OGH 9ObA96/22s

OGH9ObA96/22s16.2.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin Dr. Fichtenau als Vorsitzende, die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Hargassner, sowie die fachkundigen Laienrichter David Hobel LL.M. (WU) und Mag. Thomas Kallab als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dipl.Päd. MMag. K*, vertreten durch MMag. Gregor Winkelmayr, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Land *, vertreten durch Dr. Wolfgang Heufler, Rechtsanwalt in Wien, wegen 1.) 17.672,35 EUR brutto sA und 2.) Feststellung (Streitwert: 20.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 24. Mai 2022, GZ 8 Ra 88/21a‑27, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits‑ und Sozialgerichts Wien vom 24. Juni 2021, GZ 32 Cga 55/20x‑23, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:009OBA00096.22S.0216.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Arbeitsrecht

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden im Umfang der Stattgebung der Klage durch das Berufungsgericht aufgehoben und insoweit die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Erstgericht vorbehalten.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin ist seit 3. 4. 2017 Vertragslehrerin des beklagten Landes. Auf ihr Dienstverhältnis sinddas Landesvertragslehrpersonengesetz 1966, BGBl Nr 1966/172 (LVG) und das Vertragsbedienstetengesetz 1948, BGBl Nr 1948/86 (VBG 1948) anwendbar. Im Dienstvertrag vom 3. 4. 2017 wurde die Entlohnungsgruppe pd und die Entlohnungsstufe 1 vereinbart. Mit Änderung des Dienstvertrags vom 12. 3. 2019 wurde das Besoldungsdienstalter mit ein Jahr, fünf Monaten und 23 Tagen (541 Tagen) festgesetzt. Die Beklagte ging von 1.271 anrechenbaren Tagen abzüglich eines Vorbildungsausgleichs von zwei Jahren (730 Tagen) aus.

[2] Strittig ist im Revisionsverfahren nur mehr die Anrechnung der Tätigkeit der Klägerin als Lektorin für deutsche Sprache und Literatur in Irland und die Berechtigung des Abzugs eines Vorbildungsausgleichs durch die Beklagte.

[3] Die Klägerin war ua vom 1. 9. 2011 bis 31. 8. 2015 als Lektorin für deutsche Sprache und Literatur in einem College in Irland tätig. Die Klägerin unterrichtete in dieser Zeit nicht mehr als neun Monate pro Unterrichtsjahr.

[4] Zum Vorbildungsausgleich traf das Erstgericht keine Feststellungen.

[5] Die Klägerin begehrt nach Ausdehnung der Klage die Zahlung von 17.672,35 EUR sA sowie die Feststellung, dass die Beklagte auch künftig – über den Monat März 2020 hinaus – verpflichtet sei, sie ausgehend davon zu entlohnen, dass das Besoldungsdienstalter im Sinn des VBG 1948 gesamt 2.256 Tage zum 3. 4. 2017 betragen habe. Soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung macht die Klägerin geltend, dass ihr für eine Lektoratstätigkeit in den Schuljahren 2011/2012 bis 2014/2015 in Irland nicht nur 820 Tage, sondern richtig 1.460 Tage anzurechnen seien. Sie habe dort jeweils ganzjährig eine Vollzeitbeschäftigung ausgeübt. Weiters habe sie bereits 2003 alle in Ansehung ihrer dienstlichen Verwendung gegebenen gesetzlichen Ausbildungserfordernisse erfüllt, weshalb ein Vorbildungsausgleich „im Sinn des § 77 VBG 1948“ nicht gerechtfertigt sei.

[6] Die Beklagte wandte dagegen ein, dass sie die anrechenbaren Vordienstzeiten entsprechend dem Erlass der Bundesministerin für Bildung vom 4. 11. 2016, BMB‑722/0030‑III/4‑2016, zutreffend berücksichtigt und das Besoldungsdienstalter richtig ermittelt habe. Nach diesem Erlass könne die Lektorentätigkeit der Klägerin in Irland nur jeweils für neun Monate im Kalenderjahr und insgesamt maximal drei Jahre angerechnet werden.

