OLG Innsbruck 3R56/24w

OLG Innsbruck3R56/24w27.6.2024

Beschluss

 

 

Das Oberlandesgericht Innsbruck hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Kohlegger als Vorsitzenden sowie die Richterin des Oberlandesgerichts Dr. Pirchmoser und den Richter des Oberlandesgerichts MMag. Dr. Dobler als weitere Mitglieder des Senats in der Firmenbuchsache der zu FN A* in das Firmenbuch eingetragenen B* GmbH in Liqu. mit dem Sitz in ** über den Rekurs des Liquidators C*, nunmehr p.**, ** gegen den Beschluss des Landes- als Handelsgerichts Innsbruck vom 2.5.2024, 56 Fr 898/24a‑4, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OLG0819:2024:00300R00056.24W.0627.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Unternehmens-, Gesellschafts- und Wertpapierrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung aus anderen Gründen

 

Spruch:

Der Rekurs wird als verspätet z u r ü c k g e w i e s e n .

Der (ordentliche) Revisionsrekurs ist n i c h t zulässig.

 

Begründung:

Im Firmenbuch des Erstgerichts ist zu FN A* seit 24.2.2017 die B* GmbH mit dem Stichtag für den Jahresabschluss zum 31.12. eines jeden Jahres und C* als deren Geschäftsführer eingetragen, seit 30.12.2017 mit dem Geschäftszweig des Vertriebs von **technischen Produkten. Mit Generalversammlungsbeschluss vom 2.9.2022 (eingetragen in das Firmenbuch am 13.9.2022) wurde die Gesellschaft aufgelöst und trat in das Stadium der Auflösung (Liquidation). Zum Liquidator wurde der Geschäftsführer C* bestellt.

Da das Erstgericht bis zum 12.3.2024 das Einlangen des Jahresabschlusses zum 31.12.2022 bis zum Stichtag 30.9.2023 nicht vermerken konnte (§ 4 Abs 3 COVID-19-GesG idF BGBl I 224/2022), verhängte es mit Zwangsstrafverfügung vom selben Tag, 56 Fr 898/24a‑2, (ua) über den Geschäftsführer eine Zwangs(Beuge)strafe in Höhe von EUR 350,-- für den Strafzeitraum vom 1.10. bis 30.11.2023, weil dieser gegen seine Verpflichtung gemäß den §§ 277 ff UGB verstoßen hatte, die Unterlagen für die Rechnungslegung (Jahresabschluss etc) der Gesellschaft zum 31.12.2022 bis zum 30.9.2023 vollständig beim Firmenbuchgericht einzureichen. Dieser Beschluss wurde dem Geschäftsführer am 19.3.2024 durch Hinterlegung zugestellt und von ihm am 22.3.2024 persönlich behoben (AS 11).

Am 19.4.2024 langte ein mit 9.4.2024 datierter, am 16.4.2024 zur Post gegebener und unter Verwendung des der Zwangsstrafverfügung ON 2 beigegebenen Formulars ausgeführten Einspruch gegen diese Zwangsstrafverfügung beim Erstgericht ein.

Mit dem bekämpften Beschluss vom 2.5.2024, 56 Fr 898/24a‑4, wies das Erstgericht diesen Einspruch des Liquidators als verspätet zurück. Dieser Zurückweisungsbeschluss wurde dem Liquidator am 8.5.2024 persönlich zugestellt (AS 19).

Am 31.5.2024 langte beim Erstgericht ein mit 21.5.2024 datiertes, am 28.5.2024 zur Post gegebenes Schreiben beim Erstgericht ein, das trotz der dort verwendeten Bezeichnung „Einspruch“ inhaltlich als Rekurs des Liquidators gegen die Zurückweisung des Einspruchs verstanden werden kann und davon ausgehend die Behandlung des ursprünglichen – im als Rekurs aufzufassenden Schreiben vom 21.5.2024 um weitere Gründe ergänzten – Einspruchs anstrebt (AS 27 f).

