Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 399,74 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin EUR 66,62 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin war seit 22. 2. 2003 beim Vorpächter der mit 1. 1. 2006 vom Beklagten übernommenen Tankstelle beschäftigt. Unstrittig ist, dass ihr Arbeitsverhältnis gemäß § 3 AVRAG mit allen Rechten und Pflichten auf den Beklagten übergegangen ist, der die Klägerin am 6. 1. 2006 unter Einhaltung der kollektivvertraglichen Kündigungsfrist zum 22. 1. 2006 gekündigt hat.
Mit der Behauptung, die Kündigung stehe im zeitlichen Zusammenhang mit dem Betriebsübergang und verstoße daher gegen das Kündigungsverbot des § 3 AVRAG, begehrt die Klägerin den Klagebetrag an Kündigungsentschädigung für drei Monate, somit für die Zeit bis einschließlich 22. 4. 2006. Auf Grund ihres gesetzlichen Bestandschutzes hätte sie nicht früher wirksam gekündigt werden können.
Der Beklagte bestritt die Unzulässigkeit der Kündigung. Sie sei nicht wegen des Betriebsübergangs sondern wegen des persönlichen Verhaltens der Klägerin erfolgt. Diese habe die ihr nach dem Kollektivvertrag zustehende Kündigungsentschädigung für die Zeit bis zum Ende der Kündigungsfrist in voller Höhe erhalten; mehr stehe ihr nicht zu. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Selbst wenn man von der Nichtigkeit der Kündigung ausgehe, sei das Klagebegehren nicht berechtigt. Die Klägerin habe auf den ihr unter dieser Voraussetzung zustehenden Bestandschutz verzichtet und von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht, an Stelle der Unwirksamkeit der Kündigung die Ersatzansprüche nach § 1162b ABGB geltend zu machen. Die von der Klägerin dabei zur Bemessung ihres Anspruchs herangezogene Frist von (weiteren) drei Monaten habe sie mit dem Argument begründet, dass erst nach Ablauf dieser Frist eine Kündigung nicht mehr mit dem Betriebsübergang in Zusammenhang stehe, sodass sie erst dann hätte gekündigt werden können. Dies sei nicht nachvollziehbar, weil es keine exakte Frist gebe, in der eine Kündigung in einem zeitlichen Zusammenhang mit dem Betriebsübergang stehe und deshalb nichtig iSd § 3 AVRAG sei. Die Frage einer solchen Nichtigkeit könne immer nur im Einzelfall beurteilt werden. Auch die Heranziehung der Judikatur zum besonderen Bestandschutz begünstigter Behinderter, deren Kündigungsentschädigung im Falle einer unzulässigen, aber akzeptierten Kündigung mit sechs Monaten bemessen werde, sei nicht sachgerecht, weil die Situation beim Kündigungsverbot nach § 3 AVRAG mit den zur Begründung dieser Rechtsprechung herangezogenen Arbeitsverhältnissen, die auf Lebenszeit oder für länger als fünf Jahre unkündbar vereinbart worden seien, nicht vergleichbar sei. Die Klägerin habe daher nur Anspruch auf die gesetzliche bzw kollektivvertragliche Kündigungsentschädigung, die sie ohnedies erhalten habe.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es übernahm die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts und verwies auf die ihm vergleichbar erscheinende Regelung des § 3 Abs 5 AVRAG, nach der der Arbeitnehmer, der wegen einer wesentlichen Verschlechterung der Arbeitsbedingungen nicht am Arbeitsverhältnis mit dem Erwerber festhalten wolle, das Arbeitsverhältnis begünstigt auflösen könne und dann Ansprüche wie bei einer Arbeitgeberkündigung habe. Dies müsse umso mehr gelten, wenn die Arbeitsbedingungen - wie hier - unverändert bleiben, der Arbeitnehmer sich aber dennoch entschließe, das bestandgeschützte Arbeitsverhältnis nicht fortsetzen zu wollen. Mit der von ihr angestrebten höheren Kündigungsentschädigung wäre die Klägerin weit besser gestellt, als im Fall ihrer unberechtigten Entlassung, was einen erheblichen Wertungswiderspruch bedeuten würde. Das Kündigungsverbot nach § 3 AVRAG entspreche weit eher dem allgemeinen Kündigungsschutz, so dass es sachgerecht erscheine, die Folgen des freiwilligen Verzichts auf den Bestandschutz nach dem AVRAG in finanzieller Hinsicht so zu gestalten, wie beim allgemeinen Kündigungsschutz. Die darüber hinausgehenden Ansprüche der Klägerin entsprächen weder den Intentionen der Betriebsübergangsrichtlinie noch dem § 3 AVRAG. Die Revision sei zulässig, weil zur hier zu entscheidenden Frage höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.
Gegen dieses Urteil richtet sich die rechtzeitige Revision der Klägerin.
Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.
Nach Ansicht der Revisionswerberin könne der Umstand, dass sie in Ausübung des ihr zustehenden Wahlrechts eine nach § 3 AVRAG unzulässige und daher unwirksame Kündigung akzeptierte und Kündigungsentschädigung begehre, nichts daran ändern, dass die Kündigung rechtswidrig sei und für den Arbeitgeber nicht folgenlos bleiben könne. Diesem könne nicht die Möglichkeit eröffnet werden, einen Arbeitnehmer durch unzulässige Kündigung billig loszuwerden. Die von der Revisionswerberin zur Bemessung der Frist herangezogene Frist von drei Monaten sei angemessen, weil erst nach Ablauf dieser Frist, in der sich der Arbeitnehmer gegenüber dem neuen Arbeitgeber bewähren könne, kein Zusammenhang mehr zwischen einer Kündigung und dem Betriebsübergang bestehe.
