OGH 9ObA60/11f

OGH9ObA60/11f26.5.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn und die fachkundigen Laienrichter Dr. Albert Koblizek und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei D***** K*****, vertreten durch Sunder-Plaßmann Loibner & Partner Rechtsanwälte OG in Wien, wider die beklagte Partei DI R***** G*****, vertreten durch Dr. Wilfried Weigert, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung eines aufrechten Lehrverhältnisses, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15. März 2011, GZ 10 Ra 174/10x-31, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung wird gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO abgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Ob der Entlassungstatbestand des § 15 Abs 3 lit c BAG verwirklicht ist, kann nur aufgrund der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (s RIS-Justiz RS0106298). Darin liegt regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO.

Hier steht fest, dass der Kläger als Lehrling für Vermessungstechnik bei Messtätigkeiten im Außendienst das ihm überantwortete Vermessungsgerät mit dem Funkgerät derart manipulierte, dass die Registrierung der Messdaten gestört wurde, die Messtätigkeit nach umfangreichen Überprüfungen ohne Messergebnisse abgebrochen werden musste und eine - ergebnislose - Mängelprüfung des Geräts beauftragt wurde. In gleicher Weise führte er wenige Tage später bei seinem nächsten Außendiensttermin bewusst Störungen in der Datenregistrierung herbei und demonstrierte sein Vorgehen auch einem anderen Lehrling. Mangels sogleich erkennbarer Ursache mussten die Messtätigkeiten neuerlich abgebrochen werden. Erst die Auswertung eines Handy-Videos über den Messvorgang brachte seine Manipulationen hervor, woraufhin der Kläger ohne Ermahnung entlassen wurde. Bereits einige Monate davor war der Kläger schriftlich verwarnt worden, weil er mit einer Tankkarte des Beklagten privat Benzin getankt hatte, ohne es zu bezahlen.

Vor diesem Hintergrund lassen die Entscheidungen der Vorinstanzen, die das Begehren des Klägers auf Feststellung eines aufrechten Lehrverhältnisses über den 24. 11. 2009 hinaus abgewiesen haben, keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung erkennen.

Wenn der Kläger im Hinblick auf § 15 Abs 3 lit c BAG wiederholte Ermahnungen durch den Beklagten vermisst, so ist es zwar gerade bei noch jugendlichen Lehrlingen erforderlich, dass ihnen der Ernst der Situation in Bezug auf das Lehrverhältnis entsprechend deutlich vor Augen geführt wird, damit sie die möglichen Konsequenzen einer weiteren Pflichtenvernachlässigung erkennen können (s RIS-Justiz RS0052761). Zum einen kann daraus aber nicht der generelle Schluss gezogen werden, dass erstmalige Verfehlungen nicht zur Entlassung eines Lehrlings berechtigen; Kriterium ist vielmehr - wie auch bei anderen Entlassungsgründen - die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung durch den Lehrberechtigten (zB 9 ObA 74/04d). Zum anderen ist es in der vorliegenden Konstellation jedenfalls vertretbar, wenn das Berufungsgericht davon ausging, dass der Kläger ohnedies bereits wegen einer einschlägigen gravierenden Pflichtverletzung (Vermögensdelikt) ermahnt worden war. Da eine Mahnung weder Selbstzweck noch „sinnlose Formalität“ ist, bei einem bewussten und offenkundig die Arbeitgeberinteressen beeinträchtigenden Verhalten im Einzelfall daher auch entbehrlich sein kann (vgl RIS-Justiz RS0060669; 8 ObA 100/02t), ist schließlich auch die weitere Erwägung der Vorinstanzen vertretbar, dass jedenfalls im konkreten Fall deshalb, weil selbst die Kenntnis der Folgen seiner Manipulationen (frustrierter Außendiensttag, ergebnislose Überprüfung des Messgeräts bei einem Serviceunternehmen) den Kläger nicht von der Wiederholung seiner Schädigungs- und Täuschungshandlungen abhielt, auch ohne eine vorhergehende (neuerliche) Ermahnung ein derart beharrlicher Pflichtenverstoß vorliegt, dass er eine Weiterbeschäftigung des Klägers unzumutbar macht.

Die Revision war daher zurückzuweisen.

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