European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:009OBA00035.19S.0723.000
Spruch:
Der außerordentlichen Revision der klagenden Partei wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Ersturteil zu lauten hat:
„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen 1.021,75 EUR samt 8,5 % Zinsen aus 545,27 EUR vom 16. 3. 2018 bis 19. 7. 2018 und 8,58 % Zinsen aus 21,75 EUR seit 16. 3. 2018 sowie 8,58 % Zinsen aus 1.000 EUR seit 24. 3. 2018 zu bezahlen und der Kammer für Arbeiter und Angestellte Steiermark 785 EUR an Aufwandersatz zu ersetzen.“
Die beklagte Partei ist weiters schuldig, binnen 14 Tagen der Kammer für Arbeiter und Angestellte Steiermark 495 EUR an Aufwandersatz für das Berufungsverfahren und der klagenden Partei die mit 335,64 EUR (darin 55,94 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war bei der Beklagten ab 10. 4. 2017 als Arbeiter beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis gelangte der Kollektivvertrag für Arbeiter in der Bauindustrie und im Baugewerbe zur Anwendung.
Am 10. 4. 2017 schlossen die Streitteile eine Vereinbarung über die Rückerstattung von Ausbildungskosten, mit der dem Kläger eine Ausbildung zum Zweiwegefahrzeug-Bediener im Zeitraum 10. bis 26. 4. 2017 ermöglicht wurde. Die Ausbildung erfolgte im Ausbildungszentrum G***** GmbH in Graz. In der Vereinbarung wurden die mit der Bildungsmaßnahme verbundenen Kosten in Höhe von 2.893 EUR festgehalten. In Punkt 2. wurde festgehalten:
„2.) Der Arbeitnehmer ist zur Rückzahlung der vom Arbeitgeber übernommenen Kosten verpflichtet, falls das Arbeitsverhältnis vor Ablauf einer Frist von zwei Jahren nach Beendigung der Ausbildung durch Kündigung des Arbeitnehmers, durch verschuldete Entlassung, durch unberechtigten Austritt oder durch eine vom Arbeitnehmer verschuldete Kündigung des Arbeitgebers endet.
Wird das Arbeitsverhältnis bis zu jenem Monat beendet, in dem die Bildungsmaßnahme abgeschlossen ist, sind die vom Arbeitgeber aufgewendeten Kosten zur Gänze zurückzuzahlen. Nach Ende der Bildungsmaßnahme verringert sich der Rückzahlungsbetrag pro vollendetem Monat um je 1/24, sodass sämtliche Rückzahlungsansprüche nach zwei Jahren vollständig erloschen sind.“
Tatsächlich sind für die Ausbildung des Klägers zum Zweiwegefahrzeug-Bediener nur 1.886,35 EUR von der Beklagten aufgewendet worden.
