OGH 9ObA26/14k

OGH9ObA26/14k29.4.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras und Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Claudia Gründel und Dr. Klaus Mayr als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei H***** Ö*****, vertreten durch Freimüller/ Obereder/Pilz & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Thomas Jappel, Rechtsanwalt in Wien, wegen 1.625,10 EUR brutto abzüglich 523,80 EUR netto sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse: 964,32 EUR brutto abzüglich 559,80 EUR netto) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18. Dezember 2013, GZ 10 Ra 92/13t‑46, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Der Auslegung einer Kollektiv-vertragsbestimmung kommt ua dann keine erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zu, wenn die Auslegung der fraglichen Bestimmung klar und eindeutig ist (RIS‑Justiz RS0109942 [T1,T6]; 8 ObA 79/13w). Dies ist hier der Fall:

Art XIII des hier zur Anwendung kommenden Kollektivvertrags für das Güterbeförderungsgewerbe (Arbeiter) lautet seit 2009 ‑ im Folgenden kurz: KollV nF ‑ wie folgt:

Artikel XIII ‑ Urlaubszuschuss und Weihnachtsremuneration

1. Dienstnehmer, die am 1. Juni ein Jahr im Betrieb beschäftigt sind, erhalten einen Urlaubszuschuss, der am 1. Juni fällig ist. Dieser beträgt 4,33 KV‑Normalwochenlöhne, erhöht um 15 %. Der Urlaubszuschuss gebührt abweichend vom Kalenderjahr jeweils für den Zeitraum vom letzten Fälligkeitstag bis zum 1. Juni.

2. Dienstnehmer, die am 1. Dezember ein Jahr im Betrieb beschäftigt sind, erhalten eine Weihnachtsremuneration, die am 1. Dezember fällig ist. Diese beträgt 4,33 KV‑Normalwochenlöhne, erhöht um 15 %. Die Weihnachtsremuneration gebührt abweichend vom Kalenderjahr jeweils für den Zeitraum vom letzten Fälligkeitstag bis zum 1. Dezember.

3. Dienstnehmer, die am 1. Juni oder am 1. Dezember noch nicht ein Jahr im Betrieb beschäftigt sind, erhalten den aliquoten Teil des Urlaubszuschusses und der Weihnachtsremuneration, berechnet vom Eintritt bis zum jeweiligen Stichtag.

4. Bei Ausscheiden des Dienstnehmers gebührt der aliquote Teil des Urlaubszuschusses und der Weihnachtsremuneration, berechnet vom Eintritt bis zum Austritt (wenn zwischen Eintritt und Austritt noch kein Urlaubszuschuss bzw. keine Weihnachtsremuneration fällig war) bzw. vom letzten Fälligkeitstag bis zum Austritt. Der aliquote Teil von Urlaubszuschuss und Weihnachtsremuneration gebührt bei Ausscheiden des Dienstnehmers nur dann, wenn das Arbeitsverhältnis zwei Monate gedauert hat.

5. Der Anspruch auf den aliquoten Teil entfällt, wenn das Arbeitsverhältnis durch unberechtigten vorzeitigen Austritt des Dienstnehmers oder durch Entlassung endet.

6. Ist ein Dienstnehmer durch Krankheit (Unglücksfall) an der Arbeitsleistung verhindert, ohne dass er die Verhinderung vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat, sind entgeltfreie Zeiten der Arbeitsverhinderung bei der Berechnung von Urlaubszuschuss und Weihnachtsremuneration voll zu berücksichtigen (keine Aliquotierung).