[7] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Tätigkeit der Klägerin in Irland habe die Beklagte ohnehin als Vollzeittätigkeit anerkannt. Ein höheres Beschäftigungsausmaß als neun Monate pro Jahr habe die Klägerin nicht innerhalb der Frist des § 26 Abs 6 VBG 1948 nachgewiesen. Eine Anrechnung von mehr als drei Jahren der Tätigkeit habe keinen zusätzlichen Nutzen für die spätere Unterrichtstätigkeit bei der Beklagten.

[8] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin teilweise Folge. Es sprach der Klägerin 14.124,95 EUR brutto sA zu und stellte fest, dass die Beklagte auch künftig über den März 2020 hinaus verpflichtet sei, die Klägerin ausgehend von einem Besoldungsdienstalter im Sinn des VBG 1948 von 1.911 Tagen zum 3. 4. 2017 zu entlohnen.

[9] Das Mehrbegehren auf Zahlung von 3.574,40 EUR brutto sA [richtig: 3.547,40 EUR] und auf Feststellung, dass die Beklagte auch künftig über den März 2020 hinaus verpflichtet sei, die Klägerin ausgehend von einem Besoldungsdienstalter im Sinn des VBG 1948, das um 345 Tage zum 3. 4. 2017 höher sei [zu entlohnen], wies das Berufungsgericht ab. Im Umfang der Abweisung des Klagebegehrens erwuchs seine Entscheidung unangefochten in Rechtskraft.

[10] Die Tätigkeiten der Klägerin in Irland seien im vollen Ausmaß als Vordienstzeit gemäß § 5 Abs 2 der Verordnung der Bundesministerin für Bildung und Frauen über die Berücksichtigung von Berufspraxiszeiten für Vertragsbedienstete im pädagogischen Dienst, BGBl II 2015/283 (AnrechnungsV) anzurechnen. Die Verordnung ermögliche die Anrechnung von Zeiten einer Lehrtätigkeit an einer Universität, Fachhochschule oder pädagogischen Hochschule im Ausmaß von bis zu sechs Jahren als Vordienstzeit. Die von der Beklagten vorgenommene „Deckelung“ der Zeiten mit drei Jahren widerspreche der Verordnung. Nicht nachvollziehbar sei, warum das vierte Jahr der Lehrtätigkeit der Klägerin in Irland (das zudem relativ kurz vor Anstellungsbeginn lag) nicht von Nutzen für die Anstellung bei der Beklagten gewesen sein sollte. Dass Lehrkräfte grundsätzlich längere unterrichtsfreie Zeiten hätten, sei für den Beruf des Lehrers typisch, weshalb es unzulässig sei, die unterrichtsfreie Zeit zu „eliminieren“. Der Erlass des Bundesministeriums für Bildung BMB‑722/0030‑III/4‑2016 schränke die gemäß § 26 Abs 3 Satz 1 VBG 1948 zulässige Anrechnung von Zeiten der Ausübung einer einschlägigen Berufstätigkeit oder eines einschlägigen Verwaltungspraktikums ein. Er sei eine Rechtsverordnung, weil er die Rechte der Lehrer durch Beschränkung der Anrechnung von Vordienstzeiten anordne. Dieser Erlass sei allerdings nicht gehörig kundgemacht worden und für die Gerichte daher nicht bindend.

[11] Zu Unrecht habe die Beklagte zwei Jahre an Vorbildungsausgleich von den Vordienstzeiten abgezogen. Die akademische Ausbildung der Klägerin sei aktenkundig und unstrittig, sie rechtfertige diesen Abzug nicht. Die Beklagte habe kein Vorbringen zum Vorbildungsausgleich erstattet.

[12] Die Revision an den Obersten Gerichtshof ließ das Berufungsgericht mit der Begründung zu, dass die Frage, ob der Erlass des Bundesministeriums für Bildung BMB‑722/0030‑III/4‑2016 für die Anrechnung von Vordienstzeiten der Klägerin maßgeblich sei, über den Anlassfall hinaus Bedeutung habe.

