European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:009OBA00031.19B.0515.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Die Klägerin war vom 11. 1. 1977 bis 12. 7. 1995 bei der Beklagten als Flugbegleiterin beschäftigt. Seit 1. 6. 2016 bezieht sie eine gesetzliche Alterspension von 1.686,71 EUR brutto. Das Dienstverhältnis der Klägerin unterlag zum Zeitpunkt ihrer Kündigung dem (Zusatz-)Kollektivvertrag vom 19. 12. 1994, mit dem der Kollektivvertrag für das Bordpersonal der A***** AG vom 23. 7. 1987 idF 1. 5. 1992 mit Wirkung zum 1. 1. 1995 abgeändert worden war („KV Bord“). Hinsichtlich der Pensionsregelung für ehemalige Flugbegleiter fand eine Überleitung der aus der Betriebsvereinbarung vom 1. 5. 1979 idF vom 14. 5. 1990 resultierenden Ansprüche und Obliegenheiten in den kollektivvertraglichen Rang statt. § 15a KV Bord sah als Begünstigte für eine Pensionszuschussleistung zur ASVG-Pension vor:
2. Begünstigte
In den Genuss einer Pensionszuschußleistung kommen alle jene Mitglieder des Kabinenpersonals, die nach Beendigung eines mindestens 15-jährigen ununterbrochenen, nach den Bestimmungen dieses Kollektivvertrages abgeschlossenen Dienstverhältnisses in den dauernden Ruhestand treten und eine Pensionsleistung nach dem ASVG erhalten.
Die Vorinstanzen bejahten unter Bezugnahme auf die Entscheidungen 9 ObA 132/09s und 9 ObA 143/09h zur im Wesentlichen wortgleichen Regelung der „Betriebsvereinbarung vom 1. 5. 1979 (bzw 22. 4. 1980) über die Gewährung eines Pensionszuschusses für die Mitglieder des Kabinenpersonals der A*****“ den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf eine Betriebspension nach dem Kollektivvertrag. Die Bestimmung setze keinen unmittelbaren Übertritt vom aufrechten Dienstverhältnis bei der Beklagten in den Ruhestand voraus.
Rechtliche Beurteilung
In ihrer dagegen gerichteten außerordentlichen Revision zeigt die Beklagte keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf.
1. Bei der Auslegung eines Kollektivvertrags ist maßgeblich, welchen Willen des Normgebers der Leser dem Text entnehmen kann (RS0010088). Es kommt also nicht auf das interne Verständnis der Kollektivvertragsparteien, sondern auf dasjenige an, das der objektive Leser eines Kollektivvertrags aus dem Wortlaut gewinnen muss (RS0008828 [T37]). In erster Linie ist bei der Auslegung eines Kollektivvertrags der Wortsinn – auch im Zusammenhang mit den übrigen Regelungen – zu erforschen und die sich aus dem Text des Kollektivvertrags ergebende Absicht der Kollektivvertragsparteien zu berücksichtigen (RS0010089).
Die von der Beklagten vertretene Einschränkung, dass die Zuschussleistung einen unmittelbaren Wechsel vom Aktiv- in den Ruhestand voraussetze, lässt sich dem Wortlaut des Kollektivvertrags nicht entnehmen. Dass die Kollektivvertragsparteien die vorliegende – und nicht die von der Beklagten angedachte – Formulierung verwendeten, spricht noch nicht für ihre Rechtsansicht. Das Wort „Beendigung“ in § 15a Punkt 2. lässt nur auf die Notwendigkeit einer Beendigung des Dienstverhältnisses schließen, nicht aber auf eine notwendige Beendigung dieses Dienstverhältnisses unmittelbar vor Pensionsantritt.
2. Die Bestimmung entspricht überdies fast wortwörtlich der Zuschussregelung der genannten Betriebsvereinbarung der Beklagten, zu der bereits in den von den Vorinstanzen zitierten Entscheidungen (9 ObA 132/09s, 9 ObA 143/09h) dargelegt wurde, warum die 15-jährige ununterbrochene Dienstzeit als Flugbegleiter nicht unmittelbar in die Alterspension übergehen muss (s auch RS0126335). Da sowohl der (frühere) KV-Bord als auch die (frühere) Betriebsvereinbarung von der Regel ausgingen, dass FlugbegleiterInnen in dem Kalenderjahr ausschieden, in dem sie das 36. bzw das 39. Lebensjahr vollendet hatten, konnte den Parteien der Pensionszuschuss-Betriebsvereinbarung nicht zugemessen werden, dass sie dennoch davon ausgingen, dass Flugbegleiterinnen bis zur Erreichung des Pensionsalters bei der Beklagten tätig sein würden, um in den Genuss des Pensionszuschusses zu kommen.
Diese Erwägungen treffen aber auch dann zu, wenn diese Regel zum Ausscheiden von FlugbegleiterInnen 1994 schon längere Zeit nicht mehr vollzogen wurde, es damals aber nach dem festgestellten Sachverhalt üblich war, dass die weit überwiegend weiblichen Flugbegleiter mit 40 oder 45 Jahren das Unternehmen verließen. Denn auch dann mussten die Kollektivvertragsparteien des KV Bord eine Beendigung der Dienstverhältnisse von FlugbegleiterInnen weit vor Erreichen des gesetzlichen Pensionsantrittsalters vor Augen haben.
3. Die Beklagte meint, dass dabei das Zusatzprotokoll zum Kollektivvertrag vom Mai 1994 nicht ausreichend berücksichtigt werde, das eigene Regelungen bezüglich der Abfertigung für Flugbegleiter, die zwischen dem 52. und dem 55. Lebensjahr das Dienstverhältnis beendeten, beinhalteten. Der Beklagten wird die Beschäftigung auch solcher ArbeitnehmerInnen nicht in Abrede gestellt. Bereits in den genannten Entscheidungen wurde aber festgehalten, dass die Bezahlung einer erhöhten Abfertigung im Fall der Beendigung nach § 13 Abs 5 des KV Bord die Absicht der Kollektivvertragsparteien zur zusätzlichen Pensionszuschussgewährung nicht widerlegt und sich weder aus dem Wortlaut noch aus der Genese der Bestimmungen ergibt, dass der erhöhten Abfertigung Surrogatsfunktion für den Verlust des Pensionszuschusses zukommen soll. Schließlich findet auch das Erfordernis der Betriebstreue schon in der Anknüpfung einer Zusatzpensionsleistung an die Vollendung von 15 und mehr Dienstjahren – sohin an ein alleine von der Dauer des Dienstverhältnisses abhängiges Kriterium – Ausdruck (idS auch 9 ObA 77/16p [Pensionskassen-BV der Beklagten]).
4. Da danach die Auslegung der streitgegenständlichen Bestimmung nach Maßgabe bisheriger Rechtsprechung erfolgen kann, liegt keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO vor. Die außerordentliche Revision der Beklagten ist daher zurückzuweisen.
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