2018). Der Gesetzgeber habe darüber hinaus die gesetzliche Stundung gemäß §2 2. COVID-19-JuBG nicht als isolierte Maßnahme erlassen, sondern als Teil eines umfangreichen Maßnahmen- und Rettungspaketes, das darauf abzielte, die Folgen der COVID-19-Pandemie insgesamt abzufedern. Der Gesetzgeber habe dabei nach Auffassung der Bundesregierung den ihm zustehenden weiten rechtspolitischen Gestaltungsspielraum nicht überschritten.
Die Bedenken der antragstellenden Parteien in Bezug auf eine Ungleichbehandlung der Kreditnehmer untereinander gingen insofern ins Leere, weil es allen Kreditnehmern unbenommen sei, die gesetzliche Regelung in Anspruch zu nehmen (unter Hinweis auf OGH 22.12.2021, 3 Ob 189/21x, Rz 21). Eine unsachliche Differenzierung könne schon deshalb nicht vorliegen, weil die Stundungsregelung des §2 2. COVID-19-JuBG alle – im Sinne des §2 Abs1 2. COVID-19-JuBG in Zahlungsschwierigkeiten geratene – Kreditnehmer gleichermaßen betreffe.
Letztlich liege auch keine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Unverletzlichkeit des Eigentums vor, weil ein allfälliger Eigentumseingriff im öffentlichen Interesse und aus den zum Gleichheitsgrundsatz angeführten Gründen sachlich gerechtfertigt und verhältnismäßig sei.
2.2. Die maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:
2.2.1. Im Zuge der COVID-19-Pandemie führte der Gesetzgeber mit §2 des 2. Bundesgesetzes betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 in der Justiz (2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz – 2. COVID-19-JuBG), BGBl I 24/2020, – ausweislich der Überschrift der Bestimmung – Sonderregelungen betreffend die "Verschiebung der Fälligkeit von Zahlungen bei Kreditverträgen" ein.
In Bezug auf Verbraucherkreditverträge, die vor dem 15. März 2020 abgeschlossen wurden, gilt demnach, dass Ansprüche des Kreditgebers auf Rückzahlung, Zins- oder Tilgungsleistungen, die zwischen 1. April 2020 und 30. Juni 2020 fällig wurden, mit Eintritt der Fälligkeit für die Dauer von drei Monaten gestundet werden, wenn der Verbraucher aufgrund der durch die Ausbreitung der COVID-19-Pandemie hervorgerufenen außergewöhnlichen Verhältnisse Einkommensausfälle hat, die dazu führen, dass ihm die Erbringung der geschuldeten Leistung nicht zumutbar ist (§2 Abs1 erster Satz 2. COVID-19-JuBG idF BGBl I 24/2020). Diese dreimonatige Stundung wurde zunächst auf sieben (BGBl I 58/2020) und dann auf insgesamt zehn Monate (BGBl I 113/2020) verlängert.
Gemäß §2 Abs1 dritter Satz 2. COVID-19-JuBG befindet sich der Kreditnehmer mit der Zahlung seiner Leistungen während des Stundungszeitraumes nicht in Verzug; während dieser Zeit fallen daher keine Verzugszinsen an. Eine Frist, nach deren Ablauf für die gestundete Forderung bestellte Sicherheiten nicht mehr in Anspruch genommen werden können, wird durch die Stundung derart verlängert, dass dem Kreditgeber für die Inanspruchnahme der Sicherheit nach der letzten Fälligkeit einer besicherten Forderung dieselbe Zeit zur Verfügung steht wie nach den Vereinbarungen, die vor der Stundung gegolten haben (§2 Abs1 vierter Satz 2. COVID-19-JuBG).
