OLG Wien 28R57/98b

OLG Wien28R57/98b29.5.1998

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr. Silberbauer als Vorsitzenden sowie die Richter des Oberlandesgerichtes Dr. Hoch und Dr. Kalivoda in der Rechtssache der Antragstellerin Denisa K*****, Sekretärin, G*****, 1090 Wien, vertreten durch Dr.Herbert Holzinger, Rechtsanwalt in Wien, wider die Antragsgegnerin "I*****" HandelsgesmbH, K*****, 1230 Wien, wegen Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Antragsgegnerin, über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 17.12.1997, 4 Se 878/97p-11, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird n i c h t Folge gegeben.

Rekurskosten werden nicht zuerkannt.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung

In ihrem Antrag auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der "I*****" HandelsgesmbH gab die Antragstellerin die Adresse der Antragsgegnerin mit der im Firmenbuch des Handelsgerichts Wien zu FN ***** eingetragenen, oben angeführten Geschäftsanschrift an. Dort konnte der Antragsgegnerin die Gleichschrift des Konkurseröffnungsantrages und die Ladung zu der für den 3.12.1997 anberaumten Tagsatzung jedoch nicht zugestellt werden, weil der Empfänger nach dem Bericht des Zustellers "verzogen" war (ON 7). Unter Hinweis auf die Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien vom 21.5.1997, 7 Ra 127/97s (= RIS-Justiz RW0000197 dort allerdings unrichtig als: "7 Ra 126/97s" bezeichnet) begehrt die Antragstellerin in ihrem Zustellantrag vom 3.12.1997 (ON 10) die Zustellung - ungeachtet des Fehlberichtes - "an der im Firmenbuch genannten Geschäftsanschrift gemäß § 25 ZustG vorzunehmen". Auf Grundlage der Bestimmungen des § 3 Z 4 FBG (wonach jeder Rechtsträger die maßgebliche Geschäftsanschrift im Firmenbuch einzutragen hat) und des § 26 GmbHG (wonach der Geschäftsführer verpflichtet ist, jede Änderung der für die Zustellung an die Gesellschaft maßgeblichen Anschrift unverzüglich [zum Firmenbuch] anzumelden) habe das Oberlandesgericht Wien ausgesprochen, die Rechtsfolge einer unterlassenen Anmeldung der geänderten Anschrift könne nur sein, daß die im Firmenbuch eingetragene Adresse Abgabestelle "gemäß § 4 ZustG ist und bleibt". Es sei daher allenfalls mit Edikt gemäß § 25 ZustG vorzugehen, wenn an der eingetragenen Geschäftsanschrift nicht zugestellt werden könne.

Mit dem angefochtenen Beschluß wies das Erstgericht den Zustellantrag ab.

Es trug der Antragstellerin auf, binnen vier Wochen die Privatanschrift des Geschäftsführers der Antragsgegnerin anzugeben oder "dessen unbekannten Aufenthalt" zu bescheinigen und einen Kostenvorschuß von S 3.000,-- für die Kosten der Kuratorenbestellung zu erlegen.

