OLG Linz 9Bs304/24f

OLG Linz9Bs304/24f20.1.2025

Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Einzelrichterin Mag. Kuranda in der Strafsache gegen A* wegen des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs 1 StGB über dessen Kostenbeschwerde gegen den Beschluss des Einzelrichters des Landesgerichts Wels vom 28. November 2024, GZ1*-28, entschieden:

 

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OLG0459:2025:0090BS00304.24F.0120.001

Rechtsgebiet: Strafrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

 

 

Begründung:

In dem gegen A* bei der Staatsanwaltschaft Wels zu GZ2* geführten Ermittlungsverfahren wurde Dr. B*, LL.M., zum Sachverständigen bestellt und beauftragt, Befund und Gutachten zu den nach §§ 11, 21 Abs 1 und 2 StGB relevanten Fragen, insbesondere zu der Frage der Zurechnungsfähigkeit des A* zur Tatzeit, einer allfällig vorliegenden schwerwiegenden und nachhaltigen psychischen Störung und aus medizinischer Sicht zu erwartenden Prognosetaten zu erstatten (ON 4).

Am 16. Juli 2024 teilte der Angeklagte mit, dass er eine Zusammenarbeit mit dem Sachverständigen ablehne, daher einen Termin mit dem bestellten Sachverständigen nicht wahrnehmen und sich keiner Untersuchung unterziehen werde (ON 7). Hierauf teilte die Staatsanwaltschaft dem Sachverständigen am 17. Juli 2024 mit, dass beim Landesgericht Wels die Durchführung einer Befundaufnahme und Gutachtenserstattung im Rahmen der Hauptverhandlung beantragt wird (ON 8).

Mit Strafantrag vom 17. Juli 2024 legt die Staatsanwaltschaft dem A* die Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15 Abs 1, 269 Abs 1 erster Fall StGB, der Nötigung nach §§ 15 Abs 1, 105 Abs 1 StGB sowie der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB zur Last (ON 9).

In der Hauptverhandlung vom 23. Oktober 2024 bekannte sich der Angeklagte zu den Tatvorwürfen schuldig.

Mangels Mitwirkung des Angeklagten an einer medizinischen Anamneseerhebung (S 4 in ON 20a) erstattete der Sachverständige Dr. B* in der Hauptverhandlung aufgrund der Aktenlage ein Gutachten zu den Fragen des allfälligen Vorliegens der Voraussetzungen der §§ 11 StGB, 21 Abs 1 bzw Abs 2 StGB und § 287 StGB beim Angeklagten zum Tatzeitpunkt (ON 20a).

Mit (gekürzt ausgefertigtem) Urteil vom 23. Oktober 2024 wurde A* des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs 1 StGB schuldig erkannt und gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt.

Mit Honorarnote vom 25. Oktober 2024 verzeichnete der Sachverständige Dr. B*, LL.M., Gebühren nach dem GebAG (im Wesentlichen) wie folgt:

Aktenstudium § 36 EUR 65,00

Neurologisches Gutachten § 43 EUR 43,90

Psychiatrisches Gutachten § 43 in der Verhandlung EUR 168,50

Psychiatrisches Gutachten § 43 Erörterung nach § 11 StGB EUR 283,30

Psychiatrisches Gutachten § 43 Erörterung nach § 21 StGB EUR 283,30

Teilnahme an der Verhandlung € 49,00 pro Std EUR 49,00

Psychiatrisches Gutachten § 43 Erörterung nach § 287 StGB EUR 283,30

Zeitversäumnis § 32 und 30 km Entf., pro Std. € 32,90 EUR 32,90

Kilometer à 0,42 € ½ v 100km EUR 21,00

Mühewaltung § 34 Abs 2 EUR 43,90

Barauslagen (Porto, Telefon, usw) EUR 12,00

Zwischensumme EUR 1.286,10

20% MwSt EUR 257,22

Gesamtsumme gerundet EUR 1.543,00

Die Gebührennote wurde dem Verteidiger sowie dem Revisor beim Landesgericht Wels zur allfälligen Äußerung binnen 14 Tagen zugestellt (ON 1.14).

