Spruch:
Der Berufung wird Folge gegeben und das angefochtene Erkenntnis im Strafausspruch dahin abgeändert, dass über Mag. ***** die Disziplinarstrafe der Minderung der Bezüge im Ausmaß von 10 v.H. für die Dauer eines Jahres verhängt wird.
Die Disziplinarbeschuldigte hat die mit 500 Euro bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die Richterin des Landesgerichts ***** Mag. ***** eines Dienstvergehens nach § 101 Abs 1 erster Fall RStDG schuldig erkannt.
Danach hat sie am 6. März 2008 in ***** dadurch, dass sie als Lenkerin eines Pkw die im Straßenverkehr notwendige und zumutbare Sorgfalt außer Acht ließ, wodurch es geschah, dass sie wegen einer Reaktionsverspätung auf den vor ihr aufgrund Gelblichts angehaltenen Pkw des ***** auffuhr und dabei diesen und dessen Beifahrer ***** in Form von Zerrungen fahrlässig am Körper verletzte, nachdem sie sich, wenn auch nur fahrlässig, durch Genuss von Alkohol in einen die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand versetzt hatte, obwohl sie vorhersah, dass ihr mit der Lenkung des Kraftfahrzeugs eine Tätigkeit bevorstand, deren Vornahme in diesem Zustand geeignet war, eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit und die körperliche Sicherheit eines anderen herbeizuführen oder zu vergrößern, die in § 57 Abs 3 RStDG normierte Pflicht verletzt, sich im und außer Dienst so zu verhalten, dass das Ansehen ihres Berufsstands nicht gefährdet wird.
Das Disziplinargericht verhängte über sie hiefür gemäß § 104 Abs 1 lit a RStDG die Disziplinarstrafe des Verweises. Bei der Strafbemessung wertete es als erschwerend, dass die Tat während des zu Ds ***** des Oberlandesgerichts ***** anhängigen Disziplinarverfahrens begangen wurde, als mildernd hingegen das von Anfang an abgelegte umfassende reumütige Geständnis, das auch zur Wahrheitsfindung wesentlich beigetragen habe, die disziplinarrechtliche Unbescholtenheit zur Zeit der Begehung des Dienstvergehens und dass die Disziplinarbeschuldigte auch strafrechtliche Konsequenzen trafen. In diesem Sinn war Mag. ***** nämlich mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichts ***** vom 19. August 2008, GZ *****, wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und Abs 3 (§ 81 Abs 1 Z 2) StGB zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen à 75 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit zu 50 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt worden.
Mit rechtskräftigem Urteil des Oberlandesgerichts ***** als Disziplinargericht für Richter und Staatsanwälte vom 29. September 2008, AZ Ds *****, war die Disziplinarbeschuldigte zudem wegen eines Dienstvergehens nach § 101 Abs 1 RStDG mit einem Verweis bestraft worden, weil sie zur Hauptverhandlung am 21. März 2006 in einem Strafverfahren des Landesgerichts ***** als beisitzende Richterin einen vermeintlichen Ersatzschöffen stellig gemacht hatte, der nicht in die Dienstliste des Landesgerichts ***** als Schöffe aufgenommen war und auch die persönlichen Voraussetzungen des Mindestalters nicht erfüllte.
Rechtliche Beurteilung
Gegen den Sanktionsausspruch des angefochtenen Erkenntnisses richtet sich die - unter Hinweis auf Belange der Generalprävention eine strengere Disziplinarstrafe reklamierende - Berufung der Oberstaatsanwaltschaft ***** wegen des Ausspruchs über die Strafe; sie ist im Recht.
Für die Strafbemessung ist die Art und Schwere der Pflichtverletzung maßgebend, wobei jedoch auch auf Erwägungen der Spezial- und Generalprävention Rücksicht zu nehmen ist (Spehar/Fellner RDG3 § 101 Anm 7).
