European Case Law Identifier: ECLI:AT:OLG0459:2025:00200R00031.25D.0403.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Beklagte ist schuldig, den Nebenintervenienten B* C* GmbH und D* m.b.H. binnen 14 Tagen die mit jeweils EUR 7.490,94 (darin EUR 1.248,49 USt) bestimmten Rekursbeantwortungskosten zu ersetzen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Begründung:
Die Beklagte beauftragte für den Umbau des Stadions der Stadt I* ** (E*) am 18.02.2022 die Klägerin mit den Stahlbau-, Dach- und Fassadenarbeiten.
Der Klage auf Zahlung restlichen Werklohns (samt dem Begehren auf Vertragsaufhebung gemäß § 1170b ABGB) vom 21.09.2023 hält die Beklagte unter anderem den Einwand der Mangelhaftigkeit der Stadionhülle entgegen.
Da die Klägerin für die Ausführung der Stadionhülle die B* C* GmbH als Subunternehmerin beauftragt hatte, verkündete sie dieser mit Schriftsatz vom 28.02.2024 den Streit und forderte sie auf, dem Verfahren auf ihrer Seite beizutreten. Sollte die Beklagte mit ihrer Behauptung der Mangelhaftigkeit der Stadionhülle durchdringen, kündigte die Klägerin Regressansprüche gegen die B* C* GmbH an. Diese habe ein hinreichendes Interesse daran, dass sie die von der Beklagten eingewendete Gegenforderung abwehre.
Mit Schriftsatz vom 21.05.2024 (ON 15) trat die B* C* GmbH dem Rechtsstreit als Erstnebenintervenientin der Klägerin bei und verkündete im selbigen wiederum der D* m.b.H. den Streit, weil diese im Rahmen eines „Streckengeschäfts“ nach Zukauf von der Firma J* GmbH & Co KG Materialien zugeliefert habe, deren Fehlerhaftigkeit nun im Raum stehe. Mit der Streitverkündung stellte die Erstnebenintervenientin der Klägerin der Streitverkündeten Regressansprüche in Aussicht, sollte die Klägerin im Verfahren unterliegen und die Erstnebenintervenientin mit Regressansprüchen belangen. Mit Schriftsatz vom 6.6.2024 (ON 18) trat auch die D* mbH dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin bei.
Zum maßgeblichen Interesse für die Zulässigkeit der Nebenintervention verwiesen beide Nebenintervenientinnen auf die angekündigten Regressansprüche.
Die Beklagte beantragte die Zurückweisung der Nebenintervention (ON 20). Beiden Nebeninterventinnen mangle es aufgrund des Tatsachenvorbringens an einem hinreichenden rechtlichen Interesse am Obsiegen der Klägerin. Sie würden ihre Interventionsbefugnis von der Seitens der Beklagten kompensando eingewendeten Gegenforderung ableiten. Die bloße vom Interesse an der Entscheidung über eine im Prozess eingewendete Gegenforderung abgeleitete Nebenintervention sei unzulässig, weil eine Gegenforderung keine Streitanhängigkeit begründe.
Die Nebenintervenientinnen replizierten (ON 24 und 27), dass die Beklagte mit dem Einwand der Mangelhaftigkeit der Stadionhülle letztlich die Fälligkeit des Werklohnanspruchs der Klägerin bestreite und ein Zurückhaltungsrecht gemäß § 1052 ABGB am Werklohn geltend mache. Die Beklagte bestreite damit auch die Klagsforderung. Der Erfolg des Einwands würde zur Abweisung der Klage führen, ohne das es auf das Bestehen einer Gegenforderung ankäme. Dies widerlege, dass die Nebenintervenientinnen ihre Befugnis zum Streitbeitritt ausschließlich aus einer von der Beklagten erhobenen Gegenforderung ableiteten; ihr rechtliches Interesse an der Intervention liege vielmehr in der möglichen „Regressinanspruchnahme“.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Antrag der Beklagten auf Zurückweisung der Nebenintervention der B* C* GmbH und der D* m.b.H., jeweils auf Seiten der Klägerin, ab.
