European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:009OBA00097.19H.0923.000
Spruch:
Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.700,40 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Das Berufungsgericht hat die Revision mit der Begründung zugelassen, dass der Oberste Gerichtshof bislang zur Verfassungskonformität der Bestimmungen über den Vorbildungsausgleich nach § 15 Abs 4 VBG noch nicht Stellung genommen hat. Entgegen diesem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision des Klägers mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig. Das Fehlen höchstgerichtlicher Judikatur, die ausdrücklich zur Verfassungsmäßigkeit bestimmter gesetzlicher Bestimmungen Stellung nimmt, begründet nicht schon per se das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage (RS0122865). Es liegt keine die Anrufung des Obersten Gerichtshofs rechtfertigende Rechtsfrage vor, wenn dieser die verfassungsrechtlichen Bedenken des Rechtsmittelwerbers – wie hier – nicht teilt (RS0116943). Eine unrichtige Anwendung des § 15 Abs 4 VBG im Anlassfall oder unionsrechtliche Bedenken werden vom Kläger nicht releviert.
Der Kläger ist bei der Beklagten seit 9. 9. 2013 als Vertragslehrer (Vertragsbediensteter) beschäftigt. Bis 11. 9. 2016 hatte er jeweils befristete Dienstverträge und war im Entlohnungsschema IIL eingestuft.
Am 23. 7. 2014 schloss der Kläger sein Lehramtsstudium der Unterrichtsfächer Mathematik und Physik an der Universität Salzburg ab. Zum 12. 9. 2016 schlossen die Parteien einen neuen, unbefristeten Dienstvertrag (datiert mit 25. 7. 2017) ab, mit dem der Kläger in das Entlohnungsschema IL überstellt wurde. An Vordienstzeiten wurden dem Kläger 4 Jahre, 1 Monat und 21 Tage angerechnet, wovon gemäß § 15 Abs 4 VBG ein Vorbildungsausgleich von 1 Jahr, 11 Monaten und 29 Tagen in Abzug gebracht wurde.
Der Kläger begründete sein auf Feststellung der Anrechnung seiner im Rahmen des Vorbildungsausgleichs bei der Berechnung des Besoldungsdienstalters in Abzug gebrachten Vordienstzeiten und Nachzahlung der sich aus der dadurch bedingten früheren Vorrückung ergebenden Gehaltsdifferenzen ausschließlich mit verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Bestimmung des § 15 Abs 4 VBG, nach der ihm die Zeit, in der er ohne absolviertem Hochschulstudium unterrichtet hat, nicht als Vordienstzeit angerechnet wurde. Diese Bestimmung sei wegen Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes und des Rechts auf Erwerbsausübung verfassungswidrig, weil sie ihn gegenüber Kollegen, die anstatt zu arbeiten, ihr Studium rasch fertig gemacht hätten, benachteilige. Die ihn treffende Doppelbelastung Studium und Arbeit werde hingegen nicht berücksichtigt.
Der Oberste Gerichtshof teilt die verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers nicht. Wie sich aus den Erläuterungen zur Dienstrechts-Novelle 2015 (BGBl I 2015/65) ergibt, wurde der Vorbildungsausgleich in § 15 Abs 4 VBG (und in § 12a Abs 4 GehG) vor dem Hintergrund der Systematik neuer Gehaltsansätze eingeführt. Danach resultierte die Notwendigkeit eines Vorbildungsausgleichs aus der Vereinfachung der Vordienstzeitenanrechnung, weil die nicht mehr gesondert anrechenbaren Zeiten wie Schul- und Studienzeiten pauschal in den Gehaltsansätzen berücksichtigt wurden. Dementsprechend wurde in den neuen Gehaltstabellen bei der Stufe 1 jeder Verwendungsgruppe davon ausgegangen, dass der Bedienstete die notwendige Ausbildung vor Dienstantritt abgeschlossen hat. Deshalb ist zB auch der Ansatz für die erste Gehaltsstufe in der Verwendungsgruppe A 1 deutlich höher als bisher. Damit wurden aber auch die Relationen zwischen den Verwendungsgruppen verschoben – beispielsweise ist die Differenz zwischen A 1 und A 2 in der Gehaltsstufe 10 deutlich größer als bisher, weil den Gehaltsansätzen völlig unterschiedliche Annahmen über das Vorleben zugrunde liegen. Ohne Ausgleich hätte dies zur Folge, dass zB jemand, der in der Verwendungsgruppe A 2 in der Gehaltsstufe 10 ein Studium abschließt und anschließend in die Verwendungsgruppe A 1 überstellt wird, so behandelt wird, als hätte er sein Studium bereits vor Dienstantritt abgeschlossen und seine gesamte Diensterfahrung bereits auf einem Arbeitsplatz der Wertigkeit A 1 erworben. Er bekäme damit indirekt die Studienzeiten im Dienstverhältnis abgegolten, was auch nach früherer Rechtslage aufgrund des Doppelanrechnungsverbotes nicht möglich war. Das wäre eine deutliche Besserstellung im Vergleich zur früheren Rechtslage, die nicht gerechtfertigt erscheint. Daher ist bei entsprechenden Fällen einer Überstellung künftig ein Vorbildungsausgleich beim Besoldungsdienstalter in Abzug zu bringen. Abgezogen werden dabei fünf Jahre bei einer Überstellung in den Master-Bereich bzw drei Jahre bei einer Überstellung in den Bachelor-Bereich – höchstens jedoch die Dauer der bisherigen Bundesdienstzeit. Dieser Abzug wird nach § 8 Abs 2 GehG unmittelbar für die Einstufung in der neuen Verwendungsgruppe wirksam (RV 585 BlgNR XXV. GP 6 ff).