Der Rekurs erweist sich indes aus nachstehenden Erwägungen als verspätet:

Rechtliche Beurteilung

1.: Gemäß den §§ 15 Abs 1 FBG, 46 Abs 1 AußStrG beträgt die Rekursfrist im Firmenbuchverfahren 14 Tage. Sie beginnt mit der Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des selbstständig anfechtbaren Beschlusses, bei Hinterlegungen am ersten Tag der Hinterlegungsfrist (§ 17 Abs 3 zweiter Satz ZustG), hier also am 8.5.2024. Ausgehend von diesem Tag endete die 14‑tägige Rekursfrist mit Ablauf (24:00 Uhr) des 22.5.2024. Damit war die Rechtsmittelfrist sowohl zum rechtlich allein maßgeblichen (§ 89 Abs 1 GOG; RIS‑Justiz RS0059660) Zeitpunkt der Postaufgabe des mit 21.5.2024 datierten Schreibens am 28.5.2024 weit überschritten.

2.: Der Rekurs ist daher gemäß den §§ 15 FBG, 54 Abs 1 Z 1 AußStrG als verspätet zurückzuweisen.

3.: Der Vollständigkeit halber ist zu bemerken, dass auch der Hinweis auf den zwischenzeitlich am 25.3.2024 eingereichten und am 29.3.2024 im Firmenbuch eingetragenen Jahresabschluss zum 31.12.2022 daran nichts ändern kann: Diese Eingabe langte erst fast zwei Wochen nach dem Datum der Zwangsstrafverfügung ON 2 (12.3.2024) beim Erstgericht ein. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kann die nachträgliche – also erst ab dem Tag der Erlassung der Zwangsstrafe erfolgte – Erfüllung des vom Gericht aufgetragenen Verhaltens im Rechtsmittelverfahren nicht mehr berücksichtigt werden. Andernfalls würde das Rekursverfahren im Ergebnis eine Art „Nachfrist“ für die Erfüllung der aufgetragenen Verpflichtung bedeuten, was nicht im Sinn des Gesetzgebers bei der Einführung des § 283 UGB durch das BBG 2011 gelegen war (6 Ob 129/11f ErwGr 2.6. und 2.7.; RIS‑Justiz RS0123335; OLG Innsbruck 26.3.2024, 3 R 29/24z, 30/24x ErwGr 2.1. ua veröffentlicht in RIS‑Justiz RI0100219).

4.: Der guten Ordnung halber wird auch festgehalten, dass der Einspruch, den das Erstgericht – zu Recht – zurückgewiesen hat, tatsächlich verspätet war:

4.1.: Gemäß § 283 UGB sind bei nicht rechtzeitiger Einreichung des Jahresabschlusses einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung Zwangsstrafen zu verhängen. Diese Maßnahme erfolgt amtswegig und zwingend ohne vorherige Androhung (6 Ob 130/11b; 6 Ob 129/11f ErwGr 2.6.; OLG Innsbruck wie vor). Unterbleibt die Offenlegung, sind dabei abgesehen von der Gesellschaft auch die Geschäftsführer, im Fall der Liquidation die Liquidatoren, zur Befolgung der Offenlegungsvorschrift durch (Beuge)Strafen anzuhalten. Ist die Offenlegung nicht bis zum letzten Tag der Offenlegungsfrist erfolgt, die hier bis zum 30.9.2023 lief, ist gemäß § 283 Abs 2 UGB – sofern die Offenlegung nicht bis zum Tag vor Erlassung der Zwangsstrafverfügung bei Gericht eingelangt ist – ohne vorausgehendes Verfahren durch Strafverfügung eine Zwangs(Beuge)strafe von EUR 700,--, bei Kleinstkapitalgesellschaften von EUR 350,-- zu verhängen.

