OGH 9Ob59/23a

OGH9Ob59/23a16.5.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner als Vorsitzenden, die Hofrätin und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, Mag. Korn, Dr. Stiefsohn und Dr. Vollmaier als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A *, vertreten durch Poduschka Partner Anwaltsgesellschaft mbH in Linz, gegen die beklagte Partei E* GmbH, *, vertreten durch BEURLE Rechtsanwälte GmbH und Co KG in Linz, wegen Feststellung (Streitwert 7.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 21. Juni 2023, GZ 32 R 34/23k‑17, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichts Linz vom 24. Jänner 2023, 16 C 1093/22s‑13, nicht Folge gegeben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0090OB00059.23A.0516.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 751,92 EUR (darin enthalten 125,32 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger hatte mit der Beklagten, einem Energieunternehmen, einen Stromliefervertrag abgeschlossen.

[2] Mit Schreiben vom 8. 3. 2022 teilte die Beklagte dem Kläger mit, den Stromliefervertrag „unter Einhaltung der gesetzlichen bzw in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorgesehenen Frist und Form“ zum 30. 6. 2022 aufzukündigen. Zugleich bot sie ihm den Abschluss eines neuen Stromlieferungsvertrag zu geänderten Konditionen – insbesondere neuen Tarifen – an. Weiters heißt es in dem Schreiben: „Wenn Sie bis 3.5.2022 eines der Angebote annehmen, so gilt diese Kündigung als nicht ausgesprochen.“

[3] Der Kläger nahm keines der Anbote für einen neuen Vertrag an, wechselte den Stromanbieter und bezieht Strom nun teurer als bis 30. 6. 2022 von der Beklagten.

[4] Der Kläger begehrt die Feststellung, dass die Beklagte ihm für jeden künftigen Schaden hafte, der aus der Kündigung des Stromliefervertrags vom 8. 3. 2022 zu Kundennummer * entsteht. In eventu wird die Feststellung begehrt, dass die Beklagte ihm für jeden künftigen Schaden hafte, der aus der Kündigung des Stromliefervertrags vom 8. 3. 2022 zu ehemaligen Kundennummer * entsteht.

[5] Die Beklagte beantragte die Klagsabweisung.

[6] Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Der Energielieferant sei gemäß § 76 ElWOG gesetzlich dazu berechtigt, den Stromliefervertrag innerhalb einer Frist von 8 Wochen ohne Angabe von Gründen zu kündigen. Der Fall einer bloßen Preisänderung ohne Kündigung liege nicht vor. Auf die einseitige Kündigung von Verträgen durch den Energieversorger sei § 80 Abs 2a ElWOG nicht anzuwenden.

[7] Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht zugelassen, weil die Bedeutung der zu beurteilenden Rechtsfragen aufgrund des großen Kundenkreises der Beklagten, der von gleichartigen Kündigungen von Stromlieferungsverträgen betroffen sei, über den Einzelfall hinausgehe.

[8] Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers, mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, dass der Klage statt gegeben wird. In eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[9] Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[10] Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage ist nach dem Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel durch den Obersten Gerichtshof zu beurteilen. Eine erhebliche Rechtsfrage liegt dann nicht vor, wenn die aufgezeigte Frage im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs bereits beantwortet wurde (vgl RS0112921 [insb T5]; RS0112769 [insb T9, T11, T12]).

[11] 1. Eine Änderungskündigung ist eine Kündigung unter der Bedingung, dass sich der Vertragspartner mit einer bestimmten Änderung des Vertrags nicht einverstanden erklärt (RS0028310 zu Änderungskündigungen im Arbeitsverhältnis). Neben einer Auflösungserklärung beinhaltet sie daher auch ein Anbot auf Änderung des Vertragsinhalts, dessen Annahme die Auflösung des Vertragsverhältnisses verhindert (9 Ob 16/18w Pkt II.2.). Will der Gekündigte das Vertragsverhältnis auch zu den geänderten Konditionen fortsetzen, muss er dies gegenüber dem kündigenden Unternehmer aktiv erklären. Da es sich um eine vom Verhalten des Erklärungsempfängers abhängige „Potestativbedingung“ handelt, wird eine Änderungskündigung im Allgemeinen als zulässig erachtet (RS0028310 [T2]).

[12] 2. Die grundsätzliche Zulässigkeit von Änderungskündigungen wird vom Kläger nicht in Frage gestellt. Er will jedoch auch solche Sachverhalte § 80 Abs 2a ElWOG unterstellen.

[13] Der Oberste Gerichtshof hat vor kurzem in der Entscheidung 3 Ob 7/24m zu dieser Frage ausführlich Stellung genommen. Dabei kam er zusammengefasst zum Ergebnis, dass § 76 Abs 1 ElWOG – schon seinem klaren Wortlaut nach – von der Zulässigkeit einer Vertragskündigung („ordentliche Kündigung“) durch den Lieferanten ausgehe, von dem er bei Verträgen mit Verbrauchern im Sinn des § 1 Abs 1 Z 2 KSchG und mit Kleinunternehmen die Einhaltung einer Frist von zumindest acht Wochen verlangt. § 80 Abs 2 und Abs 2a ElWOG beträfen dagegen – wiederum schon nach dem klaren Gesetzeswortlaut und überdies im Einklang mit Art 10 Abs 4 der Elektrizitätsbinnenmarkt‑RL 2019/944/EU – die einseitigen „Änderungen der (…) vertraglich vereinbarten Entgelte“ im aufrechten Vertragsverhältnis (vgl 3 Ob 90/22i), nach welcher der Kunde berechtigt sei, die „Kündigung des Vertrags (...) kostenlos und ungeachtet allfälliger vertraglicher Bindungen zu erklären“. Folgerichtig habe die Novelle BGBl I 2022/7, mit der § 80 Abs 2a ElWOG eingeführt wurde, die – einen anderen Regelungsinhalt betreffende – Bestimmung des § 76 ElWOG unberührt gelassen.

[14] 3. Von diesen Wertungen ist auch im vorliegenden Fall auszugehen. Auch eine Änderungskündigung stellt keine einseitige Änderung der vertraglichen Entgelte dar, sondern verlangt zur Wirksamkeit der Preisänderung ein aktives Tätigwerden des Kunden ansonsten der Vertrag endet. Dabei macht es keinen Unterschied, ob der Vertrag durch ordentliche Kündigung beendet und zugleich ein neuer Vertragsabschluss angeboten wird oder im Fall einer Zustimmung des Kunden die Fortsetzung des Vertrags zu neuen Bedingungen erfolgt.

[15] 4. Da demnach keine einseitige Änderung der Entgelte zu beurteilen ist, besteht für die in der Revision angeregte Vorlage an den Europäischen Gerichtshof keine Veranlassung.

[16] 5. Die Revision des Klägers war daher zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

[17] 6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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