VfGH A2/11

VfGHA2/1123.11.2012

Zurückweisung einer Staatshaftungsklage mangels eines hinreichend qualifizierten Verstoßes einer Entscheidung des VwGH gegen Unionsrecht; kein offenkundiges Verkennen einschlägiger Rechtsprechung des EuGH durch Abweisung des Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung im Zusammenhang mit dem Übertritt eines Universitätsprofessors in den Ruhestand

Normen

B-VG Art137 / sonstige Klagen
BDG 1979 §163 Abs1
B-VG Art137 / sonstige Klagen
BDG 1979 §163 Abs1

 

Spruch:

Die Klage wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Sachverhalt und Klagebegehren

1. Mit seiner auf Art137 B-VG gestützten Klage gegen den Bund begehrt der Kläger aus dem Titel der "Staatshaftung wegen judikativen Unrechts" die

"Feststellung [...], dass der Bund/die Republik Österreich dem Kläger wegen der Abweisung des Antrages des nunmehrigen Klägers vom 24.9.2010 auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes / Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß §30 Abs2 VwGG durch den Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 13. Oktober 2010, Zl. 2010/12/169-6, für sämtliche Schäden haftet, die dem Kläger durch die Nichteinräumung vorläufigen Rechtsschutzes erwachsen, insbesondere

1. für den Schaden, der daraus erwächst, dass der Kläger bis zu jenem Zeitpunkt,

* zu dem das BMWF nach Aufhebung des Bescheides des BMWF vom 16. September 2010, GZ BMWF-550537/0005-I/VPU/2010, durch den Verwaltungsgerichtshof ein (der Rechtsmeinung des Verwaltungsgerichtshofes Rechnung tragender) neuer, rechtmäßiger Bescheid ('Ersatzbescheid') erlassen ist;

* oder die Bescheidbeschwerde des Beschwerdeführers vom 24.9.2010, Zl 2010/12/0168, durch den Verwaltungsgerichtshof abgewiesen ist,

* längstens aber bis zu dem Zeitpunkt, zu dem der Beschwerdeführer gegenüber dem Dienstgeber die unwiderrufliche schriftliche Erklärung abgibt, aus dem aktiven Dienststand ausscheiden zu wollen.

nicht mehr das Gehalt eines Universitätsprofessors des Aktivstandes (einschließlich der Dekanszulage bis zum 30.9.2012, der Kollegiengeldabgeltung usw) erhält, sondern seit 1.10.2010 nur noch die Pension gemäß dem PG 1965;

2. für den Pensionsschaden, der daraus resultiert, dass der Kläger künftig eine niedrigere Pension erhalten wird, als wenn er über den 30.9.2010 hinaus bis zu dem unter Punkt 1 genannten Zeitpunkt als Universitätsprofessor des Dienststandes gearbeitet und Pensionsbeiträge geleistet hätte." (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)

2. Dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Oktober 2010, 2010/12/0169, lag folgender Sachverhalt zugrunde:

2.1. Der Kläger beendete am 25. April 2010 sein

65. Lebensjahr. Er war zuletzt als Universitätsprofessor an der Universität Innsbruck beschäftigt und trat mit Ablauf des 30. September 2010 gemäß §163 Abs1 des Bundesgesetzes vom 27. Juni 1979 über das Dienstrecht der Beamten (Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 - BDG 1979), BGBl. 333/1979 idF BGBl. I 130/2003, (in der Folge: BDG), in den Ruhestand.