[13] Gegen dieses Urteil richtet sich die von der Klägerin beantwortete Revision der Beklagten, mit der sie die Abweisung des Klagebegehrens anstrebt.

Rechtliche Beurteilung

[14] Die Revision ist zulässig und teilweise berechtigt.

[15] 1. Zur Tätigkeit der Klägerin als Lektorin in Irland:

[16] 1.1 Die Beklagte macht zusammengefasst geltend, dass der Erlass des Bundesministeriums für Bildung BMB‑722/0030‑III/4‑2016 eine „geltende Rechtsgrundlage im Sinn einer Rechtsverordnung für den Adressatenkreis öffentlich Bediensteter des Bundes“ sei. Die Beklagte sei verpflichtet, eine österreichweit einheitliche Vorgangsweise bei der Anrechnung von Vordienstzeiten zu handhaben. Jede Abweichung würde eine amtsmissbräuchliche, überschießende und nicht gesetzlich gedeckte Verwaltungshandlung bedeuten.

Zur rechtlichen Einordnung des Erlasses ist auszuführen:

[17] 1.2 Nur Rechtsvorschriften, die sich an Rechtsunterworfene richten, sind Verordnungen („Rechtsverordnungen“). Verwaltungsinterne Normen mit generellem Adressatenkreis werden zwar irreführend als „Verwaltungsverordnungen“ bezeichnet, sind jedoch keine Verordnungen im Sinne des B‑VG, sondern Weisungen (RS0109975). Als solche generellen Weisungen binden sie zwar die untergeordneten Behörden bzw Verwaltungsorgane; sie stellen jedoch keine für Verwaltungsgerichte (VwGH Ra 2015/03/0027 mwN; Ro 2018/10/0031) oder ordentliche Gerichte verbindliche Rechtsquelle dar (Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht[2021] Rz 741; vgl etwa 13 Os 88/09d).

[18] 1.3 Aus dem von der Beklagten hervorgehobenen Umstand, dass sie intern verpflichtet sei, den Erlass zu beachten, folgt daher nicht, dass dem Erlass auch nach außen hin normative Wirkung zukommt. In diesem Sinn hat der Oberste Gerichtshof in 9 ObA 47/19f zu dem auch hier gegenständlichen Erlass bereits ausgeführt, dass es sich dabei um keine im Bundesgesetzblatt kundgemachte Rechtsverordnung im Sinn des Art 18 Abs 2 B‑VG handelt, sondern bloß um eine Verwaltungsverordnung, der nach außen hin keine normative Wirkung zukommt.

[19] 1.4 Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass der Erlass durch die Adressierung an alle Landesschulräte/Stadtschulräte für Wien eine gewisse Publizität erreicht haben mag, ist er entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts nicht als Rechtsverordnung zu qualifizieren: Der Erlass enthält nämlich keine imperative Anordnung in dem Sinn, dass er eine bindende Gesetzesauslegung in eine bestimmte Richtung anstrebt und damit Geltung gegenüber einer in allgemeiner Weise bestimmten Vielzahl von Personen beansprucht (vgl Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht6 Rz 743). Hinsichtlich der Lektoratsprogramme des OeAD führt der Erlass zwar aus (Beil ./1, S 30), dass solche Zeiten „für bis zu drei Studienjahre pauschal mit je neun Monaten“ anzurechnen sind. Weiter heißt es jedoch:

„Fälle einer längeren Programmteilnahme sind zur koordinierenden Behandlung und detaillierten Prüfung anhand der Einstiegsverwendung an die Zentralstelle heranzutragen; solche Zeiten dürfen nur mit ihrer Zustimmung angerechnet werden.“

[20] Der Erlass schließt also eine weitergehende Anrechnung gerade nicht aus. Der Erlass ist im hier relevanten Zusammenhang daher nur als verwaltungsintern wirksame generelle Weisung anzusehen, er stellt jedoch keine für Gerichte verbindliche Rechtsquelle dar.

