European Case Law Identifier: ECLI:AT:OLG0459:2025:0100BS00004.25X.0129.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben, gemäß §§ 356 iVm 352 Abs 1 Z 1, 358 Abs 1 StPO die Wiederaufnahme des Strafverfahrens im Umfang des Punktes 2. des Schuldspruchs bewilligt und das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 1. August 2024, GZ GZ1*-25, das im Übrigen unberührt bleibt, im genannten Schuldspruch, demzufolge auch im Strafausspruch und im Verfallserkenntnis aufgehoben.
BEGRÜNDUNG:
Mit Strafantrag der Staatsanwaltschaft Salzburg vom 12. April 2024 wurden A* die Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (1./) und nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG (2./) sowie das Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG (3./) zur Last gelegt (ON 12).
Demnach habe er in ** und anderen Orts vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Cannabiskraut (Wirkstoff: Delta-9-THC und THCA)
1./ innerhalb eines unbekannten Zeitraums bis Jänner 2024 unbekannte Mengen, nämlich zwischen 10 bis 12 Gramm pro Monat, zum persönlichen Gebrauch erworben und bis zum jeweiligen Eigenkonsum besessen;
2./ innerhalb eines unbekannten Zeitraums bis zur Sicherstellung am 18. Jänner 2024 zumindest 232,9 Gramm […] erworben und besessen;
3. im Zeitraum von Anfang 2020 bis Ende 2023 zumindest 600 Gramm mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von […] 0,83% Delta-9-THC […] und 10,96% THCA […], sohin eine die Grenzmenge zumindest einfach übersteigende Menge, im Zuge einer Vielzahl von Übergaben nachgenannten Personen gewinnbringend verkauft, sohin anderen überlassen, und zwar
a. im Zeitraum von Anfang 2020 bis März 2023 600 Gramm dem B* zum Preis von EUR 10,00 pro Gramm,
b. innerhalb eines unbekannten Zeitraums bis Ende 2023 unbekannte Mengen der C*, nämlich wöchentlich Cannabiskraut zum Preis zwischen EUR 700,00 und EUR 1.000,00.
Mit Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 1. August 2024 wurde A* hinsichtlich Punkt 1. und 2. abweichend vom Strafantrag schuldig erkannt, er habe Cannabiskraut (1./) innerhalb eines unbekannten Zeitraums bis zur Sicherstellung am 18. Jänner 2024 ausschließlich zum persönlichen Gebrauch erworben und bis zum jeweiligen Eigenkonsum besessen; sowie hinsichtlich Punkt 3. abweichend vom Strafantrag schuldig erkannt, er habe (2./) etwa von Frühling 2021 bis Frühling 2022 eine die Grenzmenge des § 28b SMG nicht übersteigende Menge Cannabiskraut, nämlich zumindest 125 Gramm, B* überlassen, davon zumindest 100 Gramm zum Preis von EUR 10,00. Hiedurch habe er die Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (1./) und nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall SMG (2./) begangen (ON 25).
Das von Anklagefaktum 2./ umfasste Suchtgift wurde sichergestellt und gemäß §§ 34 SMG iVm 26 StGB eingezogen. Ferner wurde ein sichergestelltes Vakuumiergerät ** weiß samt Folienrollen und Suchtmittelfeinwaage konfisziert und ein Betrag von EUR 1.000,00 für verfallen erklärt.
Hinsichtlich der „über die Feststellungen im Schuldspruch“ hinausgehenden Mengen betreffend das Überlassen von Suchtgift an B* und C* erfolgte – rechtlich verfehlt, aber unbeachtlich (sh dazu unten) – ein Freispruch gemäß § 259 Z 3 StPO.