2.2. Zuvor stellte der Kläger am 8. Dezember 2009 an das Amt der Universität Innsbruck den Antrag auf Feststellung des Fortbestehens seines Professorendienstverhältnisses über den 30. September 2010 hinaus. Dies begründete der Kläger im Wesentlichen damit, dass §163 Abs1 BDG mit seiner starren Altersgrenze eine unionsrechtlich verbotene Altersdiskriminierung beinhalte, wobei das unionsrechtliche Verbot der Altersdiskriminierung Anwendungsvorrang vor entgegenstehenden nationalen Bestimmungen (wie §163 Abs1 BDG) genieße. Mit Schriftsatz vom 29. Jänner 2010 stellte der Kläger beim Amt der Universität Innsbruck zudem den Antrag, dem Bund im Wege einer einstweiligen Verfügung aufzutragen, den Kläger "über den 30. September 2010 hinaus als Universitätsprofessor in einem Beamtenverhältnis des Dienststandes zu behandeln", bis der Kläger eine Erklärung abgebe, aus dem Dienststand ausscheiden zu wollen.

Mit Bescheid vom 15. März 2010 stellte das Amt der Universität Innsbruck zum Antrag vom 8. Dezember 2009 fest, dass der Kläger mit Ablauf des Studienjahres, in dem er das 65. Lebensjahr vollendet habe, also mit 30. September 2010, gemäß §163 Abs1 BDG in den Ruhestand trete (Spruchpunkt I.). Der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung vom 29. Jänner 2010 wurde als unzulässig zurückgewiesen (Spruchpunkt II.).

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 24. März 2010 Berufung und beantragte, dieser die aufschiebende Wirkung nach §12 Abs2 des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren in Dienstrechtsangelegenheiten

(Dienstrechtsverfahrensgesetz 1984 - DVG), BGBl. 29/1984 idF BGBl. I 80/2005, auszusprechen. Mit Bescheid vom 27. April 2010 wurde der Antrag, der gegen den Bescheid des Amtes der Universität Innsbruck vom 15. März 2010 eingebrachten Berufung die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, abgewiesen. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 10. Mai 2010 Berufung.

Nach zuvor eingebrachten Säumnisbeschwerden vom 27. Juli 2010 (hinsichtlich des Verfahrens über die Berufung des Klägers gegen den Bescheid vom 15. März 2010 sowie bezüglich des Antrags des Klägers vom 29. Jänner 2010 auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung), welche vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 16. September 2010 zurückgewiesen wurden (wie auch der Antrag des Klägers, der Verwaltungsgerichtshof möge auf unionsrechtlicher Basis eine vorläufige Anordnung erlassen, welche inhaltlich im Wesentlichen mit der im Antrag vom 29. Jänner 2010 beantragten einstweiligen Verfügung ident ist), wies das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung mit Bescheid vom 16. September 2010 die Berufung gegen den Bescheid des Amtes der Universität Innsbruck vom 27. April 2010 hinsichtlich der nicht erfolgten Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung in Spruchpunkt I. ab und änderte in Spruchpunkt II. den Bescheid der genannten Behörde vom 15. März 2010 dahingehend ab, dass der Antrag vom 8. Dezember 2009 auf Feststellung, dass das Dienstverhältnis des Klägers als Beamter des aktiven Dienststandes über den 30. September 2010 hinaus weiterlaufe, abgewiesen wurde.

2.3. Gegen Spruchpunkt II. des letztgenannten

Bescheides vom 16. September 2010 erhob der Kläger Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in welcher er auch einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (erforderlichenfalls unmittelbar auf unionsrechtlicher Basis) stellte. Der Verwaltungsgerichtshof solle

"eine vorläufige Anordnung treffen [...], dass dem Bund/Republik Österreich/Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung, aufgetragen wird, den Antragsteller (und nunmehrigen Beschwerdeführer) über den 30. September 2010 hinaus als Universitätsprofessor in einem Beamtenverhältnis des Dienststandes zu behandeln, und zwar so lange,

* bis der Beschwerdeführer gegenüber dem Dienstgeber die unwiderrufliche schriftliche Erklärung abgibt, aus dem aktiven Dienststand ausscheiden zu wollen"

bzw. - (nach zuvor erfolgtem Auftrag an den Kläger, eine Präzisierung seines Antrags vorzunehmen) gemäß dem Schriftsatz des Klägers vom 4. Oktober 2010 -

