European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:009OBA00139.17G.0130.000
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidung des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts einschließlich der Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.941,92 EUR (darin 490,32 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit 2.606,22 EUR (darin 195,87 EUR USt und 1.431 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war für die Beklagte aufgrund des mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten abgeschlossenen Konsulentenvertrags (kurz: KonsV) ab 1. 2. 2011 tätig. Am 29. 4. 2015 kündigte die Beklagte den Vertrag zum 30. 4. 2015 auf. Im Revisionsverfahren ist nicht mehr strittig, dass es sich bei diesem Vertragsverhältnis um keinen Werkvertrag, sondern um ein (freies) Dienstverhältnis gehandelt hat, sodass die Kündigung der Beklagten frühestens zum 31. 5. 2015 erfolgen hätte können.
Die hier interessierenden Vertragsbestimmungen lauten wie folgt:
„Artikel 3 Honorar
(1) Das dem Konsulenten zu bezahlende Honorar wird nach Zeitaufwand berechnet. Grundlage dafür ist ein Tagsatz von Euro 525,00 zuzüglich 20 % Umsatzsteuer.
…
(6) Das pro Jahr für diesen Konsulentenvertrag zur Verfügung stehende maximale Nettobudget beträgt Euro 81.600,00. Darin nicht enthalten sind etwaige Auslagenersätze gemäß (5). Insoweit sich die Laufzeit der Vorhaben gemäß (3) der Präambel über den 31. 12. 2011 hinaus erstreckt, erfolgt eine wertmäßige Anpassung dieses Nettobudgets. Unterlassen es die Vertragsparteien diese Anpassung gesondert zu vereinbaren, erfolgt diese automatisch im Ausmaß der Jahresinflation gemäß VPI 05.
(7) Als Abgeltung für die Bereitstellung seiner zeitlichen Kapazitäten steht dem Konsulenten eine Mindestvergütung von Euro 40.800,00 pro Jahr zu. Diese unterliegt den Wertanpassungen gemäß (6). Das verrechnete Honorar gemäß (1) iVm (3) ist auf die jährliche Mindestvergütung anzurechnen.
Artikel 5 Beendigung
(1) Dieser Vertrag gilt für die Dauer der Laufzeit der Vorhaben gemäß (3) der Präambel.
(2) Beide Vertragsparteien sind grundsätzlich jederzeit berechtigt, diesen Vertrag ohne Angabe von Gründen zu kündigen. Eine Kündigung hat schriftlich zu erfolgen.
(3) Eine Kündigung durch die Auftraggeberin berührt die für auf das Jahr der Kündigung entfallende Mindestvergütung gemäß Art. 3 (7) nicht.
(4) Insoweit keine außerordentlichen Kündigungsgründe (Verstoß gegen Verschwiegenheitspflicht, grobe Untreue, Untätigkeit und qualifizierte Verstöße gegen die Verpflichtung gemäß Art. 1 (1) iVm (2)) vorliegen, gebührt dem Konsulenten im Falle der Kündigung durch die Auftraggeberin eine Entschädigung im Ausmaß des zeitaliquoten jährlichen Maximalnettobudgets gemäß Art. 3 (6) dieses Vertrages. Diese zeitliche Aliquotierung berechnet sich vom Beginn des jeweiligen Kalenderjahres der Kündigung bis zum Datum der Kündigung. Auf diese Entschädigung sind die Ansprüche gemäß (3) und verrechnete Leistungshonorare gemäß Artikel 3 (1) iVm (3) des Jahres der Kündigung anzurechnen.“
Die im Konsulentenvertrag genannten Nettobeträge von 81.600 EUR und 40.800 EUR errechnen sich indexiert mit 86.659,20 EUR bzw 43.492,80 EUR.
Nach Klagseinbringung, und zwar am 27. 10. 2015, leistete die Beklagte auf den vom Kläger damals noch als Kündigungsentschädigung gemäß Art 5 Abs 4 KonsV begehrten Klagsbetrag von 10.854,24 EUR sA eine Teilzahlung von 9.808,55 EUR, davon gewidmet 9.643,68 EUR (brutto) auf das Kapital und 164,87 EUR auf Zinsen.
Der Kläger begehrte von der Beklagten im ersten Rechtsgang zunächst den Betrag von 10.854,24 EUR an Kündigungsentschädigung gemäß Art 5 Abs 4 KonsV, nach Änderung seines Begehrens (weil die richtige Berechnung der Kündigungsentschädigung Null ergebe) den Betrag von 18.442,81 EUR an Mindestvergütung gemäß Art 3 Abs 7 KonsV.
