OGH 9ObA100/21b

OGH9ObA100/21b28.9.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Hon.‑Prof. Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Werner Hallas (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Karl Schmid (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei R*****, vertreten durch Summereder Pichler Rechtsanwaltsgesellschaft m.b.H. in Leonding, gegen die beklagte Partei Verein *****, vertreten durch Dr. Johannes Winkler, Rechtsanwalt in Linz, wegen Feststellung eines aufrechten Dienstverhältnisses, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. Juni 2021, GZ 12 Ra 45/21f‑26, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:009OBA00100.21B.0928.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1.1 Der Zweck von Aussetzungsvereinbarungen kann auf verschiedene Weise erreicht werden. Entweder kann eine bloße Karenzierung des Dienstverhältnisses vereinbart werden oder eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsvertrags verbunden mit der Abrede, zu einem in der Zukunft liegenden bestimmten oder bestimmbaren Zeitpunkt einen neuen Dienstvertrag einzugehen (RS0021837 [T3, T7]). Diese Abrede führt zu einer Option des Arbeitnehmers, das Dienstverhältnis (grundsätzlich) zu den vorherigen Bedingungen neu zu begründen (RS0127858).

[2] 1.2 Im vorliegenden Fall wurde das Arbeitsverhältnis durch einvernehmliche Auflösung beendet. Im Revisionsverfahren ist noch strittig, wie die vom Arbeitgeber bei der einvernehmlichen Auflösung abgegebene (einseitige) Erklärung auszulegen ist, mit dem Kläger einen neuen Dienstvertrag eingehen zu wollen.

[3] 2.1 Nach ständiger Rechtsprechung ist die Auslegung einer Willenserklärung am Empfängerhorizont zu messen, wobei die aus der Erklärung abzuleitenden Rechtsfolgen nicht danach zu beurteilen sind, was der Erklärende sagen wollte oder was der Erklärungsempfänger darunter verstanden hat, sondern wie die Erklärung bei objektiver Beurteilung der Sachlage durch einen redlichen und verständigen Menschen zu verstehen war (RS0113932 ua). Wie dabei eine Erklärung im Einzelfall aufzufassen ist, ist jeweils nur nach dessen besonderen Umständen zu beurteilen und stellt – von groben Auslegungfehlern und sonstigen krassen Fehlbeurteilungen abgesehen – im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (RS0042555 [T28]).

[4] 2.2 Dies ist hier nicht anders zu beurteilen.

[5] 2.3 Der Kläger bleibt auch in der außerordentlichen Revision bei seinem Standpunkt, er habe im März 2020 seine Zustimmung zur einvernehmlichen Auflösung nur deshalb gegeben, weil ihm vom Arbeitgeber die Zusicherung erteilt worden sei, er könne das Dienstverhältnis zu den vorherigen Bedingungen von sich aus und zu einem ihm beliebigen Zeitpunkt neu begründen. Von diesem Verständnis sei auch der Arbeitgeber ausgegangen.

[6] 2.4 Dieser Argumentation hielt bereits das Berufungsgericht die erstgerichtlichen Feststellungen entgegen, nach denen der Vereinsvorstand des beklagten Vereins am 17. März 2020 – somit kurz vor Beginn des ersten Covid‑19‑Lockdowns – von der Annahme ausging, für gemeinnützige Vereine sei keine Kurzarbeit möglich, weshalb dem Kläger (wie auch allen anderen Arbeitnehmern) die Kündigung in Aussicht gestellt oder alternativ die einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit Wiedereinstellungszusage angeboten wurde „sobald sich die Lage beruhigt hat“. Im Hinblick auf diese Umstände verstand das Berufungsgericht die Erklärung des Arbeitgebers dahin, dass der Kläger jedenfalls („fix“) wiedereingestellt werden sollte, die Bestimmung des Termins der Wiedereinstellung aber dem Arbeitgeber nach Maßgabe der pandemiebedingten Entwicklungen („nach Beruhigung der Lage“) vorbehalten bleiben sollte. Bei objektiver Beurteilung der Sachlage stellt, sowohl diese Ansicht als auch die weitere Auffassung, das vom Kläger ins Treffen geführte Verständnis der Wiedereinstellungszusage sei nicht Grundlage der einvernehmlichen Auflösung geworden, kein unvertretbares Auslegungsergebnis dar. Abzustellen ist nicht allein auf die Wortwahl („fixe Wiedereinstellungszusage“), sondern auf die von den Parteien bezweckte Regelung der gegenseitigen Rechtsbeziehungen. Zudem hat der Arbeitgeber– entsprechend seiner Absicht alle Arbeitnehmer sukzessive wiedereinzustellen – dem Kläger im August 2020 die Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses angeboten, welches Anbot der Kläger unter Hinweis auf den noch laufenden Arbeitslosengeldbezug abgelehnt hat.

[7] 3. Wenn das Berufungsgericht die Rechtsansicht vertrat, auf Grundlage des erzielten Auslegungsergebnisses sei der vom Kläger behauptete gemeinsame Irrtum über den Inhalt der Wiedereinstellungszusage nicht gegeben, liegt auch darin keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung. Nach der Rechtsprechung kann ein gemeinsamer wesentlicher Geschäftsirrtum der Vertragspartein die Anfechtung oder Anpassung des Vertrags rechtfertigen und die Unverbindlichkeit des Vertrags unabhängig von den Voraussetzungen des § 871 ABGB bewirken (RS0016230 [T3]). Ein gemeinsamer Irrtum setzt aber voraus, dass beide Parteien demselben Irrtum unterliegen (RS0016226). Wenn die Vorinstanzen dafür nach der Lage des Falls keine Grundlage sahen, ist dies nicht zu beanstanden.

[8] 4.1 Eine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zeigt der Revisionswerber auch nicht mit dem weiteren (offenbar eventualiter erhobenen) Vorbringen auf, die Vorinstanzen hätten unberücksichtigt gelassen, dass ein vom Arbeitgeber veranlasster Geschäftsirrtum über den Inhalt der Wiedereinstellungszusage (§ 871 ABGB) vorliege:

[9] 4.2 Die Abgrenzung, ob ein Umstand zum Gegenstand eines zweiseitigen Rechtsgeschäfts (der einvernehmlichen Auflösung) gehört und ob darüber ein Irrtum besteht oder ein bloßer (unbeachtlicher) Motivirrtum gegeben ist, kommt keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu. Diese Abgrenzung kann nur nach den jeweils gegebenen konkreten Umständen vorgenommen werden und hängt im Wesentlichen von der Auslegung des zwischen den Parteien getroffenen Vertrags, den Feststellungen über das Zustandekommen des Vertrags und dem Vertragsverständnis der Parteien ab (RS0014913 [T7, T8]).

[10] 5. Sind zu einem bestimmten Thema (positive oder negative) Feststellungen ohnedies vorhanden, so ist es ein Akt der nicht revisiblen Beweiswürdigung, wenn die vom Revisionswerber gewünschten (abweichenden) Feststellungen nicht getroffen wurden (RS0053317 [T3]).

[11] 6. Mangels einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision daher zurückzuweisen.

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