"bis zu dem Zeitpunkt

* zu dem durch das BMWF nach Aufhebung des [angefochtenen] Bescheides [...] durch den Verwaltungsgerichtshof ein (der Rechtsmeinung des Verwaltungsgerichtshofes Rechnung tragender) neuer, rechtmäßiger Bescheid ('Ersatzbescheid') erlassen ist,

* oder die [vorliegende] Bescheidbeschwerde [...] durch den Verwaltungsgerichtshof abgewiesen ist,

längstens aber bis zu dem Zeitpunkt, zu dem der Beschwerdeführer gegenüber dem Dienstgeber die unwiderrufliche schriftliche Erklärung abgibt, aus dem aktiven Dienststand ausscheiden zu wollen."

3. Mit Beschluss vom 13. Oktober 2010 wies der Verwaltungsgerichtshof den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung ab. Der Verwaltungsgerichtshof begründete seinen Beschluss im Wesentlichen folgendermaßen:

"Grundsätzlich ist auszuführen, dass der Verwaltungsgerichtshof der Rechtsprechung des EuGH folgend (vgl. z.B. die Urteile vom 19. Juni 1990, Rs C-213/89 , Factortame, Slg. 1990, I-2433, Rn. 21 oder vom 9. November 1995, Rs C-465/93 , Atlanta Fruchthandelsgesellschaft, Slg. 1995, I-03761) bereits mehrmals nicht ausgeschlossen hat, auf Grundlage der unmittelbaren Anwendung von Unionsrecht - über die im kassatorischen System der österreichischen Verwaltungsgerichtsbarkeit vorgegebene Möglichkeit, der gegen einen Bescheid erhobenen Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen und den angefochtenen Bescheid im Falle seiner Rechtswidrigkeit aufzuheben, hinaus - einstweilige Anordnungen mit der Wirkung zu treffen, dem Antragsteller eine Rechtsposition vorläufig einzuräumen, deren Einräumung mit dem angefochtenen Bescheid auf der Grundlage einer (möglicherweise dem Unionsrecht widersprechenden) nationalen Rechtsvorschrift verweigert wurde (vgl. z.B. die hg. Beschlüsse vom 21. März 2001, Zl. AW 2001/10/0017, oder vom 9. Dezember 2005, Zl. AW 2005/17/0016).

Nach der Rechtsprechung des EuGH können die

nationalen Gerichte einstweilige Anordnungen nur unter den Voraussetzungen treffen, die für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes durch den Gerichtshof gelten (vgl. das Urteil vom 21. Februar 1991, Zuckerfabrik Süderdithmarschen und Zuckerfabrik Soest, Rsen. C-143/88 und C-92/89 , Slg. 1991, I-00415, oder das bereits zitierte Urteil Atlanta Fruchthandelsgesellschaft). Zu diesen Voraussetzungen gehören die Glaubhaftmachung der Notwendigkeit der Erlassung der einstweiligen Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht (fumus boni iuris), das Feststehen der Dringlichkeit im Sinne der Verhinderung des Eintritts eines schweren und nicht wieder gutzumachenden Schadens beim Antragsteller und gegebenenfalls die Abwägung aller bestehenden Interessen (vgl. z. B. die Beschlüsse des Präsidenten des Gerichtshofes vom 13. Jänner 2009, Rsen. C-512/07 P(R) und C-15/08 P(R) Achille Occhetto, Slg. 2009, I-00001, und vom 24. Juli 2003, Rs C-233/03 P(R) , Linea GIG Srl, Slg. 2003, I-07911, und vom 31. Juli 2003, Rs. C-208/03 P-R , Jean-Marie Le Pen, Slg. 2003, I-07939, sowie vom 23. Oktober 2002, Republik Österreich/Kommission, Rs C-296/02 R , Slg. 2002, I- 09159, jeweils mwN, siehe auch die hg. Beschlüsse jeweils vom 9. Dezember 2005, Zl. AW 2005/17/0015 und Zl. 2005/17/0016 sowie Zl. 2005/17/0017, jeweils mwN).