Die Beklagte bestritt das Klagebegehren und beantragte Klagsabweisung. Die Teilzahlung errechne sich wie folgt:
aliquotes (4 Monate) jährl. Maximalnettobudget 28.886,40
abzüglich Differenz zwischen Mindestvergütung
und Honorar 2015 (40.800 - 19.950 netto) - 20.850,00
Summe 8.036,40
zuzüglich 20 % USt + 1.607,28
Summe 9.643,68
zuzüglich Zinsen vom 3. 8. bis 20. 10. 2015 + 164,87
Gesamtsumme 9.808,55
Darüber hinaus habe der Kläger aus dem Konsulentenvertrag keine Ansprüche mehr.
Das Erstgericht gab im ersten Rechtsgang dem Klagebegehren mit 915,13 EUR samt 8 % Zinsen aus 10.723,68 EUR vom 20. 7. 2015 bis 27. 10. 2015 sowie aus 915,13 EUR seit 28. 10. 2015 statt. Dem Kläger stehe eine Kündigungsentschädigung gemäß Art 5 Abs 4 KonsV von 10.723,68 EUR zu, wovon der Teilzahlungsbetrag von 9.808,55 EUR abzuziehen sei. Das Mehrbegehren von 17.527,68 EUR sA wies es ab.
Das Berufungsgericht gab der gegen den klagsabweisenden Teil erhobenen Berufung des Klägers Folge, hob das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Wenn man von einer Kündigungsfrist von fünf Monaten ausgehe, stünde dem Kläger eine Kündigungsentschädigung von 2.359,45 EUR zu, wovon ihm ein Teilbetrag von 915,13 EUR bereits rechtskräftig zugesprochen worden sei.
Im zweiten Rechtsgang dehnte der Kläger sein Begehren auf 35.192,87 EUR samt 8 % Zinsen seit 20. 7. 2016 aus. Dieses setzt sich wie folgt zusammen:
1. Mindestvergütung gemäß Art 3 Abs 7 KonsV:
indexierte Mindestvergütung für 2015 43.492,80
zuzüglich 20 % USt + 8.698,56
Summe 52.191,36
abzüglich erhaltene Honorare 2015 brutto - 23.940,00
Summe 28.251,36
abzüglich Teilzahlung - 9.808,55
Summe 18.442,81
2. Kündigungsentschädigung gemäß Art 5 Abs 4 KonsV:
aliquotes (5 Monate) jährl. Maximalnettobudget 36.108,00
abzüglich Mindestvergütung - 18.442,82
Summe 17.665,19
Gesamtsumme 1. und 2.: 36.108,00 abzüglich Klagszuspruch im ersten Rechtsgang - 915,13 Klagsbetrag 35.192,87
Die Beklagte bestritt das ausgedehnte Klagebegehren unter Hinweis auf die Berechnung des Berufungsgerichts und wendete Verjährung ein.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im zweiten Rechtsgang auf Grundlage der vom Berufungsgericht in seinem Aufhebungsbeschluss des ersten Rechtsgangs überbundenen Rechtsansicht hinsichtlich der Berechnung der Kündigungsentschädigung mit 1.444,32 EUR samt 8 % Zinsen seit 20. 7. 2016 statt. Das Mehrbegehren von 33.748,55 EUR sA wies es ab.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers gegen den klagsabweisenden Teil der Entscheidung teilweise Folge. Es gab dem Klagebegehren mit insgesamt 16.750,06 EUR samt 8 % Zinsen seit 20. 7. 2016 statt. Das Mehrbegehren von 18.442,82 EUR sA wies es ab. Unter Berücksichtigung eines Rechenfehlers im Aufhebungsbeschluss des ersten Rechtsgangs und der vom Kläger (erstmals) im zweiten Rechtsgang seinen Berechnungen zugrunde gelegten Umsatzsteuer errechne sich der Klagszuspruch wie folgt:
aliquotes (5 Monate) jährl. Maximalnettobudget 36.108,00
abzüglich Mindestvergütung (siehe Vorbringen
des Klägers) - 18.442,82
Summe 17.665,19
abzüglich Klagszuspruch im ersten Rechtsgang - 915,13 Klagszuspruch 16.750,06
Die dieser Berechnung zugrunde liegende Mindestvergütung errechne sich wie folgt:
aliquote indexierte Mindestvergütung 43.492,80
zuzüglich 20 % USt + 8.698,56
Summe 52.191,36
abzüglich Honorare 2015 - 23.940,00
abzüglich bezahlte Beträge - 9.808,55
Summe 18.442,81
Nach der insoweit eindeutigen Vertragsgestaltung stehe dem Klägerneben der Entschädigung gemäß Art 5 Abs 4 KonsV nicht auch noch die Mindestvergütung gemäß Art 3 Abs 7 KonsV zu.