4.2.: Der bloße Zusatz „in Liquidation“ zum Firmenwortlaut begründet keinen Entfall des Informationsbedürfnisses von Gläubigern, Geschäftspartner und der Allgemeinheit, zumal dieser Zusatz für sich genommen eine Fortführung (vgl dazu RIS‑Justiz RS0127629) oder (vorübergehende) Wiederaufnahme der Geschäftstätigkeit per se nicht ausschließt (6 Ob 230/20x Rz 9). Während der Liquidationsphase, selbst wenn in dieser Zeit keine Geschäftstätigkeit mehr entfaltet wird, ist daher weiterhin ein Jahresabschluss – gegebenenfalls auch als Leermeldung – zu erstellen und offenzulegen. Die Liquidatoren haben folglich auch während des Stadiums der Liquidation eine Eröffnungsbilanz, die Jahresabschlüsse nach den §§ 277 ff UGB und die Liquidationsschlussbilanz als letzten Jahresabschluss aufzustellen und offenzulegen. Eine Offenlegungspflicht ist daher erst nach Einbringung der Liquidationsschlussbilanz zu verneinen (6 Ob 185/11s; OLG Wien 4 R 97/12g; OLG Innsbruck zB 3 R 29/24z, 30/24x ErwGr 1.2.8. ua veröffentlicht in RIS‑Justiz RI0100219 oder 3 R 160/21k, 161/21g ErwGr 2.1.). Als letzte (externe) Rechnungslegungspflicht hat der Liquidator diese Liquidationsschlussbilanz zu erstellen, die das Reinvermögen vor Verteilung des Liquidationsüberschusses an die Gesellschaft darstellt. Diese hat eine Gewinn- und Verlustrechnung zur Darstellung des Liquidationserfolgs sowie einen Anhang dazu zu enthalten (6 Ob 185/11s mHa Puchinger/Goess Leitfaden zur Liquidation kleiner GmbHs, ecolex 2005, 122 [125 mwN]; siehe auch OLG Wien 3.4.2017, 6 R 110/17s; 21.2.2014, 28 R 48/14f, 49/14b; 11.4.2012, 4 R 97/12g GesRZ 2012, 314; OLG Innsbruck wie vor oder 3 R 49/20k ErwGr 1.). Für den Neuantritt der Funktion von Geschäftsführern – oder der Stellung als (geborene) Liquidatoren (6 Ob 230/20x Rz 8; 6 Ob 197/16p) – hat der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen, dass den neuen Geschäftsführer die Offenlegungspflicht auch für vor seiner Eintragung ins Firmenbuch nicht offengelegte Jahresabschlüsse trifft (6 Ob 249/12d ErwGr 2.1.; 6 Ob 154/05y), und den Liquidator nach seiner Bestellung auch für Zeiträume vor seiner Bestellung als offenlegungspflichtig eingestuft (6 Ob 230/20x Rz 8; 6 Ob 197/16p; 6 Ob 14/07p; Koppensteiner/Rüffler GmbHG³ [2007] § 89 Rz 19; OLG Innsbruck 3 R 9/18z, 10/18x, 11/18v, 12/18s ErwGr 2.; 3 R 4/13g). Die Einbringung einer solchen Liquidationsschlussbilanz wurde vom Rekurswerber in seinem Einspruch und Rekurs nicht behauptet und ergibt sich auch nicht aus dem Firmenbuch.

4.3.: Gegen die Zwangsstrafverfügung kann das jeweilige Organ binnen 14 Tagen Einspruch erheben, andernfalls erwächst die Zwangsstrafverfügung in Rechtskraft. Im Einspruch sind die Gründe für die Nichtbefolgung der in Abs 1 leg cit genannten Pflichten anzuführen. Ist der Einspruch verspätet oder fehlt ihm jegliche Begründung, ist er mit Beschluss zurückzuweisen. Nur bei rechtzeitiger Erhebung des (begründeten) Einspruchs tritt die Zwangsstrafverfügung automatisch außer Kraft. Über die Zwangsstrafe ist sodann im ordentlichen Verfahren zu entscheiden.

