OGH 9ObA117/91

OGH9ObA117/9110.7.1991

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Alfred Mayer und Otto Schmitz in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei ANGESTELLTENBETRIEBSRAT DER L***** Gesellschaft mbH, ***** 23, ***** vertreten durch ***** Rechtsanwalt *****, wider die beklagte Partei L***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch ***** Rechtsanwälte *****, wegen Feststellung (§ 54 Abs 1 ASGG; Streitwert S 300.000,-), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15. Februar 1991, GZ 33 Ra 110/90-12, womit das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 7. August 1990, GZ 12 Cga 1032/90-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit S 12.247,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 2.041,20 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Gesellschaft betreibt in W***** im sogenannten "G*****" im Souterrain eine Filiale. Da die dortigen Betriebsräume nicht natürlich belichtet sind, gestattete der Magistrat der Stadt Wien der Beklagten mit Bescheid vom 1. 8. 1975, MBA 6/7-Ba 33438/1/75 (Ausnahmegenehmigung gemäß § 110 ADVO) die Beschäftigung von Arbeitnehmern in den Betriebsräumen nur unter verschiedenen Auflagen. Gemäß Punkt 8. dieser Auflagen waren den Arbeitnehmern "zusätzlich zur gesetzlich festgelegten Ruhepause wöchentlich 2 3/4 Stunden an Ruhepausen zu gewähren, welche in die jeweils geltende gesetzlich höchstzulässige normale Wochenarbeitszeit einzurechnen sind". Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 7. 3. 1977, MBA 6/7-BA 33438/1/76, wurde diese Auflage gemäß § 68 Abs 2 AVG dahin abgeändert, daß den Arbeitnehmern statt 2 3/4 Stunden wöchentlich 4 Stunden Ruhepausen zusätzlich zu den gesetzlich festgelegten Ruhepausen zu gewähren sind.

Am 24. 4. 1989 stellte die Beklagte den Antrag auf Abänderung des Punktes 8. des Bescheides vom 1. 8. 1975 in eine allgemein im Handel übliche Arbeitszeit. Mit Bescheid vom 6. 12. 1989, MBA 6/7-Ba 33438/2/89 wies der Magistrat der Stadt Wien den Antrag der Beklagten gemäß § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück. Mit Berufungsbescheid des Amtes der Wiener Landesregierung MA 63-L 6/90 vom 30. 3. 1990 wurde die Auflage in Punkt 8. des Bescheides vom 7. 3. 1977, MBA 6/7-BA 33438/1/76, gemäß § 68 Abs 2 AVG dahin geändert, daß den Arbeitnehmern zusätzlich zur gesetzlich festgelegten Ruhepause wöchentlich Ruhepausen im Ausmaß von 1/10 der kollektivvertraglich oder gesetzlich festgelegten niedrigsten wöchentlichen Normalarbeitszeit zu gewähren sind; diese sind in die jeweils geltende gesetzlich höchstzulässige normale Wochenarbeitszeit einzurechnen. Gegen diesen Bescheid hat die Beklagte Berufung erhoben, über die noch nicht entschieden ist.

Die Beklagte gewährt den in der genannten Filiale beschäftigten Arbeitnehmern die bescheidmäßig auferlegten zusätzlichen Ruhepausen nicht. Seit Jänner 1990 ist die Filiale wegen Umbauarbeiten geschlossen.

Der Angestelltenbetriebsrat der Beklagten begehrt mit Klage gemäß § 54 Abs 1 ASGG die Feststellung, daß alle Angestellten, die innerhalb des Zeitraumes vom 1. 3. 1987 bis Jänner 1990 in der Filiale Wien 6, Mariahilferstraße 77-79, beschäftigt waren, Anspruch auf Bezahlung des Geldwertes der nicht gewährten Zusatzpausen nach dem Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 7. 3. 1977, GZ MBA 6/7-BA 33438/1/76, und nach dem Bescheid des Amtes der Wiener Landesregierung vom 30. 3. 1990, MA 63-L 6/90, haben. Die Beklagte gewähre trotz Aufforderung durch das Arbeitsinspektorat und die Belegschaftsvertretung die zusätzlich angeordneten Pausen nicht. Nach dem auf die Dienstverhältnisse der betroffenen Arbeitnehmer anzuwendenden Kollektivvertrag für Handelsangestellte Österreichs habe die wöchentliche Normalarbeitszeit bis 31. 12. 1988 40 Stunden betragen; seither betrage sie 38,5 Stunden. Die betroffenen Arbeitnehmer hätten daher nunmehr eine effektive Arbeitszeit von 34,5 Stunden pro Woche, wofür ein Entgelt für 38,5 Stunden pro Woche zu leisten sei. Da eine nachträgliche Gewährung der Pausen nicht möglich sei, gebühre den betroffenen Arbeitnehmern der Geldwert dieser vorenthaltenen Freizeit als "stellvertretendes Commodum".