Der Kläger arbeitete beim „Verspannen“ von Schienen; dabei handelt es sich um eine Tätigkeit, die von der Außentemperatur abhängig ist. Wenn es zu kalt ist, kann diese nicht ausgeführt werden. Der Vizepolier, der im maßgeblichen Zeitraum November/Dezember 2017 Vorgesetzter des Klägers war, kündigte dem Kläger an, dass er über den Winter „stempeln gehen“ solle, weil zu wenig oder keine Arbeit vorhanden sei. Im Februar oder März 2018 werde die Arbeit wieder beginnen. Der Kläger war mit dieser Vorgangsweise einverstanden. Er hatte auch ein Gespräch mit dem Bauleiter der Beklagten. Auch dieser bot dem Kläger an, dass er nach der Kälteperiode wieder aufgenommen werde. Für den Kläger war es klar, dass er wieder kommen werde; er war damit auch einverstanden, es gab diesbezüglich Handschlagqualität. Dem Kläger kam diese Vorgangsweise durchaus entgegen, weil er sich zwischenzeitlich um den elterlichen Betrieb kümmern und Holzarbeiten durchführen konnte. Die vereinbarte „Unterbrechung“ des Arbeitsverhältnisses zum 15. 12. 2017 erfolgte auf der Grundlage des Schreibens vom 6. 12. 2017:
„Saisonbedingte Abmeldung
Sehr geehrter Herr [Kläger],
wir teilen Ihnen mit, dass der 15. 12. 2017 Ihr letzter Beschäftigungs- bzw Urlaubstag ist. Wir ersuchen Sie, sich am darauffolgenden Werktag bei Ihrem zuständigen Arbeitsamt zum Stempeln anzumelden. ...“
Durch den Hinweis „saisonbedingte Abmeldung“ weiß der Mitarbeiter des AMS im Normalfall, dass der Versicherte im Frühjahr wieder Arbeit bei der Beklagten bekommen wird, was in neun von zehn Fällen ausreichend ist. Das AMS verlangte vom Kläger jedoch eine schriftliche Wiedereinstellungszusage, welche dieser nicht vorlegen konnte. Der Kläger bemühte sich, eine solche vom Bauleiter mit Mail vom 21. 12. 2017 zu erhalten. Dieser nahm dieses Mail jedoch nicht wahr, weshalb eine schriftliche Wiedereinstellungszusage nicht ausgestellt wurde. Der 21. 12. 2017 war dessen letzter Arbeitstag vor dem Weihnachtsurlaub.
Ursprünglich war geplant, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Streitteilen zwischen 15. und 22. 1. 2018 wieder beginnen sollte, jedoch mit einem Einsatzort in Deutschland. Dazu kam es nicht, weil der Kläger dort nicht eingesetzt werden wollte.
Rund sieben bis zehn Tage vor dem Aschermittwoch erhielt der Kläger von der Beklagten ein Mail mit dem wesentlichen Inhalt, dass er ab 12. 2. 2018 bei der Beklagten wieder zu arbeiten beginnen kann. Das Arbeitsverhältnis wurde tatsächlich am 12. 2. 2018 wieder aufgenommen. Ein Dienstzettel wurde dem Kläger anlässlich der Wiederaufnahme nicht ausgefolgt.
Im Betrieb der Beklagten wurde eine Konzernbetriebsvereinbarung abgeschlossen. Der Kläger wusste nicht, dass diese auf sein Arbeitsverhältnis anzuwenden ist.
Der Kläger kündigte sein Arbeitsverhältnis zum 23. 3. 2018.
Die Beklagte behielt anlässlich der Endabrechnung aufgrund der Ausbildungskostenrückersatz-vereinbarung einen Betrag von letztlich 1.021,75 EUR (nach einer Nachzahlung während des laufenden Verfahrens) ein.
Der Kläger begehrt die Auszahlung dieses – der Höhe nach nicht mehr strittigen – Betrags im Wesentlichen mit der Begründung, der Abzug sei aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Arbeitgeberkündigung iSd § 2d Abs 4 Z 5 AVRAG rechtswidrig. Selbst im Fall einer Wiedereinstellungszusage durch den Arbeitgeber wäre eine Anrechnung des Rückersatzes im nächsten Arbeitsverhältnis sittenwidrig, weil hierdurch das unternehmerische Risiko von saisonbedingten Auftragsschwankungen auf den Arbeitnehmer überwälzt werde. Er habe kein eigenes Interesse an einer Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses gehabt. Die bloße Aufnahme eines neuerlichen Arbeitsverhältnisses könne nicht zum Wiederaufleben der durch die Arbeitgeberkündigung vernichteten Verpflichtung zum Ausbildungskostenerückersatz führen. Dies ergebe sich auch aus § 9 Abs 5 und 6 AlVG, wonach einem Arbeitnehmer selbst aus einer Wiedereinstellungsvereinbarung bei Nichtantritt kein Schaden entstehen dürfe. Die kollektivvertragliche bzw konzernbetriebsvereinbarungsrechtliche Anrechnung von Vordienstzeiten habe mit dem Ausbildungskostenersatz nichts zu tun.