Hierauf äußerte sich der Angeklagte im Wege seines Verteidigers mit Schriftsatz vom 26. November 2024, der darin ausführte, dass eine Überprüfung der Korrektheit der Gebührennote nicht möglich sei, weil der Gutachter hinsichtlich der relevanten Beträge jeweils in zwei Spalten einen Betrag und eine Zwischensumme und in einer dritten Spalte (ohne Bezeichnung) weitere Ziffern bzw Zahlen angeführt habe, die keinen Zweck aufweisen würden. Die Leistungen seien lediglich unter generellen Verweis auf „§ 43“ verzeichnet worden, ohne einen Absatz oder eine Ziffer zu bestimmen. Die Honorarnote würde daher nicht den Anforderungen einer transparenten oder nachvollziehbaren Abrechnung entsprechen, sodass die Berechtigung dieser geltend gemachten Kosten nicht nachvollzogen werden könne. Einen Antrag stellte der Angeklagte nicht (ON 27). Der Revisor beim Landesgericht Wels erhob keinen Einwand gegen die antragsgemäße Bestimmung der Gebühren des Sachverständigen (ON 26, 1).

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 28. November 2024 bestimmte das Erstgericht die Gebühren des Sachverständigen Dr. B* , LL.M., antragsgemäß mit einem Betrag von EUR 1.543,00 im Wesentlichen mit der Begründung, dass die vom Sachverständigen herangezogenen Ansätze für die Gebührennote sich aus den §§ 31, 32 Abs 1, 34, 35, 36, 43 (Abs 1 Z 1 lit a, lit d und lit e) GebAG in Zusammenschau mit den jeweiligen Anmerkungen (Erhöhung der Beträge) ergeben würden. Gegen die Richtigkeit dieser Ansätze würden keine Bedenken bestehen. Die dem Sachverständigen zugesprochene Gebühr entspreche den im GebAG vorgesehenen Tarifsätzen und erbrachten Leistungen. Da die in § 40 Abs 1 Z 2 GebAG genannten Personen gegen die Bestimmung der Gebühr in der vom Sachverständigen beantragten Höhe keine Einwendungen erhoben haben, könne zur Begründung dieses Beschlusses gemäß § 39 Abs 3 GebAG auf den diesen Personen zugestellten Gebührenantrag verwiesen werden (ON 28).

Dagegen erhob der Angeklagte mit Schriftsatz vom 12. Dezember 2024 Beschwerde, mit dem Antrag, den Beschluss aufzuheben und dem Sachverständigen aufzutragen, für eine ordnungsgemäße Verzeichnung der begehrten Kosten zu sorgen, damit diese entsprechend vom Verteidiger überprüft werden können und verwies auf seine zur Gebührennote des Sachverständigen abgegebenen Äußerung vom 26. November 2024, demnach die Kosten des Sachverständigen mangelhaft verzeichnet worden seien (ON 29).

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde, zu der sich der Revisor nicht mehr geäußert hat, ist nicht berechtigt.

Vorweg ist festzuhalten, dass entgegen den Ausführungen des Angeklagten die Honorarnote des Sachverständigen schlüssig und nachvollziehbar ist. Aus ihr ergibt sich, dass der Sachverständige Gebühren nach dem GebAG verzeichnet hat, worauf der Sachverständige in der Gebührennote hingewiesen hat. Der bloße Umstand, dass er bei den einzelnen Gebührenpositionen lediglich den § 43 GebAG angeführt hat, ohne die Ziffer und die Littera dieser Bestimmung anzuführen, schadet nicht, weil sich aus dem dafür jeweils verzeichneten Betrag unzweifelhaft ergibt, welcher Leistung dieser zuzuordnen ist. So verzeichnete der Sachverständige für ein neurologisches Gutachten EUR 43,90, was dem in § 43 Abs 1 Z 1 lit a GebAG angeführten Tarif entspricht. Für ein psychiatrisches Gutachten in der Verhandlung verzeichnete der Sachverständige EUR 168,50, was wiederum dem Tarifansatz nach § 43 Abs 1 Z 1 lit d GebAG entspricht. Schließlich ergibt sich aus den insgesamt dreimal verzeichneten Beträgen von EUR 283,30, dass die Erörterung der in Auftrag gegebenen Fragen nach § 11 StGB, § 21 StGB und § 287 StGB jeweils nach dem Tarif gemäß § 43 Abs 1 Z 1 lit e GebAG (jeweils idF BGBl II 2023/430 [Betragsanpassung durch VO]) abgerechnet wurden. Die Gebührennote weist insofern eine Besonderheit auf, als der Sachverständige nach jeder Person in einer links von den beanspruchten Gebühren angeführten Spalte eine Zwischensumme errechnet, was allerdings mit eigener Berechnung nachvollzogen werden kann und sich schon aus der Titulierung als „Zwischensumme“ ergibt. Die in der dritten Spalte angeführten Zahlen legen eindeutig dar, dass es sich dabei um die angeführten Stunden für Zeitversäumnis und Teilnahme an der Verhandlung (jeweils eine Stunde) bzw die Anzahl der gefahrenen Kilometer (50) handelt.

