European Case Law Identifier: ECLI:AT:OLG0459:2025:0080BS00260.24B.0114.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
I. zu Recht erkannt:
Der Berufung wird Folge gegeben und das Urteil in seinem Strafausspruch dahin abgeändert, dass die Freiheitsstrafe auf 18 Monate erhöht wird.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
II. den Beschluss gefasst:
Gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO wird vom Widerruf der zu den Urteilen des Landesgerichts Linz vom 15. Juni 2022, GZ2* und vom 14. Dezember 2022, GZ3* gewährten bedingten Strafnachsichten abgesehen, jedoch gemäß § 494a Abs 6 StPO, § 53 Abs 3 StGB die zu GZ3* bestimmte Probezeit auf fünf Jahre verlängert.
Mit ihrer Beschwerde wird die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen rechtskräftigen Schuldspruch der B* enthält, wurde der am ** geborene junge Erwachsene (im Tatzeitraum teilweise noch jugendliche) A* des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG (zu A.I.) und Vergehen der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 (erster und zweiter Fall) SMG (zu A.II.) sowie des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (zu B.) schuldig erkannt und dafür unter Anwendung von § 28 Abs 1 StGB und § 19 Abs 1 JGG (vgl aber Schroll/Oshidari in WK-StGB² § 5 JGG Rz 14/3) zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten sowie zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt. Mit gleichzeitig gefasstem Beschluss wurde vom Widerruf je einer bedingten Strafnachsicht aus zwei Verfahren abgesehen, in einem Fall aber die Probezeit auf fünf Jahre verlängert.
Nach dem Schuldspruch hat er in C* und andernorts vorschriftswidrig Suchtgift
- im Zusammenwirken mit B*
- im Zeitraum von Anfang 2024 bis 9. August 2024 in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich insgesamt zumindest 3.000 g Cannabiskraut (beinhaltend: 15,4 % THCA und 1,18 % D-9-THC - ca. 13-fache Grenzmengenüberschreitung) an 23 im Urteil einzeln angeführte und weitere unbekannte Abnehmer (teils öffentlich unter den Voraussetzungen des § 27 Abs 2a SMG) überwiegend gewinnbringend zum durchschnittlichen Grammpreis von EUR 10,00 überlassen und
- in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge mit dem Vorsatz, dass es in Verkehr gesetzt werde, erworben und bis zur Sicherstellung besessen, indem sie am 9. August 2024 833,8 g Cannabiskraut (beinhaltend: 15,4 % THCA und 1,18 % D-9-THC – ca. 3-fache Grenzmengenüberschreitung) in der Wohnung in der **straße **, ** C*, bzw. im Pkw der B* mit sich führten/aufbewahrten, sowie
- ausschließlich zum persönlichen Gebrauch erworben und bis zum Eigenkonsum besessen, indem er seit Ende 2022 bis zuletzt am 9. August 2024 regelmäßig Cannabiskraut konsumierte.
Gegen den A* betreffenden Strafausspruch richtet sich die rechtzeitig angemeldete (ON 1.22) und ausgeführte (ON 36) Berufung der Staatsanwaltschaft, mit der sie eine Anhebung der Freiheitsstrafe anstrebt. Ihre gleichzeitig erhobene Beschwerde zielt auf den Widerruf der bedingten Strafnachsichten ab.
Der Angeklagte erstattete Gegenausführungen (ON 37).
Rechtliche Beurteilung
(Nur) die Berufung ist berechtigt.
Das Erstgericht wertete zwei einschlägige Vorverurteilungen (§ 33 Abs 1 Z 2 StGB), das Zusammentreffen von (einem) Verbrechen mit (mehreren) Vergehen (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB), die „Mehrfachqualifikation“ des Suchtgifthandels in Hinblick auf die teils im Sinne von § 27 Abs 2a SMG öffentlichen Weitergaben (vgl zur erschwerenden Wertung einer den Unrechtsgehalt der Tat steigernden [bloß] scheinbar konkurrierenden strafbaren Handlung: Riffel in WK-StGB² § 32 Rz 71;auch Ratz in WK-StGB² Vor §§ 28-31 Rz 80), die mehrfache Überschreitung der Grenzmenge (RIS-Justiz RS0131986) und die Gewinnerzielungsabsicht (RIS-Justiz RS0088292) als erschwerend, mildernd dagegen das reumütige und zur Wahrheitsfindung beitragende Geständnis des Berufungswerbers (§ 34 Abs 1 Z 17 StGB), die Tatbegehung teils als Jugendlicher (die hier ohne Einfluss auf den Strafrahmen bleibt [vgl Schroll/Oshidari aaO Rz 13/3]), teils als junger Erwachsener (§ 34 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB) sowie die Sicherstellung des von Punkt A.II. des Schuldspruchs erfassten Suchtgifts (Matzka/Zeder/Rüdisser, SMG³ § 27 Rz 110).