Die Beklagte bestritt und beantragte Klagsabweisung. Zusammengefasst berief sie sich auf die wirksame schriftliche Vereinbarung über die Rückerstattung der Ausbildungskosten. Beiden Parteien sei klar gewesen, dass das Arbeitsverhältnis, wie in der Baubranche üblich, nur unterbrochen und nach Ende der Kälteperiode wieder fortgesetzt werden sollte. Zwischen ihnen habe zweifellos eine Wiedereinstellungsvereinbarung bestanden. Der Kläger habe das Arbeitsverhältnis gemäß der Wiedereinstellungsvereinbarung wieder aufgenommen. Die bloß saisonbedingte Abmeldung des Klägers zum 15. 12. 2017 unter gleichzeitiger Übereinkunft seiner Weiterführung nach Ende der Kälteperiode könne nicht dazu führen, dass die Beklagte ihr Recht auf Geltendmachung des Ausbildungskostenrückersatzes verliere. § 2d Abs 4 AVRAG ziele nicht auf Unterbrechungen mit zugesagter Wiedereinstellung ab. Die Beklagte habe die Ausbildungsmaßnahme lediglich im Vertrauen darauf finanziert, dass der Kläger nach Ablauf der Kälteperiode wieder in das Arbeitsverhältnis eintrete und die auf ihre Kosten erlangten Fähigkeiten zumindest für einen Zeitraum von zwei Jahren auch zum Vorteil der Beklagten einsetze. Dafür spreche auch, dass der Kollektivvertrag die Dauer aller Arbeitsverhältnisse eines Arbeitnehmers beim selben Arbeitgeber, sofern jede Unterbrechung nicht länger als 120 Tage dauere, für die Kündigungsfrist zusammenrechne und Pkt 3.1.1. der Konzernbetriebsvereinbarung saisonale und konjunkturelle Unterbrechungszeiten für dienstzeitabhängige Leistungen anrechne.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die saisonbedingte Abmeldung des Klägers im Zeitraum 15. 12. 2017 bis 12. 2. 2018 verbunden mit der Vereinbarung der Wiedereinstellung sei eine bloß saisonale Unterbrechung gewesen, die für dienstzeitabhängige Leistungen angerechnet werde. Die klaren Rechtsfolgen des Kollektivvertrags und der Konzernbetriebsvereinbarung würden analog dazu führen, dass das Arbeitsverhältnis bis zu seiner Kündigung als ununterbrochenes Arbeitsverhältnis anzusehen sei.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers keine Folge. Die konkrete Vereinbarung sei als echte Karenzierungsvereinbarung zu verstehen. Es habe daher ein durchgehendes Arbeitsverhältnis bestanden, das letztlich vom Kläger zur Auflösung gebracht worden sei. Die ordentliche Revision sei nicht zulässig.
In seiner dagegen gerichteten außerordentlichen Revision beantragt der Kläger die Abänderung des Klagebegehrens im Sinn einer Klagsstattgabe; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision ist zulässig , weil die Frage des Ausbildungskostenrückersatzes bei saisonbedingt unterbrochenen Arbeitsverhältnissen von über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung ist; sie ist auch berechtigt .
1. Der Kläger richtet sich gegen die Beurteilung, dass hier eine echte, das Arbeitsverhältnis nicht beendende Karenzierungsvereinbarung vorgelegen sei.
1.1. Nach der Rechtsprechung ist zwischen Aussetzungsvereinbarungen, die ohne Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgehen, einerseits und Wiedereinstellungszusagen und -vereinbarungen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen der damit verbundenen unterschiedlichen Folgen zu unterscheiden (RS0021837 [T10]). Bei einer bloßen Karenzierung wird der Arbeitsvertrag rechtlich nicht beendet; es werden nur die Hauptpflichten, die Arbeitspflicht und die Entgeltpflicht, zum Ruhen gebracht (RS0021837). Eine echte Karenzierung ist daher mit einer Wiedereinstellungszusage oder einer Wiedereinstellungsvereinbarung nicht in Einklang zu bringen, weil jede „Wiedereinstellung“ zwangsläufig eine vorherige Beendigung des Arbeitsverhältnisses voraussetzt (RS0021837 [T11], vgl auch RS0028497).