Von dem streitgegenständlichen Feststellungsbegehren sind mindestens drei Arbeitnehmer der Beklagten betroffen.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Bescheid, auf den sich der Kläger stütze, beruhe auf der Rechtslage nach der allgemeinen Dienstnehmerschutzverordnung. Diese Grundlage sei dem Bescheid mit dem Inkrafttreten der allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung vom 11. 3. 1983 entzogen worden. Die allgemeine Arbeitnehmerschutzverordnung enthalte keine Bestimmung, wonach den Arbeitnehmern bei Fehlen einer natürlichen Belichtung der Arbeitsräume zusätzliche Ruhepausen eingeräumt werden müßten. Die zitierten Bescheide räumten den in der Filiale beschäftigten Arbeitnehmern keine subjektiven Rechte ein. Die Nichtgewährung der Pausen könne zu keinem zusätzlichen Geldanspruch führen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Der Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 7. 3. 1977 sei rechtskräftig. Das Gericht sei an seinen Inhalt gebunden. Im übrigen sei durch das Inkrafttreten der allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung keine Änderung der maßgeblichen Rechtsgrundlage des Bescheides vom 7. 3. 1977 eingetreten. Der gemäß § 68 Abs 2 AVG am 30. 3. 1990 erlassene Berufungsbescheid wirke nur für die Zukunft. Die bis dahin bestehende Rechtslage bleibe aufrecht. Der Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 7. 3. 1977 sei ein Rechtsgestaltungsbescheid, der zwar nur zwischen den Parteien normative Wirkungen entfalte, dem Arbeitgeber jedoch ein bestimmtes Verhalten auferlege. Aus § 1157 ABGB ergebe sich, daß dem Arbeitnehmer ein Anspruch auf Einhaltung der dem Arbeitgeber bescheidmäßig auferlegten Schutzmaßnahmen zustehe. Die Arbeitnehmer hätten primär den Anspruch auf Gewährung der bescheidmäßig festgelegten Ruhepausen; sei jedoch diese Pausengewährung nicht mehr möglich oder im nachhinein untunlich, so trete an ihre Stelle ein entsprechender Ersatz im Sinne eines stellvertretenden Commodums gemäß §§ 7, 1447 ABGB. Da die Arbeitnehmer in den bezahlten Ruhepausen gearbeitet hätten, stehe ihnen ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung auch für die bescheidmäßig zuerkannte, nicht abgegoltene Freizeit zu.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Es verneinte eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens, die die Beklagte darin erblickte, daß ihrem Antrag auf Unterbrechung des Verfahrens bis zur rechtskräftigen Beendigung des beim Amt der Wiener Landesregierung anhängigen Verwaltungsverfahrens nicht stattgegeben worden sei. Der Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 7. 3. 1977 stehe nach wie vor in Geltung. Da somit ein rechtskräftiger Verwaltungsbescheid über die zusätzliche Pausengewährung vorliege, an den das Gericht gebunden sei, fehle es an den Voraussetzungen zur Unterbrechung des Verfahrens. Das Erstgericht sei auch nicht befugt gewesen, allfällige verwaltungsrechtliche Vorfragen aus eigenem zu prüfen, weil sich die Bindung auch auf unvollständige mangelhafte oder selbst fehlerhafte rechtskräftige Bescheide der Verwaltungsbehörde erstrecke.