Gemäß §2 Abs2 2. COVID-19-JuBG hat der Kreditnehmer das Recht, in dem in Abs1 leg cit genannten Zeitraum seine vertraglichen Zahlungen zu den ursprünglich vereinbarten Leistungsterminen weiter zu erbringen. Soweit der Kreditnehmer die Zahlungen vertragsgemäß leistet, gilt die Stundung als nicht erfolgt. Darüber hinaus können die Vertragsparteien von den Regelungen des Abs1 leg cit abweichende Vereinbarungen treffen, insbesondere über mögliche Teilleistungen, Zins- und Tilgungsanpassungen oder Umschuldungen (§2 Abs3 2. COVID-19-JuBG). Kündigungen des Kreditgebers wegen Zahlungsverzugs oder wesentlicher Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Verbrauchers sind bis zum Ablauf der Stundung gemäß §2 Abs1 2. COVID-19-JuBG ausgeschlossen. Davon darf nicht zu Lasten des Verbrauchers abgewichen werden.
Darüber hinaus soll der Kreditgeber dem Verbraucher gemäß §2 Abs5 2. COVID‑19-JuBG ein Gespräch über die Möglichkeit einer einvernehmlichen Regelung und über mögliche Unterstützungsmaßnahmen anbieten. Kommt eine solche einvernehmliche Regelung für den Zeitraum nach dem 31. Jänner 2021 nicht zustande, verlängert sich gemäß §2 Abs6 erster Satz 2. COVID‑19-JuBG die Vertragslaufzeit um zehn Monate. Nach dem – mit dem vorliegenden Antrag angefochtenen – zweiten Satz dieser Bestimmung wird die jeweilige Fälligkeit der vertraglichen Leistungen um diese Frist hinausgeschoben. Der Kreditgeber hat dem Verbraucher eine Ausfertigung des Vertrags zur Verfügung zu stellen, in der die vereinbarten Vertragsänderungen oder die sich aus §2 Abs6 erster Satz sowie aus §2 Abs1 erster Satz 2. COVID-19-JuBG ergebenden Vertragsänderungen berücksichtigt sind.
Gemäß §2 Abs7 2. COVID-19-JuBG gelten die dargestellten Regelungen auch für Kreditverträge mit näher definierten Kleinstunternehmen.
2.2.2. In seiner Entscheidung vom 22. Dezember 2021, 3 Ob 189/21x, sprach der Oberste Gerichtshof aus, dass Kreditgeber den Kreditnehmern für den Zeitraum der Stundung keine Sollzinsen verrechnen dürfen, die durch die angefochtene Bestimmung bewirkte Verlängerung der Kreditverträge sohin unentgeltlich zu erfolgen habe (vgl zu dieser Entscheidung Herndl, Die Kreditverzinsung nach dem 2. COVID-19-JuBG. Besprechung von OGH 3 Ob 189/21x, VbR 2022, 80; Kaban, COVID-19-Kreditmoratorium: Sollzinsen oder keine Sollzinsen, das ist hier die Frage! Anmerkungen zu OGH 3 Ob 189/21x, ZFR 2022, 212; Koch, Sind während des Moratoriums nach §2 2. COVID-19-JuBG Zinsen angefallen? Eine Besprechung der E des OGH 3 Ob 189/21x, ÖBA 2022, 179; Stabentheiner, Das Zivilrecht in der Krise – Gedanken zu seiner Funktionsfähigkeit im Krisenfall, JBl 2022, 409 [FN 11]; I. Vonkilch, Kreditmoratorium (§2 2. COVID-19-JuBG): Sollzinsen im Stundungszeitraum? Besprechungsaufsatz zu 3 Ob 189/21x, Zak 2022, 184):
Gemäß §2 Abs6 2. COVID-19-JuBG trete in bestimmten Fällen eine automatische Verlängerung der Laufzeit des Kreditvertrages um den zehnmonatigen Stundungszeitraum ein. Das Gesetz ordne für diese Fälle an, dass die jeweilige Fälligkeit der vertraglichen Leistungen um diese Frist hinausgeschoben werde. Der Vertrag werde im Anschluss an die gesetzliche Stundung wie ursprünglich vereinbart fortgesetzt; lediglich die Fälligkeit jeder einzelnen Leistung werde um (letztlich) zehn Monate verschoben. Vor diesem Hintergrund dürften den Kreditnehmern aber (mangels anderslautender Vereinbarung) keine Sollzinsen für die Monate April 2020 bis Jänner 2021 – zusätzlich zu den laufenden regulären Raten – angelastet werden. Dies ergebe sich aus dem "Wortlaut des §2 Abs6 des 2. COVID-19-JuBG".
