European Case Law Identifier: ECLI:AT:OLG0009:2024:00200R00104.24I.1014.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben.
Die angefochtene Kostenentscheidung wird dahin abgeändert, dass sie unter Einschluss des unangefochten gebliebenen Teils insgesamt wie folgt lautet:
„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 1.967,77 (darin EUR 272,13 USt und EUR 335,-- Barauslagen) bestimmten Prozesskosten zu ersetzen.“
Die Kosten des Rekursverfahrens werden gegeneinander aufgehoben
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Begründung:
Die in Malta situierte Beklagte veranstaltete Online-Glücksspiele. Die Klägerin nahm daran von Mai bis Juli 2023 teil und erlitt Verluste von EUR 6.902.
Die Klägerin begehrte mit Stufenklage zunächst Rechnungslegung und (Rück)Zahlung der sich daraus ergebenden Spielverluste und modifizierte, nachdem die Beklagte gemeinsam mit der Klagebeantwortung eine Liste an Ein- und Auszahlungen vorgelegt hatte, ihr Begehren mit Schriftsatz ON 5 auf Zahlung von EUR 6.902 samt Zinsen. Das Rechnungslegungsbegehren hatte sie in der Klage darauf gestützt, dass die Beklagte die Übermittlung einer Aufstellung der Transaktionen, die die Klägerin zur Berechnung der Glücksspielverluste benötige, verweigere. Ihr Zahlungsbegehren begründete die Klägerin damit, dass die Spieleinsätze wegen der Unerlaubtheit der Glücksspielverträge […] rückforderbar seien.
Die Beklagte entgegnete, das österreichische Glücksspielmonopol sei unionsrechtswidrig. Die Glücksspielverträge seien wirksam […]. Sie legte mit der Klagebeantwortung eine Liste an Ein- und Auszahlungen der Klägerin vor und brachte zum Rechnungslegungsbegehren vor, dass der Grund für die vorprozessual unterbliebene Datenübermittlung alleine in der Sphäre der Klägerin liege, deren Rechtsvertretung die von der Beklagten (berechtigt) angeforderte Vollmacht nicht übermittelt habe.
[…]
Mit dem angefochtenen Urteil gab das Erstgericht dem Klagebegehren unbekämpft statt und verpflichtete die Beklagte zum Kostenersatz im Umfang von EUR 875,65. Diese Entscheidung begründete es - soweit vorliegend relevant - damit, dass § 45 ZPO auch ohne formelles Anerkenntnis anzuwenden sei, wenn eine Anerkennung deshalb nicht mehr in Frage komme, weil der Beklagte den Kläger schon vor der erstmaligen Möglichkeit dazu klaglos gestellt habe. Das gelte auch bei Gleichzeitigkeit von Erfüllung und Möglichkeit zum Anerkenntnis. Die Klage sei zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung (ex ante) nicht erforderlich gewesen, weil die Möglichkeit bestanden habe, dass die Beklagte nach der Übermittlung eines Identitätsnachweises und einer Vollmacht – die diesbezügliche Forderung der Beklagte sei mit Blick auf § 8 RAO, demzufolge die Berufung auf die Bevollmächtigung deren urkundlichen Nachweis nur vor Gerichten und Behörden ersetze, nicht unberechtigt - eine Transaktionsliste zur Verfügung stellen würde.
Gegen die Kostenentscheidung dieses Urteils richtet sich der Rekurs der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Abänderungsantrag dahin, dass die Beklagte zum Kostenersatz im Umfang von EUR 2.969,09 (darin EUR 792 Barauslagen und EUR 362,85 Umsatzsteuer) verpflichtet werden möge.
Die Beklagte beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist teilweise berechtigt.
Er führt im Kern ins Treffen, ein Anerkenntnis alleine des Rechnungslegungsbegehrens reiche für einen Kostenzuspruch nach § 45 ZPO nicht aus. Vielmehr sei (wie hier) im Fall einer Stufenklage auch die Erfüllung des aus der Rechnungslegung resultierenden Zahlungsanspruchs erforderlich.
1. Die Rekurswerberin kommt in ihrem Rechtsmittel nicht mehr auf die in erster Instanz strittige Frage der (vorprozessualen) Vorlage der Vollmacht zurück. Insoweit reicht ein Hinweis auf § 8 Abs 1 RAO (und § 30 Abs 2 ZPO) sowie darauf, dass die genannte Bestimmung verfahrensrechtlichen Charakter hat und spezifisch nur dem erleichterten Einschreiten von beruflichen Parteienvertretern vor Gerichten und Behörden dient (Vitek in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO11 § 8 Rz 16 mwN).