Diese Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen,

sodass der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung zurückzuweisen ist, wenn eine von ihnen fehlt (vgl. z.B. die hg. Beschlüsse vom 9. Dezember 2005, Zl. AW 2005/17/0044 und Zl. AW 2005/17/0051, jeweils mwN).

Im Rahmen der Gesamtprüfung, die im Verfahren der einstweiligen Anordnung vorzunehmen ist, verfügt der zuständige Richter über ein weites Ermessen, und er kann im Hinblick auf die Besonderheiten des Einzelfalls die Art und Weise, in der die verschiedenen Voraussetzungen für die Gewährung der genannten einstweiligen Anordnungen zu prüfen sind, sowie die Reihenfolge dieser Prüfung frei bestimmen, da keine Vorschrift des Gemeinschaftsrechts ihm ein feststehendes Prüfungsschema für die Beurteilung der Erforderlichkeit einer vorläufigen Entscheidung vorschreibt (Beschlüsse vom 19. Juli 1995, Rs C-149/95 P(R) , Kommission/Atlantic Container Line u. a., Slg. 1995, I- 02165, und der bereits zitierte Beschluss Linea GIG Srl).

Zum fumus boni iuris ist auszuführen, dass in §163 Abs1 BDG 1979 eine Ungleichbehandlung wegen des Alters im Sinne der Richtlinie 2000/78/EG angeordnet wird. Ob diese mit der Richtlinie vereinbar ist, kann im Rahmen der hier vorzunehmenden summarischen Prüfung nicht abschließend beurteilt werden. Es erscheinen der Standpunkt des Beschwerdeführers und jener der belangten Behörde gleichermaßen plausibel, sodass dass sich der Antragsteller nicht auf einen besonders ausgeprägten fumus boni iuris berufen kann, ohne dass jedoch in diesem Verfahrensstadium davon ausgegangen werden kann, dass sein Vorbringen jeder rechtlichen Grundlage entbehrt. Unter diesen Umständen kann der Antrag auf Aussetzung der strittigen Rechtsfolge nicht aus diesem Grund abgelehnt werden (vgl. den bereits zitierten Beschluss Jean-Marie Le Pen, mwN).

Nach der Rechtsprechung des EuGH ist der Zweck des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes die Sicherung der vollen Wirksamkeit des Urteils in der Hauptsache. Zur Erreichung dieses Ziels müssen die begehrten Maßnahmen in dem Sinne dringlich sein, dass sie zur Verhinderung eines schweren und nicht wieder gutzumachenden Schadens für die Interessen des Antragstellers bereits vor der Entscheidung zur Hauptsache erlassen werden und ihre Wirkungen entfalten müssen (vgl. z.B. die Beschlüsse des Präsidenten des Gerichtshofs vom 25. März 1999, Claude Willeme/Kommission, C-65/99 P(R) , Slg. 1999, I-01857, und der bereits zitierte Beschluss Achille Occhetto).

[...]

Der Beschwerdeführer leitet somit einen bei ihm eintretenden nicht wieder gut zu machenden Schaden zunächst auch daraus ab, dass er die Möglichkeit verliere, seine Lehrbefugnis auszuüben und die Studierenden (insbesondere Diplomanden und Dissertanten) zu betreuen. Die belangte Behörde hat bereits zutreffend im angefochtenen Bescheid auf §104 Abs2 UG 2002 verwiesen, mit dem emeritierten