2.3. Vorweg ist festzuhalten, dass sich die antragstellenden Parteien ausdrücklich nicht gegen das durch §2 Abs1 und 6 2. COVID-19-JuBG bewirkte Kreditmoratorium an sich wenden, sondern ausschließlich dagegen, dass sie – mangels einer anderslautenden Vereinbarung mit dem Kreditnehmer gemäß §2 Abs5 2. COVID‑19-JuBG – ihr Kapital während des Kreditmoratoriums unentgeltlich zur Verfügung stellen müssen.
2.4. Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes verstößt die angefochtene Regelung in der ihr vom Obersten Gerichtshof beigemessenen Auslegung nicht gegen das Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums gemäß Art5 StGG und Art1 1. ZPEMRK.
2.4.1. Den Schutz des Art5 StGG genießt jedes vermögenswerte Privatrecht (vgl zB VfSlg 8201/1977, 9887/1983, 10.322/1985 und 16.636/2002). Dazu zählt auch die Privatautonomie (VfSlg 12.227/1989, 17.071/2003, 18.829/2009, 19.873/2014). Auch das Recht, bestimmte Verträge abzuschließen oder nicht abschließen zu müssen, ist vom Schutzbereich des Grundrechts erfasst (VfSlg 20.285/2018). Gesetzliche Maßnahmen, die einen privatrechtlichen Vertrag unmittelbar verändern, greifen allein schon dadurch in das Eigentumsrecht beider Vertragsteile ein (vgl VfSlg 12.227/1989, 14.075/1995, 17.817/2006, 20.285/2018).
Die angefochtene Regelung greift insofern in die Privatautonomie der Vertragsparteien ein, als die Fälligkeit der Leistungen aus dem Kreditvertrag – mangels einer anderslautenden Vereinbarung gemäß §2 Abs5 2. COVID-19-JuBG – für die Dauer von zehn Monaten gesetzlich hinausgeschoben wird. Die angefochtene Regelung bildet bereits auf Grund dieser Verschiebung der Fälligkeit von Zahlungsverpflichtungen in laufenden Verträgen einen Eingriff in das Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums nach Art5 StGG bzw Art1 1. ZPEMRK. Dieser Eingriff ist als Eigentumsbeschränkung der antragstellenden Parteien zu qualifizieren, weil ihnen dadurch die Möglichkeit genommen wird, ihr Kapital für einen Zeitraum von zehn Monaten, um den die Fälligkeit der Zahlungsverpflichtungen hinausgeschoben wird, anderweitig zu verwenden.
2.4.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl dazu VfSlg 6780/1972 und die dort angeführte Vorjudikatur; VfSlg 12.227/1989, 15.367/1998, 15.771/2000) gilt der erste Satz des Art5 StGG auch für Eigentumsbeschränkungen. Der Gesetzgeber kann aber angesichts des in Art1 1. ZPEMRK enthaltenen Gesetzesvorbehalts Eigentumsbeschränkungen verfügen, soweit die Eigentumsbeschränkung im öffentlichen Interesse liegt (vgl zB VfSlg 9911/1983, 14.535/1996, 15.577/1999 und 17.071/2003) und nicht unverhältnismäßig ist (vgl etwa VfSlg 13.587/1993, 14.500/1996, 14.679/1996, 15.367/1998 und 15.753/2000).
2.4.3. Die angefochtene Bestimmung in ihrer Auslegung durch den Obersten Gerichtshof stellt keinen unverhältnismäßigen Eingriff in das Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentumes dar.
Vorweg ist festzuhalten, dass das – von den antragstellenden Parteien ausdrücklich nicht angegriffene – Kreditmoratorium und die dadurch bewirkte Verlängerung der Kreditverträge für sich genommen grundsätzlich einen erheblichen Eingriff in die Privatautonomie der Kreditinstitute und damit auch in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Eigentums darstellen.