Im Vergleich zu früheren Fassungen dieser Kollektivvertragsbestimmung (Art XIII Abs 3 KollV idF 2006 bis 2008 und Art XII Abs 3 KollV idF 2005 und davor ‑ kurz KollV aF), die sich nur auf das jeweilige Kalenderjahr bezogen haben (8 ObA 75/07y; 9 ObA 97/08t ua), haben die Kollektivvertragsparteien die Berechnung der Sonderzahlungsansprüche ab dem Jahr 2009 ausdrücklich dahin umgestellt, dass gemäß Art XIII Abs 1 und Abs 2 jeweils letzter Satz KollV nF abweichend vom Kalenderjahr auf die jeweiligen Fälligkeitstage abzustellen ist. Diese Stichtagsregelung hat zur Folge, dass die Sonderzahlungen grundsätzlich erst im Nachhinein für die vom Arbeitnehmer bereits geleisteten Dienstzeiten entwederaliquot (wenn der Arbeitnehmer nach Beginn des Arbeitsverhältnisses zum Stichtag 1. Juni oder 1. Dezember noch kein ganzes Arbeitsjahr vollendet hat oder wenn er vor Erreichen des Stichtags das Arbeitsverhältnis beendet) oder zur Gänze gebühren. Der KollV aF sah vor, dass der aliquote Teil der Sonderzahlungen erlischt, wenn der Arbeitnehmer unberechtigt vorzeitig austritt oder berechtigt entlassen wird. Der KollV nF spricht in Art XIII Abs 5 in diesen Fällen davon, dass der aliquote Teil der Sonderzahlungen entfällt. Mit diesen Regelungen im KollV nF erübrigt sich auch jede Rückverrechnungsbestimmung, weil etwa im Falle einer berechtigten Entlassung der aliquote Sonderzahlungsanteil vom Arbeitgeber einfach nicht bezahlt werden muss.

Der Kläger war bei der Beklagten vom 30. 6. 2010 bis zu seiner berechtigten Entlassung am 16. 11. 2011 als Kraftfahrer beschäftigt. Die Parteien sind sich darüber einig, dass dem Kläger der aliquote Urlaubszuschuss für die Zeit vom 2. 6. 2011 bis 16. 11. 2011 nicht gebührt. Soweit die Beklagte nach wie vor die Rechtsansicht vertritt, aufgrund der berechtigten Entlassung stehe dem Kläger der gesamte (aliquote) Urlaubszuschuss für die Zeit vom 1. 1. 2011 bis 16. 11. 2011 nicht zu, weil nach Art XIII Abs 5 KollV nF der „Anspruch auf den aliquoten Teil“ entfalle, übersieht sie, dass mit dem „aliquoten Teil“ im Sinne dieser Bestimmung nur jener für das neu ab Juni 2011 (dem letzten Fälligkeitstag) zu laufen begonnene Stichtagsjahr gemeint ist. Mit ihrem Rechtsstandpunkt stellt sie aber nach wie vor ‑ zu Unrecht ‑ darauf ab, dass der am 1. 6. 2011 fällige Urlaubszuschuss für das Kalenderjahr 2011 gebührt.

2. Aber auchmit der allgemeinen Frage, ob in die Bemessung der Urlaubsersatzleistung nach § 10 UrlG die Sonderzahlungen trotz deren Entfall wegen berechtigter Entlassung einzubeziehen sind, zeigt die Beklagte im konkreten Fall keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf. Auf die Entscheidung dieser Rechtsfrage kommt es nämlich nach dem Vorbringen der Beklagten nicht an:

Die Beklagte hat den Sonderzahlungsanteil in der Endabrechnung November 2011 abgerechnet und mit eigenen Ansprüchen außergerichtlich aufgerechnet. Im Prozess hat die Beklagte diesen Betrag überdies aus dem Rechtsgrund der irrtümlichen Zahlung einer Nichtschuld (§ 1431 ABGB) als Gegenforderung eingewendet (ON 5). Die außergerichtliche Aufrechnung wird unbedingt und ohne Rücksicht auf den Bestand der Hauptforderung erklärt, setzt also die Anerkennung der Hauptforderung voraus und stellt ihr nur die Gegenbehauptung entgegen, dass sie wegen Schuldtilgung nicht mehr bestehe (RIS‑Justiz RS0033970). Dieses Anerkenntnis hat die Beklagte nie angefochten; davon ist daher auszugehen. Auf die eingewendete Gegenforderung kommt sie in ihrem außerordentlichen Rechtsmittel nicht mehr zurück.

Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Beklagten zurückzuweisen.

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