Eine Verpflichtung zur Bekanntgabe einer neuen Anschrift gemäß § 8 ZustG komme nur gegenüber dem Firmenbuch in Frage. Einer Zustellfiktion bei Verletzung von Aufklärungs- oder Meldepflichten fehle die gesetzliche Grundlage. Nach den gemäß § 171 KO anzuwendenden Zustellregeln der ZPO sei vorliegend (vor einer Kuratorenbestellung) zu klären, ob der Geschäftsführer der Antragsgegnerin unbekannten Aufenthaltes sei.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs der Antragstellerin mit dem Abänderungsantrag, den Zustellantrag zu bewilligen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Der Rekurs geht zwar ausdrücklich davon aus, daß die Antragsgegnerin an der angegebenen Adresse "nie auch nur irgendeine Tätigkeit entfaltet" habe. Die Rekurswerberin hält jedoch an ihrer Auffassung fest, daß die Rechtsfolge einer unterlassenen Anmeldung der geänderten Anschrift der Antragsgegnerin (im Sinne der den Geschäftsführer gemäß § 26 GmbHG treffenden Verpflichtung) nur sein könnte, daß die eingetragene Adresse eine Abgabestelle gemäß § 4 ZustG "ist und bleibt" (Seite 2 des Rekurses). Wer eine unrichtige Eintragung veranlasse bzw. eine ursprünglich richtige Eintragung nicht ändere, obwohl er dazu verpflichtet wäre, müßte sie als richtig gelten lassen. Daraus sei zwingend abzuleiten, daß die im Firmenbuch aufscheinende Anschrift eine für gerichtliche Zustellungen verbindliche Adresse sein sollte und nach den Regeln des Zustellgesetzes, allenfalls mit Edikt (§ 25 ZustG) vorzugehen sei, wenn dort nicht zugestellt werden könnte, weil der Rechtsträger - unbekannt wohin - verzogen sei. Zur Begründung dieser Rechtsansicht beruft sich die Rekurswerberin weiterhin auf den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien 7 Ra 127/97s und die darin zitierten Nachweise.

Dem ist vorerst zu erwidern, daß (auch) die Antragstellerin den Standpunkt, wonach die im Firmenbuch eingetragene Geschäftsanschrift eine Abgabestelle gemäß § 4 ZustG "ist und bleibt" nicht konsequent vertritt:

Die Rekurswerberin geht nämlich - mit Auer (Der österreichische Rechtspfleger 1990 H 2,5) - selbst davon aus, daß "allenfalls mit Edikt (§ 25 ZustG)" vorzugehen sei, wenn an der eingetragenen Anschrift "nicht zugestellt werden kann". Diese "Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung" ist aber für Personen mit unbekannter Abgabestelle vorgesehen (§ 25 ZustG). Außerdem kann eine derartige Zustellung auf Antrag des Einschreiters, der dem Gericht die Unbekanntheit des Aufenthaltes des Empfängers glaubhaft zu machen hat, nur bei solchen Schriftstücken durchgeführt werden, die keine prozessuale Handlungspflicht des Adressaten begründen. Der Anwendungsbereich dieser Zustellungsart ist im Zivilprozeß daher sehr gering (Streitverkündung, Auktorbenennung). Hat hingegen der Empfänger, dessen Aufenthalt unbekannt ist, eine Prozeßhandlung vorzunehmen oder wird er zu Gericht geladen, dann ist von Amts wegen oder auf Antrag des Einschreiters vom Gericht ein Kurator zu bestellen, der nicht nur zur Empfangnahme der Zustellung berufen ist, sondern den Abwesenden im Rechtsstreit so lange auf dessen Gefahr und Kosten vertritt, bis dieser selbst im Prozeß auftritt (§ 171 KO iVm § 116 ZPO).

Der in der zitierten Entscheidung (OLG Wien, 7 Ra 127/97s) vertretenen Auffassung vermag sich der erkennende Senat des Oberlandesgerichtes Wien aber auch aus folgenden Überlegungen nicht anzuschließen:

Abgabestelle im Sinne des § 4 ZustG ist der Ort, an dem die Sendung

dem Empfänger zugestellt werden darf; das ist die Wohnung oder

sonstige Unterkunft, die Betriebsstätte, der Sitz, der Geschäftsraum,

die Kanzlei oder der Arbeitsplatz des Empfängers, im Falle einer

Zustellung anläßlich einer Amtshandlung auch deren Ort. Für jede der

möglichen Abgabenstellen, an welchen eine Sendung zugestellt werden

darf, also z.B. auch für den Ort, an welchem der Empfänger seinen

Betrieb führt, besteht jedoch die erst die Wirksamkeit der Zustellung

begründende Voraussetzung, daß sich der Empfänger dort regelmäßig

aufhält (RIS Justiz RS0083915), also, von kurzfristigen Abwesenheiten

abgesehen, immer wieder an die Abgabestelle zurückkehrt (SZ 57/141 =

EvBl.1985/24; SZ 60/226 = EvBl.1988/22; SZ 65/127 u.a.; RIS Justiz

RS0083895; OGH vom 15.5.1997, 1 Ob 23/97g).