Das Feststellungsbegehren beziehe sich auf den Zeitraum vom 1. 5. 1987 bis Jänner 1990. Zumindest für diesen Zeitraum seien vier zusätzliche Ruhepausen von zuletzt vier Stunden anordnenden Bescheide des Magistrates der Stadt Wien rechtswirksam. Bei der Beurteilung des Sachverhaltes sei daher vom Inhalt dieser Bescheide auszugehen. Die Frage, welche Auswirkungen das Inkrafttreten der allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung im Jahre 1983 gehabt habe, könne somit auf sich beruhen.

Der vom Erstgericht zur Lösung der Rechtsfrage gewählte Konstruktion des "stellvertretenden Commodums" bedürfe es nicht. Die kollektivvertragliche wöchentliche Normalarbeitszeit habe bis 31. 12. 1988 40 und ab 1. 1. 1989 38,5 Stunden betragen. Da den betroffenen Arbeitnehmern die zusätzlichen Ruhepausen nicht gewährt wurden, sie aber bis 31. 12. 1988 tatsächlich nur 36 Stunden und ab 1. 1. 1989 34,5 Stunden wöchentlich ohne Kürzung des vollen Wochenlohns hätten arbeiten müssen, hätten sie eine höhere Normalarbeitszeit erbracht als in den Bescheiden vorgesehen war. Diese zusätzliche Arbeitsleistung sei ihnen grundsätzlich im Rahmen der Entlohnung abzugelten.

Die Beklagte bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Sie beantragt, die Entscheidung dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag, sowie den Antrag, das Verfahren bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verwaltungsverfahrens zu unterbrechen.

Der Revisionsgegner beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision der Beklagten nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Revisionswerberin macht als Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens geltend, daß die zweite Instanz - ebenso wie das Erstgericht - nicht von der Möglichkeit der Unterbrechung des Verfahrens bis zur rechtskräftigen Erledigung des Verwaltungsverfahrens Gebrauch gemacht habe. Dieser Mangel liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Abgesehen davon, daß die Verweigerung der Unterbrechung, sofern darüber mit abgesondertem Beschluß entschieden wird, überhaupt nur dann anfechtbar ist, wenn eine Unterbrechung zwingend vorgesehen ist (§ 192 Abs 2 ZPO; MietSlg 36.758; 39.746 uva), kann, soweit eine Geltendmachung dieses Umstandes als Verfahrensmangel dann überhaupt noch in Betracht kommt, ein solcher Mangel in dritter Instanz nicht neuerlich geltend gemacht werden, wenn das Berufungsgericht sein Vorliegen verneint hat (stRSpR; SZ 27/4 uva). Soweit allerdings Vorinstanzen eine bestehende Bindung bei präjudiziellen Entscheidungen nicht beachten oder fälschlich eine solche Bindung annehmen, kann auch ein in dritter Instanz noch wahrnehmbarer Stoffsammlungsmangel vorliegen.

Im vorliegenden Fall haben die Vorinstanzen zutreffend eine Bindung an die in den Bescheiden des Magistrats der Stadt Wien vom 1.8. 1975 und 7. 3. 1977 enthaltenen Auflagen (Punkt 8.) angenommen. Diese Bescheide sind in Rechtskraft erwachsen; sie binden die Gerichte so lange, als sie nicht von der zuständigen Verwaltungsbehörde im Rahmen der nach Rechtskraft noch bestehenden rechtlichen Möglichkeiten (§§ 68 ff AVG) aufgehoben oder abgeändert worden sind. Da die Abänderung oder Aufhebung eines Bescheides nach § 68 Abs 2 AVG nicht zurückwirkt (Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, 236 Rz 659), liegt kein Grund vor, wegen eines auf die Abänderung oder Aufhebung eines rechtskräftigen Bescheides abzielenden Antrages einer Partei, einen Rechtsstreit, der nur die Feststellung eines in der Vergangenheit liegenden Rechtsverhältnisses betrifft, zu unterbrechen, da die von der Partei angestrebte Bescheidaufhebung nach § 68 Abs 2 AVG für die Beurteilung solcher Rechtsverhältnisse nicht präjudiziell ist.

