OGH 9ObA75/12p

OGH9ObA75/12p25.7.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf und Hon.-Prof. Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Kainz und Wolfgang Jelinek als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei H***** K*****, vertreten durch Mag. Johannes Schmidt, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Stadt Wien, Rathausstraße 4, 1082 Wien, vertreten durch Dr. Gustav Teicht und Dr. Gerhard Jöchl, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 30.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 24. April 2012, GZ 9 Ra 74/11k-35, womit das Endurteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 14. Dezember 2010, GZ 15 Cga 194/09x-29, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht ging in Bestätigung des Ersturteils davon aus, dass die von der Beklagten ausgesprochene Entlassung des Klägers sich nicht auf den Entlassungsgrund des § 45 Abs 2 Z 2 Wiener VBO 1995 stützen könne, aber nach § 45 Abs 5 Wiener VBO 1995 als Kündigung gelte, weil der der Entlassung zugrundeliegende Sachverhalt den Kündigungsgrund des § 42 Abs 2 Z 5 Wiener VBO 1995 verwirkliche. Nach dieser Bestimmung liegt ein Grund, der die Gemeinde Wien zur Kündigung berechtigt, insbesondere dann vor, wenn sich erweist, dass das gegenwärtige oder frühere Verhalten des Vertragsbediensteten mit dem Ansehen oder den Interessen des Dienstes unvereinbar ist, sofern nicht die Entlassung in Betracht kommt.

Eine erhebliche Rechtsfrage erblickt der Revisionswerber in der Frage, ob ein über eine Ordnungswidrigkeit hinausgehendes Verhalten zwingend eine gröbliche Dienstpflichtverletzung darstelle. Soweit diese Fragestellung suggeriert, das Berufungsgericht sei davon ausgegangen, dass jedes über eine Ordnungswidrigkeit hinausgehende Verhalten zwingend eine gröbliche Dienstpflichtverletzung darstelle, ist sie von vornherein verfehlt. Die Frage des Vorliegens einer gröblichen Verletzung der Dienstpflichten stellt sich nämlich beim Kündigungsgrund des § 42 Abs 2 Z 1 Wiener VBO 1995, den das Berufungsgericht aber ausdrücklich dahingestellt ließ (S 31 der Berufungsentscheidung). Hier geht es, wie schon vorstehend erwähnt, um den vom Berufungsgericht angenommenen Kündigungsgrund des § 42 Abs 2 Z 5 Wiener VBO 1995.

Der Revisionswerber missversteht offenbar die Überlegungen des Berufungsgerichts. Dieses wies lediglich zur Verdeutlichung des Verhältnisses von Entlassung und Kündigung nach der Wiener VBO 1995 - zutreffend - darauf hin, dass im Fall der Entlassung ein Sachverhalt verwirklicht sein muss, der seinem Gewicht nach die Weiterbeschäftigung des Vertragsbediensteten schlechthin unzumutbar erscheinen lässt, während dies bei der Kündigung nicht erforderlich ist (RIS-Justiz RS0105940 ua). Dennoch muss das inkriminierte Verhalten des Dienstnehmers auch im Fall der Kündigung - legt man beispielsweise den hier nicht relevanten Kündigungsgrund § 42 Abs 2 Z 1 Wiener VBO 1995 zugrunde - nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs „gröblich“ die Dienstpflichten verletzend sein und somit über bloß geringfügige Ordnungswidrigkeiten hinausgehen (RIS-Justiz RS0105940 ua). Daraus kann man auch für den hier relevanten Kündigungsgrund des § 42 Abs 2 Z 5 Wiener VBO 1995 ableiten, dass er - abgesehen von der diesfalls nicht relevanten Frage der gröblichen Verletzung von Dienstpflichten - durch eine „bloße Ordnungswidrigkeit“ nicht verwirklicht wird. Vom Vorliegen einer bloßen Ordnungswidrigkeit geht aber offenbar nicht einmal der Revisionswerber aus. Soweit er sein Verhalten „näher einer Ordnungswidrigkeit“ als einem Kündigungstatbestand sieht, ist ihm das Berufungsgericht nicht gefolgt.

Ob das Verhalten des Dienstnehmers nach § 42 Abs 2 Z 5 Wiener VBO 1995 mit dem Ansehen oder den Interessen des Dienstes unvereinbar ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, die regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO begründen (vgl 8 ObA 53/10t ua zur Abhängigkeit von den Umständen des Einzelfalls bei der Beurteilung der Vertrauensunwürdigkeit und der Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung). Schon das Erstgericht wies überzeugend darauf hin, dass durch das Verhalten des Klägers, der für die Beklagte als Werkmeister im Rahmen der Unternehmung „W*****“ tätig war, nach außen der aus der Sicht des Dienstes für die Beklagte unbedingt zu vermeidende Eindruck vermittelt wurde, Beschäftigte der Beklagten können es sich „bei Gemeindewohnungen richten“. Dieser Auffassung des Erstgerichts ist das Berufungsgericht gefolgt. Sein Resümee, dass das Verhalten des Klägers mit dem Ansehen und den Interessen des Dienstes unvereinbar ist, ist in diesem Zusammenhang vertretbar.

Soweit der Revisionswerber meint, niemand könne sich auf sein rechtswidriges Verhalten berufen, ist ihm zuzustimmen. Diese Überlegung geht allerdings am vorliegenden Fall vorbei, denn die Beklagte beruft sich ohnehin nicht auf ihr Verhalten, schon gar nicht auf ein rechtswidriges. Maßgebend für die Kündigung ist das Verhalten des Klägers, wobei der Umstand, dass sein Verhalten von der Beklagten nicht gleich entdeckt, sondern erst durch eine anonyme Anzeige anderer Mieter bekannt wurde, nicht zu seinen Gunsten ausschlägt.

Mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

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