Diesen Ausführungen ist nicht zu folgen:
Der Revisionswerberin ist zuzubilligen, dass die Rechtsprechung besonders bestandgeschützten Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnis in unzulässiger Weise beendet wurde, das Wahlrecht einräumt, entweder auf der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu bestehen oder die Beendigung zu akzeptieren und Ersatzansprüche nach § 29 AngG bzw § 1162b ABGB geltend zu machen. Bei der Frage, ob bzw in welcher Form bei der Bemessung derartiger Ersatzansprüche auch die zur (fiktiven) Beendigung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Zeit zu berücksichtigen ist, differenziert die Rechtsprechung: Bei Betriebsratsmitgliedern etwa sieht sie vom durch den Kündigungsschutz gewährten Schutzzeitraum ab (9 ObA 59/94; Spielbüchler/Grillberger, AR I 419), bei begünstigten Behinderten wendet sie § 1158 Abs 3 und § 21 AngG analog an und bemisst die Kündigungsentschädigung unter Bedachtnahme auf eine Kündigungsfrist von sechs Monaten, sofern nicht aufgrund von Gesetz, Kollektiv- oder Dienstvertrag eine längere Kündigungsfrist besteht (RIS-Justiz RS0052572; 9 ObA 82/03d). Beim Bestandschutz nach dem BAG, nach dem MuttSchG, dem VKG und dem APSG wird der geschützte Zeitraum berücksichtigt (8 ObS 2/05k; 9 ObA 23/05f; 9 ObS 13/91; 9 ObA 2070/96v). Bei einer nach § 45a AMFG unwirksamen Kündigung stellt die Berechnung auf die nach Ablauf der Sperrfrist des § 45a AMFG mögliche Kündigung ab.
Nun trifft es zwar zu, dass es auch bei Kündigungen unter Verstoß gegen das aus § 3 AVRAG abgeleitete Kündigungsverbot dem Arbeitnehmer freisteht, nicht auf der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu bestehen, sondern die an sich unwirksame Beendigung zu akzeptieren. Es versteht sich auch von selbst, dass der Arbeitnehmer, der das Arbeitsverhältnis nicht fortsetzen will, bei frist- oder terminwidrigen Kündigungen Kündigungsentschädigung verlangen kann. Bei frist- und termingerechten Kündigungen besteht aber für einen Anspruch des Arbeitnehmers, über den Zeitraum der Kündigungsfrist hinaus für einen wie immer definierten weiteren Zeitraum Kündigungsentschädigung zu begehren, keine rechtfertigende Grundlage. Anders als in den oben beschriebenen Fällen des besonderen Bestandschutzes kennt nämlich weder § 3 AVRAG noch die BetriebsübergangsRL eine „Sperrfrist", innerhalb derer Kündigungen generell untersagt sind. Zweck des Kündigungsschutzes beim Betriebsübergang ist es, Kündigungen zu verhindern, die aus Anlass des Betriebsübergangs erfolgen. Kündigungen, die mit dem Betriebsübergang nicht in Zusammenhang stehen, sind hingegen ungeachtet des aus § 3 AVRAG abzuleitenden Kündigungsschutzes immer zulässig. Der Oberste Gerichtshof hat dazu erst vor kurzem zu 9 ObA 16/06b klargestellt, dass dabei eine bestimmte Frist, vor deren Verstreichen eine Kündigung jedenfalls mit dem Betriebsübergang in Zusammenhang steht, nicht existiert. Der seit dem Betriebsübergang verstrichenen Zeit kommt allerdings Indizwirkung zu: Je kürzer der zeitliche Abstand der Kündigung zum Betriebsübergang ist, umso stärker ist diese Indizwirkung und umso mehr obliegt es dem Kündigenden, zu beweisen, dass die Kündigung trotz des zeitlichen Naheverhältnisses nicht aus Anlass des Betriebsübergangs erfolgt ist. Unter besonders gelagerten Umständen ist es daher denkbar, dass eine unmittelbar im zeitlichen Nahbereich des Betriebsübergangs ausgesprochene Kündigung unwirksam ist, wie es auch denkbar ist, dass eine Kündigung als unwirksam zu qualifizieren ist, die längere Zeit nach dem Betriebsübergangs, aber dennoch erweisbar aus Anlass des Betriebsübergang, ausgesprochen wurde (vgl dazu die Entscheidung 9 ObA 16/06b, in der eine Kündigung mehr als ein Jahr nach dem Betriebsübergang noch als aus Anlass des Betriebsübergangs erfolgt und daher unzulässig qualifiziert wurde).
Dass damit Arbeitgebern die Möglichkeit an die Hand gegeben wird, Arbeitnehmer billig loszuwerden, trifft nicht zu, weil es der unwirksam gekündigte Arbeitnehmer in der Hand hat, die Unwirksamkeit der Kündigung geltend zu machen und auf dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zu bestehen. Für pönalisierende Geldansprüche im Falle einer vom Arbeitnehmer akzeptierten frist- und termingerechten Kündigung fehlt es aber aus den dargestellten Überlegungen an einer rechtfertigenden Grundlage (in diesem Sinne auch Kuras, AngG-Kommentar, § 29 Rz 45 [in Druck]).
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.
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