European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:009OBA00130.14D.1218.000
Spruch:
Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 908,64 EUR (darin 151,44 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung
Rechtliche Beurteilung
Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision mit der Begründung zu, dass der Entscheidung über die zu beurteilende Konkurrenzklausel samt Entschädigungszahlung eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme, weil diese in den Dienstverträgen der Beklagten gleichlautend vereinbart sei. Dem schloss sich die Revisionswerberin zur Begründung der Zulässigkeit ihrer Revision gemäß § 502 Abs 1 ZPO an. Die Revision sei aber auch deshalb zulässig, weil das Berufungsgericht ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt habe.
Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Gegen das Urteil des Berufungsgerichts ist die Revision nach § 502 Abs 1 ZPO nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen, in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehenden Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt. Dies ist hier nicht der Fall. Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS‑Justiz RS0042936, RS0042776). Dies gilt auch für die Auslegung einer Konkurrenzklausel (RIS‑Justiz RS0101811, RS0042936 [T5], RS0042776 [T12]). Auch der Umstand, dass die zu lösenden Fragen in einer Vielzahl von Fällen auftreten, kann allein ebenso keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung begründen (RIS‑Justiz RS0042816), wie jener der wirtschaftlichen Auswirkung einer Entscheidung (RIS‑Justiz RS0042769 [T19]).
Die Zurückweisung der ordentlichen Revision kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO):
Nach § 914 ABGB ist bei der Auslegung von Vereinbarungen nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften, sondern die Absicht der Parteien zu erforschen und der Vertrag so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht. Es ist also nicht das, was schriftlich geäußert wurde, allein entscheidend (RIS‑Justiz RS0017797). Ist ‑ wie hier ‑ ein (übereinstimmender) konkreter Parteiwille nicht zu ermitteln, kommt der objektiven Vertragsauslegung unter Berücksichtigung des üblichen Verständnisses bestimmter Formulierungen und der redlichen Verkehrsübung entscheidende Bedeutung zu (1 Ob 221/10x). Unter der „Absicht der Parteien“ ist die dem Erklärungsgegner erkennbare und von ihm widerspruchslos zur Kenntnis genommene Absicht des Erklärenden zu verstehen (2 Ob 84/13m mwN). Die Auslegung hat sich aber nicht auf eine isolierte Betrachtung einzelner Formulierungen zu beschränken, sondern erfordert die Erfassung des gesamten Sinngehalts der Urkunde (2 Ob 36/14d mwN) und es sind alle den Vertragsabschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen (7 Ob 27/13s; Bollenberger in KBB4 § 914 ABGB Rz 5 mwN).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist das Berufungsgericht zu einem vertretbaren Auslegungsergebnis gelangt. Dass der klare Wortlaut der in Rede stehenden Bestimmungen eine Entschädigung des Arbeitnehmers als Gegenleistung für die Einhaltung der 4‑monatigen Konkurrenzklausel vorsieht, wird in der Revision nicht weiter in Zweifel gezogen. Dass die Regelungsabsicht der Beklagten aber im Zusammenhang mit den Compliance‑Vorschriften zur Vermeidung eines Interessenkonflikts tatsächlich darin gelegen sei, nur einen nahtlosen Übergang eines Arbeitnehmers vom Unternehmen der Beklagten zu einem vom Arbeitnehmer ehemals betreuten Unternehmen möglichst dadurch zu unterbinden, dass diesem Arbeitnehmer während der „Cooling‑off Phase“, in der er kein Einkommen beziehe, eine Ersatzleistung für dessen Einkommensentfall zu gewähren, mag zwar durchaus sein. Diesen Geschäftszweck hat die Beklagte der Klägerin aber vor Vertragsabschluss nicht zur Kenntnis gebracht. Anhaltspunkte dafür, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (vgl 9 ObA 209/98w; 8 Ob 4/11p ua; Kolmasch in Schwimann, ABGB‑TaKom² § 914 ABGB Rz 2) Umstände vorlagen, aus denen der Klägerin als redliche Erklärungsempfängerin (nach Treu und Glauben) (vgl RIS‑Justiz RS0014205) dieser von der Beklagten beabsichtigte Regelungsinhalt erkennbar gewesen sein musste, bietet der festgestellte Sachverhalt jedoch nicht. Auch die von der Beklagten begehrten Feststellungen über die tatsächliche Handhabung der Entschädigungszahlung durch die Beklagte (in einem einzigen Fall) und die Auslegung der strittigen Vereinbarung durch andere (dritte) Personen sind im vorliegenden Fall keine ausreichenden Indizien (vgl 17 Ob 29/11f mwN), ein dem klaren Wortlaut der Vereinbarung widersprechendes Ergebnis zu tragen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision der Beklagten in seiner Revisionsbeantwortung hingewiesen.
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