Universitätsprofessorinnen und Universitätsprofessoren sowie

Universitätsprofessorinnen und Universitätsprofessoren im Ruhestand das Recht eingeräumt wird, ihre Lehrbefugnis (venia docendi) an der Universität, an der sie vor ihrer Emeritierung oder vor ihrem Übertritt oder ihrer Versetzung in den Ruhestand in einem aktiven Arbeitsverhältnis tätig waren, weiter auszuüben und im Rahmen ihrer Lehrbefugnis Lehrveranstaltungen und Prüfungen abzuhalten. Mit der Ausübung der Lehrtätigkeit ist auch die Betreuung von Doktorarbeiten und Diplomarbeiten mitumfasst (vgl. Rainer in Mayer (Hrsg.) Kommentar UG 2002, 2. Auflage §104 II.). Obwohl die belangte Behörde das Bestehen dieser Rechte im angefochtenen Bescheid bereits dargelegt hat, behauptete der Beschwerdeführer im vorliegenden Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ohne weitere Begründung oder Erläuterung, dass er die entsprechenden Möglichkeiten als Universitätsprofessor des Ruhestandes nicht hätte. Der Eintritt eines nicht wieder gutzumachenden Schadens wird mit diesem Vorbringen nicht aufgezeigt.

Dies gilt auch für das Vorbringen, die Tätigkeit des Beschwerdeführers in der der Forschung wäre maßgeblich erschwert, weil er nicht mehr in das universitäre Umfeld eingebunden wäre und keinen Zugriff auf die universitären Ressourcen hätte sowie für das weitere Vorbringen, er hätte nicht die Möglichkeit, geplante wissenschaftliche Projekte in Angriff zu nehmen bzw. fertig zu stellen. Es ist nämlich nicht erkennbar, welche konkreten Änderungen bei der Forschungstätigkeit und der wissenschaftlichen Arbeit des Beschwerdeführers einträten, sodass weder beurteilt werden kann, welcher konkrete Schaden beim Beschwerdeführer einträte, noch wie schwer er wäre, oder ob er nicht wieder gut zu machen wäre.

Soweit der Beschwerdeführer sich darauf beruft, er würde seine Funktion als Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät nicht mehr ausüben können, seine Mitgliedschaft in diversen Gremien (Curriculumskommission der Rechtswissenschaftlichen Fakultät, Berufungskommission Arbeits- und Sozialrecht, Berufungskommission Unternehmensrecht, Qualifizierungsbeirat der Rechtswissenschaftlichen Fakultät, etc.) würde enden, es würde ihm die Möglichkeit entzogen, nach Beendigung der Dekansfunktion seinen Anspruch auf vier Forschungsfreisemester im aktiven Dienststand zu realisieren und er würde das aktive und passive Wahlrecht zu diversen Gremien verlieren, ist - ohne zu prüfen, ob dies im Einzelfall zutrifft - unter Berücksichtigung des Umstandes, dass er das Recht hat, nicht unmaßgebliche Teile seiner Aktivtätigkeit auch nach Versetzung in den Ruhestand auszuüben und dass diese Nachteile nur für die Dauer der Anhängigkeit des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof eintreten, davon auszugehen, dass bei ihm kein schwerer, nicht wieder gut zu machender Schaden eintritt, der die Erlassung einer einstweiligen Anordnung mit dem Inhalt, dass er bis zur Entscheidung in der Hauptsache Beamter des Aktivstandes zu bleiben habe, notwendig machen würde.

Für dieses Ergebnis spricht insbesondere auch die vorzunehmende Interessenabwägung. Es besteht zunächst ein Interesse, den Arbeitsplatz eines Universitätsprofessors und die vom Beschwerdeführer weiters innegehabten Funktionen neu besetzen zu können, damit auch jüngere Generationen zum Zug kommen. Weiters besteht ein Interesse, die Neubesetzung zu einem vorhersehbaren Zeitpunkt vornehmen zu können[.]