Die Honorarnote des Sachverständigen entspricht daher dem Gesetz und bedurfte keiner Aufklärung.

Gemäß § 39 Abs 3 Z 2 GebAG kann das Gericht, wenn es keine Bedenken gegen die Höhe der Gebühren hegt, bei Beschlussfassung in antragsgemäßer Höhe zur Begründung des Beschlusses auf den den Parteien zugestellten Gebührenantrag verweisen, wenn gegen die antragsgemäße Bestimmung der Gebühr keine Einwendungen erhoben wurden.

Die Entscheidung über den zivilrechtlichen Anspruch des Sachverständigen soll – nach Möglichkeit unter Abkürzung allfälliger überflüssiger Rechtsmittelverfahren – in die erste Instanz verlagert werden, wofür in den §§ 38 bis 42 GebAG verfahrensrechtliche Sonderbestimmungen nach Art eines selbständigen (hier ins Strafverfahren implantierten) Zwischenverfahrens vorgesehen ist, welche grundsätzlich für alle Prozessarten gelten und alle sonstigen Verfahrensvorschriften, also auch jene der StPO, verdrängen. Die den Parteien einzuräumende Frist zur Äußerung zum Gebührenantrag des Sachverständigen und allenfalls erstatteten Einwendungen der Parteien haben im Gebührenbestimmungsverfahren die gleiche Funktion wie die Frist zur Klagebeantwortung und die Klagebeantwortung im Zivilprozess (RIS-Justiz RS0113541 [T2]).

§ 39 Abs 3 GebAG kann nicht bloß als Begründungserleichterung für das Gericht bei unterbliebenen Einwendungen gegen den Gebührenantrag des SV interpretiert werden. Die unterbliebene Erstattung von Einwendungen gegen eine in den Tatsachenbereich fallende, disponible Gebührenposition – wie die Ermessensentscheidung über die Höhe des Stundensatzes – nimmt den Parteien das Rechtsschutzinteresse (die Beschwer) für das Rechtsmittel. Daran ändert auch nichts, dass im strafrechtlichen Beschwerdeverfahren kein Neuerungsverbot besteht (Krammer/Schmidt/Guggenbichler, SDG-GebAG4 § 39 E 84).

Das Unterbleiben einer Äußerung der Parteien des Verfahrens hat also eine qualifizierte Bedeutung. War die Gebührenverzeichnung des Sachverständigen schlüssig und verstößt die Bestimmung der beanspruchten Gebühr nicht gegen zwingende gesetzliche Bestimmungen, müssen die Parteien mit einer antragsgemäßen und abschließenden Gebührenbestimmung rechnen. Die Überprüfung des Gebührenantrages erstreckt sich dabei nur auf seine Schlüssigkeit, seine Übereinstimmung mit dem Akteninhalt sowie auf zwingende gesetzliche Bestimmungen (vgl Krammer/Schmidt/Guggenbichler, SDG-GebAG4 § 39 E 91).

Da weder der Angeklagte noch der Revisor Einwendungen gegen die vom Sachverständigen verzeichneten Gebühren erhoben haben und der am Akteninhalt orientierte Gebührenantrag des Sachverständigen schlüssig ist und nicht gegen zwingende gesetzliche Bestimmungen verstößt, konnte das Erstgericht die Gebühren antragsgemäß bestimmen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu.

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