Die angefochtene Regelung greift zunächst nachträglich in bestehende Kreditverträge zwischen Privaten ein und bewirkt – bei dem Verständnis, das der Oberste Gerichtshof der angefochtenen Bestimmung zugrunde legt –, dass die Kosten für das Kreditmoratorium einseitig und pauschal von den Kreditgebern zu tragen sind. Sie bewirkt im Ergebnis, dass die Kreditinstitute ihr Kapital für (zusätzliche) zehn Monate zur Verfügung stellen müssen, ohne dafür vom (dadurch begünstigten) Kreditnehmer ein Entgelt verlangen zu können. Auf diese Weise haben einzelne Privatrechtssubjekte, nämlich Kreditinstitute, welche Kredite an Verbraucher und Kleinstunternehmen vergeben haben, die dem gesetzlichen Moratorium unterfallen, die Kosten im Interesse der Allgemeinheit zu tragen.
Der Verfassungsgerichtshof hegt keinen Zweifel daran, dass die angefochtene Bestimmung dem öffentlichen Interesse des Schutzes der von der Pandemie betroffenen Verbraucher und Kleinstunternehmen dient. Die angefochtene Bestimmung soll diese Gruppen vor negativen Konsequenzen bewahren, die dadurch entstehen können, dass auf Grund der COVID-19-Pandemie und der dadurch vielfach verursachten Einkommensverluste laufende Kreditraten (samt Zinsverbindlichkeiten) nicht beglichen werden können. Die angefochtene Bestimmung, welche die Fälligkeit der Leistungen aus dem Kreditvertrag für die Dauer von zehn Monaten hinausschiebt und für die Dauer des Kreditmoratoriums eine Zinsfreistellung bewirkt, ist auch geeignet, dieses Ziel zu erreichen, weil den Kreditnehmern dadurch Zeit verschafft wird, das für die Rückzahlung erforderliche Kapital bereitzustellen.
2.4.4. Eine solche Tragung der Kosten durch alle Kreditinstitute ist durch Gründe von entsprechendem Gewicht zu rechtfertigen, anderenfalls sich die angefochtene Regelung aus den in der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes angeführten Gründen als verfassungswidrig erwiese (vgl VfSlg 12.227/1989 und 17.326/2004). Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes bestehen jedoch im konkreten Fall solche Rechtfertigungsgründe von entsprechendem Gewicht. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass einige Gesichtspunkte die Erheblichkeit des Eigentumseingriffes relativieren (können):
Zunächst ist auf die Regelungen in §2 Abs1 2. COVID-19-JuBG zu verweisen, welche den Anwendungsbereich des Kreditmoratoriums festlegen: Danach gilt das Kreditmoratorium (nur dann), "wenn der Verbraucher aufgrund der durch die Ausbreitung der COVID-19-Pandemie hervorgerufenen außergewöhnlichen Verhältnisse Einkommensausfälle hat, die dazu führen, dass ihm die Erbringung der geschuldeten Leistung nicht zumutbar ist. Nicht zumutbar ist dem Kreditnehmer die Erbringung der Leistung insbesondere dann, wenn sein angemessener Lebensunterhalt oder der angemessene Lebensunterhalt seiner Unterhaltsberechtigten gefährdet ist." Auf Grund dieser Regelungen wird deutlich, dass der Gesetzgeber das Kreditmoratorium nur auf solche Sachverhalte angewendet wissen wollte, in denen sich der betroffene Kreditnehmer in einer derart unzumutbaren Lage befand, dass er voraussichtlich (ohnehin) die Kreditzahlungsverpflichtungen (zumindest vorübergehend) nicht erfüllen hätte können. Wenn nun der Gesetzgeber für eben diesen besonderen Sachverhalt ein (zinsloses) Kreditmoratorium statuiert, greift er zwar nachträglich in die vertraglichen Regelungen zwischen dem Kreditinstitut und dem Kreditnehmer ein; es kann aber nicht ohne weiteres von einem gravierenden Eingriff in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Eigentums der Kreditinstitute gesprochen werden.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Verfassungsgerichtshof brachten die antragstellenden Parteien in diesem Zusammenhang vor, dass die überwiegende Zahl der antragstellenden Parteien die in §2 Abs1 2. COVID-19-JuBG normierten Voraussetzungen für das Kreditmoratorium in Bezug auf die einzelnen Kreditnehmer überhaupt nicht geprüft hatten, sodass ein wesentlicher Teil der Kreditnehmer in den Genuss des (zinslosen) Kreditmoratoriums kommen konnte.