Dieser Katalog ist zunächst zu Gunsten des Berufungswerbers um seine Gewöhnung an Suchtmittel (Matzka/Zeder/Rüdisser aaO Rz 109 mwN, 12 Os 140/16d; vgl US 5 und RIS-Justiz RS0124621) zu ergänzen.
Zusätzlich erschwerend fallen dagegen – teils mit der Argumentation der Berufungswerberin – ins Gewicht: der rasche Rückfall (RIS-Justiz RS0091527 [T1], RS0091619, RS0090973) mit Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG ab Ende 2022 und damit (zumindest) unmittelbar nach der Verurteilung zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe am 14. Dezember 2022 (ON 25) sowie die mehrfache Verwirklichung alternativer Mischtatbestände zu den Punkten A.I. und II. des Schuldspruchs (RIS-Justiz RS0114037 [T 10]).
Richtigerweise ist beim Erschwerungsgrund des Zusammentreffens mehrerer strafbarer Handlungen in Bezug auf den Eigenkonsum auch der ein Jahr übersteigende und demnach lange (Riffel in WK-StGB² § 33 Rz 4) Tatzeitraum mitzuberücksichtigen (RIS-Justiz RS0096654).
Im Zuge der allgemeinen Strafzumessung (§ 32 StGB) wirkt die Tatbegehung während offener Probezeiten zu gleich zwei Verurteilungen und während eines Strafaufschubs (S 3 in ON 25) schuldaggravierend (RIS-Justiz RS0090597, RS0090954, OLG Linz 9 Bs 199/23p).
Wertungsmäßig hat das Erstgericht zu Recht dem beide Fälle des § 34 Abs 1 Z 17 StGB (vgl RIS-Justiz RS0091510) umfassenden Geständnis des Berufungswerbers eine zentrale Bedeutung zuerkannt.
Andererseits aber wird seine Vorstrafenbelastung deutlich dadurch akzentuiert, dass er bereits am 15. Juni 2022 wegen der Weitergabe von 1 kg Cannabiskraut (und damit einer gegen die Rechtsgüter Leib und Leben gerichteten strafbaren Handlung [RIS-Justiz RS0091972]) gemeinsam mit seiner damaligen Partnerin zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt wurde (ON 24). Dessen ungeachtet beging er am 17. September 2022 mehrere Körperverletzungsdelikte, weshalb mit Urteil vom 14. Dezember 2022 eine weitere bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe über ihn verhängt wurde (ON 25). Nun wurde er erneut innerhalb der fünfjährigen Frist des § 39 Abs 2 erster Satz StGB mit einer strafbaren Handlung gegen Leib und Leben rückfällig, so dass (allein) die zeitlichen Voraussetzungen für die Strafschärfung im Rückfall § 39 Abs 1a StGB vorliegen (zum Gebot der rechtsgutbezogenen Auslegung dieser Bestimmung: RIS-Justiz RS0134087 und 15 Os 119/22x [verstärkter Senat]). Dessen ungeachtet kommt es nicht zu einer Erhöhung des Strafrahmens, weil der Berufungswerber im Tatzeitraum das 19. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte. Die geschilderte Abfolge ist jedoch bei der Gewichtung der Vorstrafen zu berücksichtigen. Außerdem weist die Berufung zutreffend darauf hin, dass die Überschreitung der Grenzmenge nach § 28b SMG um das 13,32-fache nur knapp hinter der Qualifikationsgrenze des § 28a Abs 2 Z 3 SMG zurückbleibt.
Entgegen der Ansicht der Anklagebehörde ist allerdings der Sicherstellung einer diese Grenzmenge mehr als dreifach übersteigenden Menge an Cannabiskraut – mag sie auch nicht aus dem den Strafrahmen bestimmenden Delikt resultieren – nicht bloß untergeordnete Bedeutung beizumessen. Immerhin wird dadurch die Gefahr großen Ausmaßes für das Leben oder die Gesundheit von Menschen, die von dieser Menge ausgeht (vgl § 28b SMG), gebannt, was entsprechend berücksichtigt werden muss. Ähnlich ist nach Ansicht des Berufungsgerichts nicht danach zu differenzieren, ob eine gewisse Menge nur an einen (oder einzelne) Abnehmer oder aber an eine Vielzahl von Abnehmern weitergegeben wird. In diesem Fall wird die Gesundheit mehrerer weniger geschädigt, in jenem die Gesundheit einzelner dafür erheblicher; insgesamt bleibt der Schaden für die Volksgesundheit gleich.