Würde dieses Interesse ungeachtet einer Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz durch den Verwaltungsgerichtshof verfolgt werden, entstünden Mehrkosten, die unabhängig vom Ausgang des vorliegenden Beschwerdeverfahrens endgültig zu tragen wären: Dem Beschwerdeführer müssten bei Gewährung des beantragten vorläufigen Rechtsschutzes nämlich weiterhin Aktivbezüge bezahlt werden, wobei die Differenz zum Ruhegenuss auch dann nicht vom Beschwerdeführer zurückzuzahlen wäre, wenn er im vorliegenden Beschwerdeverfahren unterläge, wogegen der Beschwerdeführer bei Obsiegen mit seiner vor dem Verwaltungsgerichtshof erhobenen Beschwerde im Falle der Nichterlassung der beantragten einstweiligen Anordnung die Differenz zum Aktivgehalt erhielte.

Zu berücksichtigen ist bei der Interessenabwägung

auch die kumulative Wirkung, die eintreten würde, wenn zahlreiche Gerichte aus ähnlichen Gründen ebenfalls Maßnahmen vorläufigen Rechtsschutzes erlassen würden (vgl. das bereits zitierte Urteil des EuGH, Atlanta Fruchthandelsgesellschaft). In diesem Fall wäre der Generationenwechsel bei Universitätsprofessoren nicht unmaßgeblich verzögert, ein Vorausplanen betreffend die Nachbesetzung der durch Versetzung in den Ruhestand frei werdenden Arbeitsplätze und Funktionen wäre nicht möglich und es würden nicht eingeplante, höhere Kosten für Aktivbezüge entstehen.

Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch das Verhalten des Beschwerdeführers. Ihm wäre es nämlich oblegen, seine bei der Dienstbehörde erster Instanz eingebrachten Anträge im Hinblick auf das gemäß §163 Abs1 BDG 1979 in Verbindung mit seinem Geburtsdatum von vornherein feststehende Datum seines Übertritts in den Ruhestand mit Ablauf des 30. September 2010 bereits so rechtzeitig zu stellen, dass selbst unter Berücksichtigung von jeweils sechs Monaten für die Entscheidung der beiden Verwaltungsinstanzen und einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof die Entscheidung in der Hauptsache bereits vor diesem Datum hätte erfolgen können. Besondere Umstände, warum ihm bei dieser Ausgangslage nicht bereits vor dem Studienjahr 2009/2010 die Stellung seiner Anträge möglich gewesen wäre, hat der Beschwerdeführer nicht vorgebracht; solche Gründe sind dem Verwaltungsgerichtshof auch nicht erkennbar.

Die gegen die Erlassung der einstweiligen Anordnung sprechenden Interessen wiegen daher wesentlich schwerer als jene des Beschwerdeführers.

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes war daher bei einer Gesamtbetrachtung aus den genannten Gründen abzuweisen." (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)

4. In der vorliegenden Klage vom 21. Jänner 2011

bringt der Kläger zur Begründung des Staatshaftungsanspruches im Wesentlichen vor, der Verwaltungsgerichtshof habe mit seiner Entscheidung die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union hinsichtlich der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes offenkundig verkannt, weshalb ein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen Unionsrecht vorliege.

Nach der Judikatur des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH 19.6.1990, Rs. C-213/89 , Factortame, Slg. 1990, I-2433) müsse bei Zutreffen der Voraussetzung des "Zweifel[s] an der Vereinbarkeit der innerstaatlichen Vorschrift mit dem Unionsrecht" sowie des "Erfordernis[ses] der Einräumung einstweiligen Rechtsschutzes, um die volle Wirksamkeit der später zu treffenden Entscheidung über das Bestehen von aus dem Unionsrecht resultierenden Rechten zu gewährleisten", das zuständige Gericht einstweiligen Rechtsschutz gewähren. Im Falle des Klägers gehe es unverkennbar um die Anwendung nationalen Rechts - nämlich des §163 Abs1 BDG -, welches aufgrund seiner starren Altersgrenze im begründeten Verdacht stehe, gegen Unionsrecht, nämlich gegen Art21 Abs1 Grundrechte-Charta bzw. die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf, ABl. 2000 L 303, S 16, zu verstoßen. Für die Anwendung der "Factortame-Formel" seien lediglich Zweifel hinsichtlich der Unionsrechtskonformität der nationalen Vorschrift nötig (welche der Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss selbst zugestanden habe), die strengeren Voraussetzungen der sogenannten "Zuckerfabrik Süderdithmarschen-Formel" (EuGH 21.2.1991, Rs. C-143/88 und C-92/89 , Zuckerfabrik Süderdithmarschen, Slg. 1991, I-415) seien im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Die vom Gerichtshof der Europäischen Union aufgestellten Kriterien seien daher im vorliegenden Fall erfüllt; dem Kläger sei aufgrund der unionsrechtswidrigen Verweigerung des vorläufigen Rechtsschutzes eine Reihe von Schäden entstanden.