Soweit die Revisionswerberin unter Berufung auf Meinungen im Schrifttum (siehe dazu insbesondere W. Kralik, JBl 1975, 309;

Fasching, JBl 1976, 557; derselbe in LB2 58 ff Rz 91 ff;

Loebenstein, JBl 1978, 225, 290; Pichler, JBl 1965, 494; derselbe JBl 1966, 553; derselbe ÖJZ 1978, 267) eine Bindung des Gerichtes an rechtskräftige Bescheide der Verwaltungsbehörden (wie sie iS der RSpr (zB SZ 13/81, JBl 1980, 320; RZ 1986/1 ua) auch für unvollständige, mangelhafte oder fehlerhafte (zB SZ 23/176;

SZ 45/17; EvBl 1976/197), aber nicht für "absolut nichtige" Verwaltungsakte (JBl 1951, 462; EvBl 1964/185; SZ 45/17;

SZ 57/23; aM RZ 1986/33) anerkannt ist) in Frage stellt, übersieht sie, daß die Bindung von den genannten Autoren (mit Ausnahme von Fasching) grundsätzlich bejaht und nur eine wesentliche Einschränkung des Wirkungsbereiches gefordert wird. Übereinstimmend wird aber eine Bindung an rechtsgestaltende Bescheide, also solche, die selbst eine neue Rechtslage schaffen, unter der Voraussetzung bejaht, daß sie nicht absolut nichtig sind (Fasching LB2, 60 Rz 96; vgl auch Loebenstein, JBl 1978, 294 f). Derartige Bescheide binden den Zivilrichter infolge der gegen jedermann wirksamen Änderung der Rechtslage.

Ein solcher rechtsgestaltender Bescheid liegt hier vor, wurde doch der Beklagten unter ganz bestimmten Auflagen eine Ausnahmegenehmigung für die Beschäftigung von Arbeitnehmern in Arbeitsräumen erteilt, die den einschlägigen Arbeitnehmerschutzvorschriften nicht entsprachen. Da die Beklagte an dem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren (als Antragstellerin!) beteiligt war, bestehen gegen die Annahme der Bindung an die ergangenen Bescheide auch aus dem Grund einer mangelnden Parteiidentität keine Bedenken; die Rechtskraft dieser Bescheide erstreckt sich jedenfalls auf die Beklagte (vgl Loebenstein aaO 295, 302; W.Kralik, JBl 309 f, H.Pichler, JBl 1965, 494; Walter-Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht4 Rz 309 mwN; Bydlinski JBl 1971, 251; aM aber etwa JBl 1980, 320).

Ob die strittige Auflage (Gewähren zusätzlicher Ruhepausen) durch die einschlägigen Bestimmungen des Arbeitnehmerschutzrechts gedeckt war (siehe § 110 Allgemeine Dienstnehmerschutzverordnung) kann auf sich beruhen, da eine inhaltliche Prüfung des Bescheides nicht stattzufinden hat (SSV-NF 3/31). Ein Rechtssatz, daß durch die Aufhebung eines Gesetzes alle auf Grund des aufgehobenen Gesetzes erlassenen individuellen Verwaltungsakte außer Kraft treten, ist dem österreichischen Recht fremd (1 Ob 723/83; 4 Ob 599/88). Welchen Einfluß die Aufhebung des § 10 Allgemeine Dienstnehmerschutzverordnung (ADVO) durch § 101 Z 9 Allgemeine Arbeitnehmerschutzverordnung (AAV) hatte, ist den Übergangsbestimmungen (§ 102 AAV) zu entnehmen, die ein Außerkrafttreten früherer Bescheide jedenfalls nicht vorsehen.