Am 9. Dezember 2024 beantragte die Staatsanwaltschaft nunmehr die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß „§ 355 StPO iVm § 352 Abs 1 Z 1 StPO“, weil B* im gegen ihn ua wegen des Verdachts der Vergehen der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 StGB und der Begünstigung nach § 299 Abs 1 StGB geführten Verfahren zu GZ2* des Landesgerichts Salzburg zugestanden habe, seine A* ursprünglich iSd Strafantrags belastenden Angaben in der Hauptverhandlung vom 13. Juni 2024 über Ersuchen des A* zu dessen Gunsten relativiert zu haben. Da der Freispruch des A* daher durch falsche Beweisaussage herbeigeführt worden sei, würden die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahmen nach § 352 (Abs 1) Z 1 StPO vorliegen. Es werde daher beantragt, die Wiederaufnahme des Verfahrens GZ1* zu bewilligen und „das Urteil vom 1. August 2024 aufzuheben“ (ON 36.1).
Mit dem angefochtenen Beschluss wurde dieser Antrag als unzulässig zurückgewiesen, weil es sich beim im Urteil enthaltenen Freispruch von Teilen einer tatbestandlichen Handlungseinheit um einen unzulässigen Teilfreispruch von bloßen Suchtgiftquanten handeln würde, weshalb eine isolierte Wiederaufnahme lediglich dieses freisprechenden Teils, wie sie durch Bezugnahme auf § 355 StPO von der Staatsanwaltschaft begehrt würde, unzulässig sei (ON 38).
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen von der Staatsanwaltschaft erhobene Beschwerde (ON 39) ist im Ergebnis berechtigt.
Im Einklang mit dem Erstgericht ist zunächst festzuhalten, dass Bezugspunkt des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 SMG „eine die Grenzmenge (§ 28b) übersteigende Menge“ ist, wobei für sich allein die Grenzmenge nicht übersteigende Suchtgiftquanten bei Vorhandensein eines Vorsatzes, der von vornherein den an die bewusst kontinuierliche Begehung geknüpften Additionseffekt mitumfasst, zur Begründung dieser strafbaren Handlung zusammengefasst werden können. Liegen diese Voraussetzungen vor, kann das Verbrechen nach § 28a Abs 1 SMG auch als tatbestandliche Handlungseinheit im Sinn fortlaufender Verwirklichung begangen werden (vgl 14 Os 59/20p ua). Das Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 SMG ist in Bezug auf die dort genannten Tathandlungen daher eine selbständige Qualifikation zu § 27 Abs 1 Z 1 SMG (vgl RIS-Justiz RS0115884; RS0115553). Der vom erkennenden Gericht vorgenommene Subsumtions- bzw Qualifikationsfreispruch ist daher unbeachtlich.
Ungeachtet der angeführten gesetzlichen Bestimmungen und der verfehlten Formulierung des Wiederaufnahmebegehrens strebt die Staatsanwaltschaft ob der jüngsten Angaben des B* der Sache nach erkennbar hinsichtlich des Schuldspruchfaktums 2./ eine strafantragskonforme Verurteilung des Angeklagten nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG an. Sie begehrt damit die Wiederaufnahme des Strafverfahrens in diesem Umfang (§ 352 Abs 1 Z 1 StPO), um zu bewirken, dass eine Handlung, wegen der der Angeklagte verurteilt worden ist, nach einem strengeren Strafgesetz beurteilt werde, wobei die wirklich verübte Tat sich als ein Verbrechen darstellt, während der Angeklagte nur wegen eines mit nicht mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten Vergehens verurteilt wurde (§ 356 Z 3 StPO) und gibt solcherart den Umfang des Wiederaufnahmeverfahrens vor. Unzulässig ist das (inhaltlich zum Ausdruck kommende) Begehren der Staatsanwaltschaft daher nicht.