[21] 1.5 Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass eine jedenfalls vorgenommene „Deckelung“ der Anrechnung der Zeiten der Ausübung einer einschlägigen Berufstätigkeit mit drei Jahren mit den Wertungen der §§ 26 Abs 3 VBG 1948, 5 Abs 2 der Verordnung über die Berücksichtigung von Berufspraxiszeiten für Vertragsbedienstete im Pädagogischen Dienst, BGBl II 2015/283 (AnrechnungsV) nicht in Einklang zu bringen ist, ist somit zutreffend. Wie in der Entscheidung 8 ObA 97/20b (dort zum Ausmaß der Lehrverpflichtung) ausgeführt wurde, liegt gerade bei einer Lehrtätigkeit an einer Schule bei einem zunehmenden Beschäftigungsausmaß auch die höhere Wahrscheinlichkeit auf der Hand, dass der Lehrer mit besonderen Konstellationen – wie zB Problemschülern – konfrontiert wird und folglich auch seine Erfahrung und Kompetenz im Umgang mit solchen Konstellationen zunimmt. Aus welchen Gründen dies im vorliegend zu beurteilenden Fall gerade nicht zutreffen sollte, wird von der Beklagten nicht dargelegt.

[22] 1.6 Die gesetzmäßige Ausführung des Revisionsgrundes der unrichtigen rechtlichen Beurteilung nach § 503 Z 4 ZPO setzt voraus, dass der Revisionswerber konkret ausführt, aus welchen Gründen das Berufungsgericht die Sache rechtlich unrichtig beurteilt habe. Diesen Anforderungen entsprechen die Revisionsausführungen der Beklagten nicht, wenn behauptet wird, dass der Auslandseinsatz der Klägerin in Irland mit einer Tätigkeit von Lehrern während der unterrichtsfreien Zeit nicht vergleichbar wäre, weil diese im Gegensatz zur Klägerin während der unterrichtsfreien Zeit Ausbildungen absolvieren, administrativen Tätigkeiten nachgehen etc, sodass lediglich neun Monate der Tätigkeit der Klägerin pro Kalenderjahr anzurechnen seien. Mangels gesetzmäßiger Ausführung der Revision in diesem Punkt ist auf dieses Vorbringen nicht weiter einzugehen.

2. Zum Vorbildungsausgleich:

[23] 2.1 Als Mangelhaftigkeit des Verfahrens macht die Revisionswerberin geltend, dass bei der Festsetzung des Besoldungsdienstalters der Klägerin die Anwendung des Vorbildungsausgleichs (in Form eines Abzugs im Ausmaß von zwei Jahren bzw 730 Tagen – siehe Blg ./B = Rückseite Blg ./3) im Verfahren bisher nicht erörtert worden sei. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass der feste Vorbildungsausgleich nicht zur Anwendung komme, sei unzutreffend, weil die Klägerin nicht über eine vollständige Hochschulausbildung gemäß §§ 15 VBG 1948, 18 Abs 2 LVG verfügt habe.

Dazu ist auszuführen:

[24] 2.2 Die Notwendigkeit eines Vorbildungsausgleichs resultiert aus der Vereinfachung der Vordienstzeitenanrechnung, weil die nicht mehr gesondert anrechenbaren Zeiten wie Schul‑ und Studienzeiten pauschal in den Gehaltsansätzen berücksichtigt wurden (ausführlich 9 ObA 97/19h zu § 15 Abs 4 VBG 1948 mH auf die Erl zur Dienstrechts‑Novelle 2015, BGBl I 2015/65).

[25] 2.3 Im Zeitpunkt des Beginns des Dienstverhältnisses der Klägerin stand § 15 VBG 1948 idF des BGBl I 2016/64 in Geltung (§ 100 Abs 75 Z 7 VBG 1948; in der Folge nur mehr: § 15 VBG 1948).