In seiner rechtlichen Beurteilung verwies das Erstgericht auf § 17 Abs 1 ZPO, wonach derjenige, der ein rechtliches Interesse daran habe, dass in einem zwischen anderen Personen anhängigen Rechtsstreit eine Person obsiege, dieser Partei im Rechtsstreit beitreten könne. Ein rechtliches Interesse habe der Nebenintervenient dann, wenn sich die Entscheidung unmittelbar oder mittelbar auf seine privat- oder öffentlichrechtlichen Verhältnisse rechtlich günstig oder ungünstig auswirke. Das rechtliche Interesse müsse ein in der Rechtsordnung begründetes und von ihr gebilligtes Interesse sein, das über das bloß wirtschaftliche Interesse hinausgehe. Bei der Beurteilung, ob die Nebenintervention zulässig sei, sei kein strenger Maßstab anzulegen. Es genüge, dass der Rechtsstreit die Rechtssphäre des Nebenintervenienten berühre. Das Interventionsinteresse sei zu bejahen, wenn durch das Obsiegen der Hauptpartei die Rechtslage des Dritten verbessert oder durch deren Unterliegen verschlechtert werde. Das sei insbesondere im Fall drohender Regressnahme in einem Folgeprozess als Folge des Prozessverlustes der streitverkündenden Partei im Hauptprozess zu bejahen. Widerspreche eine Partei der Nebenintervention, so habe der Nebenintervenient das rechtliche Interesse zu konkretisieren und zu bescheinigen. Die Zulässigkeit der Nebenintervention dürfe nicht aus anderen als den vom Nebenintervenienten vorgebrachten Tatsachen abgeleitet werden.
Im Ergebnis sei festzuhalten, dass drohende Regressinanspruchnahme nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung ein ausreichendes rechtliches Interesse begründe. Seitens der Nebenintervenientinnen sei nachvollziehbar dargelegt worden, dass die Klägerin bei ihrem Unterliegen zunächst die Erstnebenintervenientin und diese wiederum die Zweitnebenintervenientin mit Regressansprüchen belangen werde. Die Nebenintervenientinnen hätten die Gründe, auf die sie ihr rechtliches Interesse stützten, in hinreichendem Maße glaubhaft gemacht und damit bescheinigt. Entgegen der Ansicht der Beklagten stützten sie sich gerade nicht auf eine im Prozess aufrechnungsweise eingewendete Gegenforderung, bestreite doch die Beklagte mit der Behauptung einer Mangelhaftigkeit der Stadionhülle iSd § 1052 ABGB auch die Fälligkeit des Werklohnanspruchs. Die Streitbeitritte seien zulässig.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Sie beantragt die Abänderung dahingehend, dass die Nebeninterventionen der B* C* GmbH und der D* m.b.H. zurückgewiesen werden.
Die Nebenintervenientinnen beantragen in ihrer jeweiligen Rekursbeantwortung die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Zunächst ist auf die zutreffenden allgemeinen Ausführungen des Erstgerichts zum Wesen und zu den Voraussetzungen einer Nebenintervention zu verweisen (§§ 526 Abs 3, 500a ZPO). Daraus ist hervorzuheben, dass die Zulässigkeit der Nebenintervention nicht aus anderen als den vom Nebenintervenient vorgebrachten Tatsachen abgeleitet werden darf und nicht die widersprechende Gegenpartei, sondern der Nebenintervenient infolge des Zurückweisungsantrags sein rechtliches Interesse zu konkretisieren und zu bescheinigen hat (RS0035678).
Wenn die Beklagte – wie schon in ihrem Antrag auf Zurückweisung der Nebeninterventionen – auch im Rekurs den Standpunkt vertritt, den Nebenintervenientinnen fehle es am rechtlichen Interesse, weil das Bestehen der von ihr eingewendeten Gegenforderung keinesfalls für eine Nebenintervention ausreiche, übersieht sie die ergänzenden Ausführungen der Nebenintervenientinnen.
Richtig ist zwar, dass die bloß von dem rechtlichen Interesse an der Entscheidung über eine im Prozess eingewendete Gegenforderung abgeleitete Nebenintervention sowohl auf Seiten des Beklagten wie auch auf Seiten des Klägers unzulässig ist (RS0033869). Die Beklagte übersieht aber, dass sich die Nebenintervenientinnen mit ihrem Tatsachenvorbringen, und nur dieses ist als entscheidungswesentlich zu berücksichtigen (RS0035678), allenfalls zunächst nur in ihren Beitrittschriftsätzen auf die allfälligen Gegenforderungen der Beklagten gestützt haben.
Mit ihren Repliken auf den Zurückweisungsantrag haben sich beide Nebenintervenientinnen nicht nur mehr die Gegenforderung gestützt, sondern auf die möglichen „Regressansprüche“ der Klägerin wegen Mängeln am Gewerk und Produktionsfehlern der von der Zweitnebenintervenientin zugelieferten Materialien. Soweit die Beklagte vermeint, dass das Zurückbehaltungsrecht kein bzw kein streitanhängiger Anspruch sei, ist richtig, dass es sich dabei um Einwendungen auf der Passivseite des Prozessverhältnisses handelt. Die Beklagte lässt aber unbeachtet, dass die Klägerin auf ihrer Aktivseite primär die Durchsetzung ihres Werklohnanspruchs anstrebt. Dieser Anspruch ist der Klagegrund und dessen Durchsetzung oder Scheitern ist entscheidend für die daraus folgende angekündigte allfällige Schadloshaltung der Klägerin.