4.4.: Gemäß § 283 Abs 2 UGB beträgt die Einspruchsfrist des jeweiligen Adressaten bei Zwangs(Beuge)strafverfügungen 14 Tage. Diese Frist bemisst sich nach § 283 Abs 2 Satz 4 UGB ab dem Zeitpunkt der Zustellung; bei Hinterlegung dem ersten Tag der Hinterlegungsfrist (§ 17 Abs 3 zweiter Satz ZustG), hier also bezogen auf die Zwangs(Beuge)strafverfügung der 19.3.2024. Die Bestimmung des § 222 ZPO über die Fristenhemmung findet im Zwangsstrafverfahren keine Anwendung (§§ 15 FBG, 23 Abs 1 AußStrG). Damit war der am 16.4.2024 zur Post gegebene (AS 15) Einspruch jedenfalls um rund 14 Tage verspätet: Die 14‑tägige Rekursfrist endete ab dem Zeitpunkt der tatsächlichen Zustellung durch Hinterlegung im Sinn des § 89 Abs 1 GOG (RIS‑Justiz RS0059660) am 2.4.2024 und selbst vom tatsächlichen Abholungstermin 22.3.2024 am 6.4.2024 (jeweils 24:00 Uhr).

4.5.: Anzumerken bleibt, dass der Rekurswerber über die im Zwangsstrafverfahren geltenden Einspruchs- und Rekursfristen durchaus orientiert ist, weil er seinerzeit als Geschäftsführer der hier relevanten Gesellschaft bereits im Rekursverfahren 62 Fr 442/22m LG Innsbruck = 3 R 46/22x, 47/22v (Rekursentscheidung vom 12.9.2022) OLG Innsbruck informiert wurde, an dem er als Geschäftsführer mit eigenhändig verfasstem Einspruch und Rekurs beteiligt war.

4.6.: Das Erstgericht hat daher den Einspruch zu Recht zurückgewiesen.

5.: Auf alle anderen im Rechtsmittel angestellten Erwägungen darf daher nicht weiter eingegangen werden, weil das Rechtsmittel klar verspätet ist. Darüber hinaus wird im Rechtsmittel auf frühere Eingaben und Anträge des Liquidators bloß verwiesen, was nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs unzulässig ist (6 Ob 95/13h ErwGr 1.1.; 5 Ob 152/11f ErwGr II. 1.2.). Dabei handelt es sich um einen nicht verbesserungsfähigen Mangel der Eingabe (6 Ob 10/10d ErwGr 1.; RIS‑Justiz RS0036173; RS0043579). Dies wird damit begründet, dass jede Eingabe, insbesondere ein Rechtsmittel eine in sich geschlossene selbstständige Prozesshandlung darstellt, die durch Bezugnahme auf den Inhalt anderer Eingaben nicht ergänzt werden kann (RIS‑Justiz RS0007381; RS0043579 [T19, T20]; RS0043616 [T12, T13]).

6.: Zusammengefasst ist es dem Rekursgericht verwehrt, in die Rechtskraft der Zwangsstrafverfügung ON 2 aufgrund des klar verspäteten, sinnvoll nur als Rekurs zu verstehenden „Einspruchs“ des Liquidators nochmals einzugreifen.

7.: Eine Kostenentscheidung konnte entfallen, weil diesbezüglicher Aufwand im Rechtsmittel nicht verzeichnet wurde.

8.: Da sich das Rekursgericht in allen erheblichen Rechtsfragen auf eine einheitliche Rechtslage stützen konnte, von der es nicht abgewichen ist, erweist sich der weitere Rechtszug im Sinn der §§ 15 FBG, 62 Abs 1 AußStrG als nicht zulässig, worüber gemäß den §§ 15 FBG, 59 Abs 1 Z 2 AußStrG ein eigener Ausspruch in den Tenor der Rekursentscheidung aufzunehmen war.

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