Hätten alle antragstellenden Parteien – wie vom Gesetzgeber vorgesehen – das Kreditmoratorium nur auf die von §2 Abs1 2. COVID-19-JuBG erfassten Kreditnehmer angewendet, wären die von den antragstellenden Parteien angegebenen Rückstellungen für Zinszahlungen möglicherweise von vornherein erheblich geringer gewesen.
Darüber hinaus ist zu bedenken, dass es auch ohne das gesetzlich festgelegte Kreditmoratorium fraglich gewesen wäre, ob die von §2 Abs1 2. COVID-19-JuBG erfassten Kreditnehmer überhaupt in der Lage gewesen wären, ihre Verpflichtungen aus den Kreditverträgen mit den antragstellenden Parteien zu erfüllen. Auch dies ist bei der Beurteilung der Erheblichkeit des Eingriffes in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Eigentums der antragstellenden Parteien (mit) zu berücksichtigen.
Weiterhin ist zu beachten, dass sich die Erheblichkeit des Eigentumseingriffes auch wesentlich nach den konkreten Kreditverhältnissen (insbesondere Dauer des Kreditvertrages, fixe oder variable Verzinsung, Fälligkeitsregelungen usw) bestimmt. Die antragstellenden Parteien haben in diesem Zusammenhang nicht näher dargelegt, welche gesamthaften Auswirkungen die angefochtene Bestimmung in den jeweiligen Sachverhaltskonstellationen nach sich gezogen hat.
2.5. Ungeachtet dieser Gesichtspunkte, welche die Erheblichkeit des Eigentumseingriffes relativieren (können), erscheint es nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes schon alleine aus einem anderen Grund als gerechtfertigt, dass die Kreditinstitute (und damit die antragstellenden Parteien) die Kosten für das zinslose Kreditmoratorium tragen. In einer Gesamtbetrachtung standen den Nachteilen aus dem zinslosen Kreditmoratorium nämlich bestimmte Maßnahmen gegenüber, die eine Abfederung der in Rede stehenden wirtschaftlichen Auswirkungen bewirkten:
Wie die Bundesregierung in der mündlichen Verhandlung vor dem Verfassungsgerichtshof und in der Folge in ihrer Stellungnahme zutreffend ausgeführt hat, hat vor allem die EZB zahlreiche wesentliche geldpolitische, aber auch (zum Teil gemeinsam mit der EBA) einige bankaufsichtsrechtliche Maßnahmen gesetzt, um die Folgen der COVID-19-Pandemie für die Kreditinstitute und die Realwirtschaft abzufedern, wobei von letztem auch wiederum die Kreditinstitute (mittelbar) begünstigt wurden. In diesem Sinne fasste die EZB zahlreiche geldpolitische und bankaufsichtsrechtliche Beschlüsse:
So erweiterte die EZB am 30. April 2020 – ausdrücklich als Antwort auf die COVID‑19-Pandemie – ihre gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte (Targeted Longer-Term Refinancing Operations [TLTRO III]; vgl zu diesen Geschäften auch schon den geldpolitischen Beschluss der EZB vom 12. März 2020). Im Rahmen dieser gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte bot die EZB den Kreditinstituten günstige, langfristige Kredite mit dem Anreiz an, die Geldmittel gezielt für die Kreditvergabe an Verbraucher und Unternehmen im Euroraum zu verwenden. Kreditinstitute konnten für eine Dauer von drei Jahren Kredite zu einem Zinssatz von ‑0,5 % aufnehmen. Darüber hinaus erhielten Banken, die Unternehmen und Verbrauchern Kredite ab einer bestimmten Schwelle gewährten, einen noch niedrigeren Zinssatz von bis zu -1 % p.a.