Das Oberlandesgericht hat die Strafzumessungsgründe - von nachstehenden Einschränkungen abgesehen - im Wesentlichen richtig dargestellt, jedoch nicht richtig gewichtet und den präventiven Bedürfnissen nicht ausreichend Bedeutung zugemessen. Dem reumütigen Geständnis kommt im konkreten Fall in Hinblick auf die dem Disziplinarverfahren zugrunde liegende rechtskräftige strafrechtliche Verurteilung kein besonderes Gewicht zu (RIS-Justiz RS0091512), wobei der Disziplinarbeschuldigten überdies mangels Aufklärung über die eigene Tat hinaus nicht auch zusätzlich ein wesentlicher Beitrag zur Wahrheitsfindung zugute zu halten ist (RIS-Justiz RS0091460 [T3]). Hingegen wirkt zusätzlich die Schadensgutmachung als mildernd.
Zutreffend weist der Disziplinaranwalt darauf hin, dass eine (noch dazu in Strafsachen tätige) Richterin, die in beträchtlich alkoholisiertem Zustand einen Verkehrsunfall mit Verletzungsfolgen verschuldet und damit gegen strafrechtliche Vorschriften über die gesellschaftlich besonders diskutierte Inbetriebnahme von Fahrzeugen unter Alkoholeinfluss verstößt, das Vertrauen in die richterliche Berufsausübung gravierend beeinträchtigt, sodass es dem legitimen Interesse einer Berufs- oder Standesgemeinschaft mit spezifischen disziplinarrechtlichen Auflagen entspricht, den disziplinären Überhang dieses gerichtlich strafbaren Verhaltens, mit dem über die bloße strafrechtliche Relevanz hinaus auch eine Gefährdung des Standesansehens einhergeht, disziplinarrechtlich effektiv zu ahnden (vgl RIS-Justiz RS0121152).
Nicht unberücksichtigt darf aber auch bleiben, dass die Disziplinarbeschuldigte bereits zuvor disziplinarrechtlich in Erscheinung getreten ist (wenngleich dies zeitlich erst nach Setzung des nunmehrigen Dienstvergehens zur gesonderten Aburteilung kam), sodass nicht nur generalpräventive, sondern auch spezialpräventive Gründe nunmehr eine strengere als die (über die Disziplinarbeschuldigte bereits damals verhängte) Mindestdisziplinarstrafe des Verweises erfordern.
Der Oberste Gerichtshof erachtet in diesem Sinn die Disziplinarstrafe einer Bezugsminderung iSd § 104 Abs 1 lit c RStDG im spruchgemäßen Ausmaß für sachgerecht und erforderlich, um allen für und wider die Disziplinarbeschuldigte sprechenden Umständen sowie spezial- und generalpräventiven Belangen hinreichend Rechnung zu tragen. Bemerkt wird, dass eine formelle Anwendung der §§ 31, 40 StGB per analogiam im richterlichen Disziplinarverfahren im Hinblick auf die Unmöglichkeit einer Zusammenrechnung der verschiedenen Arten der in § 104 Abs 1 lit a bis lit f RStDG normierten Disziplinarstrafen nicht erfolgen kann. Das Disziplinargericht hat sich jedoch im Einzelfall eines - wie hier gegebenen - Vorliegens der in § 31 StGB genannten Voraussetzungen bei der Strafbemessung von der dieser Gesetzesstelle zugrunde liegenden Idee leiten zu lassen, dass für den Disziplinarbeschuldigten mit der Führung getrennter Verfahren kein Nachteil verbunden sein soll (vgl RIS-Justiz RS0055531). Dem wurde im konkreten Fall - unter Rücksichtnahme auf den im Verfahren AZ Ds ***** des Oberlandesgerichts ***** am 29. September 2008 ausgesprochenen Verweis - vom Obersten Gerichtshof bei der nunmehrigen Bemessung der Bezugsminderung angemessen Rechnung getragen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 140 Abs 3 iVm § 137 Abs 2 RStDG.
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