OGH 9ObA2070/96v

OGH9ObA2070/96v10.7.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Steinbauer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Mag.Erich Deutsch und Dr.Gerhard Dengscherz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Sylvia R*****, Angestellte, ***** vertreten durch Dr.Gottfried Eypeltauer ua Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei Insolvenz-Treuhand GesmbH, Kalvarienberggasse 10 a, 4600 Wels, als Masseverwalter im Konkurs der prot. Firma JP ***** GesmbH & Co KG, vertreten durch Dr.Erich Druckenthaner, Rechtsanwalt in Wels, wegen Feststellung (Streitwert S 24.576), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 30.Jänner 1996, GZ 11 Ra 86/95-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom 13.Juni 1995, GZ 19 Cga 40/95w-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 2.031,36 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 338,56 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Beschluß des Landesgerichtes Wels vom 3.5.1994 wurde über das Vermögen der JP ***** GesmbH & Co KG der Konkurs eröffnet und die beklagte Partei zur Masseverwalterin bestellt. Die Klägerin war seit 1.2.1989 bei der Gemeinschuldnerin als Angestellte beschäftigt. Sie gebar am 19.3.1993 ihr erstes Kind. Karenzurlaub wurde bis 19.3.1995 vereinbart. In dieser Zeit kam es zu einer weiteren Schwangerschaft; ihr zweites Kind kam am 22.11.1994 zur Welt. Neben diesem karenzierten Dienstverhältnis stand die Klägerin in einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis als Angestellte in der Lohnverrechnung der Gemeinschuldnerin. Mit Schreiben vom 3.7.1994 erklärte sie ihren vorzeitigen Austritt aus dem Angestelltenverhältnis gemäß § 25 Abs 1 KO. Das geringfügige Beschäftigungsverhältnis beendete die Klägerin mit Schreiben vom 4.5.1994 durch vorzeitigen Austritt wegen Entgeltsvorenthaltung gemäß § 26 AngG. Die beklagte Partei anerkannte die geltend gemachte Kündigungsentschädigung als bedingte Konkursforderung bis 17.5.1995. Aus dem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis anerkannte die Beklagte die Kündigungsentschädigung bis 18.5.1994.

Die Klägerin begehrt Kündigungsentschädigung über den vom Masseverwalter anerkannten Betrag hinaus im Ausmaß von weiteren S

24.576 netto im Konkurs als bedingte Konkursforderung festzustellen, weil sie Anspruch auf Kündigungsentschädigung nicht nur bis zum Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist habe, unter deren Einhaltung der Masseverwalter das Dienstverhältnis gemäß § 25 Abs 1 KO aufkündigen könnte; es stünde ihr die Kündigungsentschädigung bis zum Ablauf des fiktiven Kündigungstermines zu.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt.

Es vertrat die Rechtsansicht, daß das begünstigte Lösungsrecht des Masseverwalters nur unter Bedachtnahme auf die gesetzlichen Kündigungsbeschränkungen bestehe. Diese seien auch solche nach dem Mutterschutzgesetz. Es hätte daher überhaupt keine begünstigte Lösung im Sinne des § 25 KO durch den Masseverwalter erfolgen können. Die Kündigungsentschädigung berechne sich daher so, wie wenn der Masseverwalter nach Ablauf der Kündigungsschutzfrist, d.i. nach vier Monaten nach der Geburt des zweiten Kindes, die Kündigung ausgesprochen hätte. Dabei hätte er auch auf den Kündigungstermin Rücksicht nehmen müssen.

Das Berufungsgericht änderte in Stattgebung der Berufung der beklagten Partei das angefochtene Ersturteil teilweise ab, als es die angemeldeten Forderungen mit einem weiteren Betrag von S 20.656,81 netto als bedingte Konkursforderungen feststellte. Das Mehrbegehren auf Feststellung eines weiteren Betrages von S 3.916,19 als bedingte Konkursforderung wies es ab.