Des Weiteren kündigte die EZB am 30. April 2020 sogenannte pandemische längerfristige Notfall-Refinanzierungsgeschäfte (Pandemic Emergency Longer-Term Refinancing Operations [PELTRO]) an. Diese sollten den Kreditinstituten bis Ende September 2021 ausreichend Liquidität zur Verfügung stellen. Die pandemischen längerfristigen Notfall-Refinanzierungsgeschäfte ermöglichten Kreditinstituten mit einem Kreditportfolio, welches nicht für die zuvor erläuterten gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte in Frage kam, sowie Kreditinstituten, welche die TLTRO III‑Limits bereits ausgeschöpft hatten, weiterhin Zugang zu sehr günstiger Liquidität.
Weiterhin hat die EZB die Anforderungen an die zu hinterlegenden Sicherheiten für die Refinanzierungsgeschäfte gelockert: Um den Kreditinstituten die Teilnahme an den Refinanzierungsprogrammen, wie zB den TLTRO III, zu erleichtern, hat die EZB etwa die Liste jener Vermögenswerte erweitert, die von ihr als Sicherheiten anerkannt werden.
Auch in ihrer Rolle als Bankenaufsichtsbehörde für die Eurozone hat die EZB im Zuge der COVID-19-Pandemie Maßnahmen ergriffen, um die Möglichkeiten der Kreditvergabe durch die Kreditinstitute zu erhöhen. Am 12. März 2020 kündigte die EZB etwa an, dass die Kreditinstitute die Kapital- und Liquiditätspuffer, die sie in den letzten Jahren im Zuge einer strengen Regulierung angesammelt hatten, nunmehr zur Kreditvergabe an Verbraucher, Unternehmer und andere Kreditinstitute nutzen durften. Dabei wurde seitens der EZB von den Kreditinstituten erwartet, dass diese das zusätzliche Kapital zur Unterstützung des privaten Sektors einsetzen und den gewährten finanziellen Spielraum nicht dazu nutzen würden, Dividendenzahlungen zu erhöhen oder Aktienrückkäufe zu tätigen.
Bereits am 20. März 2020 lockerte die EZB zudem die Regeln, nach welchen Kredite als sogenannte notleidende Kredite klassifiziert werden mussten. Auf Grund der Erwartung, dass im Zuge der COVID-19-Pandemie unter Umständen bisher erstklassige Kreditnehmer vorübergehend Schwierigkeiten haben könnten, ihre Kredite zu bedienen, hatten die Banken auf Grund dieser Lockerungen mehr Flexibilität bei der Einstufung von Krediten als notleidende Kredite.
Vor dem Hintergrund aller dieser Maßnahmen der EZB, insbesondere der äußerst günstigen Refinanzierungskonditionen, welche (auch) den antragstellenden Parteien zugute kamen oder zugute kommen konnten, ist es nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes sachlich gerechtfertigt, wenn der Gesetzgeber in der angefochtenen Bestimmung (im Verständnis dieser Regelung im Sinne der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes) anordnet, dass Kosten, die im Interesse der Allgemeinheit zur Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der COVID‑19-Pandemie für Verbraucher und Kleinstunternehmen entstehen (vgl dazu sinngemäß VfSlg 20.397/2020), von Kreditinstituten zu tragen sind.
2.6. Bei dieser Beurteilung ist zu berücksichtigen, dass die angeführten Maßnahmen der EZB zwar teilweise bereits vor dem Beginn der COVID-19-Pandemie dem Grunde nach bestanden haben (insbesondere die TLTRO III); nach dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie wurden die TLTRO III jedoch verlängert und erheblich erweitert sowie zudem ein (noch) günstigerer Refinanzierungszinssatz als zuvor festgelegt. Darüber hinaus setzte die EZB weitere geldpolitische Maßnahmen ausdrücklich aus Anlass der COVID-19-Pandemie (insbesondere die PELTRO).