[26] Gemäß § 15 Abs 1 Satz 3 VBG 1948 war bei der erstmaligen Einreihung in eine Entlohnungsgruppe nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen ein Vorbildungsausgleich beim Besoldungsdienstalter in Abzug zu bringen, wenn die oder der Vertragsbedienstete die Studien, die zur Erfüllung der mit einem solchen Arbeitsplatz verbundenen Aufgaben üblicherweise benötigt werden, nicht vor Beginn des Dienstverhältnisses abgeschlossen hat.

[27] 2.4 Die Klägerin behauptete dazu, dass sie bereits 2003 alle in Ansehung ihrer dienstlichen Verwendung gegebenen gesetzlichen Ausbildungserfordernisse erfüllt habe, sodass der Vorbildungsausgleich nicht gerechtfertigt sei. Sie habe nach der Matura an der Pädagogischen Akademie des Bundes in * ein Diplomstudium für das Lehramt an Hauptschulen absolviert. Diese Ausbildung habe sie nach ihren Angaben in Beil ./D im Juni 2003 mit dem Titel einer Diplompädagogin für das Lehramt an Hauptschulen abgeschlossen. Im Anschluss habe sie an der Universität ein Studium der Philosophie mit dem Magistergrad im April 2011 abgeschlossen, das einen zusätzlichen Studienschwerpunkt „Deutsch als Zweit‑ und Fremdsprache“ gehabt habe. Ebenfalls im April 2011 habe sie an der Universität Wien ein Diplomstudium in Theater‑, Film‑ und Medienwissenschaft mit dem akademischen Magistergrad beendet.

[28] 2.5 Die Beklagte bestritt dieses Vorbringen ohne nähere Substantiierung.

[29] Im Verfahren erster Instanz blieb der Vorbildungsausgleich unerörtert. Das Erstgericht traf dazu keine Feststellungen.

[30] Das Berufungsgericht verneinte das Vorliegen eines von der Klägerin in ihrer Berufung geltend gemachten Feststellungsmangels mit der Begründung, dass die Zeiten der akademischen Abschlüsse der Klägerin, deren erstmaliges Anstellungsdatum und der Abzug von zwei Jahren an Vorbildungsausgleich aktenkundig und unstrittig seien.

[31] In ihrer Revision führt die Beklagte dazu aus, dass sich entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts aus dem Vorbringen der Klägerin allein noch nicht beurteilen lasse, ob die Voraussetzungen für die von ihr begehrte Unterlassung des Abzugs von 730 Tagen für den Vorbildungsausgleich vorliegen. Für die Beurteilung der Berechtigung des Abzugs bedürfe es vielmehr ergänzender Feststellungen aus rechtlichen Gründen.

3.1 Diesem – nicht gegen das Neuerungsverbot verstoßenden – Vorbringen kommt Berechtigung zu:

[32] Zutreffend weist die Revisionswerberin darauf hin, dass die hier relevante Entlohnungsgruppe pd grundsätzlich eine Ausbildung aus dem Master‑Bereich voraussetzt: § 15 Abs 2 VBG 1948 unterscheidet bei den akademischen Entlohnungsgruppen den Master‑Bereich (Z 1) und den Bachelor‑Bereich (Z 2). Nur im Master‑Bereich ist bei den Vertragsbediensteten im pädagogischen Dienst die Entlohnungsgruppe pd genannt (§ 15 Abs 2 Z 1 lit e VBG 1948). Allerdings ist in diesem Zusammenhang auch § 15 Abs 5 VBG 1948 zu beachten, der einen gestaffelten Vorbildungsausgleich normiert:

