OGH 9ObA121/20i

OGH9ObA121/20i24.2.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs  Dr. Fichtenau und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Bernhard Gruber (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Angela Taschek (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei D***** E*****, vertreten durch Dr. Eva Meusburger‑Streicher und Mag. Markus Weixlbaumer, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Eva Wirleitner ua, Rechtsanwälte in Steyr, wegen 560 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. Oktober 2020, GZ 11 Ra 44/20z‑15, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Steyr als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 14. August 2020, GZ 9 Cga 20/20m‑10, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:009OBA00121.20I.0224.000

 

Spruch:

Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin war bei der Beklagten vom 1. 12. 2009 bis 31. 12. 2019 als Sekretärin beschäftigt. Vor ihrer Rückkehr aus der Karenz (nach der Geburt ihres Kindes im Jahr 2016) absolvierte sie über Ersuchen der Beklagten und unter Zusicherung der Kostenübernahme von 9. 9. 2019 bis 16. 10. 2019 einen externen Buchhaltungskurs. Ab 1. 11. 2019 war die Klägerin dann auch im Bereich der Buchhaltung der Beklagten eingesetzt. Über Ersuchen der Klägerin wurde das Dienstverhältnis am 31. 12. 2019 einvernehmlich aufgelöst.

[2] Am 17. 1. 2020 ersuchte der Geschäftsführer der Beklagten die Klägerin, die Kurskosten zu bezahlen, weil das der Klägerin durch die Ausbildung vermittelte Wissen für die Beklagte keinen Nutzen mehr habe. Daraufhin bezahlte die Klägerin den Betrag von 560 EUR an die Beklagte. Erst später erfuhr sie, dass eine Vereinbarung über einen Ausbildungskostenrückersatz der Schriftform bedurft hätte. Sie verlangt von der Beklagten die Rückzahlung.

[3] Die Vorinstanzen verpflichteten die Beklagte zum Rückersatz des von der Klägerin geleisteten Kursbetrags (§ 1431 ABGB). Die mangelnde Schriftform der bloß mündlich getroffenen Rückzahlungsvereinbarung führe zu ihrer Unwirksamkeit. Da bei Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts auch keine Naturalobligation entstehe, sei der Formmangel auch nicht durch die Zahlung der Klägerin geheilt.

Rechtliche Beurteilung

[4] Das Berufungsgericht hat die Revision mit der Begründung zugelassen, dass der Oberste Gerichtshof zu einer bloß mündlichen, aber erfüllten Rückzahlungsvereinbarung noch nicht Stellung genommen habe. Entgegen diesem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision der Beklagten mangels Aufzeigens einer entscheidungsrelevanten erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.

[5] Soll der Arbeitnehmer iSd § 2d Abs 2 erster Satz AVRAG zum Rückersatz von Ausbildungskosten verpflichtet werden, so muss zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer noch vor einer bestimmten Ausbildung eine schriftliche Vereinbarung darüber geschlossen werden (RS0127499). Die Verletzung des Schriftformerfordernisses führt zur (gänzlichen) Unwirksamkeit (Nichtigkeit) der Vereinbarung ( Reissner in Neumayr/Reissner , ZellKomm 3 § 2d AVRAG Rz 15 mwN; Binder/Mair in Binder/Burger/Mair , AVRAG 3 § 2d Rz 39). Dies stellt die Revision der Beklagten auch nicht weiter in Frage. Sie ist aber der Auffassung, dass es sich bei der nach Beendigung des Dienstverhältnisses mit der Klägerin getroffenen Vereinbarung über die Rückzahlung der Ausbildungskosten zwar um ein formwidriges Rechtsgeschäft handle; der Formmangel führe aber nicht zur Nichtigkeit der Vereinbarung, weil der Zweck des in § 2d Abs 2 erster Satz AVRAG normierten Schriftlichkeitsgebots, dem Arbeitnehmer ersichtlich und transparent zu machen, welche finanziellen Verpflichtungen auf ihn bei Beendigung des Dienstverhältnisses zukommen, in der vorliegenden Konstellation nicht mehr schlagend werde. Die Klägerin könne daher die von ihr freiwillig geleistete Zahlung nicht mehr zurückfordern (§ 1432 ABGB).

[6] Damit zeigt die Beklagte keine für die Lösung des vorliegenden Falls relevante Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auf. Nach Lage des Falls haben die Parteien keine Ausbildungskostenvereinbarung geschlossen. Dadurch, dass die Klägerin nach Beendigung des Dienstverhältnisses über Initiative der Beklagten den Betrag von 540 EUR zurückzahlte, haben die Parteien auch nicht die für einen Ausbildungskostenrückersatz nach § 2d Abs 2 AVRAG zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer erforderliche Vereinbarung „nachgeholt“. Die Klägerin zahlte über Aufforderung der Beklagten, weil sie erkennbar der unrichtigen Ansicht war, dazu auch ohne besondere Vereinbarung nach § 2d AVRAG verpflichtet zu sein. Damit hat sie aber im Ergebnis die Zahlung von 560 EUR aus einem von der Beklagten veranlassten Rechtsirrtum heraus grundlos geleistet. Das darauf gegründete Rückforderungsbegehren der Klägerin ist daher nach § 1431 ABGB berechtigt. Auf Überlegungen zur mangelnden Form und Aliquotierung kommt es nicht an.

[7] Mangels Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO, ist die Revision der Beklagten zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO).

[8] Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 4050 ZPO. Die Klägerin hat in ihrer Revisionsbeantwortung nicht auf die Unzulässigkeit der Revision der Beklagten hingewiesen (RS0035979).

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