Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden ersatzlos aufgehoben und das Zwangsstrafverfahren wird eingestellt.
Text
Begründung
Gegen die Zwangsstrafverfügung des Erstgerichts vom 14. 3. 2011 zur Erzwingung der Vorlage der Bilanz zum 31. 3. 2010 erhob der Liquidator im Namen der Gesellschaft Einspruch mit der Begründung, dass die Gesellschaft bei Beendigung der Liquidation zum 30. 6. 2009 eine Liquidationsschlussbilanz erstellt und der Abgabenbehörde vorgelegt habe. Daher könne es einen Jahresabschluss vom Stichtag 31. 3. 2010 nicht mehr geben. Zugleich mit dem Einspruch gegen die Zwangsstrafverfügung wurde die Liquidationsschlussbilanz zum 30. 6. 2009 zum Firmenbuchgericht eingereicht.
Das Firmenbuchgericht gab dem Einspruch nicht Folge und setzte die Zwangsstrafe im ordentlichen Verfahren mit 700 EUR fest. Es begründete diesen Beschluss nicht.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Gesellschaft nicht Folge. Richtig sei, dass der letzte Jahresabschluss am Ende der Liquidation zu erstellen sei und dass mit der Beendigung der Liquidation auch das letzte Geschäftsjahr ende. Die Einreichung der Liquidationsschlussbilanz bei der Abgabenbehörde ersetze aber nicht die Einreichung beim Firmenbuchgericht. Die in § 91 GmbHG normierte Verpflichtung zur Offenlegung des Jahresabschlusses an das Firmenbuchgericht bestehe bis zur Löschung. Da die Liquidationsschlussbilanz zum 30. 6. 2009 nach Ablauf der gesetzlichen neunmonatigen Frist des § 277 UGB zum Firmenbuchgericht eingereicht worden sei, sei die Zwangsstrafe zu verhängen gewesen. Die Zwangsstrafe sei nicht nur Beugemittel, sondern Sanktion für Fehlverhalten, die finanziellen und psychologischen Druck zur Durchsetzung der Vorlagepflicht ausüben solle. Daher ziehe die bis zur Zwangsstrafverfügung unterbliebene Einreichung der Liquidationsschlussbilanz an das Firmenbuchgericht die Zwangsstrafe nach sich.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil zum neuen Zwangsstrafverfahren nach § 283 UGB idF BudgetbegleitG 2011 noch keine oberstgerichtliche Judikatur bekannt sei.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Gesellschaft ist zulässig und berechtigt.
Gegenstand des mit der Zwangsstrafverfügung des Erstgerichts eingeleiteten Verfahrens (§ 283 Abs 2, 3 und 6 UGB) war die Offenlegung des Jahresabschlusses der Gesellschaft zum 31. 3. 2010. Aus dem Text des Beschlusses über die Verhängung der Zwangsstrafe im ordentlichen Verfahren („die ... verhängte Zwangsstrafe in Höhe ... wird festgesetzt“) ist abzuleiten, dass das Erstgericht die Zwangsstrafe verhängte, um die Gesellschaft zur Befolgung der Offenlegung des Jahresabschlusses zum 31. 3. 2010 anzuhalten.
Dieser Beschluss war rechtswidrig, weil ein Jahresabschluss der Liquidationsgesellschaft zum 31. 3. 2010 nicht aufzustellen war und daher auch nicht offengelegt werden konnte, wie die Revisionsrekurswerberin zu Recht geltend macht:
Gemäß § 91 Abs 1 GmbHG hat der Liquidator für den Schluss jedes Geschäftsjahres einen Jahresabschluss und einen Lagebericht aufzustellen. Daraus ergibt sich seine Pflicht, am Ende der Liquidation einen Jahresabschluss („Liquidationsschlussbilanz“) aufzustellen. Mit der Beendigung der Liquidation endet auch das letzte Geschäftsjahr. Die Liquidationsschlussbilanz ist daher der letzte Jahresabschluss (Haberer/Zehetner in Straube, GmbHG § 91 Rz 23; Buchinger/Goess, Leitfaden zur Liquidation kleinerer GmbHs, ecolex 2005, 122 [125 mwN]). Im Anlassfall war das letzte Geschäftsjahr der Gesellschaft am 30. 6. 2009 zu Ende. Das Erstgericht hätte aufgrund der im Einspruch angeführten Gründe für die Nichtbefolgung der Offenlegung des Jahresabschlusses zum 31. 3. 2010 das Zwangsstrafverfahren einstellen müssen (§ 283 Abs 3 UGB).
Die Liquidiationsschlussbilanz war zwar offenzulegen, weil die Verpflichtung zur Offenlegung des Jahresabschlusses auch im Liquidationsstadium besteht (§ 91 Abs 1 GmbHG iVm § 211 Abs 2 AktienG, der auf § 277 UGB verweist) und die Offenlegungspflichten erst mit der Eintragung der Löschung der Gesellschaft enden (OLG Wien 28 R 327/00i; Haberer/Zehetner in Straube, GmbHG § 91 Rz 22 mwN der Rsp; Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3 § 91 Rz 6 mwN).
Das Rekursgericht legt seiner Entscheidung offenbar zugrunde, dass die Zwangsstrafe im ordentlichen Verfahren zur Befolgung der Pflicht zur Offenlegung eines anderen Jahresabschlusses als jenem in der Zwangsstrafverfügung Genannten verhängt werden dürfte. Diese Ansicht ist abzulehnen, liefe sie doch dem Zweck des Einspruchs gegen die Zwangsstrafverfügung zuwider, der ja die Gründe für die Nichtbefolgung der Offenlegungspflicht enthalten muss (§ 283 Abs 2 UGB). Hätte der Zwangsstrafenbeschluss des Erstgerichts die Offenlegung der Liquidationsschlussbilanz betroffen, so hätte das Rekursgericht schon deshalb den Beschluss nicht bestätigen dürfen. Da die Offenlegung der Liquidationsschlussbilanz nicht Gegenstand der Zwangsstrafverfügung des Erstgerichts war, wäre der Verhängung der Zwangsstrafe im ordentlichen Verfahren zur Befolgung dieser Pflicht zudem entgegengestanden, dass die offenzulegenden Urkunden schon bei Gericht eingelangt waren. § 283 Abs 2 Satz 1 UGB ist die Wertung des Gesetzgebers zu entnehmen, dass eine wenn auch verspätete Befolgung der Offenlegungspflicht die Verhängung einer Zwangsstrafe hindert, wenn das Gericht zur Durchsetzung dieser Pflicht in Bezug auf einen bestimmten Jahresabschluss noch nicht tätig geworden ist.
Da der Zwangsstrafenbeschluss zu Unrecht ergangen ist, waren die Beschlüsse der Vorinstanzen aufzuheben und die Einstellung des Zwangsstrafverfahrens anzuordnen.
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