[33] 3.2 Gemäß § 15 Abs 5 VBG 1948 ist, solange die oder der Vertragsbedienstete einer akademischen Entlohnungsgruppe keine Hochschulbildung gemäß Z 1.12 oder Z 1.12a der Anlage 1 zum BDG 1979 aufweist, bei ihrem oder seinem Besoldungsdienstalter ein Vorbildungsausgleich im Ausmaß von drei Jahren in Abzug zu bringen. Zusätzlich ist im Master‑Bereich, solange die oder der Vertragsbedienstete keine Hochschulbildung oder eine Hochschulbildung ausschließlich gemäß Z 1.12a der Anlage 1 zum BDG 1979 aufweist, ein Vorbildungsausgleich im Ausmaß von einem Jahr, wenn das abgeschlossene Bachelor‑Studium zumindest 240 ECTS‑Anrechnungspunkte umfasst (Z 1), oder von zwei Jahren in den übrigen Fällen (Z 2) beim Besoldungsdienstalter in Abzug zu bringen.

[34] 3.3 § 18 Abs 2 LVG normierte dazu in der zum Zeitpunkt des Beginns des Dienstverhältnisses der Klägerin geltenden Fassung BGBl I 2016/119 (wortgleich auch § 46 Abs 2 VBG 1948 idF BGBl I 2016/119):

„(2) Bei der Anwendung des § 15 Abs 4 und 5 VBG gelten

1. Vertragsbedienstete im Pädagogischen Dienst, die einen Bachelor of Education im Ausmaß von 180 oder 240 ECTS‑Anrechnungspunkten gemäß § 65 Abs 1 des Hochschulgesetzes 2005 erworben haben, als Vertragsbedienstete, die eine Hochschulbildung gemäß Z 1.12a der Anlage 1 zum BDG 1979 aufweisen,

2. Vertragsbedienstete im Pädagogischen Dienst, die ein Masterstudium gemäß § 65 Abs 1 des Hochschulgesetzes 2005 abgeschlossen haben, als Vertragsbedienstete, die eine Hochschulbildung gemäß Z 1.12 der Anlage 1 zum BDG 1979 aufweisen.“

[35] 3.4 Die in § 15 Abs 5 VBG 1948 genannten Z 1.12 und 1.12a in Anlage 1 zum Beamten‑Dienstrechtsgesetz 1979, BGBl Nr 1979/333 (BDG 1979) lauten in der hier anwendbaren (und noch geltenden) Fassung BGBl I 2016/64 auszugsweise:

Hochschulbildung

1.12  Eine der Verwendung auf dem Arbeitsplatz entsprechende abgeschlossene Hochschulbildung. Diese ist nachzuweisen durch:

a) den Erwerb eines Diplom‑, Master‑ oder Doktorgrades gemäß § 87 Abs 1 des Universitätsgesetzes 2002,

b) den Erwerb eines akademischen Grades gemäß § 6 Abs 2 des Fachhochschulgesetzes …

c) den Erwerb eines Mastergrades gemäß § 65 Abs 1 des Hochschulgesetzes 2005.

1.12a  Das Ernennungserfordernis der Hochschulbildung gemäß Z 1.12 wird in jenen Verwendungen, für die nicht ausdrücklich der Erwerb eines akademischen Grades gemäß Z 1.12 lit a, b oder c vorgesehen ist, auch durch den Erwerb eines einschlägigen Bachelorgrades gemäß § 87 Abs 1 des Universitätsgesetzes 2002 oder gemäß § 6 des Fachhochschulgesetzes oder gemäß § 65 Abs 1 des Hochschulgesetzes 2005 erfüllt.“

[36] 3.5 Für den konkreten Fall ist daher festzuhalten, dass eine der Verwendung auf dem Arbeitsplatz entsprechende Ausbildung im Masterbereich (an einer Universität, Fachhochschule oder Pädagogischen Hochschule) zur Folge hat, dass kein Vorbildungsausgleich im Sinn des § 15 Abs 5 VBG 1948 vorzunehmen ist. Wurde jedoch eine Bachelor‑Ausbildung absolviert, hat dies nicht automatisch, wie die Beklagte argumentiert, den Abzug eines Vorbildungsausgleichs von zwei Jahren zur Folge, sondern beträgt dieser nur ein Jahr, wenn das abgeschlossene Studium zumindest 240 ECTS‑Punkte umfasst.

