European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:009OBA00007.20Z.0625.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Begründung:
Die klagende und gefährdete Partei (idF „Klägerin“) macht gegen den Beklagten und Gegner der gefährdeten Partei (idF „Beklagter“) als ehemaligen Arbeitnehmer Ansprüche nach §§ 26c ff UWG geltend. Mit der Klage verband sie einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, wonach es dem Beklagten verboten werde, die Geschäftsgeheimnisse der Klägerin, insbesondere Daten von Kunden und Lieferanten, unternehmensinterne Daten wie Kundenlisten, Pläne, Lieferantenkonditionen sowie unternehmensinterne Passwörter und Lieferantenzugänge der Klägerin zu nutzen und ihm aufgetragen werde, die von ihm erstellte externe Festplatte samt den darauf befindlichen Daten sowie die von ihm im Rahmen der E‑Mail‑Manipulationen erworbenen elektronischen Daten an die Klägerin herauszugeben, in eventu gerichtlich zu hinterlegen.
Das Erstgericht wies den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ab. Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Klägerin gegen diese Entscheidung nicht Folge. Es führte dazu aus, auch in wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsklagen seien die zu unterlassenden Tätigkeiten jedenfalls derart darzulegen, dass der Gegenstand, die Art, der Umfang und die Zeit der geschuldeten Unterlassung genau determiniert würden. Diesem Erfordernis genüge es nicht, lediglich Gattungsbezeichnungen zu nennen. Ungültige Passwörter hätten keinerlei kommerziellen Wert, womit schon deshalb kein Geschäftsgeheimnis mehr vorliegen könne.
Der ordentliche Revisionsrekurs wurde nicht zugelassen, weil die Frage der Schlüssigkeit einer Klage immer nur anhand der konkreten Behauptungen im Einzelfall geprüft werden könne.
Rechtliche Beurteilung
Der außerordentliche Revisionsrekurs der Klägerin ist mangels Rechtsfrage von der Qualität des § 528 Abs 1 ZPO (iVm §§ 78, 402 Abs 4 EO) nicht zulässig.
1. Der Frage, ob eine Klage oder ein Antrag auf einstweilige Verfügung schlüssig ist, kommt im Allgemeinen keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (RS0116144 [T1]; RS0037780 [T9]). Eine ausnahmsweise aufzugreifende Fehlbeurteilung liegt nicht vor.
2. Die Klägerin begehrt die Erlassung einer einstweiligen Verfügung auf Basis der §§ 26i f UWG zur Sicherung ihrer Ansprüche nach §§ 26c ff UWG. Richtig weist sie dabei darauf hin, dass mit der UWG‑Novelle 2018, BGBl I 2018/109, besondere Vorschriften erlassen wurden, um den Geheimnisschutz auch im zivilgerichtlichen Verfahren zu gewährleisten. § 26h UWG sieht vor, dass die Information, von welcher der Inhaber behauptet, dass sie ein Geschäftsgeheimnis sei, im Verfahren zunächst nur so weit offenzulegen ist, als es unumgänglich ist, um das Vorliegen der Voraussetzungen eines Geschäftsgeheimnisses sowie seiner Verletzung glaubhaft darzulegen. In dem erstmals das Vorliegen eines Geschäftsgeheimnisses behauptenden Schriftsatz ist es hinreichend, wenn das Vorliegen eines Geschäftsgeheimnisses von der Partei vorgebracht wird und das Vorbringen zumindest soweit substanziiert ist, dass sich das Vorliegen eines Geschäftsgeheimnisses und der geltend gemachte Anspruch daraus schlüssig ableiten lassen.
Diese Bestimmung ändert nichts an der grundsätzlichen Behauptungs‑ und Bescheinigungslast der sich auf das Geschäftsgeheimnis berufenden Partei für die ihren Anspruch begründenden Tatsachen. Das ergibt sich schon aus der Formulierung, dass das Geschäftsgeheimnis, „so weit offenzulegen ist, als es unumgänglich ist, um das Vorliegen der Voraussetzungen eines Geschäftsgeheimnisses sowie seiner Verletzung glaubhaft darzulegen“.
3. Auch wenn die Klägerin zu Recht darauf verweist, dass zu dieser Bestimmung noch keine Judikatur des Obersten Gerichtshofs besteht, gelingt es ihr nicht in diesem Zusammenhang, eine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung aufzuzeigen.
