OGH 9Ob15/00x

OGH9Ob15/00x15.3.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer, Dr. Spenling, Dr. Hradil und Dr. Hopf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Stefan R*****, *****, vertreten durch Dr. Ingrid Herzog-Müller, Rechtsanwältin in Bruck/Leitha, gegen die beklagte Partei M*****, *****, vertreten durch Dr. Christina Kuhn und Dr. Wolfgang Vanis, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 200.000,-- sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 18. Oktober 1999, GZ 14 R 160/99y-26, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 30. April 1999, GZ 13 Cg 52/97f-22, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 9.900,-- bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin S 1.650,-- Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Am 28. 4. 1992 wurde der Kläger nach einem Verkehrsunfall im von der Beklagten betriebenen Krankenhaus operiert. Aufgrund eines bei dieser Operation unterlaufenen Kunstfehlers bestehen bei ihm irreversible Dauerfolgen. Die Beklagte hat anerkannt, dem Kläger für alle Schäden, die sich als Folgen der Operation ergeben werden, zu haften. Aufgrund eines außergerichtlichen Gutachtens zahlte sie dem Kläger für die bis 29. 6. 1993 als Folge der Operation erlittenen Schmerzen Schmerzengeld in Höhe von S 212.000,--.

Zu 21 Cg 379/94y des Erstgerichtes begehrte der Kläger im Hinblick auf wahrscheinliche Spätfolgen die Feststellung der Haftung der Beklagten für künftige Schäden aufgrund der Operation und (ua) S 80.000,-- an weiterem Schmerzengeld. Die Schmerzengeldforderung begründete er mit Anfang Juni 1993 aufgetretenen Wunden am rechten Fuß, die trotz medizinischer Behandlung erst Mitte Dezember 1993 abgeheilt seien. In der Tagsatzung vom 17. 3. 1995 kündigte die Klagevertreterin die Ausdehnung des Klagebegehrens an, weil sich der Kläger einer weiteren, durch den Behandlungsfehler verursachten Operation habe unterziehen müssen (übereinstimmendes Vorbringen der Parteien Seite 2 in ON 17 dieses Verfahrens; vgl. Seite 3 in ON 12 im Verfahren 21 Cg 379/94y). Während des Verfahrens bot der Beklagtenvertreter die vergleichsweise Zahlung eines Schmerzengeldes von S 75.000,-- an. Mit Schreiben vom 8. 11. 1995 ersuchte er die Klagevertreterin um Nachricht, "ob auf der Basis unseres am 23. Oktober geführten Telefonats (Zahlung von S 75.000,-- samt Zinsen und Kosten auf dieser Basis) die Angelegenheit endgültig erledigt werden kann". Unter endgültiger Erledigung verstand die Beklagte die Erledigung aller Schmerzengeldansprüche. Der Kläger nahm dieses Angebot an, worauf im anhängigen Verfahren Ruhen eintrat.

Im nunmehrigen Verfahren begehrt der Kläger S 200.000,-- an weiterem Schmerzengeld. Der außergerichtliche Vergleich habe sich nur auf die Ulcera als Folge der gefäß- und nervenmäßigen Unterversorgung am rechten Fuß in der Zeit von Juni bis Dezember 1993 bezogen. Der Kläger habe seit der im März 1995 erfolgten weiteren Operation immer wieder Schmerzen von erheblicher Intensität erlitten. Im Laufe des Verfahrens brachte er überdies vor, sich im Mai 1998 als Folge der ursprüngliche Operation einer Aortadehnung unterzogen zu haben. Im April 1998 habe er ein - ebenfalls kausales - Druckgeschwür erlitten.

Die beklagte Partei hielt dem entgegen, dass das aufgrund des Vergleichs gezahlte Schmerzengeld eine Pauschalabfindung gewesen sei, die weitere Schmerzengeldansprüche ausschließe. Die nunmehr geltend gemachten Schmerzen seien damals bereits bekannt, jedenfalls aber vorhersehbar gewesen.

Das Erstgericht legte den im Verfahren 21 Cg 379/94y geschlossenen Vergleich iS einer endgültigen Bereinigung der Schmerzengeldforderung aus und wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es billigte die Auslegung des Vergleichs durch das Erstgericht und schloss daraus, dass dieser Vergleich sämtliche Folgen, an die die Parteien hätten denken können, erfasse. Mit der in der Berufung erhobenen Behauptung, die nunmehr geltend gemachten Schmerzen seien nicht vorhersehbar gewesen, entferne sich der Kläger vom festgestellten Sachverhalt. Als sittenwidrig habe die Rechtsprechung aber nur Globalabfindungsvergleiche erachtet, mit denen nicht vorhersehbare (und nicht bloß nicht vorhergesehene) Entwicklungen mitabgefunden werden sollten.