2. Machte die Beklagte die Erfüllung des Rechnungslegungsbegehrens demnach zulässigerweise vom vorherigen schriftlichen Vollmachtsnachweis abhängig, den die Klägerin allerdings nicht erbrachte - das Tatsachenvorbringen der Beklagten zur diesbezüglichen Korrespondenz ließ die Klägerin unbestritten – so hat sie die Klage hinsichtlich des Rechnungslegungsbegehrens nicht veranlasst.
3. Die weitere Voraussetzung des § 45 ZPO, dass das Anerkenntnis sofort abgegeben wird, mithin bei der ersten prozessualen Gelegenheit, noch vor Einlassung in den Streit, entfällt, wenn der Beklagte das Begehren sofort erfüllt, weil eine vorbehaltlose Zahlung ohnehin auch das Anerkenntnis der Forderung enthält (Obermaier in Höllwerth/Ziehensack, ZPO_Praxiskommentar § 45 ZPO Rz 4).
Davon ist das Erstgericht hier zu Recht ausgegangen, denn die Beklagte hat dem Rechnungslegungsbegehren bei erster Gelegenheit, das war die Einbringung der Klagebeantwortung, durch die Vorlage der Transaktionsliste entsprochen.
4.1. Im Falle der Klagenhäufung kann das sofortige Anerkennen iSd § 45 ZPO auch nur hinsichtlich einer von mehreren Forderungen erfolgen. Hier sind die Gesamtkosten im Verhältnis der mehreren Forderungen aufzuteilen; über die auf den anerkannten Teil entfallenden Kosten ist nach § 45 ZPO und über die anderen je nach Prozessergebnis dann gemäß §§ 41, 43 ZPO zu entscheiden (Obermaier, Kostenhandbuch4 Rz 1.282 mwN).
Bei der Stufenklage bildet die Kombination von auf Aufklärung oder Eidesleistung gerichteten Ansprüchen mit dem eigentlichen Hauptanspruch auf Leistung des Geschuldeten eine Form der objektiven Klagenhäufung (Konecny in Fasching/Konecny 3 Art XLII EGZPO Rz 111).
Entgegen der vom Rekurs vertretenen Rechtsansicht hindert daher im Fall der Stufenklage die bei erster Gelegenheit erfolgte Anerkennung (und Erfüllung) des Rechnungslegungsbegehrens ohne gleichzeitige Erfüllung auch des Leistungsbegehrens die Anwendbarkeit von § 45 ZPO nicht.
Folgende weitere Überlegung stützt diese Ansicht:
4.2. Im Fall der Stufenklage ist der Grundsatz, dass die Klage ein bestimmtes (und im Fall eines Leistungsbegehrens auch vollstreckbares) Begehren enthalten muss, ausnahmsweise durchbrochen, weil der Kläger den Gegenstand der Leistung (bei einem Zahlungsbegehren: die ziffernmäßige Höhe des geschuldeten Betrags) erst dann anzugeben hat, wenn ihm die erforderliche Berechnungsgrundlage durch die Rechnungslegung des Beklagten bekanntgeworden ist (RS0034987). Die Entscheidung nicht nur über das Rechnungslegungs-, sondern auch über ein unbestimmtes Leistungsbegehren würde als Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot des § 226 Abs 1 ZPO sogar einen Verfahrensmangel verwirklichen (RS0035079 T1).
Solange keine Bezifferung des Leistungsbegehrens erfolgt ist – gleich ob zuvor ein dem Manifestationsbegehren stattgebendes rechtskräftiges Teilurteil erlassen und (freiwillig oder exekutiv erzwungen) erfüllt wurde (vgl RS0035053) – und solange die Leistungsklage daher unbestimmt iSd § 226 ZPO bleibt, besteht kein Anlass für dessen Anerkenntnis, ist der Beklagte doch nicht gehalten, einen erst im Verlauf des Rechtsstreits schlüssig (substantiiert) vorgetragenen Anspruch gleichsam vorweg auf Verdacht anzuerkennen, ohne bereits zu wissen, was der Kläger von ihm konkret fordern werde.