Auch in den Materialien zur Dienstrechts-Novelle 2016 (BGBl I 2016/64), mit der die Wortfolge des § 15 Abs 4 VBG „im aufrechten Dienstverhältnis“ durch die Wortfolge „nach dem Zeitpunkt des erstmaligen Eintritts in ein Bundesdienstverhältnis“ ersetzt wurde, wird (nochmals) klargestellt, dass durch diese Bestimmung eine Ungleichbehandlung zwischen jenen Bediensteten vermieden wird, die im aufrechten Dienstverhältnis ein Studium abschließen und deshalb einen Vorbildungsausgleich erfahren und jenen Bediensteten, die nach Beendigung eines früheren Dienstverhältnisses das Studium abschließen und erst danach wieder in den Bundesdienst eintreten. Letztere sollen hinsichtlich des Vorbildungsausgleichs so behandelt werden, als hätten sie das Studium während des Dienstverhältnisses abgeschlossen (RV 1188 BlgNR XXV. GP 7).
Mit der Dienstrechts-Novelle 2018 (BGBl I 2018/60) wurde § 15 VBG zwar neu formuliert und ua deutlicher zum Ausdruck gebracht, in welchen Situationen künftig ein Vorbildungsausgleich zu bemessen ist (RV 196 BlgNR XXVI. GP 7), die Grundsätze für die Berücksichtigung eines Vorbildungsausgleichs blieben jedoch erhalten (vgl § 15 Abs 1 Z 3 VBG). Die mit der 2. Dienstrechts-Novelle 2018 (BGBl I 2018/102) erfolgten Klarstellungen im Zusammenhang mit der Wirksamkeit einer Neubemessung des Vorbildungsausgleichs (§ 100 Abs 83 Z 9 VBG 1948) sind hier nicht weiter von Bedeutung.
Der in Art 7 B‑VG normierte Gleichheitssatz verpflichtet den Gesetzgeber, an gleiche Tatbestände gleiche Rechtsfolgen zu knüpfen. Er verbietet demnach willkürliche Differenzierungen, lässt aber unterschiedliche Regelungen dort zu, wo sie durch entsprechende Unterschiede im Tatsächlichen sachlich gerechtfertigt sind (RS0053452). In der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs ist anerkannt, dass der Gleichheitssatz dem Gesetzgeber auch bei der Regelung des Dienst- und Besoldungsrechts der Beamten und Vertragsbediensteten einen verhältnismäßig weiten Gestaltungsspielraum überlässt. Er ist lediglich gehalten, das Dienst- und Besoldungsrecht derart zu gestalten, dass es im Großen und Ganzen in einem angemessenen Verhältnis zu den den Beamten und Vertragsbediensteten obliegenden Dienstpflichten steht (VfGH G57/2018 Pkt 2.6. mwN; B1345/2012 Pkt III. 1.; vgl 8 ObA 91/11g Pkt 5.).
Vor diesem Hintergrund hegt der Senat keine Bedenken gegen die Verfassungsgemäßheit der in Rede stehenden Bestimmung des § 15 Abs 4 VBG (vgl VfGH vom 25. 9. 2018, E 3648/2018‑5). Der Revisionswerber strebt im Ergebnis eine Doppelanrechnung von Ausbildungszeiten an, die der Gesetzgeber aus sachlichen Erwägungen aber gerade verhindern will. Dass der Gesetzgeber die vom Revisionswerber ins Treffen geführte „Doppelbelastung von Beruf und Studium“ nicht durch besondere Anrechnungsregeln finanziell abgelten will, stellt keine unsachliche, außerhalb dessen Gestaltungsspielraums fallende Regelung dar. Anhaltspunkte für die vom Kläger behauptete Verletzung seines Rechts auf die nach Art 6 StGG gewährleistete Erwerbsausübungsfreiheit bieten die Revisionsausführungen nicht.
Da die Revision des Klägers damit insgesamt keine erhebliche Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigt, ist sie zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision in ihrer Revisionsbeantwortung hingewiesen (RS0035979 [T16]).
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