In ihrer dagegen gerichteten außerordentlichen Revision beantragt die Beklagte die Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer Klagsabweisung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragt in seiner vom Senat freigestellten Revisionsbeantwortung , die Revision der Beklagten mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Beklagten ist zulässig und berechtigt.
Die Revision wendet sich zu Recht gegen die vom Berufungsgericht vorgenommene Berechnung der Mindestvergütung gemäß Art 3 Abs 7 KonsV, die für die Berechnung der Kündigungsentschädigung gemäß Art 5 Abs 4 KonsV und damit für den Klagszuspruch von Relevanz ist. Nach Art 3 Abs 7 letzter Satz KonsV ist auf die (aliquote und indexierte) Mindestvergütung das für dieses Jahr verrechnete Honorar anzurechnen. Ein weiterer Abzug der von der Beklagten geleisteten Teilzahlung über 9.808,55 EUR hat nicht zu erfolgen, weil es sich bei dieser Teilzahlung nicht um ein von der Beklagten im Nachhinein bezahltes Honorar handelt, sondern um eine Teilzahlung an Kapital und Zinsen des vom Kläger mit der Klage begehrten Entschädigungsbetrags gemäß Art 5 Abs 4 KonsV. Damit errechnet sich die Mindestvergütung mit 28.251,36 EUR.
Entgegen der Behauptung des Klägers in der Revisionsbeantwortung hat die Beklagte auch bereits im erstinstanzlichen Verfahren (Seite 3 in ON 8 iVm Seite 2 in ON 11) die Mindestvergütung ohne Berücksichtigung der Teilzahlung berechnet. Abgesehen davon ist die vom Senat vorgenommene Berechnung das Ergebnis einer rechtlichen Beurteilung, weshalb der in der Revisionsbeantwortung dagegen erhobene Einwand des Verstoßes der Beklagten gegen das Neuerungsverbot nicht greift (vgl RIS‑Justiz RS0108589; RS0016473).
Die Kündigungsentschädigung gemäß Art 5 Abs 4 KonsV errechnet sich daher richtig wie folgt:
aliquotes (5 Monate) jährl. Maximalnettobudget 36.108,00
abzüglich Mindestvergütung - 28.251,36
Summe 7.856,64
Davon ist die Teilzahlung an Kapital - 9.643,68
sowie der Klagszuspruch im ersten Rechtsgang - 915,13abzuziehen, weshalb sich das im Revisionsverfahren noch streitverfangene Klagebegehren insgesamt als nicht berechtigt erweist.
Zu der von beiden Parteien im Revisionsverfahren aufgeworfenen Frage der behaupteten Abweichung des Berufungsgerichts von seiner im ersten Rechtsgang zum Ausdruck gebrachten Rechtsansicht ist darauf zu verweisen, dass selbst eine Abweichung keinen Revisionsgrund darstellt, weil die Rechtsfrage vom Obersten Gerichtshof unabhängig von der Entscheidung des Berufungsgerichts zu lösen ist (RIS‑Justiz RS0042173; RS0042181 [T10]).
Die Unzulässigkeit der Revision der Beklagten „mangels Beschwer“ begründet der Kläger in seiner Revisionsbeantwortung zudem damit, dass er nach dem Konsulentenvertrag neben seinem Anspruch auf Kündigungsentschädigung gemäß Art 5 Abs 4 KonsV auch einen Anspruch auf die Mindestvergütung gemäß Art 3 Abs 7 KonsV iHv 18.442,81 EUR habe. Über Letzteren habe das Berufungsgericht nicht bzw unbegründet und unrichtig abschlägig entschieden. Dem ist zu entgegnen, dass das Berufungsgericht in seiner – nur von der Beklagten angefochtenen – Entscheidung das vom Kläger im zweiten Rechtsgang geltend gemachte Klagebegehren im Umfang von 18.442,81 EUR sA betreffend die Mindestvergütung gemäß Art 3 Abs 7 KonsV abwies, weil es nach der Vertragsgestaltung diesen Anspruch neben dem (zugesprochenen) Entschädigungsanspruch gemäß Art 5 Abs 4 KonsV für nicht berechtigt ansah. Da der Kläger gegen den klageabweisenden Teil der Berufungsentscheidung kein Rechtsmittel erhob, steht einer Berücksichtigung dieses Anspruchs im Revisionsverfahren die Bestimmung des § 504 Abs 1 ZPO entgegen (vgl RIS‑Justiz RS0041334).
Der Revision der Beklagten ist daher Folge zu geben und das Ersturteil wiederherzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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