Das Argument des Rekurses, es sei auch die Erfüllung des aus der Rechnungslegung resultierenden Zahlungsanspruchs erforderlich, vermag daher nicht zu überzeugen und übersieht insbesondere den Umstand, dass die Berechtigung eines Zahlungsbegehrens nicht schon aus der Rechnungslegung folgt, sondern eine (wenn auch durch die Rechnungslegung erst ermöglichte) Bezifferung voraussetzt.
Demnach kann der Grundsatz, dass es, zumal der Beklagte zur Klagsführung keinen Anlass gegeben haben darf, bei Leistungsklagen zur Anwendung des § 45 ZPO auch der Erfüllung, bei Geldforderungen also der Vollzahlung bedarf (Obermaier, Kostenhandbuch4 Rz 1.283), auf das Anerkennen und die gleichzeitige Erfüllung des Rechnungslegungsbegehrens ohne gleichzeitige Leistung nicht umgelegt werden.
4.3. Das wird letztlich auch dadurch gestützt, dass andernfalls der Beklagte, der, ohne Anlass zur Klage gegeben zu haben, ein Rechnungslegungsbegehren bei erster Gelegenheit anerkennt, im Fall der Stufenklage schlechter gestellt wäre als bei gesonderter Klage auf Rechnungslegung. Ein nachvollziehbarer Grund für eine derartige Differenzierung wäre nicht zu erkennen.
5. Aufgrund der gebotenen allseitigen rechtlichen Überprüfung der angefochtenen Entscheidung (vgl RS0043352 T22; RS0043903, RS0043934) erweist sich der Rekurs aus den folgenden Überlegungen dennoch als teilweise berechtigt:
5.1. Das Erstgericht hat zutreffend darauf verwiesen, dass die Besonderheit der Stufenklage in dem der Klage und deren Beantwortung nachfolgenden Verfahrensabschnitt darin liegt, dass zunächst nur über (im vorliegenden Fall:) das Rechnungslegungsbegehren zu verhandeln und (mit Teilurteil) zu entscheiden ist. Das bedeutet, dass in diesem Verfahrensabschnitt allein dieses Teilbegehren Gegenstand der Verhandlung ist; insoweit sind die Kosten gegenüber dem allgemeinen Verfahrensaufwand klar abgrenzbar. Daher ist bei einer Stufenklage grundsätzlich schon in dem das Rechnungslegungsbegehren erledigenden Teilurteil über die bisherigen Verfahrenskosten auf der Basis der Bewertung des Rechnungslegungsbegehrens zu entscheiden. Diese Kostenentscheidung umfasst jedoch nicht die Kosten der verfahrenseinleitenden Schriftsätze, weil diese nicht allein dem Auskunftsbegehren zugeordnet werden können, sondern vielmehr einen eigenen Verfahrensabschnitt bilden. Daher sind für die Kostenentscheidung im Fall der Stufenklage drei Verfahrensabschnitte zu bilden, nämlich (1.) der Abschnitt bis zur Verhandlung (nur) über das Rechnungslegungsbegehren, (2.) der Abschnitt der Verhandlung über das Rechnungslegungsbegehren einschließlich eines ihm allenfalls nachfolgenden Rechtsmittelverfahrens sowie (3.) der Abschnitt der nach rechtskräftiger Erledigung des Rechnungslegungsbegehrens durchzuführenden Verhandlung über das Leistungsbegehren (vgl Obermaier, Kostenhandbuch4 Rz 1.197).
Vorliegend hat ein solcher zweiter Verfahrensabschnitt allein über das Rechnungslegungsbegehren, für den ein voller Kostenersatzanspruch der Beklagten nach § 45 ZPO zum Tragen kommen könnte, gar nicht mehr stattgefunden.
Zum ersten Verfahrensabschnitt, also für die Klage und die Klagebeantwortung, bleibt auszuführen:
6. Kosten für die Klage
6.1. § 45 ZPO lautet: Hat der Beklagte durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage nicht Veranlassung gegeben und den in der Klage erhobenen Anspruch sofort bei erster Gelegenheit anerkannt, so fallen die Prozesskosten dem Kläger zur Last. Er hat auch die dem Beklagten durch das eingeleitete gerichtliche Verfahren verursachten Kosten zu ersetzen.
Diese Bestimmung enthält eine bloß scheinbare Ausnahme vom allgemeinen Kostenersatzprinzip des § 41 ZPO, nämlich eine konsequente Weiterentwicklung des im § 41 ZPO festgelegten Grundsatzes, dass die Partei nur Anspruch auf Ersatz jener Kosten hat, die vom Gegner verursacht und in zweckentsprechender Weise aufgewendet wurden (vgl M. Bydlinski in Fasching/Konecny 3§ 45 ZPO Rz 1).