Der Verfassungsgerichtshof teilt daher das Argument der antragstellenden Parteien nicht, dass die Maßnahmen der EZB – mangels eines inhaltlichen Bezuges zur COVID-19-Pandemie – bei der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der vorliegenden Eigentumsbeschränkung grundsätzlich nicht in Anschlag gebracht werden können.
Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass die genannten Maßnahmen der EZB nicht für bereits abgeschlossene Kreditverträge (mit Verbrauchern und Kleinstunternehmen), sondern nur für neue Geschäfte anwendbar sein sollten, dass sie zudem nicht auf Wohnbaukredite anwendbar waren und primär darauf abzielten, die Realwirtschaft zu stützen und mit günstigem Kapital zu versorgen. In der hier anzustellenden Gesamtbetrachtung führen nämlich die günstigen Refinanzierungsmöglichkeiten, welche die EZB den Kreditinstituten – entsprechend ihrer Rolle als Finanzintermediäre – anbot, insgesamt zu einer (nicht unwesentlichen) Erleichterung ihrer geschäftlichen Tätigkeiten.
2.7. Entgegen der Auffassung der antragstellenden Parteien ist es auch nicht belangvoll, ob die günstigen Refinanzierungskonditionen und die sonstigen Ausgleichsmaßnahmen im Zuge der COVID-19-Pandemie durch die EZB oder durch den österreichischen Staat eingeräumt wurden. Abgesehen davon, dass die EZB – gemeinsam mit den National- bzw Zentralbanken der Staaten des Euroraums (Europäisches System der Zentralbanken) – eine umfassende und ausschließliche Zuständigkeit für den Bereich der gemeinschaftlichen Geldpolitik hat (vgl Art127 AEUV), steht es dem nationalen Gesetzgeber frei, an besondere geldpolitische (und auch bankaufsichtsrechtliche) Maßnahmen, welche den Kreditinstituten durch die EZB als dem dafür ausschließlich zuständigen Organ der Europäischen Union eingeräumt werden, anzuknüpfen und diesen im Gegenzug dafür bestimmte, im Allgemeininteresse entstehende Kosten aufzuerlegen.
2.8. Ob durch die genannten Maßnahmen der EZB ein umfassender Ausgleich für die den antragstellenden Parteien auf Grund des §2 Abs6 zweiter Satz 2. COVID‑19-JuBG entstehenden Belastungen bewirkt wird, kann nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes dahinstehen; es reicht vielmehr aus, dass es – in einer Gesamtbetrachtung – zu einer hinreichenden Abfederung der wirtschaftlichen Auswirkungen gekommen ist (vgl dazu sinngemäß VfSlg 20.397/2020).
Der von den antragstellenden Parteien in ihrem Antrag behauptete Verstoß der angefochtenen Regelung gegen das Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Eigentums gemäß Art5 StGG und Art1 1. ZPEMRK liegt sohin nicht vor.
2.9. Zum behaupteten Verstoß gegen Gleichheitsgrundsatz gemäß Art7 B‑VG
Die Ausführungen zur Übereinstimmung der angefochtenen Regelung mit dem Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Eigentums gelten sinngemäß auch für die von den antragstellenden Parteien vorgetragenen gleichheitsrechtlichen Bedenken. Die angefochtene Bestimmung verstößt aus den dargestellten Gründen auch nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz.
Soweit die antragstellenden Parteien einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz darin erblicken, dass der Gesetzgeber Kreditgeber und Wohnungsvermieter unterschiedlich behandelt habe, ist dem – in Übereinstimmung mit den Ausführungen in der Äußerung der Bundesregierung – zu entgegnen, dass es sich dabei um unterschiedliche Sachverhalte handelt, die nicht am Maßstab des Gleichheitsgrundsatzes gemessen werden können.
V. Ergebnis
1. Der Antrag auf Aufhebung des §2 Abs6 zweiter Satz des 2. Bundesgesetzes betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 in der Justiz (2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz – 2. COVID-19-JuBG), BGBl I 24/2020, idF BGBl I 113/2020 ist sohin abzuweisen.
2. Im Übrgen ist der Antrag zurückzuweisen.
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