5. Die beklagte Partei, der Bund, erstattete,

vertreten durch den Bundeskanzler, eine Gegenschrift, in der sie - ohne Kosten geltend zu machen - beantragt, die Klage zurückzuweisen, in eventu das Klagebegehren abzuweisen. Der Verwaltungsgerichtshof habe die Judikatur des Gerichtshofes der Europäischen Union nicht "offenkundig" verkannt, sondern habe vielmehr zutreffend über den Antrag des Klägers auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes entschieden.

Begründend führt die beklagte Partei aus, dass die unionsrechtlich vorgegebenen Voraussetzungen für das Bestehen eines Staatshaftungsanspruches im vorliegenden Fall nicht gegeben seien. Zunächst sei bereits kein Kausalzusammenhang zwischen dem behaupteten rechtswidrigen Verhalten und dem behaupteten Schaden ersichtlich, weil die mit dem Klagebegehren geltend gemachten Vermögensschäden keine nicht wieder gut zu machenden Schäden seien, sondern würden genau diese Beträge dem Kläger im Fall des Obsiegens im Hauptverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof - sofern also die nationale Regelung tatsächlich gegen das unionsrechtliche Gebot der Altersdiskriminierung verstoßen würde - nachzuzahlen sein. Des Weiteren habe der Verwaltungsgerichtshof auch die Judikatur des Gerichtshofes der Europäischen Union zum vorläufigen Rechtsschutz keineswegs offenkundig verkannt. Der Kläger gehe in seiner unzutreffenden Prämisse von der Anwendung der weniger strengen Voraussetzungen der "Factortame-Judikatur" aus, wobei der Verwaltungsgerichtshof die in der Judikatur des Gerichtshofes der Europäischen Union entwickelten Kriterien für die Erlassung einstweiliger Anordnungen - nämlich den "Fumus boni iuris", die "Dringlichkeit iSd. Drohens eines schweren, nicht wieder gut zu machenden Schadens beim Antragsteller" sowie die "Interessenabwägung" - richtigerweise in seiner Entscheidung sowie im Hinblick den vorliegenden Fall jedenfalls in vertretbarer Weise angewendet habe.

II. Die Klage ist aus folgenden Gründen nicht

zulässig:

1. Der Verfassungsgerichtshof hat bereits in seinen Entscheidungen VfSlg. 19.361/2011 und 19.428/2011 seine Judikatur bestätigt, dass es nicht seine Aufgabe sei, in einem Staatshaftungsverfahren wie dem hier vorliegenden - ähnlich einem Rechtsmittelgericht - die Richtigkeit der Entscheidungen anderer Höchstgerichte zu prüfen. Der Verfassungsgerichtshof ist nur zur Beurteilung berufen, ob ein qualifizierter Verstoß gegen Unionsrecht iSd Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (vgl. u.a. EuGH 30.9.2003, Rs. C-224/01 , Köbler gg. Republik Österreich, Slg. 2003, I-10239) vorliegt (vgl. VfSlg. 17.095/2003, 17.214/2004). Wie sich aus dieser Rechtsprechung ergibt, hat der Verfassungsgerichtshof seine Zuständigkeit gemäß Art137 B-VG auf jene Fälle beschränkt, aus denen sich ein Staatshaftungsanspruch unmittelbar aufgrund des Unionsrechts ergibt. Soweit ein Schadenersatzanspruch nach den österreichischen Vorschriften über das Amtshaftungsrecht begründet wird, ist die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gegeben (vgl. VfSlg. 16.107/2001).