1.2. Wegen dieser verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten ist auch bei der Auslegung von Aussetzungsverträgen entsprechend den Regeln des § 914 ABGB nicht am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften, sondern die Absicht der Parteien zu erforschen und der Vertrag so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht; hierbei ist nicht so sehr auf die Wortwahl der Parteien, sondern auf die von ihnen bezweckte Regelung der gegenseitigen Rechtsbeziehungen abzustellen (RS0017802). Entscheidend ist, ob aufgrund einer Gesamtsicht die Merkmale, die für das Vorliegen einer Wiedereinstellungsvereinbarung oder Wiedereinstellungszusage sprechen, gegenüber den Merkmalen, die auf das Vorliegen einer (echten) Aussetzungsvereinbarung hindeuten, überwiegen (RS0017802 [T12, T26]).
1.3. Selbst wenn die Aussetzungsvereinbarung ausdrücklich darauf gerichtet ist, dass der Arbeitsvertrag gelöst wird, damit zu einem späteren Zeitpunkt ein neuer Arbeitsvertrag abgeschlossen werden soll, kann von einer bloßen Karenzierungsvereinbarung ausgegangen werden, wenn die Parteien den einvernehmlich gelösten Arbeitsvertrag nicht oder nur zum Teil abwickeln und eine volle Anrechnung der Dienstzeiten und Anwartschaften aus diesem Arbeitsvertrag auf den gleichzeitig abgeschlossenen aufschiebend befristeten Arbeitsvertrag vereinbaren (RS0017766). Bei Beschäftigungsverhältnissen, in denen saisonale Unterbrechungen der Arbeitsverhältnisse nach Gesetz und Kollektivvertrag vorgesehen sind und ohnehin nicht zum Verlust der dienstzeitabhängigen Ansprüche führen, fehlt es schon am erkennbaren Zweck der Regelung, der für eine Karenzierungsvereinbarung sprechen könnte (RS0021837 [T1]). Nach jüngerer Rechtsprechung ist insbesondere dann, wenn die Absicht bestand, dem Arbeitnehmer den Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung zu ermöglichen, von einer echten Unterbrechung auszugehen und nicht nur von einer bloßen Karenzierung, wobei auf die objektiv ersichtlichen Umstände abzustellen ist, insbesondere, ob tatsächlich Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bezogen wurden (RS0017802 [T21, T22, T27; s auch T16]; RS0017766 [T4, T5]; RS0021837 [T11]).
1.4. In diesem Sinn überwiegen auch im vorliegenden Fall die Gründe, die für eine echte Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses im Sinn einer Beendigung zum 15. 12. 2017 sprechen. Dem Kläger wurde zwar eine (Wieder-)Beschäftigung zu einem noch nicht näher konkretisierten Zeitpunkt im Februar/März 2018 in Aussicht gestellt, womit er einverstanden war. Das ändert aber nichts daran, dass sein Arbeitsverhältnis zum 15. 12. 2017 tatsächlich beendet werden und er saisonbedingt abgemeldet werden sollte, um ihm zur Überbrückung den Bezug von Arbeitslosengeld – das nur für den Fall der Beendigung oder Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses zusteht – zu ermöglichen. Es ist daher hier von einer echten Unterbrechung im Sinn einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 15. 12. 2017 auszugehen.