Gemäß § 352 Abs 1 Z 1 StPO kann dem Antrag Staatsanwaltschaft auf Wiederaufnahme eines Verfahrens gegen einen Beschuldigten (Angeklagten bzw Verurteilten) nur stattgegeben werden, wenn die Strafbarkeit der Tat noch nicht durch Verjährung erloschen ist (wovon vorliegend nicht auszugehen ist) und die Einstellung (der Freispruch bzw vorliegend die Verurteilung wegen eines Vergehens) ua durch falsche Beweisaussage herbeigeführt worden ist. Die Wiederaufnahme nach Z 1 (als Spezialfall der in Z 2 angeführten neu beizubringenden „Tatsachen oder Beweismittel“ [vgl Lewisch in Fuchs/Ratz, WK StPO § 353 Rz 1]) erfordert neben dem Vorliegen der entsprechenden Handlung auch deren möglichen Einfluss auf die Verurteilung (vgl Lewisch aaO § 352 Rz 32 ff).
B* gestand in der zu GZ2* des Landesgerichts Salzburg am 15. November 2024 durchgeführten Hauptverhandlung eine Falschaussage zu Gunsten und über Ersuchen des A* zu (S 2 in ON 36.2) und belastete sich durch diese Angaben zudem selbst. Die daraufhin von ihm rekonstruierten Suchtgiftmengen (Februar 2021 bis Oktober 2022 alle 14 Tage 10 Gramm) entsprechen mit rund 420 Gramm in etwa der sich aus seinen Angaben vor der Polizei am 30. März 2024 (ON 11) ergebenden Mindestmenge von rund 425 Gramm, berechnet anhand von Durchschnittswerten (85 x 5 Gramm). In Anlehnung an die zitierten Reinheitsgrade von 0,83% Delta-9-THC und 10,96% THCA errechnen sich reine Wirkstoffmengen von 3,4 Gramm Delta-9-THC und 46 Gramm THCA. Ausgehend von den Grenzmengen von 20 Gramm bei Delta-9-THC und 40 Gramm bei THCA wäre das Überschreiten der Grenzmenge iSd § 28a Abs 1 SMG indiziert. Damit ist ein Einfluss der Falschaussage des B* auf die Verurteilung des Angeklagten (lediglich) nach dem Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall SMG anstelle des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG nicht auszuschließen (vgl Lewisch aaO § 352 Rz 33 und § 353 Rz 23). Im Ergebnis erscheinen die jüngsten Angaben des B* (in Zusammenschau mit seinen ursprünglich A* belastenden Angaben vor der Polizei) somit geeignet, eine andere Lösung der Beweisfrage und damit eine Verurteilung des Angeklagten nach dem Verbrechenstatbestand des § 28a Abs 1 SMG zu erwirken.
Während ein gewisses Mindestmaß an Beweiswürdigung im Rahmen des Wiederaufnahmeverfahrens unvermeidbar ist (vgl RIS-Justiz RS0098590 und RS0101243), ist eine vorgreifende Beweiswürdigung schon im Wiederaufnahmeverfahren aber unzulässig, ist doch die Beurteilung des Beweiswerts der neuen Beweismittel dem neuen Erkenntnisverfahren vorbehalten (vgl Lewisch aaO Rz 65 f).
Dass das Verfahren gegen B* wegen der Vergehen der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 StGB und der Begünstigung nach § 299 Abs 1 StGB letztlich diversionell und nicht durch Schuldspruch erledigt wurde, schadet nicht (vgl Lewisch aaO § 353 Rz 17).
Es war daher in Stattgebung der Beschwerde der erstgerichtliche Beschluss aufzuheben und die Wiederaufnahme des Strafverfahrens im Umfang des Schuldspruches Punkt 2./ zu bewilligen. Das Urteil war somit im Umfang des Punktes 2./, demzufolge auch der Strafausspruch und das Verfallserkenntnis aufzuheben (§ 358 Abs 1 StPO [vgl Lewisch aaO § 358 Rz 8]).
RECHTSMITTELBELEHRUNG:
Gegen diese Entscheidung steht kein weiteres Rechtsmittel zu.
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