In rechtlicher Hinsicht sei bei Berechnung der Kündigungsentschädigung im Falle des vorzeitigen Austritts vom Zeitpunkt des Austrittes und nicht vom Ende der Schutzfrist auszugehen. Im Falle des Austritts behalte die Arbeitnehmerin jene Ansprüche, die sie bei Kündigung durch den Masseverwalter erhalten hätte. Der Masseverwalter sei an die gesetzlichen, kollektivvertraglichen oder die zulässigerweise vereinbarten kürzeren Kündigungsfristen, nicht jedoch an Kündigungstermine gebunden und habe auf die gesetzlichen Kündigungsbeschränkungen Bedacht zu nehmen. Die Klägerin habe sich in einem kündigungsgeschützten Arbeitsverhältnis befunden. Bei vorzeitigem Austritt während der Schwangerschaft oder Schutzfrist gebühre die Kündigungsentschädigung für den Zeitraum bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung zuzüglich der individuellen Kündigungsfrist abzüglich des Zeitraums des Wochengeldbezuges. Der Klägerin gebühre daher Kündigungsentschädigung für die gesetzliche Kündigungsfrist nach Ablauf der Mutterschutzfrist unabhängig von Kündigungsterminen. Die Klägerin habe das zweite Kind am 22.11.1994 geboren. Die Mutterschutzfrist habe daher am 22.3.1995 geendet. Unter Einhaltung der der Klägerin zustehenden dreimonatigen Kündigungsfrist gebühre eine Kündigungsentschädigung bis 22.6.1995. Das Mehrbegehren für die Zeit bis zum Quartalsende bestehe daher nicht zu Recht. Der durch das IRÄG 1994 novellierte § 25 KO, der im Abs 2 einen Schadenersatzanspruch des Dienstnehmers im Falle der Kündigung durch den Masseverwalter vorsehe, beziehe sich nur auf den Fall der Kündigung durch den Masseverwalter, nicht jedoch auf den Austritt des Arbeitnehmers. Im Falle eines berechtigten Austrittes nach § 25 KO stünden Ersatzansprüche (Kündigungsentschädigung) bis zu dem Zeitpunkt zu, zu dem spiegelbildlich der Masseverwalter das Arbeitsverhältnis hätte auflösen können. Nur bei Austritt gemäß § 26 AngG sei Kündigungsentschädigung bis zum Kündigungstermin zu gewähren, weil der Masseverwalter zu diesem Zeitpunkt nicht zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 25 Abs 1 KO berechtigt gewesen sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der klagenden Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache und dem Antrag, auch den weiteren Betrag von S 3.916,19 als Konkursforderung festzustellen.

Die beklagte Partei stellt den Antrag, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die auf dem Schadenersatzprinzip beruhende Kündigungsentschädigung ist in ihrer Höhe und in ihrer Dauer von dem Zeitraum abhängig, der bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Ablauf der Vertragszeit oder durch ordnungsgemäße Kündigung hätte verstreichen müssen. Im Falle eines besonderen Kündigungsschutzes ist sie bis zum Endzeitpunkt desselben zu berechnen (WBl 1993, 90; infas 1993/5, 20; DRdA 1994, 169). Bei vorzeitigem Austritt während der Schwangerschaft oder Schutzfrist gebührt die Kündigungsentschädigung für den Zeitraum von vier Monaten nach der Entbindung zuzüglich der individuellen Kündigungsfrist (Knöfler MSchG11, 192 mwN; WBl 1993, 90). Da der Masseverwalter zwar unter Einhaltung der gesetzlichen, kollektivvertraglichen oder zulässig vereinbarten kürzeren Kündigungsfrist, jedoch ohne Bindung an einen bestimmten Kündigungstermin das Arbeitsverhältnis "ordnungsgemäß" aufkündigen kann (Liebeg, Die Änderung der Rechtstellung der Arbeitnehmer im Insolvenzverfahren, WBl 1994, 141 [143], ZAS 1985/26 [Wachter] ua), erfolgte der Zuspruch der Kündigungsentschädigung bis 22.6.1995 zu Recht.