[37] 4.1 Die Klägerin absolvierte jedoch weder ein Master‑, noch ein Bachelor‑Studium, sondern erwarb nach ihren Angaben im Juni 2003 den Titel einer Diplompädagogin für das Lehramt an Hauptschulen infolge ihrer Ausbildung an der Pädagogischen Akademie des Bundes in *.

[38] 4.2 Die Studien an den Pädagogischen Akademien waren zu diesem Zeitpunkt vom Geltungsbereich des Akademien‑Studiengesetzes 1999, BGBl I 1999/94 (AStG), erfasst (§ 3 Z 1 AStG). Gemäß § 5 Abs 1 AStG dienten die Studien an den Akademien einer wissenschaftlich fundierten und praxisorientierten Berufsbildung auf Hochschulniveau in pädagogischen und sozialen Berufsfeldern. Die Diplomstudien schlossen mit dem Diplomgrad ab (§ 4 Abs 1 Z 3 AStG). § 7 Abs 2 AStG enthielt eine Verordnungsermächtigung für den zuständigen Bundesminister zur Festlegung der Studienpläne. Die Ausbildung an den Pädagogischen Akademien war in den §§ 8 ff der aufgrund dieser Ermächtigung erlassenen Verordnung des Bundesministers für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten über die Grundsätze für die nähere Gestaltung der Studienpläne (einschließlich der Prüfungsordnungen) an den Akademien, BGBl II 2000/2 (Akademien‑Studienordnung ‑ AStO) geregelt. Der erstmalige erfolgreiche Abschluss eines Diplomstudiums für das Lehramt an Volksschulen, an Hauptschulen und Polytechnischen Schulen sowie an Sonderschulen berechtigte gemäß § 12 Abs 1 AStO zur Führung des Diplomgrades „Diplompädagoge“ bzw „Diplompädagogin“ mit einem auf das Lehramt hinweisenden Zusatz.

[39] 4.3 Das Akademien‑Studiengesetzes 1999, BGBl I 1999/94 (AStG) trat am 30. 9. 2007 außer Kraft (§ 36 AStG). Mit Ablauf des 30. 9. 2007 wurden die Pädagogischen Akademien des Bundes aufgelöst (§ 84 Abs 1 HG 2005).

[40] 4.4 Zutreffend weist die Revisionswerberin daher darauf hin, dass die Pädagogischen Akademien des Bundes keine Universitäten waren, sodass die Klägerin kein Studium im Sinn der Z 1.12 lit a Anlage 1 zum BDG 1979 absolvierte. Unzweifelhaft ist die Ausbildung der Klägerin auch nicht als Fachhochschulausbildung zu werten. Auch die in Z 1.12 lit c Anlage 1 zum BDG 1979 genannte Bestimmung des § 65 Abs 1 HG findet keine direkte Anwendung, weil dieses Gesetz im Wesentlichen erst mit 1. 10. 2007 in Kraft trat (§ 80 Abs 1 Z 6 HG 2005). Auch eine der in Z 1.12a Anlage 1 zum BDG 1979 genannten Bachelor‑Ausbildungen hat die Klägerin nicht absolviert.

[41] 5.1 Um beurteilen zu können, ob – und bejahendenfalls: in welcher Höhe – ein Vorbildungsausgleich von den anrechenbaren Vordienstzeiten der Klägerin in Abzug zu bringen ist, genügen daher – worauf die Klägerin bereits in der Berufung richtig hingewiesen hat – die bisher getroffenen Feststellungen nicht. Vielmehr muss beurteilt werden, ob die von der Klägerin vor den dargestellten späteren Rechtsänderungen absolvierte – unzweifelhaft für ihre Lehrtätigkeit einschlägige – Ausbildung an einer Pädagogischen Akademie des Bundes einem Master‑Studium oder einem Bachelor‑Studium – insbesondere an einer Pädagogischen Hochschule – vergleichbar ist. Besteht Vergleichbarkeit mit einem Bachelor‑Studium, müssen Feststellungen getroffen werden, aus denen sich beurteilen lässt, welche Zahl von ECTS‑Punkten die Ausbildung der Klägerin fiktiv umfasst hätte. Da diese Umstände bisher im Verfahren nicht erörtert wurden, bedarf es diesbezüglich einer Ergänzung des Verfahrens erster Instanz.