Die Revision sei zulässig, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, wie konkret weitere Unfallsfolgen vorhersehbar sein müssten, um in die Bereinigungswirkung einbezogen zu werden.

Die gegen dieses Urteil erhobene Revision des Klägers ist nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof ist gemäß § 508a Abs 1 ZPO an den Ausspruch des Berufungsgerichtes über die Zulässigkeit der Revision nicht gebunden. Es ist daher aufzugreifen, dass im hier zu beurteilenden Fall keine iS § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage vorliegt.

Wie ausgeführt, haben die Vorinstanzen den in Rede stehenden Vergleich dahin ausgelegt, dass damit über den damals anhängigen Rechtsstreit hinaus die Schmerzengeldansprüche des Klägers endgültig bereinigt werden sollten. Ob diese Auslegung zutrifft, ist eine Frage des Einzelfalles, die nach einheitlicher Rechtsprechung - von Fällen unvertretbarer Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht abgesehen - nicht revisibel ist. Dass auch eine andere Auslegung vertretbar wäre, begründet keine Rechtsfrage iS § 502 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0042776; zuletzt 8 Ob 307/99a; 9 ObA 241/99b). Eine krasse Fehlbeurteilung ist aber dem Berufungsgericht bei der Auslegung des von den Parteien geschlossenen Vergleichs nicht unterlaufen. Die verwendete Formulierung, in der von der endgültigen Erledigung der Angelegenheit die Rede ist, schließt die von den Vorinstanzen vorgenommene Auslegung nicht nur nicht aus, sondern stellt im Zusammenhalt mit dem Umstand, dass die Klagevertreterin vorher die Ausdehnung des Schmerzengeldbegehrens angekündigt hatte, ein gewichtiges Argument für Richtigkeit der Meinung des Berufungsgerichtes dar. Dass auch Argumente gegen diese Auslegung vorgebracht werden können, mag zutreffen. Die Möglichkeit auch einer anderen Auslegung vermag aber - wie schon ausgeführt - die Zulässigkeit der Revision nicht zu rechtfertigen.

Richtig ist, dass der Oberste Gerichtshof in jüngster Zeit ausgesprochen hat, dass eine Abfindungsklausel als sittenwidrig anzusehen ist, soweit sie auch das nachträgliche Hervorkommen subjektiv zunächst nicht vorhersehbarer Unfallsfolgen von außergewöhnlichem Umfang erfasse; jedenfalls dann, wenn der Eintritt nicht vorhergesehener Folgen zu einem ganz krassen und dem Geschädigten völlig unzumutbaren Missverhältnis zwischen dem Schaden und der bloß auf Basis der bekannten Folgen errechneten Abfindungssumme führe, könne sich der Schädiger wegen Sittenwidrigkeit iS des § 879 ABGB auf eine solche Klausel nicht mit Erfolg berufen (SZ 70/139; ebenso 2 Ob 2079/96s; ZVR 1999/64). Hier aber hat die vom Kläger ins Treffen geführte Operation nach seinem eigenen Vorbringen etwa 8 Monate vor dem Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses stattgefunden, sodass eine Berücksichtigung der bis zum Vergleich erlittenen Schmerzen von vornherein nicht in Betracht kommt. Aber auch für die Zeit danach hätte der insofern behauptungs- und beweispflichtige Kläger (EvBl 1977/266; RIS-Justiz RS00332504) schlüssige Behauptungen über einen atypischen und nicht vorhersehbaren postoperativen Verlauf aufstellen müssen. Derartige Behauptungen fehlen ebenso, wie Behauptungen über die mangelnde Vorhersehbarkeit der nachträglich vorgebrachten Umstände (Aortaerweiterung und Druckgeschwür). Auch die Einholung eines Sachverständigengutachtens wurde nicht zu diesem Beweisthema beantragt. Aus diesem Grund ist auch aus den in der Revision zitierten Entscheidungen ZVR 1979/308 und ZVR 1976/77 für den Kläger nichts zu gewinnen.

Da somit weder eine erhebliche Rechtsfrage zu entscheiden war noch eine krasse Fehlbeurteilung der zweiten Instanz aufgezeigt wird, ist die Revision nicht zulässig.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Die Beklagte hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision ausdrücklich hingewiesen.

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