2. Wie der Verfassungsgerichtshof in den eingangs genannten Entscheidungen bereits ausgesprochen hat, ist eine auf den Titel der Staatshaftung gestützte Klage u.a. nur unter der Voraussetzung zulässig, dass ein Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht (nunmehr das Unionsrecht) geltend gemacht wird, der iSd Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union offenkundig ist. Wie der Gerichtshof der Europäischen Union in der Rechtssache Köbler (EuGH, Köbler, Rz 51 ff.) festhält, liegt ein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen Unionsrecht durch ein nationales letztinstanzliches Gericht unter Berücksichtigung der Besonderheit der richterlichen Funktion und der berechtigten Belange der Rechtssicherheit insbesondere dann vor, wenn gegen eine klare und präzise Vorschrift verstoßen oder eine einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union offenkundig verkannt wird.

Der Kläger im Staatshaftungsverfahren hat daher begründet darzulegen, dass eine dieser Voraussetzungen erfüllt ist. Der behauptete Verstoß muss also der Art nach möglich sein. Lässt eine Klage dies jedoch vermissen oder werden lediglich Auslegungsfragen aufgeworfen, so wird dadurch dieser Anforderung nicht Genüge getan. Eine solche Klage ist unzulässig.

3. Der Kläger sieht zwar durch die Vorgehensweise des Verwaltungsgerichtshofes in seinem Beschluss vom 13. Oktober 2010 einen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen Unionsrecht, weil der Verwaltungsgerichtshof - entgegen den in der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union aufgestellten Kriterien - den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung abgewiesen habe. Im vorliegenden Fall ist für den Verfassungsgerichtshof jedoch gerade die Offenkundigkeit eines solchen Verstoßes gegen die Judikatur des Gerichtshofes der Europäischen Union keineswegs ersichtlich: Allein zur Klärung der Frage, welche Kriterien im konkreten Fall hinsichtlich einer auf nationaler Ebene erfolgenden Entscheidung über die Anordnung einer einstweiligen Verfügung heranzuziehen sind, hat der Verwaltungsgerichtshof so ins Einzelne gehende Ausführungen getroffen, dass ein offenkundiger Verstoß gegen die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union in einem solchen Fall schon von vornherein auszuschließen ist.

Der Verwaltungsgerichtshof führt in seinem Beschluss vom 13. Oktober 2010 u.a. umfangreich aus, warum dem Kläger durch die Nichtgewährung der Erlassung einer einstweiligen Anordnung kein schwerer und nicht wieder gut zu machender Schaden (iSd Judikatur des Gerichtshofes der Europäischen Union) drohe. Ob die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes in jeder Hinsicht rechtsrichtig ist, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu beurteilen. Soweit in der Klage daher in ausführlicher Weise die Begründung des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes bemängelt und dargelegt wird, warum diese unrichtig sein soll, ist - wie die Gegenschrift des Bundes richtigerweise aufzeigt - auf die oben wiedergegebene Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu verweisen, wonach dieser nicht die Richtigkeit der Entscheidungen von Höchstgerichten zu überprüfen, sondern lediglich das offenkundige Verkennen von Unionsrecht aufzugreifen hat.

4. Der Verfassungsgerichtshof vermag somit in der Abweisung des Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung durch den Verwaltungsgerichtshof jedenfalls kein offenkundiges Verkennen einschlägiger Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union und somit auch keinen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen Unionsrecht zu erkennen.

III. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

1. Die Klage ist daher zurückzuweisen.

2. Dieser Beschluss konnte gemäß §19 Abs3 Z2 VfGG

ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.

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