Die Differenz bis zum fiktiven Kündigungstermin 30.6.1995 könnte nur dann zustehen, wenn die Arbeitnehmerin einen Schadenersatzanspruch hätte.

Mangels sachlicher Rechtfertigung einer Regelung, die dem vom Masseverwalter nach § 25 KO gekündigten Arbeitnehmer den allfälligen Schadenersatz durch die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses versagt, hob der Verfassungsgerichtshof § 25 KO alt auf (ÖJZ 1994, 673). Das IRÄG 1994 (BGBl 1994/153) schuf entsprechend dem Vorbild des § 20 d AO die fehlende Schadenersatzregelung, daß dem durch den Masseverwalter begünstigt vorzeitig gekündigten Arbeitnehmer Anspruch auf Ersatz des durch die nach § 25 Abs 1 KO verursachte Verkürzung seiner Ansprüche entstandenen Schadens zusteht (1384 BlgNR 18.GP, 9). Während damit der Schadenersatzanspruch des vom Masseverwalter gekündigten Arbeitnehmers geregelt ist, fehlt eine für das Lösungsrecht des Arbeitnehmers durch Austritt adäquate Regelung.

Holzer/Reissner (DRdA 1994, 461 [472]) vertreten die Meinung, daß durch das begünstigte Lösungsrecht des Masseverwalters sich die Rechtslage gegenüber § 25 KO aF geändert habe, als nun an das begünstigte Lösungsrecht des Masseverwalters selbst Schadenersatzfolgen geknüpft seien. Die Begrenzung der Haftung mit dem Zeitpunkt, zu dem der Arbeitgeber hätte ordnungsgemäß lösen können, entspreche dem schadenersatzrechtlichen Grundsatz der Haftungsbegrenzung durch rechtmäßiges Alternativverhalten. Knüpfe sich allerdings an eine Lösungsmöglichkeit seitens des Arbeitgebers eine aus einer Eingriffshaftung resultierende Schadenersatzpflicht, könne diese Lösungsmöglichkeit den Schadenersatzanspruch des austretenden Arbeitnehmers keinesfalls begrenzen. Die Begrenzung sei nach den allgemeinen Lösungsregeln für das Arbeitsverhältnis ohne Bedachtnahme auf das begünstigte Lösungsrecht des Masseverwalters vorzunehmen.

Grießer (Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Insolvenz sowie Entgeltanspruch und dessen Sicherung nach dem IRÄG 1994 im Lichte der neueren Judikatur, ZAS 1993, 188 [194 f]), Liebeg (Die Änderung der Rechtstellung des Arbeitnehmers im Insolvenzverfahren, WBl 1994, 142 [143]) und Frauenberger (Insolvenz und Arbeitsverhältnis, ecolex 1994, 334 [335 f]) bejahen lediglich den Anspruch auf Kündigungsentschädigung wie bei begünstigter Lösung durch den Masseverwalter im Ausmaß der gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Kündigungsfrist. Für den Zeitraum bis zum (fiktiven) Kündigungstermin gebühre jedoch kein Schadenersatzanspruch nach § 25 Abs 2 KO.