Zum einen ist die Frage, wieweit diese Konkretisierung zu gehen hat, notwendiger Weise von den Umständen des konkreten Falls abhängig. Darüber hinaus hat die Klägerin in ihrem Vorbringen aber eine Konkretisierung nicht einmal versucht, sondern sich damit begnügt, abstrakt auf das Vorliegen von Geschäftsgeheimnissen zu verweisen. Richtig hat das Rekursgericht ausgeführt, dass die Aufzählung lediglich von Gattungsbezeichnungen („Kundenlisten, Pläne, Lieferantenkonditionen sowie unternehmensinterne Passwörter, Lieferantenzugänge etc.“) nicht ausreicht, um beurteilen zu können, ob im zu beurteilenden Fall ein den Kriterien des Gesetzes entsprechendes Geschäftsgeheimnis vorliegt.
4. Wenn im außerordentlichen Revisionsrekurs darauf hingewiesen wird, dass es „wohl evident“ sei, dass Kundendaten, Lieferkonditionen und Pläne Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse darstellen, kann dem nicht gefolgt werden. Richtig ist zwar, dass derartige Informationen Geschäftsgeheimnisse darstellen können. Diese grundsätzliche Eignung sagt aber nichts darüber aus, ob überhaupt und inwieweit sie es in einem konkreten Unternehmen tatsächlich sind.
5. Der außerordentliche Revisionsrekurs lässt aber auch offen, aus welchen Gründen der Klägerin eine über diese Gattungsbezeichnungen hinausgehende Konkretisierung zur Wahrung ihrer Interessen nicht möglich sein soll, weshalb auch die von ihr selbst angesprochene Abwägung zwischen ihrem Geheimhaltungsinteresse und den Verfahrensrechten des Beklagten gar nicht möglich ist. Immerhin hatte der Beklagte während des aufrechten Vertragsverhältnisses offenbar unbeschränkten Zugang zu und Kenntnis von all diesen Informationen. Es geht daher im Verfahren vor allem darum zu klären, ob er diese Informationen unzulässiger Weise für sich nutzt, nicht darum, zu verhindern, dass sie ihm überhaupt bekannt werden.
6. Inwiefern die Ansprüche der Klägerin dadurch gefährdet sein könnten, dass der Beklagte nach wie vor über zwischenzeitig geänderte Passwörter und Lieferantenzugänge verfügt, mag er sie auch zuvor rechtswidrig erworben haben, lässt sich auch dem Revisionsrekurs nicht entnehmen.
7. Nach § 26i Abs 1 UWG sind die §§ 379 bis 402 EO auch für die einstweiligen Verfügungen nach dieser Bestimmung anzuwenden. Nach ständiger Rechtsprechung zu den einstweiligen Verfügungen nach der EO kommt eine richterliche Anleitung zur Behebung von Inhaltsmängeln eines Sicherungsantrags, die – wie ungenügende und einander widersprechende Tatsachenbehauptungen – zur Abweisung des Provisorialbegehrens führen, nicht in Betracht (vgl 5 Ob 170/07x; 1 Ob 138/02d mwN ua). Nach § 389 EO sind daher in dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung die den Antrag begründenden Tatsachen im Einzelnen darzulegen und in urkundlicher Form zu bescheinigen oder iSd § 274 ZPO durch sofort ausführbare Beweise glaubhaft zu machen. Entspricht ein Antrag nicht diesen Voraussetzungen, so trifft das Gericht keine Pflicht, von Amts wegen auf eine entsprechende Stoffsammlung zu drängen und vor Erlassung der einstweiligen Verfügung dem Prozess einen Prozess voranzuschicken. Ergeben sich aus dem eigenen Vorbringen der gefährdeten Partei Bedenken gegen diesen Antrag, so kann dem Antrag nicht Folge gegeben werden. Es ist aber kein Platz für amtswegige Erhebungen, ob diese Bedenken nicht vielleicht zerstreut werden können (7 Ob 197/17x).
Ob im Hinblick auf das besondere Verfahren nach §§ 26c ff UWG diese Grundsätze zu adaptieren und im Fall eines im ersten Schriftsatz nicht ausreichend konkreten Vorbringens ein Verbesserungsverfahren bei einem Antrag nach § 26i UWG in Betracht kommen könnte, muss hier nicht geprüft werden, weil auch im Revisionsrekurs nicht dargelegt wird, welche Ergänzungen des Vorbringens im Fall eines Verbesserungsverfahrens erfolgt wären.
8. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 528 Abs 1 ZPO (iVm §§ 78, 402 Abs 4 EO) ist der außerordentliche Revisionsrekurs der Klägerin zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)