Die Ausführungen der Beklagten sind insoweit zutreffend, als sich im Verhältnis der Klägerin zur Erstnebenintervenientin bei Scheitern der Werklohnklage daraus kein Regressanspruch im eigentlichen Sinn ableiten lässt, ist doch der Regress (Rückgriffsanspruch) durch die tatsächliche Leistung aufschiebend bedingt (RS0017359). Wenn die Erstnebenintervenientin in ihrer Beitrittserklärung von dem ihr drohenden „Regressanspruch“ spricht, meint sie daher vielmehr die ihr in Folge Prozessverlusts drohende Schadloshaltung der Klägerin wegen Ansprüchen aus der Schlechterfüllung des Subunternehmervertrags über die Herstellung der Stadionhülle. Aber auch diese drohende Schadloshaltung begründet ein rechtliches Interesse der Erstnebenintervenientin am Beitritt im Hauptprozess.
Die Beklagte argumentiert, dass die Nebenintervenientinnen keine schlüssige Begründung des rechtlichen Interesses behauptet hätten. Die bloße Ankündigung eines Regressanspruchs durch die streitverkündende Partei reiche nicht aus, weil der Regressanspruch tatsächlich plausibel gemacht werden müsse. Es fehle bei beiden Nebenintervenientinnen schlüssiges Tatsachenvorbringen, weshalb - ausgehend vom Prozessausgang - tatsächlich Regressforderungen drohten. Es hätte vorgebracht werde müssen, welche konkreten Leistungen den Nebenintervenientinnen beauftragt worden seien, und welche konkreten Mängel bei den jeweiligen Aufträgen vorlägen. Insgesamt reiche die Erzielung bestimmter Prozessergebnisse nicht aus.
Diese Ausführungen sind nicht stichhältig. Es reicht nach ständiger Rechtsprechung aus, wenn der Nebenintervenient einen zu befürchtenden Rückgriff plausibel darstellen kann. Die denkbaren rechtlichen Schritte in einem drohenden Regressprozess oder einem Prozess zur Schadloshaltung sind vom Nebenintervenienten nicht im Einzelnen konkret darzustellen (RS0106173 [T5, T7]). Die Nebenintervenientinnen haben in ihren Beitrittserklärungen jeweils das Tatsachenvorbringen der Auftragserteilung und des allgemeinen Auftragsumfangs vorgebracht. Falls sich herausstellen sollte, dass die Aufträge mangelhaft erbracht worden seien, drohe von Seiten der Klägerin als Auftraggeberin einerseits „der Regress“ (gemeint: die Schadloshaltung) gegenüber der Erstnebenintervenientin, andererseits der Regress der Erstnebenintervenientin an der Zweitnebenintervenientin (im Falle der Schadloshaltung der Klägerin an der Erstnebenintervenientin). Dieses Vorbringen ist plausibel. Der Auftrag zur Hüllenfertigung und Fassadengestaltung an die Erstnebenintervenientin als auch die vorgebrachte Zulieferung von Materialien allfällig behaftet mit Produktionsmängeln auf Seiten der Zweitnebenintervenientin beschreiben den möglichen Anspruchsumfang und die möglichen Anspruchsgründe ausreichend, um das rechtliche Interesse an der Intervention nachvollziehen zu können. Bei der Beurteilung, ob die Nebenintervention zulässig ist, ist kein strenger Maßstab anzulegen. Es genügt, dass der Rechtsstreit die Rechtssphäre des Nebenintervenienten berührt (RS0035638).
Auch der von der Beklagten vorgebrachte Umstand, dass es wegen vertraglicher Vereinbarungen zwischen der Klägerin und den Nebenintervenientinnen noch lange nicht zu einem Regressanspruch kommen müsse, führt nicht zur Notwendigkeit konkreteren Vorbringens zur allfälligen Mangelhaftigkeit der Vertragsleistungen, weil die denkbaren rechtlichen Schritte in einem drohenden Regressprozess oder bei drohender Schadloshaltung vom Nebenintervenienten nicht im Einzelnen konkret darzustellen sind (RS0106173 [T5, T7]).
Damit war dem Rekurs nicht Folge zu geben und die angefochtene Entscheidung zu bestätigen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50 Abs 1, 41 ZPO. Für die Rekursbeantwortung der D* m.b.H. steht kein Streitgenossenzuschlag zu, weil ihr im Rekursverfahren nur die Beklagte gegenüber steht und ihr Rechtsanwalt nicht mehrere Personen vertritt.
Die Unzulässigkeit eines weiteren Rechtszugs folgt aus § 528 Abs 2 Z 2 ZPO.
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