Unter Abwägung dieser zum Teil ergänzten und anders gewichteten Strafzumessungsgründe wird selbst unter gebührender Berücksichtigung des reumütigen und einen wesentlichen Beitrag zur Wahrheitsfindung leistenden Geständnisses (erst) eine Freiheitsstrafe von 18 Monaten, die den zur Verfügung stehenden Strafrahmen zu knapp einem Drittel ausschöpft, den Taten und der Schuld des Berufungswerbers gerecht.
Die Abänderung des Strafausspruchs hat die Aufhebung der Beschlüsse nach § 494a StPO zur Folge. Sie sind dann vom Rechtsmittelgericht im Sinne einer Gesamtregelung der Straffrage (unter Beachtung des Verschlechterungsverbots) neu zu treffen, wobei diese Entscheidung durchaus in einer Wiederholung der weiterhin als sachgerecht erachteten Vorbeschlüsse bestehen kann (Jerabek/Ropper in WK-StPO § 498 Rz 8).
Hier sah das Erstgericht einerseits vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht in dem Verfahren zu GZ2* des Landesgerichts Linz ab und beschloss zu dem zu GZ3* des Landesgerichts Linz geführten Verfahren: „Gemäß § 494a Abs. 1 Z. 2 i.V.m. Abs. 6 StPO wird vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht ... abgesehen und die Probezeit auf fünf Jahre verlängert.“ In besagtem Verfahren verhängte das Gericht zunächst nach § 43a Abs 3 StGB eine teilbedingte Freiheitsstrafe (ON 25), bevor mit Beschluss vom 1. Dezember 2023 auch der unbedingte Strafteil unter Bestimmung einer Probezeit bedingt nachgesehen wurde (vgl Position 02 der Strafregisterauskunft). Auf welche der beiden Strafnachsichten sich das Absehen vom Widerruf und auf welche der beiden Probezeiten sich deren Verlängerung auf fünf Jahre bezog, ist dem angefochtenen Urteil nicht explizit zu entnehmen. Die Verwendung der Einzahl (vgl auch US 10: „war die Probezeit … auf fünf Jahre zu verlängern“) verbietet jedenfalls eine Interpretation dahingehend, dass beide Entscheidungen (nämlich das Urteil vom 14. Dezember 2022 und der [in der Hauptverhandlung nicht erörterte] Beschluss vom 1. Dezember 2023) gemeint sein könnten. Nach dem Verständnis des Berufungsgerichts bezieht sich der erstgerichtliche Ausspruch auf die ursprünglich gewährte teilweise bedingte Nachsicht aus dem verlesenen (S 4 in ON 34) Urteil vom 14. Dezember 2022. Weil auch der Beschwerde der Staatsanwaltschaft kein dezidiert auf die (demnach unterlassene) Entscheidung nach § 494a StPO zum Beschluss vom 1. Dezember 2023 bezogener Anfechtungswille zu entnehmen ist, kommt dem Rechtsmittelgericht insoweit keine Entscheidungskompetenz zu.
Vom Widerruf bedingter Strafnachsichten ist aber ohnedies abzusehen. Ein solcher wäre bei neuerlicher Straffälligkeit innerhalb der Probezeit dann zu beschließen, wenn der Vollzug der Strafe oder des Strafteiles zusätzlich zur neuerlichen Verurteilung geboten erscheint, um den Rechtsbrecher von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Spezialpräventive Erwägungen müssten den Vollzug zusätzlich zum neuen Strafübel unumgänglich machen (Jerabek/Ropper in WK-StGB² § 53 Rz 7). Das ist hier nicht der Fall. Vielmehr besteht – auch nach dem während der Berufungsverhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck und dem Bericht der Bewährungshelferin – die Hoffnung, dass der nun erstmalige Vollzug einer doch mehrmonatigen Freiheitsstrafe den Berufungswerber fortan zu rechtstreuem Verhalten bewegen wird. Die aus dem Ersturteil übernommene Probezeitverlängerung zum Urteil vom 14. Dezember 2022 soll diese Erwartung möglichst nachhaltig absichern.
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