2. Zu prüfen ist, ob es sich dabei um eine rückersatzschädliche Beendigung iSd § 2d Abs 4 AVRAG handelte.
2.1. Nach § 2d Abs 4 AVRAG besteht der Anspruch auf Ausbildungskostenrückersatz dann nicht, wenn das Arbeitsverhältnis
1. während der Probezeit iSd § 19 Abs 2 AngG oder gleichlautender sonstiger gesetzlicher Regelungen,
2. durch unbegründete Entlassung,
3. durch begründeten vorzeitigen Austritt,
4. durch Entlassung wegen dauernder Arbeitsunfähigkeit nach § 27 Z 2 AngG oder § 82 lit b GewO 1859 oder
5. durch Kündigung durch den Arbeitgeber, es sei denn, dass der Arbeitnehmer durch schuldhaftes Verhalten dazu begründeten Anlass gegeben hat,
endet.
Der Kläger ist auch in seiner außerordentlichen Revision der Ansicht, dass das Arbeitsverhältnis am 15. 12. 2017 durch Arbeitgeberkündigung iSd Z 5 leg cit beendet wurde, womit die Beklagte kein Recht zur Rückforderung der Ausbildungskosten mehr habe. Dazu war zu erwägen:
2.2. Der Ausbildungskostenrückersatz dient dem Schutz der Investition des Arbeitgebers in die Ausbildung des Mitarbeiters (IA 605/A BlgNR 22. GP 5). Dem Arbeitgeber wird ein schutzwürdiges Interesse daran zugestanden, dass eine auf seine Kosten erworbene Höherqualifikation des Arbeitnehmers ihm – und nicht einem anderen Arbeitgeber – zugute kommen soll. Andererseits darf die Kündigungsfreiheit des Arbeitnehmers, die ihm auch die Mobilität am Arbeitsmarkt sichert, durch die Auferlegung einer zu hohen finanziellen Rückzahlungslast nicht unzulässig eingeschränkt werden (s Binder/Mair in Binder/Burger/Mair , AVRAG § 2d Rz 2). Das Entstehen der Rückzahlungsverpflichtung ist aber an bestimmte Formen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gebunden: Wenn der Gesetzgeber bei den in Abs 4 Z 1 bis 5 genannten Beendigungsarten eine Rückzahlungspflicht des Arbeitnehmers verneint, bewertet er in diesen Fällen das genannte Interesse des Arbeitnehmers an einer Mobilität am Arbeitsmarkt höher als das Investitionsschutzinteresse des Arbeitgebers.
2.3. Nach der Rechtsprechung (8 ObA 57/14m = RS0129742) enthält § 2d Abs 4 AVRAG eine taxative Aufzählung jener Fälle, in denen keine Rückzahlungsverpflichtung hinsichtlich der Ausbildungskosten für den Arbeitnehmer besteht. In jener Entscheidung wurde aber auch ausgeführt, dass der Gesetzgeber auf die in der traditionellen arbeitsrechtlichen Terminologie typischen Begriffe der unbegründeten Entlassung (§ 27 AngG und § 82 GewO 1859) und des begründeten vorzeitigen Austritts (§ 26 AngG und § 82a GewO 1859), nicht aber auf in sondergesetzlichen Bestimmungen vorgesehene Austrittsrechte Bedacht genommen hat. Abs 4 Z 3 leg cit wurde daher aufgrund eines Analogieschlusses um das besondere Austrittsrecht der Arbeitnehmerin wegen Mutterschaft (§ 15r MSchG) erweitert.
2.4. Wie dargelegt, wurde das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 15. 12. 2017 beendet. Dass es sich dabei um eine – rückersatzwahrende – einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses gehandelt hätte, wurde von der Beklagten nicht behauptet und lässt sich dem Sachverhalt auch nicht entnehmen: Die Feststellung, dass der Kläger mit der Vorgangsweise einverstanden war, bezog sich auf die Ankündigung, dass er über den Winter „stempeln gehen“ sollte, weil zu wenig oder keine Arbeit vorhanden war und dass er nach der Kälteperiode wieder aufgenommen werden sollte, nicht aber darauf, dass auch er das Arbeitsverhältnis beenden wollte. Die Vorgangsweise der Beklagten im Zusammenhalt mit der saisonbedingten Abmeldung des Klägers lässt sich daher nur dahin beurteilen, dass eine arbeitgeberseitige Kündigung erfolgte, ohne dass der Arbeitnehmer durch schuldhaftes Verhalten dazu begründeten Anlass gegeben hatte (§ 2d Abs 4 Z 5 AVRAG).