In Anwendung dieser Grundsätze kann der Ansicht, daß die im Firmenbuch eingetragene Geschäftsanschrift der Antragsgegnerin eine taugliche Abgabestelle, schon nach den Rekursausführungen darstelle, nicht gefolgt werden. Geht die Rekurswerberin nach den ihr zur Verfügung stehenden Informationen über die Antragsgegnerin doch selbst davon aus, daß diese dort "nie auch nur irgendeine Tätigkeit entfaltet" habe (Seite 3 des Rekurses = AS 69), weil dort nur die Mutter des Geschäftsführers der Antragsgegnerin wohne. Was aber die begehrte Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung gemäß § 25 ZustG (bzw. § 115 ZPO) betrifft, deren Voraussetzungen der Gegner zu bescheinigen hat (Gitschtaler in Rechberger Rz 4 zu § 115 ZP0), entgeht der Rekurswerberin die gemäß § 171 KO anzuwendende Bestimmung des § 116 ZPO. Darin ist normiert, daß das Gericht für Personen, an welche die Zustellung wegen Unbekanntheit des Aufenthalts nur durch öffentliche Bekanntmachung geschehen könnte, auf Antrag oder von Amts wegen einen Kurator zu bestellen hat, wenn diese Personen infolge der an sie zu bewirkenden Zustellung zur Wahrung ihrer Rechte eine Prozeßhandlung vorzunehmen hätten und insbesondere, wenn das zuzustellende Stück - wie vorliegend - eine Ladung derselben enthält (§ 116 ZPO).

Demnach hat das Erstgericht die Antragstellerin zu Recht dazu aufgefordert, die (richtige) Anschrift des Geschäftsführers der Antragsgegnerin anzugeben bzw. zu bescheinigen, daß dessen Aufenthalt unbekannt sei.

Ins Leere geht aber auch der Hinweis darauf, daß derjenige der eine unrichtige Eintragung veranlaßt bzw. eine ursprünglich richtige Eintragung nicht ändert, die nicht mehr den Tatsachen entspricht, obwohl er dazu verpflichtet wäre, diese als richtig gelten lassen müsse, also auf die Publizität nach der Bestimmung des § 15 HGB:

Vorgänge außerhalb des Geschäftsverkehrs werden von der Bestimmung des § 15 HGB nicht betroffen (RIS Justiz RS0061720). Nach der Judikatur kommt § 15 HGB im Zivilprozeßrecht (Burgstaller in Jabornegg, Rz 13 zu § 15 HGB) bzw. im Konkurs- und Ausgleichsverfahren (Schenk in Straube I**2, Rz 1, Abs.3 zu § 15 HGB) daher nicht zur Anwendung. Die Berufung auf die Gutgläubigkeit der Antragstellerin im Sinne des § 15 HGB für die Wirksamkeit einer Zustellung an die Antragsgegnerin ist somit ebenfalls verfehlt (SZ 47/110 = EvBl.1975/106 = Arb.9.279 = DRdA 1976, 71 [Schwarz]). Es bleibt daher nur noch festzuhalten, daß auch Holzhammer (Allgemeines Handelsrecht und Wertpapierrecht7, 38) den Vertrauensschutz nach dieser Bestimmung auf die Klagszustellung "als den abschließenden Teilakt der gerichtlichen Einmahnung" beschränkt, weil an sie materielle Rechtsfolgen geknüpft sind. Ähnlich äußern sich zur Judikatur auch Schuhmacher, Schwarz und Ostheim (sämtliche zitiert von Burgstaller in Jabornegg, Rz 13 zu § 15 HGB), während Krejci (Handelsrecht, 177) die Auffassung vertritt, § 15 HGB gelte im Prozeßrecht nur für Parteihandlungen, die an und für sich privatrechtliche Wirkungen haben, aber im Zuge des Prozesses gesetzt werden. Für die Zustellung der Gleichschrift des Konkursantrages somit Ladung zur Konkurseröffnungstagsatzung ist daraus schon deshalb nichts zu gewinnen, weil es sich dabei nicht um eine Klagszustellung in einem Zivilprozeß sondern um ein Konkursverfahren handelt, wo § 15 HGB auch nach Krejci (aa0) nicht gilt.