Treffen die Voraussetzungen des § 45 ZPO (wie hier) nur auf einen Teil der Klagsforderung zu, so sieht der Rekurssenat keinen Grund, warum gegen den Gesetzestext und gegen das dargelegte unverändert gültige Kostenersatzprinzip des § 41 ZPO (Verursachung/Zweckmäßigkeit) der Kläger schon aus dem Grunde nicht veranlasster Klagsführung als teils unterliegend iSd § 43 ZPO zu behandeln wäre. Eine solche von M. Bydlinski (aaO § 45 ZPO Rz 11) zwar vertretene Auffassung widerspräche dem gerade von diesem Autor selbst (Rz 1) betonten unverändert anzuwendenden Kostenersatzprinzip des § 41 ZPO und entbehrt einer nachvollziehbaren Begründung (die Fundstellen in FN 53 sind teils unveröffentlicht, teils für diese Frage nicht einschlägig).
Zwischenergebnis: Beim Kostenersatzanspruch der - auch mit dem Rechnungslegungsbegehren an sich obsiegenden - Klägerin für die Kosten ihrer Klage ist auch im Anwendungsbereich des § 45 ZPO auf deren Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit iSd § 41 ZPO abzustellen.
6.2. Unmittelbar nach Rechnungslegung im Prozess hat die Klägerin ihr Zahlungsbegehren mit EUR 6.902 beziffert, sodass im Falle der (vermissten) außergerichtlichen Aufforderung zur Rechnungslegung von einem sogleich erhobenen Zahlungsbegehren in derselben Höhe - anstelle der Stufenklage und ihres mit EUR 14.100 bewerteten Manifestationsbegehrens - auszugehen ist. Demnach fallen der Klägerin gemäß § 45 ZPO jene Prozesskosten zur Last, die sie durch diese unzweckmäßige Höherbewertung verursacht hat. Im Ergebnis stehen ihr daher die Kosten des Klagsschriftsatzes und der Pauschalgebühr jeweils nur auf Basis des Zahlungsbegehrens zu. Das Übermaß hat sie selbst zu tragen.
7. Kosten für die Klagebeantwortung
7.1. Führt ein Teilanerkenntnis in der Folge zur Fällung eines Teilanerkenntnisurteils, wirkt das Teilanerkenntnis in kostenrechtlicher Hinsicht mit seiner Erklärung; die Bemessungsgrundlage verringert sich - wie bei einer Klagseinschränkung - auf das restlich strittige Begehren bereits mit dem Schriftsatz, in dem die Verfügung über den Streitgegenstand vorgenommen wird (jüngst OLG Wien 16 R 210/23d = RW0001065 mit ausführlicher Darstellung des Meinungsstands insbesondere in Hinblick auf § 12 Abs 3 RATG; ebenso Obermaier, Kostenhandbuch4 Rz 3.72).
7.2. Davon ausgehend ist auch im vorliegenden Fall das Rechnungslegungsbegehren für die Klagebeantwortung kostenrechtlich bereits nicht mehr zu berücksichtigen. Im Übrigen ist die Beklagte zur Gänze unterlegen. Ein auch nur teilweiser Kostenersatz für die Klagebeantwortung nach § 45 ZPO scheidet somit aus.
8. Das führt in teilweiser Stattgebung des Rekurses zur Abänderung der angefochtenen Kostenentscheidung. Das Kostenverzeichnis der Klägerin war hinsichtlich Klage und Pauschalgebühr unter Heranziehung der verringerten Bemessungsgrundlage entsprechend zu kürzen, also um insgesamt EUR 1.001,32 (incl EUR 105,08 USt und EUR 457 Barauslagen).
9. Die Kostenentscheidung des Rekursverfahrens gründet sich auf die §§ 43 Abs 1, 50 ZPO. Die Klägerin ist im Rekursverfahren zu rund 52 % durchgedrungen (Rekursinteresse: EUR 2.093,44; Rekurserfolg: EUR 1.092,12), was zur Kostenaufhebung führt (vgl Fucik in Rechberger/Klicka 5, § 43 ZPO Rz 4 mwN).
Der Revisionsrekurs ist gemäß § 528 Abs 2 Z 3 ZPO jedenfalls unzulässig.
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