2.5. Das wirft die Frage nach der Bedeutung des Umstands auf, dass beide Streitteile davon ausgingen, dass die Arbeit im Februar oder März 2018 wieder beginnen sollte. Eine schriftliche Wiedereinstellungszusage wurde dem Kläger weder im Schreiben vom 6. 12. 2017 noch über dessen Nachfrage zu einem späteren Zeitpunkt erteilt. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass sich der Kläger schon im Dezember 2017 – über sein grundsätzliches Interesse an der Wiedereinstellung hinaus – zu einer Weiterführung des Arbeitsverhältnisses im Februar/März 2018 verpflichten hätte wollen. In der Regel tritt nämlich selbst dann, wenn ein Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Wiedereinstellungszusage gibt, dadurch noch keine Bindung des Arbeitnehmers ein. Es bleibt vielmehr seiner privatautonomen Entscheidung vorbehalten, nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber dessen Anbot auf Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses anzunehmen oder nicht (8 ObA 27/12x mwN). Die Wiedereinstellungszusage aus Anlass einer echten Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses führt nach der Rechtsprechung zu einer Option des Arbeitnehmers zur Begründung eines neuen Arbeitsvertrags, und zwar grundsätzlich zu den vorherigen Bedingungen (8 ObA 27/12x). Dieser entsteht in der Folge aber erst dann, wenn der Arbeitnehmer die Option ausübt und sich neuerlich zur Arbeit für den Arbeitgeber verpflichtet.
2.6. Für den Rückersatz von Ausbildungskosten bedeutet das, dass der Arbeitgeber, der ein Arbeitsverhältnis während der Bindungsdauer – wenngleich intentional nur saisonbedingt – kündigt, selbst bei einer Wiedereinstellungszusage im Kündigungszeitpunkt nicht damit rechnen kann, dass die in die Ausbildung des Arbeitnehmers investierten Kosten durch Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses amortisiert werden können. Damit geht auch der skizzierte Schutzzweck des § 2d AVRAG für den Arbeitgeber verloren. In der Folge wäre es aber ein Wertungswiderspruch, wenn ein Arbeitnehmer, der das Arbeitsverhältnis nicht wiederaufnehmen will, dann nicht mehr weiter mit dem Ersatz der Ausbildungskosten belastet werden könnte, ein fortsetzungswilliger Arbeitnehmer dagegen schon („bestraft“). Auch eine solche Kündigung des Arbeitgebers führt daher dazu, dass das Arbeitsverhältnis zunächst beendet ist und der Anspruch auf Ausbildungskostenrückersatz erlischt.
Ist aber die Rückerstattungspflicht durch Arbeitgeberkündigung erloschen, lebt sie auch nicht wieder dadurch auf, dass der Arbeitnehmer in der Folge die bloße Option zur Begründung eines weiteren Arbeitsverhältnisses ausübt.
3. Zusammenfassend liegt auch dann iSd § 2d Abs 4 Z 5 AVRAG eine rückersatzschädliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses vor, wenn es vom Arbeitgeber mit einer saisonbedingten Wiedereinstellungszusage gekündigt wird. Da die Beklagte den streitgegenständlichen Lohnabzug für den Ersatz der Ausbildungskosten danach zu Unrecht vornahm, besteht der – der Höhe nach nicht mehr strittige – Klagsanspruch zu Recht.
Der außerordentlichen Revision des Klägers ist daher Folge zu geben und dem Klagebegehren stattzugeben.
Die Entscheidung über die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens und des Berufungsverfahrens beruht auf § 58a ASGG (
pauschalierter Aufwandersatz) iVm §§ 41, 50 ZPO. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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