Soweit aber Graff (in ecolex 1990, 736), davon spricht, der Rechtsträger müsse sich unter der im Firmenbuch eingetragenen Geschäftsanschrift Zustellungen so lange gefallen lassen, als das Gericht von einer Änderung durch eine neue Mitteilung oder sonstwie amtlich kenntlich erlangt, verweist schon das Erstgericht zutreffend auf die durch den Postfehlbericht zur Verfügung stehende amtliche Information über die Unrichtigkeit der eingetragenen Geschäftsanschrift. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes sind im übrigen schon bei begründeten Zweifeln an der Eintragung die Organverhältnisse in anhängigen Zivilprozessen von Amts wegen zu erheben (Burgstaller in Jabornegg Rz 13 zu § 15 HGB), weil diesbezüglichen Eintragungen im Verfahrensrecht nur bescheinigende Wirkung zugebilligt werden kann (SZ 59/28 = RZ 1986, 192 = EvBl. 1987/58 = RdW 1986, 178 = GesRZ 1986, 151). Da der an der im Firmenbuch eingetragenen Geschäftsanschrift bestehenden Wohnung aus den angeführten Gründen die Qualifikation einer Abgabestelle von vornherein fehlte, mußte auf die Frage einer allgemeinen Sorgfaltspflicht des abwesenden Empfängers, für mögliche Zustellungen unter der bisherigen, aber jetzt verlassenen Abgabestelle Vorsorge zu treffen, nicht eingegangen werden. Der Vollständigkeit halber sei aber noch festgehalten, daß der Oberste Gerichtshof in der bereits zitierten Entscheidung vom 5.5.1997 (1 Ob 23/97g) eine solche Sorgfaltspflicht - ohne Eingehen auf die Frage, ob sie eventuell für Kaufleute zutrifft - verneint hat: "Nach § 17 Abs.3 ZustG ist der Eintritt der Zustellungswirkung an die objektive Bedingung der tatsächlichen Rückkehr an die Abgabestelle - nicht etwa an die Möglichkeit, von dem zugestellten Schriftstück nunmehr Kenntnis zu erlangen, geknüpft. Eine Verpflichtung zur Nachschau bzw. Bekanntgabe einer Zustelladresse kann nur in einem sehr engen Rahmen bestehen. So ist eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, verpflichtet, eine Änderung ihrer Abgabestelle der Behörde unverzüglich mitzuteilen (§ 8 Abs.1 ZustG). Die erläuternden Bemerkungen verdeutlichen aber, daß diese Pflicht nur unter diesen engen Voraussetzungen besteht und halten eine darüberhinausgehende Meldepflicht für nicht zumutbar (RV 162 Blg.Nr.15.GP, 10). Außerhalb des § 8 ZustG wurde von der Rechtsprechung für gewisse Personenkreise, insbesondere für Rechtsanwälte eine solche Verpflichtung bejaht, weil diese immer auf eine Zustellung gefaßt sein müßten ... Es ginge aber zu weit, ohne ausdrückliche gesetzliche Verpflichtung von jedem potentiellen Empfänger zu verlangen, stets auf eine behördliche Zustellung gefaßt sein und für eine Nachsendung oder Vertretung Vorsorge treffen zu müssen" (OGH vom 15.5.1997, 1 Ob 23/97g).

Dem Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

Ein Kostenzuspruch, wie ihn die Antragstellerin für den Rekurs begehrt, entfällt - abgesehen von der Erfolglosigkeit des Rechtsmittels - gemäß § 173 Abs.1 KO.

Der Revisionsrekurs ist gemäß § 171 KO iVm § 528 Abs.2 Z 2 ZPO

jedenfalls unzulässig.

Oberlandesgericht Wien

1016 Wien, Schmerlingplatz 11

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