[42] 5.2 Im fortzusetzenden Verfahren wird zu beurteilen sein, ob das von der Klägerin absolvierte Studium an der Pädagogischen Akademie nach Dauer, Umfang und Inhalten einem dem Master‑Bereich zugehörenden Studium im Sinn der Z 1.12 Anlage 1 zum BDG 1979 gleichwertig ist. Sollte das von der Klägerin absolvierte Studium hingegen einem Bachelor‑Studium – insbesondere an einer Pädagogischen Hochschule – gleichwertig sein, wird zu beurteilen sein, ob dieses Studium fiktiv zumindest 240 ECTS‑Punkte umfasst hat, in welchem Fall ein Vorbildungsausgleich von nur einem Jahr abzuziehen wäre (§ 15 Abs 5 Z 1 VBG 1948).

[43] 5.3 Darüber hinaus bedarf es einer Auseinandersetzung mit dem weiteren Vorbringen der Klägerin, dass auch ihre beiden weiteren Studien „eine der Verwendung auf dem Arbeitsplatz entsprechende Hochschulausbildung“ (Z 1.12 Anlage 1 zum BDG 1979) seien. Hier fehlen etwa Feststellungen zur Behauptung der Klägerin, dass ihr Studium der Philosophie einen Schwerpunkt „Deutsch als Fremd‑ und Zweitsprache“ gehabt habe, was für ihre Tätigkeit für die Beklagte nunmehr von Nutzen sei. Der Beklagten wird sodann die Gelegenheit zu geben sein, auf dieses ergänzende Vorbringen zu replizieren.

[44] 6.1 Der Revision war daher im Sinn des eventualiter gestellten Aufhebungsbegehrens Folge zu geben.

[45] 6.2 Im fortzusetzenden Verfahren wird davon auszugehen sein, dass sich die geltend gemachten insgesamt 2.256 Tage an anzurechnenden Vordienstzeiten aus 243 Tagen für die Tätigkeit als Fremdsprachenassistentin in Italien, 1.460 Tagen für die Tätigkeit als Lektorin in Irland, 355 Tagen für die Lehrtätigkeit im b* und 198 Tagen für die Tätigkeit beim L* (ohne Abzug eines Vorbildungsausgleichs) zusammensetzen. Nach den bisherigen Verfahrensergebnissen sind der Klägerin für die Tätigkeit als Fremdsprachenassistentin in Italien 170 Tage, für die Tätigkeit als Lektorin in Irland 1.460 Tage sowie für ihre Tätigkeit im b* 281 Tage anzurechnen, gesamt daher 1.911 Tage (wovon auch das Berufungsgericht ausgegangen ist). Den darüber hinausgehenden Teil von 345 Tagen hat das Berufungsgericht sowohl betreffend das Leistungs‑ als auch das Feststellungsbegehren rechtskräftig abgewiesen. Strittig ist somit nur noch, ob von der Gesamtzahl der 1.911 anrechenbaren Tage ein Vorbildungsausgleich in Abzug zu bringen ist.

[46] 7. Das Berufungsgericht behielt die Kostenentscheidung gemäß § 52 Abs 1 ZPO bis zur rechtskräftigen Erledigung der Streitsache vor, sodass eine Kostenentscheidung gemäß § 52 Abs 3 ZPO nicht zu treffen war. Aus diesem Grund bedarf es auch keiner Auseinandersetzung mit den Ausführungen der Klägerin in der Revisionsbeantwortung zum Revisionsinteresse und zu den Einwendungen gegen die von der Beklagten verzeichneten Kosten.

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