Für die letztere Ansicht spricht primär der Wortlaut des § 25 Abs 2 KO, der nur die Lösung des Masseverwalters als Schadenersatzgrundlage nennt. Aber auch die Regierungsvorlage, wonach nur eine dem § 20 d AO entsprechende Regelung getroffen werden sollte (1384 BlgNR 18.GP, 9), die aber auch keinen Schadenersatzanspruch des austretenden Arbeitnehmers kennt, sowie der Umstand, daß nur die durch begünstigte Kündigung des Masseverwalters verursachte Verkürzung der Arbeitnehmeransprüche Konkursforderungen sein sollten, sind Hinweise für die zutreffende Rechtsmeinung des Berufungsgerichtes. Das Erkenntnis des VfGH weist im Gegensatz zur Meinung der Revisionswerberin nur darauf hin, daß ein Schadenersatz nur für die Zeit der gesetzlichen Kündigungsfrist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist (VFSlg 10.411) und daß der Austritt des Arbeitnehmers, dem nach der Rechtsprechung ein Schadenersatzanspruch auch ohne Verschulden des Arbeitgebers zustehe, bis zum IRÄG 1982 die Folge gehabt hätte, daß dem sich selbst aus der Bindung lösenden Arbeitnehmer eine nur mit dem Ablauf der vereinbarten Vertragsdauer oder dem Wirksamwerden einer ordentlichen Kündigung begrenzter Schadenersatzanspruch als Masseforderung zugestanden wäre. Die Möglichkeit der Kündigung durch den Masseverwalter, die einen Schadenersatzanspruch zurückließe, könne einen durch den Austritt entstehenden Schadenersatzanspruch ebensowenig begrenzen, wie einen Schadenersatzanspruch des nach § 26 AngG austretenden Arbeitnehmers nach § 29 AngG. Daß der Gesetzgeber das Austrittsrecht des Arbeitnehmers im Konkurs des Arbeitgebers mit solchen für die Masse verderblichen Folgen versehen wollte, könne der VfGH nicht annehmen. Diese Rechtsfolgen würden zwar seit der IRÄG nicht mehr eintreten, weil seither Ansprüche aus dem Austritt nach § 25 KO nur mehr Konkursforderungen seien, doch könne ein dem Gesetzgeber des Jahres 1959 nicht zusinnbarer Schadenersatzanspruch doch nicht neuerlich durch eine Gesetzesänderung des § 46 KO entstanden sein.

Das bedeutet, daß aus dem VfGH-Erkenntnis die von der Revisionswerberin gewünschte Rechtsfolge des Schadenersatzes bis zum fiktiven Kündigungstermin nicht abgeleitet werden kann.

Der Oberste Gerichtshof schließt sich sohin den Meinungen Grießer, Liebeg und Frauenberger an. Es besteht auch kein Wertungswiderspruch, wenn nur im Falle einer Eingriffshaftung, nämlich bei gestattetem Eingriff in fremde Rechtsgüter durch begünstigte Kündigung durch den Masseverwalter für die verursachten Nachteile Ersatz zu leisten ist (Koziol/Welser, Grundriß10 I, 441), nicht aber bei einem auf § 25 Abs 1 KO gegründeten Austritt. Der Austritt nach § 25 Abs 1 KO erfolgt ausschließlich im eigenen Interesse des Arbeitnehmers und freiwillig ohne daß er durch einen verschuldensabhängigen Austrittsgrund nach § 26 AngG hiezu veranlaßt worden wäre, weil der Arbeitsvertrag doch nach wie vor zur Gänze erfüllt wird (Frauenberger aaO 335, Grießer aaO 195), während der Arbeitnehmer sich gegen die begünstigte Kündigung des Masseverwalters nicht wehren kann, sodaß bis auf den nicht nachteiligen Umstand, daß der Arbeitgeber im Konkurs ist, der Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis nicht beeinträchtigt ist. Dazu kommt, daß dem Arbeitnehmer eine gegenüber § 26 AngG erleichterte, lediglich auf die Konkurseröffnung gestützte Auflösungsmöglichkeit eingeräumt wird. Da der Arbeitnehmer im Hinblick auf die Konkurseröffnung vorzeitig ausscheiden will, ohne vorläufig Nachteile aus dem Arbeitsverhältnis zu erwarten, ist ihm zu unterstellen, daß er sich damit zufrieden gibt, die, wenn auch gemäß § 25 Abs 1 KO geringeren Ansprüche, fordern zu können. Die Notwendigkeit an den Austritt dieselben Rechtsfolgen zu knüpfen wie an die Kündigung durch den Masseverwalter besteht infolge der sachlichen Differenzierung nicht.

Der Revision war daher keine Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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