Die Anregung der Revisionswerberin, § 190 ZPO (gemeint wohl nur in bezug auf die anhängige Verwaltungsverfahren betreffenden Unterbrechungsregelungen) wegen Bedenken aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit gemäß Art 89 Abs 2 B-VG beim VfGH anzufechten, ist nicht aufzugreifen: Die Bestimmung des § 190 ZPO ordnet - anders als der vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene § 268 ZPO (JBl 1991, 104) - eine Bindung an das Erkenntnis einer anderen Behörde nicht ausdrücklich (vgl Walter-Mayer, Verwaltungsrecht4 Rz 313) an; der Regelung liegt allerdings eine - in ihrem Umfang nicht festgelegte - Bindung an individuelle Rechtsakte der anderen vollziehenden Gewalt zugrunde, da ohne eine solche Bindung keine Veranlassung zu einer Unterbrechung des Verfahrens bestünde, wenn ein präjudizielles Verwaltungsverfahren über eine Vorfrage anhängig ist. Die bloße Beschaffung von Beweismaterial in einem anhängigen Verwaltungsverfahren könnte nämlich die Unterbrechung nicht rechtfertigen (so auch Loebenstein JBl 1978, 300 ff; aM Fasching LB2 Rz 96). Da dem § 190 ZPO nicht zu entnehmen ist, wie weit die in dieser Regelung vorausgesetzte Bindung geht (W.Kralik JBl 1975, 309), ist eine Anwendung des § 190 ZPO auch dann möglich, wenn die Bindungswirkung auf Bescheide beschränkt wird, deren Aussprüche der Entscheidung ohne Verstoß gegen Art 6 Abs 1 MRK (siehe dazu Loebenstein JBl 1978, 297; Morscher JBl 1991, 86 (88); s zuletzt EuGRZ 1990, 209) zugrunde gelegt werden können. Gegen den nur mittelbar eine Bindung voraussetzenden § 190 ZPO bestehen daher keine Bedenken aus dem Grunde der Verfassungswidrigkeit.

Die Revisionswerberin wiederholt schließlich ihre Ansicht, daß der klagsgegenständliche Bescheid nur dem Arbeitgeber Beschränkungen auferlege, die Arbeitszeit der Arbeitnehmer aber nicht regle und ihnen daher keine subjektiven Rechte einräume. Auch diesen Ausführungen ist nicht zu folgen. Subjektives öffentliches Recht ist die dem einzelnen kraft öffentlichen Rechts verliehene "Rechtsmacht", zur Verfolgung seiner Interessen vom Staat ein bestimmtes Verhalten zu verlangen (Antoniolli-Koja, Verwaltungsrecht2, 266; ähnlich Antoniolli, Veraltungsrecht 124; Jelinek, Verwaltungsrecht (1931) 201). Ein subjektives öffentliches Recht des Arbeitnehmers darauf, daß die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 110 ADVO (jetzt § 97 AAV) gerade von der Auflage der Gewährung zusätzlicher Ruhepausen an die Arbeitnehmer abhängig gemacht wird, besteht freilich nicht. Da aber die Verwaltungsbehörde diese Auflage erteilt hat, sind die Arbeitnehmer begünstigende Wirkungen - die Verwaltungsrechtslehre spricht von "Rechtsreflexen" oder "Reflexwirkungen" (Antoniolli-Koja aaO; Ress, Das subjektive öffentliche Recht in FS Antoniolli 107 f) - entstanden, die sich aus der objektiven Rechtslage ergeben haben, zumal die zusätzlichen Ruhepausen in Form zwingender Auflagen angeordnet wurden. Die Arbeitnehmer können sich daher im Rahmen ihrer Arbeitsverhältnisse darauf berufen, daß der Arbeitgeber diese Ruhepausen einzuhalten hat. Da die Arbeitnehmer für einen Wochenlohn in der Höhe von 40 (ab 1. 1. 1989 38,5) Arbeitsstunden nur 36 (ab 1. 1. 1989 34,5) Arbeitsstunden zu leisten hatten, steht ihnen für die nicht gewährten Pausen im Gesamtausmaß von 4 (zusätzlichen) Arbeitsstunden der (jeweilige) Arbeitslohn zu. Da der Arbeitgeber diese zusätzlichen Leistungen im Rahmen der Arbeitsverträge entgegengenommen hat, handelt es sich bei der begehrten Vergütung nicht um ein "stellvertretendes Commodum" (siehe Rummel in Rummel, ABGB, Rz 4 zu § 1447), sondern um Arbeitsentgelt; zum selben Ergebnis käme man jedoch, wenn man die von den Arbeitnehmern in den nicht gewährten Arbeitspausen erbrachten Leistungen als rechtsgrundlos gewährt ansehe (Rummel aaO Rz 9 zu § 1431).

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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